Der Komponist und Dramatiker Richard Wagner ist ein „Mittler des Mittelalters“ – für seine und für unsere Zeit. Seine Opern haben das Interesse am Mittelalter und an den alten Mythen wenn nicht geweckt, so doch deutlich belebt.
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Ohne Wagner wären wahrscheinlich viele der bedeutendsten Sagen und ihre schriftlichen Überlieferungen heute nur noch einem kleinen Kreis von Mediävisten und Mittelalterfreunden bekannt. „Wer allerdings meint, aus Wagners Werken etwas Zuverlässiges über das sog. Mittelalter, die mittelalterlichen Dichtungen und Sagen zu erfahren, der irrt gründlich.“ Seine Opern sind durchzogen von historischen Ungenauigkeiten und Fehlern, die in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit noch angesprochen werden sollen, und selbst die mythische Welt des Mittelalters hat der Dichterkomponist nicht getreu ihren Quellen wiedergegeben.
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Herfried MÜNKLER schreibt in seinem Essay 'Richard Wagner' im Sammelband 'Deutsche Erinnerungsorte' von Etienne FRANÇOIS und Hagen SCHULZE über den Dichterkomponisten: „Mit der Person und dem Werk Richard Wagners lassen sich zahlreiche materielle wie immaterielle, reelle wie symbolische Erinnerungsorte assoziieren.“ Wagner hat durch seine Musikdramen Städte und Landschaften wie Nürnberg, Brabant oder die Wartburg „mit mythischem Sinn aufgeladen“ und „ihrer tagtäglichen Profanität überhoben“. Durch seinen Ring wurde die Rheinromantik des 19. Jh. verstärkt, die Tetralogie aber auch der Parsifal machten den ‚Deutschen Wald’ zum romantischen Erinnerungsort. Wagners Einfluss auf König Ludwig II. hat ganz entscheidend die Gestaltung Neuschwansteins beeinflusst und durch das eigens für den Komponisten gebaute Bayreuther Festspielhaus ist aus einer fränkischen Kleinstadt ein weltberühmter Kulturtreffpunkt geworden. So wurden diese Orte – teilweise schon zu Lebzeiten Wagners – zu „sakralen Orten“ im kollektiven Gedächtnis der Deutschen, wie auch der internationalen Wagner-Gemeinde.
Doch in der Gedächtnislandschaft der Menschen sind ‚Erinnerungsorte’ nicht nur geografische Orte. Keine Gesellschaft ist denkbar ohne eine Identifizierung mit großen Persönlichkeiten, und so sind viele Erinnerungsorte denn auch personaler Natur. FÜHRER bezeichnet Wagner als den „Musiker-Erinnerungsort schlechthin.“
Inhaltsverzeichnis
- Zur Einleitung:
- Richard Wagner erinnert sich an die Welt des Mittelalters
- Richard Wagner und das Mittelalter
- Richard Wagner und die Erinnerung
- Erinnerungsorte bei Wagner
- Tannhäuser und die Wartburg
- Die Meistersinger und Nürnberg
- Lohengrin und seine Burgen
- Lohengrin in Belgien
- Lohengrin in Kleve
- Erinnerungsorte durch Wagner
- Neuschwanstein
- Mythos Bayreuth
- Als Schlusswort:
- Die Welt erinnert sich an Richard Wagner
- Der ideologisierte Wagner
- Der kommerzialisierte Wagner
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss des Komponisten Richard Wagner auf die deutsche Erinnerungskultur. Sie analysiert, wie Wagners Opern und sein Leben die Wahrnehmung des Mittelalters in der deutschen Gesellschaft prägten und welche Bedeutung mit ihm assoziierte Erinnerungsorte bis heute besitzen.
- Die Rezeption des Mittelalters in Wagners Werken
- Die Rolle von Wagners Opern als ‚Mittler des Mittelalters’ für die deutsche Gesellschaft
- Die Verbindung von Wagners Werken mit bestimmten Städten und Regionen (z.B. Wartburg, Nürnberg, Bayreuth)
- Die politische Instrumentalisierung Wagners und seiner Werke im 19. und 20. Jahrhundert
- Die Kommerzialisierung von Wagners Werk in der heutigen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die Richard Wagners Verhältnis zum Mittelalter und seine Rolle als ‚Mittler des Mittelalters’ beleuchtet. Im Anschluss werden verschiedene Erinnerungsorte, die mit Wagners Werken verbunden sind, genauer untersucht. Dazu zählen die Wartburg im Zusammenhang mit der Oper Tannhäuser, Nürnberg als Kulisse der Meistersinger, Brabant und Antwerpen als Schauplatz von Lohengrin sowie Neuschwanstein als Ausdruck der Wagner-Verehrung des bayerischen Königs Ludwig II. Des Weiteren wird die Bedeutung Bayreuths als Festspielort und Wagners eigener Status als Erinnerungsort in der deutschen Geschichte beleuchtet. Die Arbeit endet mit einem Schlusswort, das sich mit der Ideologisierung und Kommerzialisierung von Wagners Werk im Laufe der Zeit auseinandersetzt.
Schlüsselwörter
Richard Wagner, Erinnerungskultur, Mittelalter, Oper, Mythos, Nationalismus, Ideologie, Kommerzialisierung, Wartburg, Nürnberg, Bayreuth, Neuschwanstein, Lohengrin, Tannhäuser, Meistersinger.
- Quote paper
- Magister Artium Kevin Dahlbruch (Author), 2005, Erinnerungsort Wagner, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89995