Verfolgt man den derzeitigen Musikmarkt, dann fällt einem als interessierter Musikhörer auf, dass momentan etliche verschiedene Musikstile um die Aufmerksamkeit und letztendlich auch um das Geld der vor allem jugendlichen Zuhörerschaft kämpfen. Das ist zwar kein neues Phänomen, interessant zu beobachten ist aber trotz allem, wie sich die Musik im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert und immer weiter differenziert hat. So gab es auch schon in den 50er und 60er Jahren spezielle Musikstile mit eigenen Ausdrucks-, Kleidungs- und Verständigungsformen, man kann aber behaupten, dass die damaligen musikalischen Ausdrucksformen und -stile um einiges geringer waren als heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts.
So entdeckt man in den heutigen Charts Musik der verschiedensten musikalischen Zweige. Es gibt dort immer noch die klassische Rockmusik und ihre unterschiedlichen Orientierungen wie z.B. der Punk oder Hardrock. Daneben hört man Reggae, Techno, Dark Metal, Schlager, klassische Popmusik, Soul, Heavy Metal und noch viele weitere Musikstile, die, wenn man sie alle aufzählen würde, den Rahmen dieser Einleitung sprengen würden.
Einer der bedeutendsten und einflussreichsten Musikstile der letzten Jahre ist zweifellos Hip-Hop oder umgangssprachlich auch Rapmusik. Der Beweis für den unglaublich kommerziellen Erfolg dieses Stiles ergibt sich unter anderem durch einen Blick auf die aktuellen Platzierungen der Media-Controll-Charts. So befanden sich in der dritten Juliwoche des Jahres 2006 unter den zwanzig meist verkauften Singles der Woche 8 Lieder, die direkt aus dem Hip-Hop-Umfeld stammen oder zumindest stark von diesem Stil beeinflusst werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Kulturdefinition
1.1. Subkultur
1.1.1. Das Subkultur-Modell nach Schwendter
1.1.2. Die Studien des CCCS
1.2. Jugendsubkulturen heute
1.3. Jugendliche Szenen als Subkulturen
1.4. Kultur als Distinktionsleitung nach Bourdieu
2. Die Bedeutung von Peer-Groups
2.1. Die Peer-Groups als Sozialisationsinstanz
2.2. Die Peer-Group als Indikator für gesellschaftliche Probleme
2.3. Der Zusammenhang von Subkulturen und Peer-Groups
3. Musik als Leitmedium von Jugendszenen und -subkulturen
3.1. Geschichte der Musik
3.2. Jugend und Musik
4. Hip-Hop
4.1. Die Wurzeln der Hip-Hop-Kultur
4.2. Hip-Hop in Deutschland
4.2.1. Banned in the BRD- Rap auf dem Index
4.2.2. Hip-Hop in der DDR
4.3. Graffitis: Die Kunst des Vandalismus
4.4. Breakdance: Kampf durch Bewegung
5. Interviews
5.1. Das wissenschaftliche Interview
5.2. CORE-LEONE
5.3. AGOM
6. Musik als Medium in der Jugendarbeit
6.1. Die Wirkungen von Musik
6.2. Musik als Hilfe zur Selbstsozialisation
7. Praxisprojekte zur sozialpädagogischen Arbeit mit Rap-Musik
7.1. Das Hip-Hop-Mobil
7.2. Das multikulturelle Hip-Hop-Projekt
7.2.1. Konzeption
7.2.2. Sozialpädagogische Arbeitsansätze
7.2.3. Methodik und Didaktik
7.2.4. Methodische Kompetenzen der Betreuer
7.2.5. Ziele
7.2.6. Rechtliche Grundlagen
7.2.7. Schlussbemerkung
8. Eigene Gedanken – Schluss
9. Literaturverzeichnis
Einleitung
Verfolgt man den derzeitigen Musikmarkt, dann fällt einem als interessierter Musikhörer auf, dass momentan etliche verschiedene Musikstile um die Aufmerksamkeit und letztendlich auch um das Geld der vor allem jugendlichen Zuhörerschaft kämpfen. Das ist zwar kein neues Phänomen, interessant zu beobachten ist aber trotz allem, wie sich die Musik im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert und immer weiter differenziert hat. So gab es auch schon in den 50er und 60er Jahren spezielle Musikstile mit eigenen Ausdrucks-, Kleidungs- und Verständigungsformen, man kann aber behaupten, dass die damaligen musikalischen Ausdrucksformen und -stile um einiges geringer waren als heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts. So entdeckt man in den heutigen Charts Musik der verschiedensten musikalischen Zweige. Es gibt dort immer noch die klassische Rockmusik und ihre unterschiedlichen Orientierungen wie z.B. der Punk oder Hardrock. Daneben hört man Reggae, Techno, Dark Metal, Schlager, klassische Popmusik, Soul, Heavy Metal und noch viele weitere Musikstile, die, wenn man sie alle aufzählen würde, den Rahmen dieser Einleitung sprengen würden.
Einer der bedeutendsten und einflussreichsten Musikstile der letzten Jahre ist zweifellos Hip-Hop oder umgangssprachlich auch Rapmusik. Der Beweis für den unglaublich kommerziellen Erfolg dieses Stiles ergibt sich unter anderem durch einen Blick auf die aktuellen Platzierungen der Media-Controll-Charts. So befanden sich in der dritten Juliwoche des Jahres 2006 unter den zwanzig meist verkauften Singles der Woche 8 Lieder, die direkt aus dem Hip-Hop-Umfeld stammen oder zumindest stark von diesem Stil beeinflusst werden.
