Russlanddeutsche Spätaussiedler und Aspekte ihrer Integration in Deutschland


Hausarbeit, 2007

31 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte der Russlanddeutschen
2.1. Einwanderung nach Russland
2.2. Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland

3. Integrationsmaßnahmen für Russlanddeutsche
3.1. Bis 1992
3.2. Nach 1992

4. Aspekte der Integration von Aussiedlern und Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion
4.1. Sprachkenntnisse
4.2. Segregation
4.3. Aussiedlerkriminalität
4.4. Berufliche Integration
4.5. Bildungssituation

5. Russlanddeutsche im aktuellen bundesweiten Integrationskontext
5.1. „Integration von Spätaussiedlern in Bayern“
5.2. „Handlungskonzept zur Integration der Spätaussiedler/-innen aus der ehem. UdSSR und ihren Familienangehörigen in Essen“
5.3. „Identität und Integration – Ein Integrationsangebot für Spätaussiedler in Ergänzung zum Integrationskurs“
5.4. Zusammenfassung

6. Schlussbemerkung

7. Bibliographie

1. Einleitung

Der Begriff „Integration“ ist nicht unumstritten, kann ihn doch jeder nach Bedarf für sich selbst auslegen. Oft sind die geführten Diskussionen sehr kontrovers und kommen nur selten auf einen gemeinsamen. Die Integrationsforderer verlangen eine Anpassung der Zuwanderer an die hiesige deutsche Gesellschaft, denn nur zu gern zählt man negative Beispiele von „Desintegration“ auf, die sich auch in Form von Gesetzesverstößen niederschlagen. Diese Forderung ist jedoch oft sehr pauschal formuliert und liefert nur selten wirkliche Lösungsansätze.

Dagegen fühlen sich die Zuwanderer im Ausleben ihrer kulturellen und religiösen Traditionen stark eingegrenzt und lehnen eine pauschale Verurteilung und Einmischung ab. Nicht zuletzt monieren sie die ungleiche Chanceverteilung, die für sie in den verschiedensten Bereichen zu spüren ist.

Obwohl sie Einwanderer mit Sonderstatus sind, werden auch russlanddeutsche Spätaussiedler nicht aus der Integrationsdebatte ausgeklammert. Lange Zeit galt diese Gruppe als besonders anpassungsfähig und somit als integriert in die deutsche Gesellschaft. Doch mit dem Zusammenbruch des Ostblocks erreichte der Zustrom von Aussiedlern enorme Dimensionen. Allmählich wurde Kritik laut, diese Zuwanderer würden sich nicht integrieren wollen. In den Medien verbreiteten sich Schlagworte wie „Russenmafia“, „Klein-Moskau“ oder „Sozialschmarotzer“ im Zusammenhang mit den Spätaussiedlern.

In dieser Arbeit soll ein kleiner Überblick zur Situation der Russlanddeutschen in der Bundesrepublik Deutschland gegeben werden. Außerdem wird ein Einblick in die Geschichte dieser Menschen verschafft werden und einige Integrationsmaßnahmen des Bundes vorgestellt. Aber auch ihre Probleme und Schwierigkeiten in der deutschen Gesellschaft finden Erwähnung. Im Anschluss werden drei Integrationskonzepte für Spätaussiedler vorgestellt und kritisch hinterfragt.

Dem Autor ist bewusst, dass die Begriffe „Aussiedler“, „Spätaussiedler“ und „Russlanddeutsche“ nicht ganz identisch sind. Im Verlaufe der Arbeit beziehen sich diese Bezeichnungen ausschließlich auf deutschstämmige Zuwanderer und deren Angehörige aus der ehemaligen Sowjetunion.

