Der Demokratisierungsprozess Südafrikas in der Theorie der Transformationsforschung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Einführung: Historischer Abriss
2.2. Südafrika in der Apartheid: Systemtheoretische Einordnung
2.3. Transformationsphasen
2.3.1. Ende des autokratischen Systems
2.3.2. Institutionalisierung der Demokratie
2.3.3. Konsolidierung der Demokratie
2.4. Das Ende der Apartheid (Liberalisierung)
2.4.1. Systeminterne Ursachen
2.4.2. Systemexterne Ursachen
2.4.3. Reformversuche der Regierung
2.5. Die Institutionalisierung der Demokratie (Demokratisierung)
2.6. Die Etablierung der Demokratie (Konsolidierung)
2.6.1. Internationales Umfeld
2.6.2. Ökonomische Einflüsse
2.6.3. Zustand des politischen Systems und seiner Institutionen

3. Schluss / Fazit

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Verabschiedung der südafrikanischen Verfassung am 8. Mai 1996 besiegelt das, was sich seit Beginn der 80er Jahre unter großem internationalen Druck vollzogen hatte. Das rassistische Apartheid-Regime wich einem westeuropäisch-geprägten, pluralistischen und weltoffenen demokratischen System. Nach fast vier Jahrhunderten weißer Herrschaft hatten die schwarzen Südafrikaner endlich die gleichen Privilegien wie die weiße Minderheitsbevölkerung. Die in alle Lebensbereiche eingreifenden Gesetze der Apartheid hatten endlich ein Ende und der bis dato verschmähte südafrikanische Staat wurde zum Vorbild vieler anderer Staaten des afrikanischen Kontinents. Die Regenbogennation ersetzte das anachronistische Apartheid-Regime und die Demokratie öffnete einem freiheitlichen Übergang ins 21. Jahrhundert am Kap der Guten Hoffnung Tür und Tor.

Da die südafrikanische Demokratisierung sich nicht analog mit ähnlichen Systemwechseln in der Region vollzogen hat, taucht sie nicht in der Chronologie der Transformationsforschung auf. Diese ordnet die zahlreichen Systemwechsel seit Beginn des 19. Jahrhunderts in drei Demokratisierungswellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der südafrikanische Systemwechsel gänzlich von den empirischen Konstrukten der Transformationsforschung unterscheidet. Das Gegenteil ist der Fall: Im gesamten Verlauf lassen sich Parallelen zur Theorie ziehen. Und genau hier setzt die Zielsetzung dieser Arbeit an.

Stets an den Theorien der Systemforschung orientiert, wird der Übergang vom südafrikanischen Apartheid-Regime zu einer der jüngsten Demokratien der Welt nachvollzogen. Die allgegenwärtige Frage lautet dabei: Inwiefern erweisen sich die Theorie der Systemwechsel und das Fallbeispiel Südafrika als kohärent. Worin bestehen die groben Gemeinsamkeiten? Wo hingegen erweist sich das südafrikanische Wechselbeispiel als eigen?

Bevor der eigentliche Systemwechsel in den Mittelpunkt gerückt wird, wird der Versuch eines kurzen historischen Überblicks unternommen: Wie ist die ethnische Zusammensetzung Südafrikas zu erklären? Woraus resultieren die entsprechenden Machtverhältnisse?

In Kapitel 2 steht wiederum die Transformationstheorie Pate. Unter dem Titel „Systemtheoretische Einordnung“ ist der Vergleich zwischen dem Apartheid-Regime in der Praxis und den Eigenschaften autokratischer beziehungsweise autoritärer Systeme in der Theorie zu verstehen: Was kennzeichnet ein autoritäres System gegenüber totalitären Systemen und Demokratien? Weshalb kann im Falle des Apartheid-Südafrikas von einem autoritären System gesprochen werden und mit welchem Subtypus haben wir es zu tun?

Den dritten Teil der theoretischen Grundlagen nehmen die Transformationsphasen ein. Diese beschreiben den typischen Verlauf einer Transformation. Von der Liberalisierung im noch bestehenden autokratischen System über die Institutionalisierung der neu zu schaffenden Demokratie bis zur endgültigen Konsolidierung der Demokratie.

Nach diesen theoretischen Einführungen setzt der Kern der Südafrika-orientierten Untersuchung in den 80er Jahren, sprich in der Endphase der Apartheid, ein. Dieser Übergangsbeginn wird in der Transformationsforschung als Liberalisierung bezeichnet und besteht in der Regel aus Reformversuchen der aktuellen Regierung beziehungsweise des Regimes. Hauptaugenmerk hierbei die internen und externen Ursachen für den Zerfall des Systems. Auch hier stellt die Theorie nützliche Kriterien zur Verfügung.