Doch man kann heutzutage den Erfolg eines Musikstiles nicht nur an verkauften CDs festmachen. Individuelle Kleidungsstile sowie eine bestimmte Art seine Umwelt zu sehen und sich in ihr zu repräsentieren kommen hinzu. Diese Merkmale erfüllt die Hip-Hop-Kultur zurzeit am deutlichsten, denn jeder, der aufmerksam seine Umgebung und deren Einwohner beobachtet, kennt Teenager, aber auch ältere Jugendliche, die mit zu weiten Hosen und zu großen T-Shirts durch die Straßen laufen. Jedem sind schon einmal Graffitis aufgefallen, die einen omnipräsent durch das Stadtbild begleiten, und vielleicht hat auch schon der ein oder andere gesehen, wie Breakdancer die Fußgängerzone mit Hilfe eines Stücks Linoleum zur Bühne ihres Tanzes umfunktioniert haben. Dies alles ist ein Teil einer großen Subkultur, der Hip-Hop-Kultur.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Subkulturen im Allgemeinen und mit der Subkultur Hip-Hop im Speziellen. Dabei soll vor allem geklärt werden, was das Leben in einer Subkultur so interessant und verführerisch macht. Ich möchte auf spezielle Merkmale des Hip-Hops eingehen und somit auch versuchen zu erklären, was diese Kultur zu etwas Besonderem macht.
Das Ziel, welches ich verfolge, ist, dass es am Ende der Arbeit für den Leser nachvollziehbar ist, warum sich Jugendliche in Gruppen organisieren, um gemeinsam zu rappen, zu tanzen oder zu sprühen. Ich möchte für ein Verständnis jugendlicher Handlungsformen werben, welche auf den ersten Blick nicht für jeden erwachsenen Menschen nachvollziehbar sind.
Hierbei werde ich mich ausführlich zu verschiedenen Theorien über Kultur und Subkultur äußern und im Anschluss diese auf die derzeitige Hip-Hop-Szene übertragen.
Auch ist ein Verständnis dieser Subkultur unbedingt nötig, um einen Großteil der heutigen Jugendlichen und ihr Handeln verstehen zu können. Aus diesem Grund werde ich mich ausführlich zur Entstehung, zur Verbreitung und zu den Besonderheiten der Hip-Hop-Kultur äußern. Meinen Schwerpunkt wird dabei die Geschichte des Hip-Hop bilden, weil die Wurzeln dieser Kultur einen Rückschluss auf die heutige Bedeutsamkeit für viele Jugendliche zulässt. Da Hip-Hop ein Medium ist welches vom aktiven Austausch zwischen den Aktivisten lebt, und dieser ständige Transfer von Meinungen, Gedanken, Erlebnissen und Eigenarten auch nicht vor Deutschland halt gemacht hat, werde ich mich auch ausführlich mit der Entstehung und Verbreitung von Hip-Hop in Deutschland beschäftigen. Außerdem werde ich mich zum Stand der derzeitigen Rap-Musik in Deutschland äußern, denn Meinungen und Positionen zur politischen Korrektheit dieses Musikstils dominieren die gegenwärtigen deutschen Musikmedien.
Zum Schluss dieser Arbeit möchte ich noch auf die Chancen eingehen, welche sich für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ergeben, wenn man ein Verständnis für jugendliche Subkulturen aufbaut. Außerdem werde ich einige Beispiele und Anregungen nennen, wie man die Hip-Hop-Kultur für die Jugendarbeit positiv nutzen kann.
1. Kulturdefinition
Um sich dem Thema Subkulturen und deren einzelnen Verzweigungen nähern zu können, ist es unvermeidbar im Vorhinein erst einmal den Versuch zu unternehmen, den allgegenwärtigen, uns überall begleitenden Begriff Kultur zu definieren. Das Wort Kultur stammt dabei erstmal von dem lateinischen Wort cultura ab, was übersetzt soviel bedeutet wie, Pflege des Körpers aber primär des Geistes.
