Kritik – sachliche Kritik – gehört zu jeder wissenschaftlichen Betätigung dazu. Denn jede wissenschaftliche Idee, jede Theorie, jeder Ansatz muß sich der Kritik anderer Wissenschaftler stellen. Wissenschaft kreiert keine absoluten Wahrheiten – dies zu versuchen ist den Glaubenssystemen überlassen –, sondern ist ein situations- und personenbedingtes Abbild von Gedanken über ein bestimmtes Thema. Situationen ändern sich, Personen ändern sich, Voraussetzungen ändern sich usw. usf. Jede Theorie muß sich der Überprüfung stellen und kann verifiziert oder falsifiziert werden. Die Kritik gehört sogar zu den wichtigsten Aspekten der Wissenschaft, deckt sie doch Fehler auf, die ein Einzelner vielleicht nicht sehen kann, und zeigt neue Sichtweisen. Daß sie auch selbst fehlerhaft sein kann – da es ja keine absoluten Erkenntnisse gibt –, steht außer Frage, doch stellt sich auch die Kritik einer Überprüfung, wodurch dann am Ende ein Fortschritt einsteht, weil eine Entwicklung stattfindet. […]
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit zeitgenössischer Kritik an der Experimentellen Pädagogik, wobei in Abrissen verschiedene Seiten beleuchtet werden. Dabei zeigen sich sowohl mögliche Ansätze der Kritik, als auch Möglichkeiten für „Eitelkeiten, Vorurteile…“. Gerade am Beispiel der Experimentellen Pädagogik läßt sich zeigen, daß Kritik nicht immer fundiert daherkommt und daß „ideologische“ Gründe eine Rolle spielen (können).
Zu Beginn werden kurz moderne Fragestellungen an die Experimentelle Pädagogik angerissen, um aufzuzeigen, wie Jahrzehnte danach die Materie kritischen Fragen unterzogen werden kann. Hierzu wird eines der Überblickswerke über Theorien der Erziehungswissenschaft herangezogen. Die darauf folgenden Punkte folgen der Einteilung, die Dr. Caroline Hopf in „Die Experimentelle Pädagogik. Empirische Erziehungswissenschaft in Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts.“ in dem entsprechenden Kapitel zur Kritik an der Experimentellen Pädagogik vornimmt; diese Einteilung ist chronologisch geordnet und geht von der zeitgenössischen Auseinandersetzung zwischen den Herbartianern und den „jungen“ Experimentellen Pädagogen – an einem Beispiel – über die Kritik Wilhelm Wundts hin zu ausgewählten Kritikpunkten der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Den Abschluß dieser Arbeit bildet eine kurze Zusammenfassung der Thematik.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 „Moderne Fragenkomplexe“ nach König/Zedler
3 Weber – Lobsien als Beispiel für die zeitgenössische Auseinandersetzung
3.1 Allgemeines
3.2 Die Auseinandersetzung Weber – Lobsien
4 Kritikpunkte Wilhelm Wundts
5 Auszug aus der Kritik der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik
6 Zusammenfassung
7 Literatur:
1 Einleitung
Kritik – sachliche Kritik – gehört zu jeder wissenschaftlichen Betätigung dazu. Denn jede wissenschaftliche Idee, jede Theorie, jeder Ansatz muss sich der Kritik anderer Wissenschaftler stellen. Wissenschaft kreiert keine absoluten Wahrheiten – dies zu versuchen ist den Glaubenssystemen überlassen –, sondern ist ein situations- und personenbedingtes Abbild von Gedanken über ein bestimmtes Thema. Situationen ändern sich, Personen ändern sich, Voraussetzungen ändern sich usw. usf. Jede Theorie muss sich der Überprüfung stellen und kann verifiziert oder falsifiziert werden. Die Kritik gehört sogar zu den wichtigsten Aspekten der Wissenschaft, deckt sie doch Fehler auf, die ein Einzelner vielleicht nicht sehen kann, und zeigt neue Sichtweisen. Dass sie auch selbst fehlerhaft sein kann – da es ja keine absoluten Erkenntnisse gibt –, steht außer Frage, doch stellt sich auch die Kritik einer Überprüfung, wodurch dann am Ende ein Fortschritt einsteht, weil eine Entwicklung stattfindet. Im Idealfall nähert man sich so tragfähigen (End-)Ergebnissen an.
