Die Dialekte Italiens im Überblick


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

Hauptteil
1. Ober- und norditalienische Dialekte
1.1 Galloitalienische Dialekte
1.1.1 Dialekte des Piemonts
1.1.2 Dialekte Liguriens
1.1.3 Dialekte der Lombardei
1.1.4 Dialekte der Emilia-Romagna
1.2 Dialekte Veneziens
1.3 Dialekte Istriens
2. Mittel- und süditalienische Dialekte
2.1 Dialekte der Marken
2.2 Dialekte Umbriens
2.3 Dialekte des Latium
2.4 Dialekte der Abruzzen
2.5 Dialekte des Molise
2.6 Dialekte Kampaniens
2.7 Dialekte Apuliens
2.8 Dialekte Lukaniens (Basilicata)
2.9 Dialekte Kalabriens
2.10 Dialekte Siziliens
3. Toskanische Dialekte
4. Friaulisch
5. Sardisch

Conclusione

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die erste Klassifizierung der Dialekte Italiens stammt von dem florentinischen Poeten Dante Alighieri. Dieser spricht schon in den Kapiteln IX – XV seines Werks De vulgari eloquentia (1304) von den verschiedenen Sprachen, ebenso wie er 14 verschiedene Dialekte und diverse Unterdialekte auf dem italienischen Territorium unterscheidet. Diese Unterscheidung gründet sich auf die Lage des Appenins, der die Trennlinie zwischen diesen 14 Dialekten darstellt. Sieben befinden sich links des Bergmassivs, sieben rechts. Diese Unterscheidung bezeichnet man als “divisione dantesca”[1]. Doch nicht nur geo-graphische, sondern auch ethnische Grundsätze hat der Poet dafür einbezogen.

Zum besseren Verständnis des Begriffs Dialekt dient die Definition des Sprachwis-senschaftlers Löffler, demzufolge sechs verschiedene Kriterien zu beachten sind:

1. Linguistik

Der Dialekt ist eine Sprachsystem-Variante, der sich innerhalb seines Wirkungs-bereichs ungestörter Verstehbarkeit erfreut.

2. Verwendungsbereich

Der Dialekt wird verwendet für den familiär-intimen Bereich, örtlichen Bereich und Arbeitsplatz, vorwiegend also für das mündliche Sprechen.

3. Sprachbenutzer

Hier ist die sozio-kulturelle Zugehörigkeit des Sprechers ausschlaggebend.

4. Sprachgeschichtliche Entstehung

Der Dialekt ist als zeitliche Vorstufe einer Gemeinsprache zu sehen.

5. Räumliche Erstreckung

Der Dialekt hat eine geringere räumliche Verbreitung als die Hochsprache, die überregional gilt.

6. Kommunikative Reichweite

Der Dialekt hat einen geringeren Verständigungsradius, da er von begrenzter und dadurch minimaler kommunikativer Reichweite ist.[2]

Anhand dieser Auflistung lässt sich erkennen, dass das Thema Dialekt sehr komplex ist, und sich eine Abgrenzung vom Dialekt zur Sprache manchmal als schwer erweisen kann. Dazu kommt, dass Italien, noch weit stärker als Deutschland, bis heute ein „Eldorado“ für Dialektforscher geblieben ist. Denn es ist unbestritten, dass Italien im Laufe der Jahrhunderte von vielen verschiedenen Völkern beherrscht wurde. Auch und vor allem deshalb ist heute Italien mehr als andere europäische Länder die Wiege einer Vielfalt an Dialekten: man kommt auf mehr als 8.000 phonetisch und syntaktisch unterschiedlicher Dialekte.

Wenn man nun von italienischen Dialekten spricht, so kann damit grundsätzlich zweierlei gemeint sein: erstens „Dialekte Italiens“, d.h. Dialekte, die auf dem italienischen Territorium gesprochen werden, also z. B. auch okzitanische, rätoromanische, deutsche Dialekte, zweitens „Dialekte des Italienischen“, d.h. Dialekte, die der historischen Sprache Italienisch zugeordnet werden, wie z.B. Lombardisch, Toskanisch, Sizilianisch.[3] Nur in diesem Sinne werde ich in der vorliegenden Arbeit den Ausdruck „italienische Dialekte“ verwenden.