Rolf Schwendter, als einer der wichtigsten deutschsprachigen Theoretiker der Subkulturforschung, ist der Meinung, dass „Kultur als der Inbegriff alles nicht Biologischen in der menschlichen Gesellschaft“ gesehen werden kann. „Oder anders gesagt: Kultur ist die Summe aller Institutionen, Bräuche, Werkzeuge, Normen, Wertordnungssysteme, Präferenzen, Bedürfnisse usw. in einer konkreten Gesellschaft.“ (Schwendter 1993, S. 10F, zit. nach Farin, S.18)
Klaus Farin zitiert in seinem Buch Generation kick.de Laszlo A. Vaskovics welcher schreibt, dass die Menschen nicht mehr über das Ausmaß an Instinkten verfügen, wie es noch bei den Tieren zu beobachten ist. Die Verhaltensweisen und unterschiedlichen Handlungen der Menschen sind viel weniger instinktfixiert als im Tierreich. Was aber in der Tierwelt ein Nachteil wäre, kann bei den Menschen als Vorteil gesehen werden. Denn aus der dadurch entstehenden Handlungsfreiheit hat der Mensch unendlich viele verschiedene individuelle Möglichkeiten für die Gestaltung des sozialen Lebens geschaffen. Diese biologischen und sozialen Freiheiten führen und führten aber auch immer wieder zu Problemen im menschlichen Umgang. Diese Belastungen, durch ständig geforderte situative Entscheidungen, versuchte man durch das Einführen verbindlicher Regeln zu kompensieren. In diesem Zusammenhang entstanden unterschiedlichste Verhaltensmuster, Rollen und Institutionen, welche das komplexe soziale Regelsystem sichern und unterstützen sollen. Kultur würde dann nach Meinung von Vaskovics die Summe der gesellschaftlichen Regelsysteme sein, inklusive der darin enthaltenden Werte und Normen. Zusammengefasst lässt sich Kultur also als die gesamte Konfiguration von Verhaltensmustern, Rollen und Institutionen definieren, welche die Mitglieder einer Gesellschaft verbinden. (vgl. Farin 2001, S. 18)
Stark vereinfacht wurde Kultur auch häufig als „erlerntes Verhalten“ oder als „Problembewältigung aufgrund überlieferter Verhaltensmuster“ verstanden, nur engt das den Begriff Kultur zu stark ein und eine Erweiterung des Kulturbegriffes scheint angebracht. Tylor vermerkt dazu: „Kultur oder Zivilisation, im weiteren ethnographischen Sinn verstanden, ist jenes komplexes Ganze, das das Wissen, den Glauben, die Kunst, die Moralauffassung, die Gesetze, die Sitten und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst, die sich der Mensch als Mitglied der Gesellschaft aneignet.“ (Brake 1981, S.15) Eine weitere Definition des Begriffes Kultur stammt von Kroeber und Kluckhohn. Diese Beiden stützen sich bei ihrer Definition des Kulturbegriffes auf mehr als einhundert Merkmale, die verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen entnommen wurden. Dabei kommen sie zu folgendem Ergebnis. „Kultur besteht aus Verhaltensmustern, aus einer expliziten und impliziten Symbolik und konstituiert kennzeichnende menschliche Leistungen, einschließlich ihrer Vergegenständlichung in künstlerischen Erzeugnissen. Den Hauptinhalt von Kultur aber machen überlieferte Ansichten und vor allem die damit verknüpften Wertmaßstäbe aus, die als historisch gewachsene begriffen werden müssen. Kulturelle Wertsysteme sind einerseits das Produkt menschlicher Handlungsweisen und andererseits die Voraussetzung für späteres Verhalten.“ (zit. nach Brake 1981, S.15) So kann man Kultur als „historisch gewachsenes Netz von Metaphern, Symbolen und Bedeutungen“ betrachten, welches sich einzelne Personen potentiell aneignen können.
Eine weitere populäre Definition des Kulturbegriffes stammt von William James Durant aus seinem Werk „Kulturgeschichte der Menschheit“. Durant schreibt darin, dass Kultur eine soziale Ordnung ist, welche schöpferische Tätigkeiten begünstigt. Dabei setzt sie sich aus vier Elementen zusammen. Das wäre die wirtschaftliche Vorsorge, die politische Organisation, moralische Traditionen und das Streben nach Wissenschaft und Kunst. Seiner Meinung nach beginnt Kultur wo Chaos und Unsicherheit endet. Das befreit die Neugier und den Erfindungsgeist und so kann der Mensch aus natürlichem Antrieb der Verschönerung des Lebens entgegenschreiten.
Auch der Theologe, Arzt und Philosoph Albert Schweitzer hat eine Definition des Begriffes Kultur vorgenommen. „Nach Albert Schweitzer ist Kultur Fortschritt, materieller und geistiger Fortschritt der einzelnen wie der Kollektivitäten. Der Fortschritt bestehe zunächst darin, dass für die Einzelnen wie für die Kollektivitäten der Kampf ums Dasein herabgesetzt werde. Letztes Ziel der Kultur ist nach Albert Schweitzer die geistige und sittliche Vollendung des Einzelnen.“ (http//de.wikipedia.org/wiki/kultur, 09.06.2006)
Auffällig beim Lesen der verschiedenen Definitionen ist, dass es der Wissenschaft schwer fällt eine konkrete Begriffsbestimmung des Kulturbegriffes zu finden, aber die Gesamtheit der genannten Definitionen macht deutlich, was man aus wissenschaftlicher Sicht unter Kultur versteht.
Da Kultur, wie schon erwähnt, verschiedene ineinander überfließende, aber auch voneinander abgeschottete Sphären enthält, ist eine homogene Kultur praktisch unmöglich. „Jedes komplexe Gesellschaftssystem besteht aus verschiedenen divergierenden Kulturen und einer Reihe von Untergruppen und Subkulturen, wobei diese sich mit ihren Verhaltensnormen, ihren Wertmaßstäben und ihrem Lebensstil gegenüber der dominanten Kultur behaupten müssen.“ (Brake 1981, o.a.)
Mit den, laut Brake, also zwangsläufig entstehenden Subkulturen setze ich mich in dieser Arbeit auseinander und werde im folgenden Kapitel definieren, was man unter einer Subkultur versteht.