2. Die Geschichte der Russlanddeutschen

2.1. Einwanderung nach Russland

Schon im Mittelalter gab es erste Ansiedlungen bzw. Wanderungen in den Osten Europas. Der „Deutsche Orden“ betrieb zum Zwecke der „Missionierung“ einen regelrechten Ausrottungsfeldzug Richtung Osten. Seine Grenzen stellte immer noch Russland dar. Im Laufe der Zeit ließen sich zahlreiche Deutsche im Großfürstentum Moskau nieder und gründeten sogar eine kleine Stadt in der Nähe Moskaus. Eine größere Einwanderung von Deutschen in das Russische Reich setzte aber erst mit Peter den Großen (1682-1725) ein. Peter der I. wollte sein Land modernisieren und zum Westen hin öffnen und dafür holte er sich viele Offiziere, Wissenschaftler, Ärzte, Lehrer, Handwerker und Baumeister ins Land. Ein nicht geringer Anteil dieser Arbeitsmigranten waren Menschen aus deutschen Fürstentümern (Ingenhorst 1997: 18f).

Doch erst mit Katharina der Zweiten (1762-1796) begann eine systematische Ansiedlung von deutschen Kolonisten nach Russland. Zarin Katharina, selbst eine Deutsche, versprach den Einwanderern zahlreiche Privilegien wie Religionsfreiheit, Befreiung vom Militärdienst, Steuerfreiheit und kulturelle Eigenständigkeit. Zwischen 1764 und 1767 folgten etwa 23 000 bis

29 000 Menschen der Einladung. Sie wurden mehrheitlich in der Nähe Sankt Petersburg und an der Wolga bei Saratow angesiedelt (Eisfeld 2000: 16).

Ende des 18. und zu Beginn der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgte eine zweite Einwanderungswelle. Diesmal kamen ca. 55 000 Personen und siedelten sich überwiegend im Schwarzmeergebiet der Ukraine an. Bis 1820 wanderten auf diesem Wege etwa 100 000 Kolonisten in das Russische Reich ein (Ingenhorst 1997: 27). Das Bevölkerungswachstum dieser Gruppe war so stark, dass bereits 1897 bei einer Volkszählung über 1,8 Millionen Deutsche im zaristischen Russland lebten (ebenda 28). In den darauf folgenden Jahrzehnten wuchs die deutsche Bevölkerung auf über zwei Millionen an.

Während des Ersten Weltkrieges leisteten rund 300 000 Russlanddeutsche ihren Dienst in der zaristischen Armee. Trotz ihrer Loyalität wurden sie aber im Verlaufe des Krieges durch die Liquidationsgesetze (1915 – 1917) zuerst aus einem 150 Kilometer breiten Grenzstreifen in Wolhynien vertrieben und später auch vieler anderer Rechte beraubt (Eisfeld 2000: 19).

Nach der Abdankung des Zaren Nikolaus II. im Jahre 1917 strebten viele Völker und Ethnien im Russischen Reich eine Selbstbestimmung an. So auch viele deutsche „Rayons“ (Bezirke). Die Höhepunkte dieser Bestrebungen stellte die Bildung eines „Autonomen Gebietes der Wolgadeutschen“ im Oktober 1917 dar und die Aufwertung dieses zur „Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (ASSR) der Wolgadeutschen“ (1924) (Eisfeld 2000: 20). Doch dieses Glück währte nicht lange, denn schon bald setzten die Zwangskollektivierung und die Enteignung der Bauern ein. Diese hatten zur Folge, dass hunderttausende Bauern unter denen auch viele Deutsche waren nach Sibirien bzw. Mittelasien verbannt wurden. Mit der Etablierung der Nationalsozialisten in Deutschland verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern und dies hatte auch gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Situation der Russlanddeutschen. Eisfeld schreibt, dass allein in der Ukraine der Jahre 1937/38 über 120 000 Deutsche zum Tode und mehr als 70 000 zu Gefängnis bzw. Lagerhaft verurteilt wurden (Eisfeld 2000: 21).

