Die Zuspitzung der Grausamkeit in Fassbinders "Martha"


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Inhaltsangabe zu „Martha“ von Rainer Werner Fassbinder

3. Zuspitzung der Grausamkeit und ihre Darstellung in „Martha“
3.1 Wiedersehen von Martha und Helmut
3.1.1 Betrachtung der inhaltlichen Ebene
3.1.2 Auffälligkeiten in der filmischen Umsetzung
3.2 Achterbahnfahrt
3.2.1 Betrachtung der inhaltlichen Ebene
3.2.2 Auffälligkeiten in der filmischen Umsetzung
3.3 Sonnenbrand
3.3.1 Betrachtung der inhaltlichen Ebene
3.3.2 Auffälligkeiten in der filmischen Umsetzung
3.4 Zunehmende Isolierung und Missbrauch Marthas
3.4.1 Betrachtung der inhaltlichen Ebene
3.4.2 Auffälligkeiten in der filmischen Umsetzung
3.5 Marthas Flucht und ihre Folgen
3.5.1 Betrachtung der inhaltlichen Ebene
3.5.2 Auffälligkeiten in der filmischen Umsetzung

4. Vergleich der Zuspitzung zwischen Fassbinders „Martha“ und Woolrichs „Für den Rest ihres Lebens“
4.1 Grundlegende Informationen
4.2 Gemeinsamkeiten und Unterschiede
4.2.1 Entscheidende Vorüberlegung
4.2.2 Flitterwochen
4.2.3 Donnerstagnacht
4.2.4 Folgen des Missbrauchs
4.2.5 Sadismus
4.2.6 Todesangst
4.2.7 Im Krankenhaus

5. Schlusswort

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Die Ehe als Vampirgeschichte“[1] - so lautet eine der zahlreichen Kritiken zu Fassbinders „Martha“ aus dem Jahre 1973. Diese Bewertung ist ganz in seinem Sinne, da er genau das, die Liebe als Utopie[2] und den Wunsch der Frauen unterdrückt zu werden, darstellen wollte. Fassbinder schreibt ein Drehbuch voller Emotionen, psychischer und physischer Gewalt. Es entsteht ein Drama, indem Fassbinder seiner zutiefst skeptischen Haltung zur Liebe, wie in keinem seiner anderen Filme, Ausdruck verleiht.[3]

Diese Arbeit setzt sich mit der im Film klar erkennbaren Steigerung der Grausamkeit auseinander, analysiert diese auf der inhaltlichen Ebene und betrachtet die filmischen Mittel, die der Unterstreichung der grausamen Elemente dienen. Der Begriff der Grausamkeit dient als Oberbegriff für jegliche Art der körperlichen und seelischen Gewalt, der Martha, die Hauptdarstellerin, ausgeliefert ist oder der sie ausgesetzt werden will. Die Gewalt und auch die Isolation zur Aussenwelt intensivieren sich im Verlauf ihrer Ehe mit Helmut zunehmend, werden unerträglich und enden tragisch. Der Begriff der Zuspitzung umschreibt diese dramatische Entwicklung.

Nach einer kurzen Inhaltsangabe des Films „Martha“ von Fassbinder, beginnt diese Arbeit mit einer vertiefenden, chronologischen Betrachtung der Sequenzen, welche die Steigerung der Grausamkeit besonders bekräftigen. Diese Sequenzen werden zunächst inhaltlich analysiert und im Anschluss folgt eine kurze Betrachtung, wie die filmischen Mittel zur Verstärkung der inhaltlichen Seite eingesetzt werden. Die Darstellung wird abschließend durch einen Vergleich zu Cornell Woolrichs Kurzgeschichte „For the rest of her life“[4] ergänzt. Dieser Vergleich hat einerseits das Ziel, auch hier die prägnantesten Stufen der Gewalt aufzuzeigen. Gleichzeitig werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Film „Martha“ und der Kurzgeschichte „Für den Rest ihres Lebens“ herausgestellt.

2. Inhaltsangabe zu „Martha“ von Rainer Werner Fassbinder

Rainer Werner Fassbinder schreibt im Jahre 1973 das Drehbuch zum Film und im gleichen Jahr wird das Drama unter seiner Regie produziert.