1.1. Subkultur
Der Begriff Subkultur wurde nach der Ansicht von Brake erstmals in den 40er Jahren von Mc Lung Lee und M. Gordon gebraucht, welche die Subkultur als Subsystem der nationalen Kultur definierten und die sich bei ihren Forschungen „explizit auf ethnische Gruppierungen in den USA, auf italienische Immigranten, sowie generell auf die schwarze Bevölkerung“ (Farin 2001, S.58) bezogen. In den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebten Soziologen und Pädagogen dann „die Blütezeit der Subkultur-Forschung“ (Farin 2001, S.18), welche aber aufgrund der fortschreitenden Individualisierung von Beziehungsgeflechten sowie der Zunahme verbindlicher Normen- und Wertekataloge vor zunehmend größere Probleme gestellt wurde. Da schon das Finden verbindlicher Gemeinsamkeiten der Mehrheitsgesellschaft diffizil wurde, erschien es fast unmöglich Ähnlichkeiten von eindeutig abweichenden Gruppen und Orientierungen zu entdecken und zu analysieren. Trotz aller Schwierigkeiten bei der Subkulturforschung erscheint es aber angebracht sich auch aktuell mit diesem Thema auseinanderzusetzen, denn für den überwiegenden Teil, der in Subkulturen organisierten und engagierten Jugendlichen, macht dieser Begriff weiterhin Sinn und stellt nicht selten einen starken Identifikationspunkt im täglichen Leben dar.
In Anlehnung an die schon genannte Kulturdefinition von Schwendter ist „Subkultur ein Teil einer konkreten Gesellschaft, der sich in seinen Institutionen, Bräuchen, Werkzeugen, Normen, Wertordnungssystemen, Präferenzen, Bedürfnissen usw. in einem wesentlichen Ausmaß von der herrschenden Institution etc. der jeweiligen Gesamtgesellschaft unterscheidet.“ (Schwendter 1993, S. 10, zit. nach Farin 2001, S.18).
Brake geht ergänzend davon aus, dass die Existenz einer herrschenden Klasse nicht zu leugnen ist. Er stellt aber trotzdem in Frage, ob man dabei gleichzeitig von der Vorherrschaft einer Kultur ausgehen kann. Seiner Meinung nach ist jede soziale Gruppe in verschiedene auf sie zugeschnittene Wertesysteme involviert, aber kein existierendes Wertesystem kann als homogen oder einheitlich beschrieben werden, denn „gängige Ansichten unterliegen Modifikationen, Werte werden umgewertet.“ (Brake 1981, S.16). Das führt dazu, dass Gesellschaften, die auf so komplexe Weise verzweigt sind, mehrere verschiedene Kulturen entwickeln. „Die Mehrzahl dieser Kulturen sind Stammkulturen, wobei die Subkulturen als Subsysteme dieser großen kulturellen Konfiguration begriffen werden müssen. Subkulturen beinhalten Elemente der umfassenderen Stammkultur, heben sich jedoch zugleich von ihr ab.“ (Brake, o.a.) Durch die, je nach Aktualität der jeweiligen Subkultur, verschieden starke Präsenz in den Massenmedien wird die Verbindung der Subkulturen zur Stammkultur nicht abgebrochen, was eine verstärkte Einflussnahme auf die unterschiedlichen Lebensstile der Gesellschaftsmitglieder zur Folge hat. Gleichzeitig werden aber auch der Anpassungsdruck, die Entfremdungserscheinungen sowie die Auflösungstendenzen der Subkulturen von der öffentlichen Meinung mitproduziert, so dass die Wertmaßstäbe der Stammkultur durchaus den Eingang in die jeweilige Subkultur finden. Laut Downes sollte man weiterhin zwischen den Subkulturen, „deren Erscheinungsbild im Großen und Ganzen gesellschaftlich akzeptiert wird und anderen, die als negative Reaktion auf soziokulturelle Gegebenheiten auftauchen“ (Brake, o.a.) differenzieren. Nur durch die nicht zu vermeidende Teilnahme an der umfassenderen Stammkultur kann eine Integration in eine Subkultur stattfinden, wobei die Vermengung von Merkmalen der Stammkultur mit der Subkultur stark variieren kann und dadurch entweder ein Anhängsel der jeweiligen Stammkultur oder ein oppositioneller Widerpart entsteht. Durch die verschieden starke Abgrenzung von der entsprechenden Stammkultur entstehen in der Folge dann auch immer wieder Subkulturen mit sichtbaren spezifischen Hauptmerkmalen, welche sich signifikant von den allgemein akzeptierten durchschnittlichen Gesellschaftsnormen unterscheiden. Diese Hauptmerkmale beschreibt Miller als „ein Spektrum verschiedener Orientierungspunkte, die ungeteilte Aufmerksamkeit und ein Höchstmaß emotionaler Zuwendung erfordern.“ (Brake, o.a.).
Geht man also davon aus, dass es nicht eine beherrschende allgemein gültige Jugendkultur gibt, sondern dass, „je nach Alter und sozialer Schicht, ein komplexes Kaleidoskop von Subkulturen mit spezifisch ausgeprägten Lebensstilen, eigenen Wertmaßstäben und Verhaltensnormen“ (Brake, o.a.) existiert, lässt sich auch ein Begriff der jugendlichen Subkultur herausarbeiten, der über das hinausgeht, was man in der Populärwissenschaft mit dem Terminus Jugendkultur kategorisiert.