Der eigentliche Aufbau der Demokratie beginnt mit der Demokratisierungsphase. Hier stehen sowohl der Verlauf als auch das Endprodukt des Prozesses im Vordergrund: Lässt sich der südafrikanische Regimewechsel einem transformationstheoretischen Verlaufsmuster zuordnen und wie gestaltet sich dessen Endprodukt? Der zweite Teil besteht vorrangig aus der Analyse der endgültigen südafrikanischen Verfassung von 1996. Mit der Verabschiedung dieser endet der theoretische Teil der Demokratisierung.

Abschließend geht es darum zu untersuchen, in wie weit sich die Demokratie in Südafrika etabliert hat. Die Theorie spricht hier von der Konsolidierungsphase. Diese Etablierung vollzieht sich im Idealfall auf vier Ebenen. Da diese Phase im Fall Südafrikas bis in die Gegenwart reicht, kommt die Analyse einer Gegenwartsbeschreibung sehr nahe und lässt durchaus Platz für einen Ausblick in die kommenden Jahre.

2. Hauptteil

2.1. Einführung: Historischer Abriss

Zu Beginn der Untersuchung soll ein grober Einblick in die südafrikanische Geschichte verschafft werden. Dieser ist wichtig zum besseren Verständnis und zur Analyse der Ereignisse der letzten beiden Jahrzehnte.

Politisch lässt sich die Geschichte des Landes am Kap der Guten Hoffnung in drei Teile gliedern, die zeitlich gesehen jedoch keineswegs Drittel darstellen: Weiße Vorherrschaft, Transformation und konsolidierte Demokratie. Als Kriterium der Beurteilung soll dabei das Verhältnis zwischen den schwarzen Ureinwohnern und den weißen Kolonialherren dienen, das im Laufe der Zeit an Facetten gewonnen hat. Schon lange nicht mehr lässt sich die schwarze Bevölkerung Südafrikas als wirtschaftlich-kulturell homogene Gruppe definieren. Gemein ist dieser Bevölkerungsgruppe allerdings die Unterjochung durch die Weißen, deren Kolonialisierungszug in Südafrika 1652 beginnt. Damals waren es die Niederländer, die am Kap eine Versorgungsstation für Schiffe der Niederländisch-Ostindischen-Kompanie gründeten.[1] Bis 1910 war die südafrikanische Geschichte geprägt durch interne Konflikte. Einerseits zwischen den als Buren bezeichneten niederländischen Siedlern und den Briten, die 1806 zum ersten Mal die Macht am Kap übernahmen. Andererseits zwischen den weißen Kolonialherren und der schwarzen Urbevölkerung.[2] Dabei erwiesen sich besonders Bantus und Zulus als Opfer der weißen Kolonialpolitik. Hatten sich die Briten im Vergleich zu den Buren anfangs gegenüber den Ureinwohnern als menschlich erwiesen[3], so sollte sich dies ab 1910 schlagartig ändern. Dieses Datum markiert die Gründung der Südafrikanischen Union und den Beginn einer fast 40-jährigen britischen Herrschaft am Kap. Wichtiger ist jedoch zu erwähnen, dass die Briten ihr „farbenblindes“ Zensuswahlrecht aufgaben und burisch-rassistische Ideen übernahmen. Dieses Phänomen liegt in einer Annäherung zwischen Briten und Buren begründet. Briten und Buren waren gegenseitig wirtschaftlich abhängig und hatten in der schwarzen Mehrheitsbevölkerung einen gemeinsamen Gegner. Bis 1948 sollten die Briten zahlreiche rassistische Gesetze erlassen, die den Buren in der Folge als Basis der Etablierung ihrer Apartheid-Politik dienten.[4] 1948 endete die britische Hegemonie am Kap mit dem Wahlsieg der burischen Nationalpartei.[5] Die folgenden 50 Jahre standen ganz im Zeichen der rassistischen Apartheid-Ideologie, der als „Politik der getrennten Entwicklung“ getarnten systematischen Herrschaft der weißen über die nicht-weißen Südafrikaner. Durch eine Vielzahl von Gesetzen wurde die Apartheid zur Staatsdoktrin erhoben[6], ohne dass die Schwarzen die Möglichkeit bekamen, durch Wahlbeteiligung über die Zusammensetzung der Regierung mitzubestimmen. Auf Grundlage des „Population Registration Act“ und des „Group Areas Act“ wurde die Bevölkerung systematisch in vier Gruppen aufgeteilt (Weiße, Mischlinge, Inder und Schwarze) und getrennt angesiedelt.[7] Die Schwarzen fristeten fortan ein Dasein am Existenzminimum in wirtschaftlich unbrauchbaren Gebieten, den sogenannten „Homelands“. Die Schwarzen wurden ihrer individuellen Freiheit beraubt und hatten als Bevölkerungsstärkste ethnische Gruppe das geringste Mitspracherecht. Gleichzeitig litten sie am meisten unter den rassistischen Bestimmungen der burischen Regierung.

