Zehn Jahre vor seinem Tode veröffentlichte Andrea Palladio seine Überlegungen zur Architektur und prägte damit weite Bereiche der europäischen Architektur für sehr lange Zeit. Die „Quattro Libri dell’Architettura“ erschienen 1570 in Venedig, im selben Jahr, als er zum offiziellen Architekten der Republik ernannt wurde. Zusammen mit seinen Studien zum antiken Rom, „le Antichità di Roma“ (1554) bildeten die vier Bücher der Architektur die Grundlage für die große Verbreitung von Palladios Ansichten in ganz Europa. Vor allem Frankreich, Holland und England prägte der so genannte „Palladianismus“ nachhaltig. Seine Schriften wurden bereits kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung neu gedruckt und später in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ihrer großen Verbreitung verdankt es der 1508 wahrscheinlich in Padua geborene Architekt, zum Lehrmeister des europäischen Klassizismus geworden zu sein. Palladios Schaffen wurde somit über Jahrhunderte hinweg und in den meisten Ländern Europas rezipiert.
Kritik an Palladios Konzepten und Überlegungen wird dort am Lautesten, wo seine Vorschläge mit den lokalen Traditionen kollidierten, wo seine Entwürfe abgelehnt wurden. Zwei solcher Entwürfe finden sich in den oben erwähnten „Quattro Libri dell’Architettura“. Sie enthalten neben Betrachtungen zu den fünf Säulenordnungen, welche an Sebastiano Serlios Veröffentlichungen erinnern, Skizzen und kurze Kommentare zu Triumphbögen, Brücken, Basiliken, antiken Bauten und Privathäusern, darunter zwei Projekte für Palazzi in Venedig. Palladio lag viel daran, Entwürfe zu veröffentlichen, welche – laut eigener Aussage - bereits realisiert sind oder dies kurze Zeit nach Veröffentlichung sein sollten.
Die zwei venezianischen Paläste bilden eine der Ausnahme dieser Behauptung. Die Beantwortung der Frage, warum es nicht zur Realisierung der Entwürfe, nicht zum Bau dieser Palazzi kam, wird einen argumentativen Raum (wieder-)eröffnen, der es ermöglichen soll Palladios Werk kritisch zu durchleuchten.
Inhaltsverzeichnis
- Zwei nie verwirklichte Paläste
- Ein baugeschichtliches Rätsel
- Eine Tradition venezianischer Palastarchitektur
- Die Palazzi des Grimani und Corner
- Palladios Zeichnungen
- Die Ersten unter Gleichen
- Architekturtradition als Legitimation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert zwei nie realisierte Palastentwürfe von Andrea Palladio, welche in seinen „Quattro Libri dell'Architettura“ veröffentlicht wurden. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, warum die Entwürfe nicht zur Ausführung kamen und beleuchtet den Kontext der venezianischen Palastarchitektur zur Zeit Palladios.
- Die Rolle der lokalen Traditionen in Palladios Entwurfsprozessen
- Die Bedeutung der „Quattro Libri“ für die Rezeption Palladios
- Das Verhältnis von Palladios Entwürfen zu realen Bauprojekten
- Die Herausforderungen der Architektur im Kontext historischer Bedingungen
- Die Identifizierung der Auftraggeber für die beiden Palastprojekte
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt die beiden unvollendeten Palastentwürfe aus Palladios „Quattro Libri“ vor und untersucht die Frage, warum sie nicht realisiert wurden. Es wird die These aufgestellt, dass die Ablehnung der Entwürfe auf Konflikten zwischen Palladios Konzepten und den lokalen Traditionen beruhte.
Das zweite Kapitel analysiert den historischen Kontext der beiden Projekte und beleuchtet die Bedeutung der „Quattro Libri“ als Quelle für die Verbreitung von Palladios Architekturtheorien. Es wird die Frage gestellt, ob die in den „Quattro Libri“ veröffentlichten Entwürfe Ideallösungen oder tatsächliche Konzeptionen darstellen.
Das dritte Kapitel untersucht die verschiedenen Perspektiven auf die beiden Palastprojekte und diskutiert die mögliche Identität der Auftraggeber. Die Analyse bezieht sich auf den Vergleich der Entwürfe mit ähnlichen venezianischen Projekten des 16. Jahrhunderts.
Schlüsselwörter
Andrea Palladio, „Quattro Libri dell'Architettura“, venezianische Palastarchitektur, lokale Traditionen, Baugeschichte, Rezeption, Palazzi Grimani, Palazzi Corner, Sansovino, Sanmicheli.
- Arbeit zitieren
- Mag. Paul Reisinger (Autor:in), 2004, Andrea Palladio und der venezianische Palast, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89868