Wenn man auf die Definition zurückkommt, dass man Kultur „als historisch gewachsenes Netz von Metaphern, Symbolen und Bedeutungen betrachten kann, die sich Einzelpersonen potentiell zu eigen machen können“ (Brake, o.a.), verweisen Subkulturen, durch ihre einfache Existenz und ihre alternativen Ausprägungen, auf eine kulturelle Vielfalt, die im genauen Gegensatz zur angenommenen Dominanz einer Kultur steht. „Subkulturen entstehen dort, wo es vorab schon einige organisierte und (nach außen hin) wahrgenommene Ansätze eigener Wertmaßstäbe, Verhaltensformen und Handlungsweisen gegeben hat.“ (Brake, o.a.)
Nach Ansicht von Downes finden sich Subkulturen zusammen, um kollektiv erfahrene Schwierigkeiten und Probleme zu lösen. Subkulturen entstehen seiner Meinung nach dort, „wo eine Anzahl Personen mit ähnlichen Anpassungsproblemen, für die noch keine wirkliche Lösung in Sicht ist, untereinander in engem Erfahrungsaustausch stehen.“ (Brake, o.a.) Ebenso verweist er daraufhin, dass jugendliche Subkulturen nicht nur innerhalb einer Gesellschaft entstehen, sondern auch importiert werden können. Aber „generell kann eine Subkultur nur dann überleben, wenn sich aus ihr neue Wertmaßstäbe und Verhaltensnormen entwickeln, die für die einzelnen Mitglieder Symbolkraft und Bedeutung haben. (…) Vom existentiellen Blickwinkel betrachtet, beeinflussen die subkulturellen Metaphern und Bedeutungen die Identität und die Vorstellungswelt des einzelnen Mitglieds. Die quasi extern entstandenen Symbolwelten bestärken das individuelle Selbstwertgefühl, wobei ein sich veränderndes Image allerdings kulturell und existentiell der Einzelperson entsprechen muss.“ (Brake, o.a.)
1.1.1. Das Subkultur-Modell nach Schwendter
In seinem Werk „Theorie der Subkultur“ aus dem Jahr 1970 setzte sich der deutsche Theoretiker Rolf Schwendter mit Subkulturen auseinander und entwarf dabei ein Modell, welches ich im Folgenden näher erläutern möchte. Dabei sind alle Erkenntnisse und Zitate dem Buch „generation kick.de“ von Klaus Farin entnommen, welcher sich ausführlich mit den Ergebnissen der Arbeit von Schwendter auseinander gesetzt hat.
Zunächst einmal unterscheidet Schwendter zwei Typen von Subkultur. Da wären 1. die „Teilkulturen“, welche hauptsächlich innerhalb der dominanten Stammkultur wirken. Weiterhin geht er von der Existenz von „Gegenkulturen“ aus, welche in Opposition zur herrschenden Stammkultur stehen. Schwendter sieht die „Teilkultur“ aber nicht als eigenständige Kultur, die aus der Jugend hervorgeht. Vielmehr geht er davon aus, dass diese eine Kultur für die Jugend ist, bei der eigenständige Ansätze zur Mode deklariert werden und diese im Effekt dann natürlich auch der Kommerzialisierung unterlegen ist. „Da sich Teile der Erwachsenenwelt an dieser Freizeit-, Mode- und Konsumkultur ausrichten, erhält sie einen zusätzlichen Integrationsfaktor, wodurch sie zur dominanten Teilkultur unserer Gesellschaft wird und dieser einen scheinbar puerilen Anstrich verleiht, der wiederum von der Werbung unterstützt wird.“ (Farin 2001, S.59)
Für diese „Teilkulturen“ interessierte sich Schwendter weniger. Das größere Augenmerk legte er auf die „Gegenkulturen“, welche er wiederum differenzierte und zwar in „progressive Subkulturen“ und in „regressive Subkulturen“. Die Unterschiede dieser beiden Subkulturtypen stellt er wie folgt dar.
Bei den progressiven Subkulturen dienen die Normen, Institutionen usw. dazu, den gegenwärtigen Stand der Gesellschaft weiterzutreiben oder sogar aufzuheben. Das Anliegen dieser Art von Subkultur ist es einen grundsätzlichen neuen Gesellschaftszustand zu erarbeiten. Die regressiven Subkulturen dienen im Gegenteil dazu „einen vergangenen Stand der Gesellschaft, Normen, die nicht mehr oder nicht in dieser Weise in der gegenwärtigen Gesellschaft wirksam sind, wiederherzustellen.“ (Farin, o.a.) Aus diesem Grund ist es den regressiven Subkulturen auch nicht möglich zur Avantgarde zu werden, vielmehr werden sie zu einem Teil der Elite, wodurch sich gleichfalls die Erstellung einer konkreten positiven Utopie erübrigt. Die regressiven Subkulturen haben als Ziel den Austausch der Nutznießer des Standards zu beschleunigen. Im Gegenteil dazu geht es den progressiven Subkulturen vor allem um die Umgestaltung des gesamtgesellschaftlichen Ordnungssystems, was zur Folge hat, dass sie ihre Abneigung gegen das Establishment direkt äußern. Regressive Subkulturen übertragen Missbilligung gesellschaftlicher Zustände eher auf Ersatzobjekte.
Auch bei den Mitgliedern der jeweiligen Subkulturtypen sieht Schwendter Unterschiede. Seiner Meinung nach finden sich bei den progressiven Subkulturen vor allem Mitglieder des Proletariats, also der gesellschaftlichen Unterschicht und teilweise auch der Mittelschicht, ein, die regressiven Subkulturen rekrutieren ihre Mitglieder vor allem aus dem Kleinbürgertum, also der höheren Mittelschicht.