Der Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 zog noch viel härtere Konsequenzen für die deutsche Bevölkerung nach sich. Im August 1941 erklärte der Oberste Rat der UdSSR alle Wolgadeutschen zu Kollaborateuren der Nazis und ordnete die Zwangsumsiedlung dieser nach Sibirien und Mittelasien an. Bis Ende des Jahres wurden mehr als 800 000 Menschen deportiert. In ihren Zielgebieten waren die erwachsenen Überlebenden (Männer ab 15 Jahre und Frauen, wenn sie keine Säuglinge hatten) verpflichtet in der Arbeitsarmee ihren Dienst zu leisten. Diese Zwangsarbeiter wurden vorwiegend beim Bau von Industrieanlagen, Bahnlinien, Straßen und Kanälen sowie im Bergbau eingesetzt (vgl. Eisfeld 2000: 21; Eberbach 2003: 34). Aber auch nach Kriegsende konnten die Russlanddeutschen ihre Sondersiedlungen und die Arbeitsarmee nicht verlassen. Erst ab Anfang 1956 waren sie frei, konnten jedoch nicht in ihre alten Herkunftsorte zurückkehren.

Durch die Deportation hat sich eine neue Bevölkerungsverteilung eingestellt. Lebten im Jahre 1926 noch fast 90% der Deutschen im europäischen Teil der Sowjetunion, so lag ihr Schwerpunkt 1979 mit 80% in Sibirien und einigen mittelasiatischen Sowjetrepubliken wie Kasachstan und Kirgisien (Eisfeld 2000: 22).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ehemalige und heutige Siedlungsgebiete im Bereich der ehemaligen UdSSR. Quelle: Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (2007).

2.2. Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland

Die Entwurzelung aus den alten Wohnregionen sowie der zunehmende Verlust der eigenen Sprache und Traditionen, aber auch das anhaftende Stigma als Kollaborateure steigerte die Bestrebungen aus der Sowjetunion auszusiedeln. Bereits Ende der 1950 versuchten mehrere Tausend Russlanddeutscher einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu stellen, jedoch wurde diesem nur selten stattgegeben.

Mit der Rehabilitierung von 1964 erhofften sich viele erneut doch noch in ihre Heimat zurückzukehren. Doch Proteste der dort seit zwanzig Jahren ansässigen russischen Bevölkerung und die hohen volkswirtschaftlichen und sozialen Kosten sprachen gegen eine Neuansiedlung (Ingenhorst 1997: 60). In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Ausreisenden nur minimal um einige hundert an und hielt sich relativ konstant bis in die 1970er Jahre. Die nächste Auswanderungswelle begann 1970 und ebbte Mitte der 1980er wieder ab. In dieser Zeit reisten etwas mehr als 72 000 Menschen in die BRD. Erst mit Gorbatschows Reformen stiegen die Zahlen zum Jahr 1987 sprunghaft an und explodierten förmlich mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ ab 1989. Ein weiterer Ausreisegrund wurde der Zerfall der Sowjetunion und der damit einhergehende Niedergang der Wirtschaft. Viele Menschen nutzten nun die Möglichkeit der wirtschaftlichen Katastrophe und dem gesellschaftspolitischen Abstieg durch Emigration zu entkommen. Das Jahr 1994 bildet hierbei mit 213 000 Aussiedlern den Höhepunkt der Auswanderung der Russlanddeutschen (Bundesverwaltungsamt 2007: 1).

Durch Verschärfung der Aufnahmeregelungen ab 1993 nahm die Anzahl der Spätaussiedler in Deutschland aber konstant ab und zählte im Jahr 2006 nur noch 7747 (Bundesministerium des Innern: BMI). Einer der Gründe ist das konstante und starke Wirtschaftswachstum in Kasachstan und der Russischen Föderation.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Aussiedler- und Spätaussiedlerzuzug (1950–2000). Quelle: Süssmuth 2001: 178.

