Am 18. August 2006 trat in der Bundesrepublik Deutschland das kontrovers diskutierte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft, welches unter anderem Benachteiligungen, die an die Kategorie Geschlecht anknüpfen, verbietet. Im Hinblick, beispielsweise, auf die allgemeine Entwicklung der Gleichstellungsgesetze, der Änderungen im Familienrecht und der Öffnung der Bundeswehr für Frauen 2001 lässt sich ein verstärktes Ergreifen institutioneller, rechtlicher und politischer Maßnahmen in den letzten 30 Jahren erkennen, die die Chancen und Möglichkeiten von Männern und Frauen einander angleichen sollen. Das Geschlechterverhältnis wurde zunehmend öffentlich thematisiert und bezüglich seiner beharrlichen Asymmetrie problematisiert.
Zur soziologischen Analyse sozialer Ungleichheit und damit auch des Geschlechterverhältnisses scheinen sich die Denkwerkzeuge des französischen Soziologen Pierre Bourdieu anzubieten, wenngleich seine Konzepte in der Geschlechterforschung relativ marginalen Eingang finden. In dieser Arbeit soll betrachtet werden, wie mit Bourdieus Theorie die Produktion und Reproduktion geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen und die nur langsamen Veränderungen des traditionellen Verhältnis der Geschlechter, trotz intensiveren gesellschaftspolitischen Bemühungen um Gleichstellung, zu erklären sind.
Zunächst ist zu untersuchen, wie Männlichkeit und Weiblichkeit mit Bourdieus Theorie gedacht werden können und wie diese hinsichtlich der Sex-Gender-Debatte und des Konstruktivismus verortet werden können. Dabei soll sein Habitus-Begriff, insbesondere im Vergleich zu dem Konzept der Geschlechts-„Rollen“, dargestellt werden. Weiterhin sollen Bourdieus Ausführungen über eine symbolische Macht bzw. Gewalt, die verborgen in der gesellschaftlichen Ordnung wirksam ist, erläutert werden. Ebenso wird hierbei auf die von ihm konstatierte „männliche Herrschaft“ eingegangen. Zusätzlich wird die Beziehung der Kategorie Geschlecht zu anderen sozialen Klassifikationssystemen zu betrachten sein. Schließlich sollen Geschlechtseffekte in Wissenschaft und Hochschule als spezifisches soziales Feld mit seinen Denkwerkzeugen knapp beleuchtet werden. Dies kann jedoch nur fragmentarisch geschehen, da für detaillierte Analysen umfassende empirische Untersuchungen nötig wären.
Neben Werken Bourdieus, ins Besondere „Die männliche Herrschaft“, werden Beiträge aus der Geschlechterforschung in die Untersuchung einbezogen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Weiblichkeit und Männlichkeit
- Das Sex-Gender-Konzept und der Konstruktivismus
- Der Geschlechtshabitus
- Das Geschlechterverhältnis und symbolische Gewalt
- Das Verhältnis der Kategorie Geschlecht zu anderen Klassifikationsschemata
- Das Geschlechterverhältnis im sozialen Feld der Wissenschaft
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, wie Pierre Bourdieus Theorie die Produktion und Reproduktion geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen und die nur langsamen Veränderungen des traditionellen Geschlechterverhältnisses trotz intensiver gesellschaftspolitischer Bemühungen um Gleichstellung erklären kann.
- Die Verortung von Männlichkeit und Weiblichkeit im Kontext der Sex-Gender-Debatte und des Konstruktivismus
- Die Analyse des Habitus-Begriffs und dessen Vergleich mit dem Konzept der Geschlechtsrollen
- Die Erläuterung von Bourdieus Ausführungen über symbolische Macht und Gewalt und deren Einfluss auf die gesellschaftliche Ordnung
- Die Untersuchung des Verhältnisses der Kategorie Geschlecht zu anderen sozialen Klassifikationssystemen
- Die Analyse von Geschlechtseffekten im sozialen Feld der Wissenschaft und Hochschule
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als Ausgangspunkt für die Analyse des Geschlechterverhältnisses vor und erläutert den Fokus auf Bourdieus Theorie.
- Kapitel 2.1 behandelt das Sex-Gender-Konzept und den Konstruktivismus, wobei die Entwicklung des klassischen Sex-Gender-Modells sowie die Kritik an einem radikalen Konstruktivismus beleuchtet werden.
- Kapitel 2.2 widmet sich dem Geschlechtshabitus und erklärt Bourdieus Verständnis von "Doing-Gender" als eine Praxis, die durch den Habitus geprägt ist.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Schlüsselbegriffe Geschlecht, Geschlechterverhältnis, Habitus, symbolische Gewalt, Männliche Herrschaft und Sex-Gender-Konzept. Die Untersuchung greift auf Pierre Bourdieus Theorie sowie relevante Beiträge aus der Geschlechterforschung zurück, um die Produktion und Reproduktion geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen im Kontext der gesellschaftlichen Ordnung zu analysieren.
- Arbeit zitieren
- Evelyn Ehle (Autor:in), 2007, Geschlecht und Geschlechterverhältnis in Pierre Bourdieus soziologischer Theorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89923