Hauptteil

Die italienischen Dialekte werden meist in drei große Dialektgruppen eingeteilt: die ober- oder norditalienischen Dialekte, die mittel- und süditalienischen Dialekte und die toskanischen Dialekte.

1. Ober- und norditalienische Dialekte

1.1 Galloitalienische Dialekte

1.1.1 Dialekte des Piemonts

Aus der Geschichte heraus und auf Grund der geographischen Lage hat sich das Piemont immer eher von Italien abgewandt und auch sprachlich gesehen an Frankreich orientiert.

Tatsächlich hatte das Königreich Sardinien eine entscheidende Mitverantwortung zu tragen am Eintreten des Piemontesischen ins Italienische. Hauptsächlich ist hier die Rede von der militärischen Fachsprache. Im italienischen Heer, das sich nach der Reichsgründung im Jahre 1861 konstituierte, trafen Männer aus ganz Italien im Piemont aufeinander. Die am meisten strukturierte Einheit in diesem Heer war die des Königs von Sardinien, einem Land, dessen Amtssprache zu dieser Zeit französisch war. So kommt es, dass dieser Dialekt auch heute noch sehr an das Französische erinnert (marsc’ = marche, retro boutega = arrière-boutique).[4]

Bezüglich der Grammatik lassen sich klare Regeln definieren, wie:

- Spontaner Lautwandel [á] > [é]: eingeschränkt im Piemontesischen auf die Infinitive der – are -Verben, z.B. porté (portare).[5]
- Sonorisierung und Abschwächung der lateinischen stimmlosen intervokalischen Verschlusslaute [p], [t] und [k]: cavèi (=capelli), diál (=ditale), dumenga (=domenica).
- Auch die Lang- und/oder Doppelkonsonanten werden zu einfachen Konsonanten reduziert: buka (=bocca).
- Entwicklung (meist Palatalisierung) des lateinischen Konsonantennexus -[kt]- zu [jt] in intervokalischer Stellung: lait (=latte), nöit (=notte), fait (=fatto).[6]
- Einige Wortbeispiele: barbera, barolo, nebbiolo, punt e mes, grissini, cauda (=calda), bocciare (=schiacciare), bocciatura (=schiacciatura), brojàss (=brogliaccio).[7]

Das Piemontesische ist ein sehr lebendiger Dialekt. Er wird auch heute noch in fast jeder Familie gesprochen. Erst in jüngerer Zeit hat die flächendeckende Verbreitung der Massenmedien die italienische Sprache für alle zugänglich gemacht, so dass sie innerhalb weniger Generationen gebräuchlich wurde.[8]

1.1.2 Dialekte Liguriens

Ligurien hat dem hochitalienischen Wortschatz von den nördlichen Regionen Italiens am wenigsten „abgegeben“. Die Wörter dieses Dialekts sind fast ausschließlich einem Wortfeld zuzuordnen: der Seefahrtssprache.

Da diese Wörter aber schon seit dem Mittelalter dem Hochitalienischen angehören, ist es teilweise sehr schwer, deren ligurischen Ursprung zu beweisen: scopulum (lat.) = scoppio (tosc.) = scogiu (lig.).

„In anderen Fällen muss man sich einfach an historische Gesichtspunkte halten: Finden wir die Rede eines nachweislich ligurischen Händlers in einem mittelalterlichen Dokument, so kann man davon ausgehen, dass es sich hierbei um ligurische Sprache handelt.“[9]

Seit dem 13. Jahrhundert ist die Ähnlichkeit des alten Genuesisch mit dem Portugiesischen auf die großen Seefahrer dieser beiden Völker zurückzuführen, die alle Weltmeere bereisten. Man musste sich wenigstens verständigen können. In der Folgezeit hat das Ligurische viele Nuancen in sich aufgenommen, je nachdem in welchem Gebiet es gesprochen wurde oder welcher Herrschaft es gerade unterlag (Römer, Byzantiner, Langobarden, Normannen, Franzosen).[10]