Von 1950 bis 2005 sind laut BMI allein über 2,3 Millionen Russlanddeutsche nach Deutschland emigriert. Insgesamt sind mehr als 4,5 Millionen Aussiedler in diesem Zeitrahmen in die Bundesrepublik eingereist. Die überwiegende Mehrheit gelangte erst nach 1989 in die BRD, was verstärkt zu großen Integrationsproblemen geführt hatte (Bundesverwaltungsamt 2007: 1).

Das Bundesinnenministerium schätzt, dass noch ca. zwei Millionen Angehörige deutscher Minderheiten in Ost- Südosteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion leben.

3. Integrationsmaßnahmen für Russlanddeutsche

3.1. Bis 1992

Bemerkenswert für die Integration von Aussiedlern bis in die Mitte der 1980er Jahre war eher eine „laissez faire“-Haltung. Die relativ geringe Zahl der Zuwanderer hatte verschiedene Vorteile. So waren große regionale Konzentrationen von Aussiedlern eher Randerscheinungen. Die vergleichsweise guten Deutschkenntnisse ermöglichten eine schnellere Integration sowohl im sozialen als auch im wirtschaftlichen Bereich und zur Arbeitsmarktintegration trug natürlich auch die damalige positive wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik bei. Neben Sprachkursen wurden die Neuzuwanderer ebenfalls durch berufliche Qualifikationsmaßnahmen und finanzielle Zuwendung gefördert.

Die Höchstdauer der Sprachkurse wurde jedoch kontinuierlich herabgesetzt. Betrug sie 1976 noch zwölf Monate so waren es 1988 zehn und 1991 nur noch acht Monate (Dietz u. Hilkes 1994: 52). Gerade zu dem Zeitpunkt als Ende der 1980er Jahre der Auswanderungsstrom zunahm und sich die Sprachkenntnisse der Zugewanderten verschlechterten, stutzte man die Sprachausbildung auf ein Minimum.

3.2. Nach 1992

Ab dem 1. Januar 1993 tritt das neue Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in Kraft. In diesem neuen Gesetz wird auch der Status der Spätaussiedler und ihrer Angehörigen neu geregelt. Das Bundesverwaltungsamt begrenzt den jährlichen Zugang vorerst auf 225.000 Personen und zum 1.1.2000 auf ca. 100.000 Personen.

In den darauf folgenden Jahren nimmt der prozentuelle Anteil der Spätaussiedler, an der gesamten Menge der Zuwanderer, deutlich ab. Verstärkt reisen Personen ein, die nach dem BVFG keine deutschen Volkszugehörigen sind, sprich nichtdeutsche Ehegatten und Abkömmlinge. Diese Ehegatten, Kinder und Kindeskinder verfügen aber zunehmend über kaum bzw. gar keine Deutschkenntnisse. Was sich mit gestiegener Anzahl an Aussiedlern und Spätaussiedlern zur wachsenden Integrationsaufwand und -hindernissen führt. Zwar bleibt die Höhe der Eingliederungshilfen des Bundes konstant, jedoch wurde nur schwerfällig auf die sich verändernde strukturelle Zusammensetzung und die Sprachkenntnisse der Zuwanderer reagiert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Russlanddeutsche Spätaussiedler und Aspekte ihrer Integration in Deutschland
Hochschule
Universität Potsdam  (Intitut für Geographie)
Veranstaltung
Integration und soziale Partizipation von Migranten
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
31
Katalognummer
V89599
ISBN (eBook)
9783638036627
Dateigröße
573 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
26 Einträge im Literaturverzeichnis, davon 12 Internetquellen.
Schlagworte
Russlanddeutsche, Spätaussiedler, Aspekte, Integration, Deutschland, Integration, Partizipation, Migranten, Assimilation, Kriminalität, Einwanderung, Zuwanderung
Arbeit zitieren
Johann Strese (Autor:in), 2007, Russlanddeutsche Spätaussiedler und Aspekte ihrer Integration in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89599

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