Natürlich wäre es naiv zu glauben, dieser Prozess würde durchweg vorurteilsfrei und möglichst objektiv voranschreiten. Auch in der Wissenschaft können persönliche Eitelkeiten, Vorurteile, Missverständnisse vorherrschen. „Irren ist menschlich“, heißt es, und Wissenschaft wird von Menschen betrieben.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit zeitgenössischer Kritik an der Experimentellen Pädagogik[1], wobei in Abrissen verschiedene Seiten beleuchtet werden. Dabei zeigen sich sowohl mögliche Ansätze der Kritik, als auch Möglichkeiten für die oben genannten „Eitelkeiten, Vorurteile…“. Gerade am Beispiel der Experimentellen Pädagogik lässt sich zeigen, dass Kritik nicht immer fundiert daherkommt und dass „ideologische“ Gründe eine Rolle spielen (können).
Zu Beginn werden kurz moderne Fragestellungen an die Experimentelle Pädagogik angerissen, um aufzuzeigen, wie Jahrzehnte danach die Materie kritischen Fragen unterzogen werden kann. Hierzu wird eines der Überblickswerke über Theorien der Erziehungswissenschaft herangezogen. Die darauf folgenden Punkte folgen der Einteilung, die Dr. Caroline Hopf in „Die Experimentelle Pädagogik. Empirische Erziehungswissenschaft in Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts.“[2] in dem entsprechenden Kapitel zur Kritik an der Experimentellen Pädagogik vornimmt; diese Einteilung ist chronologisch geordnet und geht von der zeitgenössischen Auseinandersetzung zwischen den Herbartianern und den „jungen“ Experimentellen Pädagogen[3] – an einem Beispiel – über die Kritik Wilhelm Wundts hin zu ausgewählten Kritikpunkten der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Den Abschluss dieser Arbeit bildet eine kurze Zusammenfassung der Thematik.
2 „Moderne Fragenkomplexe“ nach König/Zedler
Im Überblickswerk „Theorien der Erziehungswissenschaft“ von Eckart König und Peter Zedler wird auch die Kritik an der Empirischen Wissenschaft, und insbesondere auch an der „frühen“, zu der die Experimentelle Pädagogik gezählt wird, anhand von fünf Fragekomplexen behandelt[4]. Nicht alle Teilfragen sind für die Betrachtung der Experimentellen Pädagogik von Bedeutung – ein paar beschäftigen sich auch mit weitergehenden Ansätzen –, die für die vorliegende Thematik interessanten sollen hier jedoch zusammengestellt werden. Es wird sich im Verlauf der Arbeit zeigen, dass diese Fragen überwiegend so oder ähnlich auch schon die damit befassten Zeitgenossen beschäftigt haben, wenn auch diesen natürlich noch der Abstand zur Materie und damit eine größere Übersicht fehlten, was eine umfassende Bewertung erschwerte.[5]
Gleich der erste Fragenkomplex wirft wesentliche Fragen auf – die Fragen nach der Komplexität des Forschungsgegenstandes. Die Experimentellen Pädagogen waren bemüht, analog zu Untersuchungen im Labor, Einzelfaktoren zu identifizieren. So beispielsweise, welche Faktoren das Lernklima im Klassenzimmer begünstigen; es mochten hierbei Faktoren wie Temperatur, Helligkeit, Belüftung der Räume und andere betrachtet werden, aber wurden auch alle einflußnehmenden Faktoren berücksichtigt? Können überhaupt alle berücksichtigt werden? Es wurden einzelne Faktoren herausgepickt, andere jedoch vernachlässigt oder vergessen. Manches wurde auch erst viel später, etwa durch Erkenntnisse der Physiologie, Medizin oder Soziologie, bekannt und konnte noch gar nicht mit herangezogen werden. Die Untersuchungen und Experimente waren auf jeden Fall unvollständig und damit die Ergebnisse für die Verwendung in der Praxis fragwürdig.