Neben der Erhaltung der unbetonten Auslautvokale werden die ligurischen Mundarten vor allem durch folgende Erscheinungen aus dem Konsonantismus charakterisiert und ziemlich deutlich von den anderen galloitalienischen Dialekten unterschieden:

- Palatalisierung des lateinischen Konsonantennexus [pl], [bl], [fl] im Anlaut:

[pl] - > [t∫]-: čöve (=piove), čü (=più)

[bl] - > [dЗ]-: ğaŋku (=bianco)

[fl] - > [∫]-: šama (=fiamma), šüme (=fiume)

- Schwund von [r] in intervokalischer Stellung: -[r]- > Ø: pea (=pera), düu (=duro), müa (=matura).[11]

- Dazu einige Wortbeispiele: mugugno[12] (=marinaio), mugugnare, pesto, trenette, vernaccia, pandolce, abbaini (=lavagna), lattoniere (=stagnino), rompiballe, BELIN: abelinato (=ohne Belin à blöd), imbelinarsi (=fallen, stolpern).[13]

1.1.3 Dialekte der Lombardei

Im Laufe der Jahrhunderte haben viele Völker die Lombardei erobert: Kelten, Etrusker, Römer, Goten, Westgoten, Ostgoten, Franken, Franzosen, Spanier und Österreicher, und alle haben auch in der Sprache ihre Spuren hinterlassen.

Doch nur wenige wissen, dass der Name „Lombardia“ von „Langobardia“ kommt, Gebiet der Langobarden, also der Männer mit den langen Bärten. Der Legende nach durchquerte dieses Volk skandinavischen Ursprungs die julischen Alpen, das Veneto und Friaul. Als die Langobarden die „Lombardei“ erreichten, eroberten sie Pavia und machten es zu ihrer Hauptstadt, während Mailand ihr Handelszentrum wurde. Es war Alboino, der 569 die Region eroberte und ihr den Namen Lombardei gab.

Als die Römer in Norditalien Kolonien gründeten, zu Zeiten der Kelten, war das in den Kolonien gesprochene Latein einfacher als die offizielle Schriftsprache. Zum Beispiel das oeu in Mangià on oeuv in cereghin (=mangiare un uovo dal tegame) und auch das u, das wie ü ausgesprochen wird, ist ein Relikt aus jener Zeit: Né donna né tila a lumm de candila (=né donna né tela a lume di candela).[14]

Typische Elemente dieser Mundart:

- Verkürzung der Verben (allungare = slongà)
- Sonorisierung und Abschwächung der lateinischen stimmlosen intervokalischen Verschlusslaute [p], [t] und [k]: cavèi (=capelli), noà (=nuotare), urtiga (=ortica).

- Auch die Lang- und/oder Doppelkonsonanten werden zu einfachen Konsonanten reduziert: galina (=gallina), spala (=spalla), bela (=bela), cusinna (=cucina).
- Palatalisierung des lateinischen Konsonantennexus [kl]- und [gl]- im Anlaut: čaf (=lat. clave, ital. chiave).
- Entwicklung (meist Palatalisierung) des lateinischen Konsonantennexus -[kt]- in intervokalischer Stellung: lač (=lat. lac, lactis, ital. latte), noč (=lat. nox, noctis, ital. notte).[15]
- Einige Wortbeispiele: risotto, minestrone, osso buco, gorgonzola, grana padano, mascarpone, panettone, grappa, fare un quarantotto (=mettere in subbuglio).[16]

1.1.4 Dialekte der Emilia-Romagna

In der Emilia-Romagna gibt es keine einheitliche Dialektgruppe. Zum einen werden innerhalb der neun Provinzen viele Dialektarten gesprochen, zum anderen weichen die mundartlichen Grenzen der Emilia-Romagna von den administrativen ab.

