„Der Irak ist ein gescheiterter Staat.“ - Diese oder vergleichbare Aussagen finden sich reihenweise in der neueren wissenschaftlichen und journalistischen Literatur . Es heißt, seit der Militärintervention der USA und ihrer Verbündeter 2003 „versage“ der Irak oder er wäre „fragil“. Unabhängig hiervon stimmen die Beurteilungen, nach denen der Irak „fragil“ sei, auch mit den Rankings führender Institutionen überein .
Die internationalen Medien, die seit 2003 kontinuierlich über die desolaten Zustände im Irak berichten, zeichnen ein Bild, das diese Wahrnehmung unterstreicht. Wieso sieht die Situation im Zweistromland tatsächlich aus bzw. was ist seit dem Einmarsch der Koalition geschehen? Dem voran stellt sich aber eine grundlegendere Frage: Was ist ein gescheiterter Staat? Dies impliziert wiederum die elementare Frage nach dem Modell „Staat“ selbst. Allein dieser Begriff birgt diverse divergierende Ansichten.
Durch den externen Schock des Krieges 2003 brach der irakische Staat zunächst zusammen und versetzte die Besatzungsmächte bzw. die USA als dominierende Macht in eine „Stunde Null“. Im Folgenden lag es in der Verantwortung der Vereinigten Staaten, die irakische Staatlichkeit wieder aufzubauen. Die USA befanden sich hierfür in einer günstigen Situation, denn sie waren nicht vor die grundlegende Schwierigkeit externer Statebuilder gestellt, Mittel und Wege zu finden, um mit einer irakischen Regierung oder einem anderen Regime zu kooperieren. Die UN-Resolution 1483 legitimierte die USA und ihre Partner als offizielle Besatzungsmacht .
Trotz dieser Handlungsfreiheit ist es den USA entgegen den Erwartungen der Bush-Administration scheinbar jedoch nicht gelungen, ihre ambitionierten Vorstellungen bezüglich der Zukunft des Iraks umzusetzen.
Hierbei stellen sich die Fragen, wie diese aussahen, welche Situation die USA nach Beendigung der Kampfhandlungen im Irak erwarteten und wie sie sich darauf vorbereiteten. Anders gefragt: Plante die Bush-Administration Statebuilding im Nachkriegsirak?
Im Folgenden sollen die Entwicklungen im Irak (Sicherheit, Ökonomie und Demokratie) seit dem Einmarsch näher analysiert und mit den Erwartungen der USA einerseits und ihren folgenden Entscheidungen andererseits verglichen werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Fragestellung
- 1.2. Hypothesen
- 1.3. Einschränkungen
- 1.4. Methodik / Literatur
- 1.5. Erkenntnisinteresse
- 1.6. Vorgehen
- 2. Konzeptionalisierungen
- 2.1. Der Staat
- 2.2. Fragile Staatlichkeit
- 2.2.1. Begriffsklärung / Typologie
- 2.3. Statebuilding
- 2.3.1. Exkurs: Ordnungsmodelle jenseits des „Staats“
- 2.3.2. Definition von Statebuilding
- 2.3.3. Statebuildingmaßnahmen
- 2.3.4. Abgrenzung von „Statebuilding“ gegenüber ähnlichen Begriffen
- 2.3.5. Strategien internationalen Statebuildings
- 2.3.6. Kurzfristige Minimalkriterien des Statebuilding
- 2.3.7. Dilemmata des Statebuildings
- 3. Exkurs: Moderne Kriegsführung als Problem für Statebuilding
- 4. US-Programmatik zur Notwendigkeit von Statebuilding – Ein Sinneswandel
- 5. Quo Vadis Irak?
- 5.1. Historie des Iraks
- 5.1.1. Geburt eines ethnisch-konfessionell geprägten Landes
- 5.1.2. Saddams Staat – Das fragile Fundament des neuen Iraks
- 5.2. Planungsphase für den Nachkriegsirak – Vor „Operation Iraqi Freedom“
- 5.2.1. Lageeinschätzung des Iraks
- 5.2.2. Strategien für „Phase IV - Operation zur Stabilisierung“
- 5.3. „Mission Accomplished“? – Die Realität des Nachkriegsiraks
- 5.3.1. Unerwartete Szenarien – „Wer hat in Bagdad das Licht ausgemacht?“
- 5.3.2. Coalition Provisional Authority
- 5.4. Sicherheit
- 5.4.1. Beginn der Eskalationen
- 5.4.2. Die zweite Stufe der Eskalation
- 5.4.3. Aufbau der irakischen Sicherheitskräfte
- 5.4.4. Der Weg in den Bürgerkrieg
- 5.5. Wohlfahrt / Wirtschaft
- 5.5.1. Transformation des Wirtschaftssystems
- 5.5.2. Wirtschaftliche Entwicklung
- 5.6. Rechtsstaatlichkeit / Legitimität
- 5.6.1. Der Irak unter der Besatzung
- 5.6.2. Ethnisierung bzw. Konfessionalisierung von Politik und Gesellschaft
- 5.6.3. Interessen und Kernforderungen der Kurden, Schiiten und Sunniten
- 5.6.4. Formale Souveränitätsübergabe
- 5.6.5. Die Republik Irak – eine freie parlamentarische Demokratie (?)
- 5.7. Exkurs: Befreier vs. Besatzer? – Wie hegemoniales Image Sympathien verspielt
- Konzeptionalisierung des Staatsbegriffs und von fragiler Staatlichkeit
- Analyse der Herausforderungen und Dilemmata des Statebuildings im Irak
- Untersuchung der US-amerikanischen Programmatik zum Statebuilding im Irak
- Beurteilung der Sicherheitssituation, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Rechtsstaatlichkeit im Irak
- Identifizierung der Kernforderungen der verschiedenen irakischen Bevölkerungsgruppen
- Kapitel 1: Einleitung - Die Einleitung stellt die Fragestellung, die Hypothesen und die Methodik der Arbeit vor.
- Kapitel 2: Konzeptionalisierungen - Dieses Kapitel definiert die zentralen Begriffe „Staat“, „Fragile Staatlichkeit“ und „Statebuilding“.
- Kapitel 3: Exkurs: Moderne Kriegsführung als Problem für Statebuilding - Dieser Exkurs beleuchtet die Herausforderungen, die die moderne Kriegsführung für Statebuilding-Prozesse darstellt.
- Kapitel 4: US-Programmatik zur Notwendigkeit von Statebuilding – Ein Sinneswandel - Dieses Kapitel untersucht die Entwicklung der US-amerikanischen Politik hinsichtlich Statebuilding im Irak.
- Kapitel 5: Quo Vadis Irak? - Dieses Kapitel analysiert die Geschichte des Iraks, die Planungsphase für den Nachkriegsirak und die Entwicklungen nach der Invasion. Es betrachtet die Situation in Bezug auf Sicherheit, Wirtschaft und Rechtsstaatlichkeit.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit der Frage, ob ein erfolgreicher Staat im Irak möglich ist. Die Arbeit analysiert die Herausforderungen des Statebuildings im Irak nach der US-geführten Intervention von 2003 und untersucht die Gründe für die anhaltende Fragilität des irakischen Staates.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Statebuilding, Fragile Staatlichkeit, Irak, US-Intervention, Sicherheit, Wirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, ethnische und konfessionelle Konflikte und die Herausforderungen der Nachkriegsordnung.
- Quote paper
- Moritz Hanisch (Author), 2008, Statebuilding im Irak?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89464