Die etwa 30-jährige Martha Hyer, Angestellte einer Bibliothek, verliert auf einer Italienreise ihren verehrten Vater. Auf dieser Reise begegnet sie auch Helmut Salomon, dem Mann ihres Lebens.[5] Einige Zeit später treffen sie sich zufällig auf der Hochzeit ihrer Freundin und seines Bruders. Martha, die noch Jungfrau ist, glaubt in Helmut, dessen Dominanz sie als anziehend empfindet, das große Glück gefunden zu haben. Sie heiraten schnell. Doch das anfängliche Glück und die Faszination Marthas entwickeln sich allmählich und in zunehmender Intensität zu Furchtsamkeit und Qual. Der herrschsüchtige Helmut beginnt, sie immer mehr zu unterdrücken und von der Aussenwelt abzuschotten. Anfangs fühlt sich Martha noch durch seine starke sadistische Ader in ihren fast schon masochistischen Bedürfnissen befriedigt, doch im Laufe der Ehe leidet sie zunehmend an seinen perversen Machtspielchen und Misshandlungen. Er bestimmt über ihr Leben und sie lässt das zu. „Beide ergänzen sich in ihrem Willen zu quälen und zu leiden.“[6]

Schließlich sucht Martha Zuflucht bei einem ehemaligen Arbeitskollegen, Herrn Kaiser. Von Helmut bis zur Todesangst getrieben, bittet Martha Herrn Kaiser sie von dem seelischen und körperlichen Terror ihres Mannes zu befreien. Dieser Befreiungsversuch wird Beiden zum Schicksal. Martha verursacht durch ihre Phobien und ihre Hysterie einen Autounfall, der für Herrn Kaiser tödlich und für Martha in einer Querschnittlähmung endet. Von nun an, an den Rollstuhl gefesselt, ist Martha für den Rest ihres Lebens ganz ihrem Mann ausgeliefert.[7]

3. Zuspitzung der Grausamkeit und ihre Darstellung in „Martha“

Die nachstehenden Analysen zeigen die Steigerung der Grausamkeit, der Martha ausgeliefert ist. Die Darstellung beginnt in der Sequenz, in der sich Martha und Helmut das erste mal, nach der kurzen Begegnung in Rom, wieder sehen.

3.1 Wiedersehen von Martha und Helmut

Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf die Szenen in Kapitel 5 von 0:25:27 bis 0:32:30.

3.1.1 Betrachtung der inhaltlichen Ebene

Martha und Helmut treffen sich zufällig auf der Hochzeit ihrer Freundin und seines Bruders wieder. Martha leugnet zunächst ihn zu kennen, vermutlich aus Scham vor den anderen Gästen und um ihre Faszination an Helmut, ihrem zukünftigen Mann, zu verdecken. Helmut hat sichtlich ihr Interesse geweckt und ihr Vertrauen gewonnen. Doch ihre Gutgläubigkeit wird missbraucht. Sehr bedeutungsvoll ist Helmuts Verhalten, da dieses bereits in der Kennlernphase der Beiden erkennen lässt, welchen Lauf die Zukunft nehmen wird. Er beschämt sie beispielsweise als sie zugibt, ihn seit ihrer kurzen Begegnung in Rom, nicht mehr vergessen zu haben aber er entgegen bringt, dieses nicht ausgesagt zu haben. Ausserdem sagt Helmut, dass sie weder attraktiv noch schön wäre. Die größte Erniedrigung erlebt sie hier jedoch, als er sie herablassend fragt, ob sie noch Jungfrau wäre. Dies verweist auf den Stellenwert von Sex in ihrer zukünftigen Ehe und darauf, dass er ihre Gefühlswelt nicht akzeptiert. Martha bejaht seine Frage. Nicht nur seine Wortwahl bei all diesen verbalen Verletzungen hat demütigenden Charakter, sondern vor allem seine musternden und gierigen Blicke, sein bösartiges Lachen, seine Gestik und seine Intonation. Helmut ist grob zu ihr und fasst sie lieblos an ihre Brust. Er zieht sie energisch an sich und küsst sie derb auf Dekolletee und Hals. Hier wird zum ersten Mal seine vampirische Sonderbarkeit deutlich.

Schon diese Sequenz macht auf Grausamkeiten in mildem Sinne aufmerksam und lässt durchblicken, welche Entwicklung die Beziehung der Beiden nimmt. Helmut verletzt Marthas Gefühle und trotzdem, oder gerade deswegen, lässt sie sich auf ihn ein. Dies verweist auf ihre masochistische Ader.

3.1.2 Auffälligkeiten in der filmischen Umsetzung

Alle Hochzeitsgäste sitzen an einer langen Tafel und Helmut spricht Martha direkt darauf an, dass sie sich ja schon einmal begegnet wären. Martha weist dies ab und während dieses kurzen Dialogs ist die komplette Tafel im Bild, die Gäste rechts daran sitzend. Auffällig ist, dass Martha ganz am Ende der Tafel bzw. des Raumes sichtbar wird und Helmut in der Mitte. Die Einstellung bewirkt einen emotionalen Zugang der Zuschauer zu Martha. Denn nicht nur die Enge und Marthas Stellenwert in der zukünftigen Ehe werden ausgedrückt sondern auch, dass sie sich in diesem Moment alleine fühlt und völlig überrumpelt ist in ihren Gefühlen. In den darauf folgenden Dialogen sind die beiden Hauptdarsteller überwiegend aus der Normalsicht und in Halbnah- oder Naheinstellung abgebildet. Die Naheinstellung ermöglicht dem Zuschauer, die Mimik von Martha und Helmut zu erkennen, um daraus eigene Fazite für den weiteren Gang der Handlung zu ziehen.[8]

3.2 Achterbahnfahrt

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Szenen in Kapitel 6 von 0:36:36 bis 0:39:25.