Giovan Battista Pellegrini unterteilt in seiner Carta dei dialetti d’Italia (Pisa 1977) den Raum Emilia-Romagna in verschiedene Abschnitte:

1. die westliche Emilia mit den Provinzen Parma, Piacenza, Reggio und Modena;
2. die östliche Emilia mit Bologna und Ferrara;
3. die Romagna mit den Provinzen Forlì, Ravenna und Rimini sowie dem Umkreis von Imola.
4. Abschnitte des Übergangs bilden der Dialekt von Mantua, das Vogherese-Pavese und das Lunigiano.

Die Vielfalt der Redeweisen in der Emilia-Romagna hängt mit historischen und geographischen Gegebenheiten zusammen, die einer Verschmelzung zu einer einzigen Sprache im Weg standen. Wie viele es sind, ist schwer zu sagen: Vertiefende Untersuchungen zum Verlauf der verschiedenen Isoglossen (Sprachgrenzlinien) stehen noch aus. Zunächst ist es gut, die beiden Teile der Verwaltungsregion auseinander zu halten: die Emilia und die Romagna.

Bezüglich der Grammatik lassen sich allgemeine Regeln definieren, wie:

- Sonorisierung und Abschwächung der lateinischen stimmlosen intervokalischen Verschlusslaute [p], [t] und [k]: cavèl (=capelli), fià (=fiato), urtiga (=ortica).
- Auch die Lang- und/oder Doppelkonsonanten werden zu einfachen Konsonanten reduziert: buka oder bòka (=bocca).
- Palatalisierung des lateinischen Konsonantennexus [kl]- und [gl]- im Anlaut: čaf (=lat. clave, ital. chiave).
- Entwicklung (meist Palatalisierung) des lateinischen Konsonantennexus -[kt]- in intervokalischer Stellung: lat (=latte), not (=notte).[17]

[...]


[1] Vgl. Grassi, C., Sobrero, A.A., Telmon, T. (11997): Fondamenti di dialettologia italiana. Roma-Bari: Laterza: 71

[2] Vgl. Löffler, H. (1974): Probleme der Dialektologie. Eine Einführung. Darmstadt: 1-10

[3] Vgl. Geckeler, H., Kattenbusch, D. (21992): Einführung in die talienische Sprachwissenschaft. Tübingen: Niemeyer: 19

[4] Vgl. Zolli, P. (11986): Le parole dialettali. Con i dialetti dalle Alpi al Lilibeo. Milano: Rizzoli Libri.: 17-25

[5] Vgl. Geckeler, H., Kattenbusch, D. (21992): 28

[6] Vgl. a.a.O.: 24-26

[7] Vgl. Zolli, P. (11986): 17-25

[8] Vgl. O.A., o.J., Online: http://home.nikocity.de/contrasto/piemont.htm [Stand: 03.08.2005]

[9] Zolli, P. (11986): 29-32

[10] Vgl. O.A., o.J., Online: http://home.nikocity.de/contrasto/ligurset.htm [Stand: 03.08.2005]

[11] Vgl. Geckeler, H. und Kattenbusch, D. (21992): 29

[12] Emanuele Celesia nel suo volumetto Linguaggio e proverbi marinareschi, pubblicato a Genova nel 1884, rgistra il motto “Senza vino si naviga, senza mugugni no” in: Zolli, P. (11986): 30

[13] Vgl. Zolli, P. (11986): 29-32

[14] Vgl. O.A., o.J., Online: http://home.nikocity.de/contrasto/lombard.htm [Stand: 03.08.2005]

[15] Vgl. Geckeler, H. und Kattenbusch, D. (21992): 24-26

[16] Vgl. Zolli, P. (11986): 11

[17] Vgl. Geckeler, H. und Kattenbusch, D. (21992): 24-26

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Dialekte Italiens im Überblick
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Fachbereich für Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft in Germersheim)
Veranstaltung
Italienische Varietätenlinguistik
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V89384
ISBN (eBook)
9783638030649
ISBN (Buch)
9783668147898
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Achtung - die Zusammenfassung am Ende der Arbeit ist in italienischer Sprache.
Schlagworte
Dialekte, Italiens, Italienische, Varietätenlinguistik
Arbeit zitieren
Julia Wolf (Autor:in), 2006, Die Dialekte Italiens im Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89384

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