In der Weiterführung seiner Subkulturtheorie konzentrierte sich Schwendter zunehmend auf die progressiven Subkulturen und differenzierte diese wiederum in rationalistische- bzw. emotionelle Subkulturen. Erstere legen, laut Schwendter, großen Wert auf „Analysen, Praxis zur kompakten Majorität und zu freiwilligen Subkulturen hin, Selbstbestimmung sowie konkrete Arbeit an den technologischen Möglichkeiten“ (Farin, o.a.) Emotionelle Subkulturen dagegen legen ihre Prioritäten auf das Erwerben der individuellen Freiheit sowie die Entwicklung des individuellen Bewusstseins.
Schwendter sah Subkulturen, im Gegenteil zur Mehrheit der damaligen Subkulturtheoretiker, vor allem als eine gesellschaftsverändernde Kraft.
Trotz der zweifellosen Anwendbarkeit dieser Theorie auf jugendliche Subkulturen, bildeten diese nicht den Mittelpunkt dieser Subkulturtheorie. Anders sieht das bei den Forschungen des Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) aus.
1.1.2. Die Studien des CCCS
Außer mit der Subkulturtheorie von Schwendter beschäftigte sich Klaus Farin in seinem Buch mit den Studien des CCCS.
Das 1964 gegründete CCCS nahm zum ersten Mal, im Rahmen der Subkulturforschung, die jugendlichen Alltags- und Freizeitkulturen der Nachkriegszeit ernst, was zur Folge hatte, dass die gewonnenen Erkenntnisse auch heute noch einen entscheidenden Einfluss auf die moderne Subkulturforschung haben. „Mit einem geradezu ethnologischen Blick untersuchten die marxistisch orientierten ForscherInnen des CCCS vor allem die proletarischen Subkulturen der 60er bis frühen 80er Jahre.“ (Farin 2001, S.61)
In der britischen Subkulturforschung standen die Herkunftsmilieus der Jugendlichen im Mittelpunkt des Interesses. Doch obwohl die Ausgangslage eine andere als bei Schwendter war, kamen beide Studien zu ähnlichen Ergebnissen.
Die CCCS erarbeitete zwei Phänotypen der jugendlichen Subkulturen, welche sich in ihren Zielen, Interessen und gesellschaftlichen Wirkungen unterscheiden. Ein Phänotyp wären die Subkulturen der Arbeiterklasse, welche Clarke wie folgt beschreibt: „Die Subkulturen der Arbeiterklasse sind deutlich artikulierte kollektive Strukturen – häufig beinah Gangs. (…) Die Arbeiter-Subkulturen reproduzieren eine klare Dichotomie zwischen jenen Aspekten des Gruppenlebens, die noch ganz unter den Zwängen der dominanten Stamm-Institution stehen, und jenen, die mit der arbeitsfreien Zeit verbunden sind.“ (Farin, o.a.) So kommt es dazu, dass diese Jugendlichen klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit ziehen, denn „wer sich in einem permanenten Arbeitsprozess befindet, dem bleibt nur die Freizeit, um einen draufzumachen.“ (Farin, o.a..) Beispiele für diesen Typ der jugendlichen Subkulturen sind z.B.: die Rocker oder die Hippies.
Das Gegenstück zu den Subkulturen der Arbeiterklasse bilden dann die Gegenkulturen der Mittelschicht. Diese schildert Clarke wie folgt: „Die Gegenkulturen der Mittelklasse sind diffus, weniger Gruppen zentriert, individualistischer. Sie führen nicht zu fest gefügten Subkulturen, sondern zu einem diffusen gegenkulturellen Milieu. (…) Ja, sie zeichnen sich gerade durch den Versuch aus, Alternativen zu den zentralen Institutionen der dominanten Kultur zu erproben: neue Lebensformen, neue Formen des Familienlebens, der Arbeit und sogar von `Nicht-Karrieren`.“ (Farin, a.O.) Weiterhin führt Clarke an: „Die Gegenkultur der Mittelschicht war die Avantgarde eines Dissens, der aus ihrer eigenen, dominanten Stammkultur erwuchs. Ihr Rückzug war prinzipiell ideologisch und kulturell. Sie richteten ihren Angriff hauptsächlich gegen jene Institutionen, welche die dominanten kulturellen und ideologischen Beziehungen reproduzieren.“ (Farin, o.a.)
Die schon genannten Subkulturen der Arbeiterklasse, die Rocker und Hippies, waren die letzten Kulturen bei denen „die relativ schematische Einteilung von Subkulturen entlang sozial eindeutiger Klassen oder Milieus, noch funktionierte.“ Durch den zunehmenden „soziokulturellen Wandel und den damit verbundenen kulturellen Pluralisierungsprozessen“ (Farin 2001, S.70) kam es zu einem „disparaten Bündnis metropolitaner Subkulturen, welchen längst eine Milchstraße von Klassenströmungen, nicht indes eine verbliebene Stammkultur zugrunde liegt.“ (Farin, o.a.)
Die Erkenntnisse der Subkulturforschung des CCCS galten nicht automatisch auch für Deutschland. Die Lebensstile und Alltagskulturen der (West-) Deutschen Jugendlichen ließen sich weniger eindeutig aus der Milieu- und Klassenperspektive beschreiben. Hinzu kommt, dass keine der relevanten Jugendkulturen seinen Ursprung in Deutschland hatte. Dieses wird bei der folgenden Analyse der deutschen Jugendkulturen zu berücksichtigen sein.