3.2.1 Betrachtung der inhaltlichen Ebene

Martha und Helmut sind auf einem Jahrmarkt und er zwingt sie mit ihm Achterbahn zu fahren. Hier äussert sich Helmuts Perversität einerseits dadurch, dass Martha große Angst hat, diese ihm mitteilt und er sich regelrecht über ihre Angst freut. Hier wird deutlich, dass er Gefallen daran findet, sie zu quälen. In ihrem kurzen Dialog über Angst und dass diese überwunden werden müsse, schaut Martha ihn nicht an, da sie sich schämt.

Die Achterbahnfahrt wird dem Zuschauer in vollständiger Länge gezeigt. Während der Fahrt sind das strahlende Lachen Helmuts und der ängstliche Blick Marthas zu sehen. Sie übergibt sich danach. Nun wird der zweite Aspekt der Herzlosigkeit und Perversität deutlich: kurz nach dem Moment des Erbrechens eröffnet Helmut ihr, dass er sie heiraten möchte. Seine Worte klingen nicht dem Anlass entsprechend, sondern kalt und drohend. Martha reagiert jedoch mit Dank und Freude, was wiederum ihre Naivität und die schon entstandene Abhängigkeit zeigt. Es findet kein liebevoller Gefühlsaustausch statt. Helmuts Blicke sind finster, er wendet sich von ihr ab. Den Moment den er gewählt hat, um über Heirat zu sprechen, eine „Situation in der Martha leidet“[9], ist sehr zeichnend für den weiteren Verlauf ihrer Ehe. Er hat Spaß daran sie zu quälen und gemerkt, dass sie es sich gefallen lässt. Nun will er sie heiraten, um das perverse Spiel bis zum Ende zu führen und seinen sadistischen Trieben freien Lauf zu lassen.

3.2.2 Auffälligkeiten in der filmischen Umsetzung

Die Achterbahnfahrt wird durch häufige Wechsel zwischen der Nahaufnahme der Beiden, sitzend im Achterbahnwagen, der Sicht der Beiden auf die Schienen, das Gerüst der Bahn sowie das Geschehen auf dem Jahrmarkt, sehr authentisch gezeigt. Diese Darstellung wirkt sehr bewegungsintensiv und Schwindel erregend echt. Auffällig ist, dass während der Fahrt nur die Geräusche der Achterbahn zu hören sind. Zu sehen ist nicht nur der gequälte Blick Marthas sondern auch die Öffnung ihres Mundes, zum schreien geformt. Aber hier handelt es sich um stumme Schreie. Ihre Schreie verstummen nicht nur während dieser Fahrt sondern auch in ihrer zukünftigen Ehe.

3.3 Sonnenbrand

Die folgenden Erklärungen beziehen sich auf die Szenen aus Kapitel 9 von 0:47:30 bis 0:51:05.

[...]


[1] Jeremias, Brigitte: Die Ehe als Vampirgeschichte. FAZ vom 30.05.1974. Aus: Limmer, Wolfgang: Rainer Werner Fassbinder, Filmemacher. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1981. S. 165.

[2] Vgl. Jansen, Peter W. und Schütte, Wolfgang: Rainer Werner Fassbinder. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1992. S.47.

[3] Vgl. www.filmstarts.de/kritiken/klassiker/Martha.html (Stand: 28.02.2006).

[4] deutsche Übersetzung: „Für den Rest ihres Lebens“

[5] Vgl. Limmer, Wolfgang: Rainer Werner Fassbinder, Filmemacher. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1981. S. 165.

[6] www.filmstarts.de/kritiken/klassiker/Martha.html (Stand: 28.02.2006).

[7] Vgl. Limmer, W.: Rainer Werner Fassbinder, Filmemacher. S. 165.

[8] Vgl. Mikos, Lothar: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2003. S. 187.

[9] www.filmstarts.de/kritiken/klassiker/Martha.html (Stand: 28.02.2006)

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Zuspitzung der Grausamkeit in Fassbinders "Martha"
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V90108
ISBN (eBook)
9783638041461
ISBN (Buch)
9783640409938
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zuspitzung, Grausamkeit, Fassbinders, Martha
Arbeit zitieren
Kristin Reichenbächer (Autor:in), 2006, Die Zuspitzung der Grausamkeit in Fassbinders "Martha", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90108

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