Der zweite Fragenkomplex geht noch ein Stück weiter: Können überhaupt Gesetze pädagogischen Handelns analog zu den Naturwissenschaften gefunden werden? Die Naturwissenschaften gehen von exakt reproduzierbaren Gesetzmäßigkeiten aus, die unter denselben Bedingungen immer gelten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es so etwas in der Pädagogik geben kann. Die Pädagogik beschäftigt sich mit menschlichen Individuen, in den unterschiedlichsten (Lebens)Situationen. Sind die Faktoren, die dabei jeweils zur Geltung kommen, nicht immer situationsabhängig? Kann nicht ein und dieselbe Situation durch gänzlich andersgeartete Hintergründe sich bei zwei verschiedenen Personen völlig anders darstellen? Darf man aufgrund von wiederholten Einzelbeobachtungen nach dem „Induktionsprinzip“ eine Gesetzesaussage aufstellen? Der Experimentelle Pädagoge Lay etwa tat es.[6]
Fragenkomplex Nummer Drei dreht sich um die Frage nach der Notwendigkeit einer Untersuchung der Bedeutung des jeweils vorliegenden Handelns. Pädagogik ist keine reine Verhaltenswissenschaft und Aspekte wie Absichten, Ziele, Gedanken, Gefühle spielen eine wichtige Rolle – die man allerdings mit experimentellen Methoden nicht zufrieden stellend zu messen vermag. Zumindest muss man die Frage stellen, ob Pädagogik diese Punkte nicht auch erfassen soll. Es ist die Frage nach den tieferen Gründen des jeweiligen oberflächlichen Handelns.
Im vierten Fragenkomplex geht es um die Frage nach der Notwendigkeit der Festsetzung von Normen. Müssen nicht vor den Experimenten bzw. Untersuchungen Normen festgelegt werden, um von rein deskriptiven auch zu präskriptiven oder normativen Empfehlungen für die Praxis zu kommen? Lay und Meumann z.B. wollten durch Kenntnis von Gesetzmäßigkeiten pädagogischen Handelns eine „natürliche Erziehung“ ermöglichen, die diesen Gesetzmäßigkeiten folgt.[7] Das war für sie der normative Aspekt. Doch genügt dieser Ansatz?
Fragenkomplex Fünf schließlich stellt die Frage nach dem Wissenschaftsverständnis, das der Materie zugrunde liegt, in den Raum. Kurz, soll und kann Erziehungswissenschaft den Anspruch haben, praktisches Handeln anzuleiten, oder soll sie Erkenntnis um ihrer selbst willen suchen?
Der Verfasser der vorliegenden Arbeit hat diese Fragen nicht beantwortet; dies soll aber auch nicht Aufgabe der Arbeit und speziell dieses Kapitels sein. Die Fragen wurden in die Arbeit aufgenommen, um eine gedankliche Hinführung zur Thematik zu geben und über die Zeit hinweg stellbare Fragen aufzuzeigen; Fragen, die auch auf andere Forschungsgebiete in der Pädagogik anwendbar sind. „Im Grunde sind das eben die Fragen, die die wissenschaftliche Diskussion bis Ende des 20. Jahrhunderts bestimmten.“[8] Fragen, die sich zum Teil – wie oben bereits angemerkt – auch schon Zeitgenossen zu Eigen machten, wie an den folgenden Beispielen zu sehen ist.
[...]
[1] Literatur zum Thema siehe Literaturverzeichnis.
[2] Vollständige Literaturangabe siehe Literaturverzeichnis.
[3] „Jung“ im Sinne dessen, daß die Experimentelle Pädagogik zu diesem Zeitpunkt noch nicht viele Jahre zählte. [Anm. d. Verf.]
[4] Eckart König/Peter Zedler, Theorien der Erziehungswissenschaft. Einführung in Grundlagen, Methoden und praktische Konsequenzen. Weinheim und Basel 2002. S.44/45. Im Folgenden als König/Zedler zitiert.
[5] Auch heutzutage, im beginnenden 21. Jahrhundert, fällt eine Gesamtbetrachtung freilich noch schwer, ist die Thematik Experimentelle Pädagogik doch noch nicht umfangreich erforscht. [Anm. d. Verf.]
[6] Vgl. hierzu König/Zedler, S.40.
[7] Ebd.
[8] Ebd., S.45
- Arbeit zitieren
- M.A. Claus Carl Jakob (Autor:in), 2006, Zeitgenössische Kritik an der Experimentellen Pädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89796
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