1.2. Jugendsubkulturen heute
Laut Farin existieren Marketingstudien der Industrie, die inzwischen von über 400 Jugendkulturen allein in Deutschland sprechen. In den letzten 25 Jahren ist eine unüberschaubare Artenvielfalt verschiedenster Jugendkulturen entstanden, „mit jeweils eigenem Outfit und eigener Musik, eigener Sprache und eigenen Ritualen, mit zum Teil fließenden Übergängen und gleichzeitig scharf bewachten Grenzlinien, die für Außenstehende oft nicht einmal erkennbar sind.“ (Farin 2001, S.72)
Doch was sind die Gründe für diese scheinbar explosionsartige Zunahme von jugendlich dominierten Subkulturen und warum wirken sie unvermindert attraktiv auf die Jugend der Gegenwart?
Farin geht davon aus, dass dieser Zuwachs an jugendlichen Subkulturen einherging mit den zunehmenden Individualisierungsprozessen innerhalb unserer Gesellschaft. Seiner Meinung nach veränderten sich in den letzten Jahrzehnten die klassischen Gesellungsformen wie z.B. die Familie, die Kirchengemeinden oder die Nachbarschaft grundlegend. Verantwortlich dafür sind aus seiner Sicht die „Subjektivierungs-, Pluralisierungs- und Globalisierungsprozesse in ökonomischen wie auch in kulturellen Kontexten.“ (Farin 2001, S.73), welche die bisher vorherrschenden Klassen- und Schichtstrukturen zunehmend ablösen. Ullrich Beck schreibt dazu in seinem Buch „Riskante Freiheiten“: „Die individualisierte Gesellschaft produziert Zuwächse und Ansprüche und erschwert gleichzeitig ihre Verwirklichung. Individualisierung meint sowohl die Aufweichung, ja sogar die Auflösung als auch die Ablösung industriegesellschaftlicher Lebensformen durch andere, in denen die Einzelnen ihre Biographie selbst herstellen, inszenieren, zusammenschustern müssen, und zwar ohne die eigene basale Fraglosigkeit sichernden, stabilen sozial-moralischen Milieus.“ (Beck, 1993, S.179) Dazu kommt, dass es durch die Individualisierungstendenzen der Gesellschaft nicht zur Auflösung sozialer Ungleichheit kommt, sondern vielmehr zur Verschärfung selbiger. Bei den Jugendlichen entsteht nach Meinung Ferchhoffs „ein quasi struktureller Zwang sich selbst zu verwirklichen – das Leben in eigene Regie zu nehmen.“ Die Jugend der Gegenwart muss sich täglich individuell behaupten und durchsetzen können. Außerdem ist jeder Jugendliche praktisch gezwungen „seine individuelle Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit stets selbst inszenierend unter Beweis zu stellen. Wir sind zur Individualisierung verdammt. Es handelt sich um einen paradoxen Zwang zur Selbstgestaltung und Selbstinszenierung der eigenen Bastelbiographie.“ (zit. nach Beck, o.a.)
Die Jugendlichen verlieren zusehends Orte mit ideologischer Bindungskraft. Die Schule kann immer weniger den zentralen Sinn ihres Daseins erfüllen, welcher immer noch hauptsächlich in der Qualifizierung der Schüler für die Herausforderungen des Lebens bestehen sollte. Die Kirchen verlieren ebenso ihre Anziehungskraft auf Jugendliche und die Politik büßte ihre Legitimation als moralische Instanz ein, als sich zeigte, dass auch sie nicht in der Lage ist die momentanen gesellschaftlichen Probleme adäquat zu lösen.
Es kann also festgehalten werden, dass durch die gesellschaftlichen Individualisierungsprozesse eine Vermehrung der Handlungsressourcen und -optionen stattfindet. Das führt aber gleichzeitig zu einem „höheren Risikofaktor sowie der Notwendigkeit, in einer zunehmend komplexeren Welt seine Positionierung selbst vorzunehmen.“ (Farin 2001, S.87)
Die herkömmlichen Gesellschaftsformen sind immer weniger in der Lage den jugendlichen Ansprüchen an diese komplexe Welt gerecht zu werden. Das führt dazu, dass sich der Einzelne selbstständig auf die Suche nach modernen Teilzeit-Gemeinschaften machen muss. „Die Jugendkulturen befriedigen dieses Bedürfnis nach temporären Sinn-Gemeinschaften, sie bringen Ordnung und Orientierung in die überbordende Flut neuer Erlebniswelten.“ (Farin, o.a.) Jugendkulturen bieten durch eine künstliche aber strikte Grenzziehung einen geschützten Raum, welcher die verwirrende Außenwelt auf Distanz hält. Sie geben den Jugendlichen das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit.