Hier ist der Grund für das zu suchen, was sich in den 80er Jahren entwickelte und letztlich zum Übergang Südafrikas in die Demokratie 1994 (Erste freie Wahlen) beziehungsweise 1996 (Demokratische Verfassung) führte. Systemendo- und -exogene Faktoren sorgten mit der Zeit für eine zunehmende Instabilität des Systems, was in der Theorie der Transformationsforschung als Ursprung eines Übergangsprozesses zu deuten ist. Die genaue Ursachenerforschung soll aber Gegenstand späterer Kapitel der Untersuchung sein.

2.2. Südafrika in der Apartheid: Systemtheoretische Einordnung

Der vorangegangene historische Abriss hat bereits die Widersinnigkeit des rassistischen Apartheid-Regimes dokumentiert. Bevor allerdings auf die endo- und exogenen Stabilitätsprobleme eingegangen werden kann, muss das System politisch eingeordnet werden. Auch hierzu stellt die Transformationsforschung beziehungsweise –theorie Kriterien und Werkzeuge bereit.

Wolfgang Merkel zieht zur typologischen Einteilung politischer Systeme sechs Herrschaftskriterien heran und beruft sich dabei unter anderem auf Hannah Arendt und Karl Loewenstein[8]:

- Herrschaftslegitimation
- Herrschaftszugang
- Herrschaftsmonopol
- Herrschaftsstruktur
- Herrschaftsanspruch
- Herrschaftsweise

Ohne dabei auf die Kriterien im einzelnen einzugehen, sollen an dieser Stelle die dabei im Mittelpunkt stehenden Fragen aufgegriffen werden: Wie legitimiert sich die Herrschaft (Volkssouveränität? Patriotismus? Etc.) ? Wie ist der Zugang zur Macht geregelt (Universelles Wahlrecht? Eingeschränktes Wahlrecht?) ? Wer trifft die politisch relevanten Entscheidungen? Wie steht es um die Gewaltenteilung beziehungsweise –verschränkung? Wie ist der Herrschaftsanspruch gegenüber der Bevölkerung begrenzt? Welchen Prinzipien folgt die Ausübung staatlicher Herrschaft?

Wendet man diese Unterscheidungskriterien konsequent an, so ergeben sich drei Gruppen: Demokratien, autoritäre Systeme und totalitäre Systeme. So ist beispielsweise in Demokratien der Herrschaftszugang offen, in autoritären Systemen erheblichen Einschränkungen unterlegen und in totalitären Systemen geschlossen. Während autoritäre Systeme die oben erwähnten demokratischen Herrschaftskriterien nur verletzen, heben totalitäre sie komplett auf. Dabei ist zu bemerken, dass der Unterschied zwischen Demokratien und autoritären Systemen deutlich größer ist als der zwischen autoritären und totalitären Systemen. Aus diesem Grunde unterscheidet Hans Kelsen nur zwei Grundtypen politischer Herrschaft: Demokratien und Autokratien.[9]

Um den Rahmen dieser Untersuchung nicht zu sprengen, kann vorweggenommen werden, dass wir es im Falle Südafrikas mit einem autoritären Herrschaftssystem zu tun haben. Im folgenden soll der Beweis dieser Einordnung erbracht und die Typisierung Südafrikas im Verständnis der Systemtheorie präzisiert werden.

[...]


[1] Paul Drechsel / Bettina Schmidt: Südafrika, Opladen 1995, 57.

[2] Ulrike Schumacher : Politische Formen für fragmentierte Gesellschaften. Das Beispiel Südafrika, Berlin 1994, 27.

[3] Paul Drechsel / Bettina Schmidt : Südafrika, 60-61.

[4] Ulrike Schumacher : Politische Formen für fragmentierte Gesellschaften. Das Beispiel Südafrika, 36.

[5] Ulrike Schumacher : Politische Formen für fragmentierte Gesellschaften. Das Beispiel Südafrika, 37.

[6] Rolf Lange: Südafrika auf dem Weg zur Demokratie. Föderalismus als Option der Konsolidierung? Münster 1998, 34.

[7] Martin Pabst : Südafrika, München 1997, 102.

[8] Wolfgang Merkel: Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung, Opladen 1999, 25.

[9] Wolfgang Merkel: Systemtransformation, 26-27.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Demokratisierungsprozess Südafrikas in der Theorie der Transformationsforschung
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Von der Diktatur zur Demokratie
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
25
Katalognummer
V8954
ISBN (eBook)
9783638157810
Dateigröße
563 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vergleich des südafrikanischen Demokratisierungsprozesses seit dem Ende der Apartheid mit der entsprechenden Theorie der Transformation von autokratischen (totalitären und autoritären) Systemen zu Demokratien.
Schlagworte
Südafrika, Demokratie, Politisches System, Transformation, Transition
Arbeit zitieren
Boris Cremer (Autor:in), 2002, Der Demokratisierungsprozess Südafrikas in der Theorie der Transformationsforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8954

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