1.3. Jugendliche Szenen als Subkulturen
Durch die schon beschriebene zunehmende Verpflichtung der Jugendlichen sich in einem immer komplexer werdenden Systemwerk selbstständig positionieren zu müssen, sind diese einem besonders hohen gesellschaftlichen Erwartungsdruck ausgesetzt. Zwar verschafft ihnen die Verlängerung der Schul- und Ausbildungszeit zunächst einen größeren Freiraum, „allerdings stellt sich dieser Freiraum als zwiespältiges Moratorium dar, an dessen - immer unklarer werdendem, gleichwohl aber anvisiertem - Ende im kulturell und politisch erwünschten Normalfall schließlich unter anderem dann offenbar doch (wieder) jene Kompetenzen erworben sein sollen, die den Zugang zur Sonnenseite der Individualisierung möglich machen“. (Hitzler 2001, S.15)
Diese neue individualisierte Form der Vergemeinschaftung wird für die Jugendlichen zu einer „zunehmend kompetent gehandhabten Selbstverständlichkeit“, (Hitzler 2001, S.18) was im Effekt dazu führt, dass die heutige Jugend immer weniger herkömmliche Sozialisationsagenturen sucht und findet. Einen Lebenssinn findet der Jugendliche der Gegenwart hauptsächlich in relativ autonomen freizeitlichen Sozialräumen. „Und sie finden ihn hier – sozusagen jederzeit frisch verpackt – in der ästhetischen Gewandung der je angesagten, posttraditionalen Gemeinschaft.“ (Hitzler, o.a.)
Ein heutzutage üblicher Begriff für eine solche posttraditionale Gemeinschaft ist der Begriff Szene. Nach der Definition von Hitzler ist eine solche Szene ein „thematisch fokussiertes kulturelles Netzwerk von Personen, die bestimmte materiale und/oder mentale Formen der kollektiven Selbststilisierung teilen und Gemeinsamkeiten an typischen Orten und zu typischen Zeiten interaktiv stabilisieren und weiterentwickeln.“(Hitzler, o.a.)
Um das Phänomen jugendlicher Szenen genauer einordnen zu können, hat Hitzler die folgenden 12 Merkmale beschrieben:
1. Szenen sind Gesinnungsgemeinschaften
Jugendliche suchen heutzutage Verbündete mit denselben Neigungen, Interessen und Vorstellungen. Da diese immer weniger in den traditionellen Sozialisationsinstanzen (Familie, Kirche, Nachbarschaft usw.) zu finden sind, bilden die Jugendszenen einen geeigneten Ersatz.
2. Szenen sind thematisch fokussierte soziale Netzwerke
Jede Szene verfügt über ein zentrales Thema, auf das die Aktivitäten einer Jugendszene ausgerichtet sind. Dieses Thema kann thematisch stark variieren. So kann das Identifikationsmerkmal einer Szene, z.B. ein bestimmter Musikstil sein, eine politische Idee, eine Sportart oder eine bestimmte Weltanschauung. „Thematische Fokussierung meint die Vorfindlichkeit eines mehr oder weniger präzise bestimmten Rahmens, auf den sich Gemeinsamkeiten von Einstellungen, Präferenzen und Handlungsweisen der Szenemitglieder beziehen.“ (Hitzler 2001, S.21)
3. Szenen sind kommunikative und interaktive Teilzeitgesellungsformen
Die Existenz einer Szene ist gebunden an kommunikative Erzeugung gemeinsamer Interessen sowie an die kommunikative Vergewisserung derjenigen. „Vor allem in diesem Sinne lässt sich eine Szene mithin als Netzwerk von Personen verstehen, die bestimmte materiale und/oder mentale Formen der kollektiven (Selbst-) Stilisierung teilen und diese Gemeinsamkeiten kommunikativ stabilisieren, modifizieren oder transformieren.
4. Szenen dienen der sozialen Verortung
„Szenen ermöglichen aufgrund ihrer typischen Zeichen, Symbole, Rituale, Verhaltensweisen usw. die soziale Verortung, die sozusagen kategorische Zu- und Einordnung von durch sie assoziierten Individuen.“ (Hitzler, o.a.)
5. Szenen haben ihre je eigene Kultur.
Um sich einer Szene zugehörig fühlen zu können, reicht erst mal ein Interesse an den jeweiligen Verhaltensweisen, Attribuierungen, Wissensbeständen, Relevanzen usw. aus. „Volle Teilhabe bzw. Mitgliedschaft allerdings lässt sich erst durch Aneignung und kompetente Anwendung szenetypischer Kultur- Know-hows erreichen.“ (Hitzler, o.a.)
6. Szenen sind labile Gebilde
In dem Großteil der heutigen Jugendszenen existieren kaum eigene, vernünftige Sanktionsinstanzen zur Kontrolle des szenekonformen Verhaltenscodes, bzw. zur Verhinderung von Ein- und Austritten. Da die Zugehörigkeit zu einer Szene jederzeit kündbar ist, weil diese auf einer freiwilligen Selbstbindung beruht und da die durch die Szene fokussierten Interessengebiete für die Mitglieder nicht zwangsläufig ein Leben lang attraktiv sein müssen, sind derzeitige Jugendszenen ausgesprochen labile Gebilde.
7. Szenen haben typische Treffpunkte
„Der Labilität des Wir-Bewusstseins wegen sind verlässliche Szenetreffpunkte von großer Bedeutung: Dort manifestieren und reproduzieren sich nicht nur die Kultur der Szene, sondern eben auch das subjektive Zugehörigkeitsgefühl des Mitglieds.“ (Hitzler 2001, S.24)
8. Szenen sind Netzwerke von Gruppen
Jedes Mitglied einer Jugendszene ist in mindestens eine Gruppierung innerhalb der Szene eingebunden, welche aber trotzdem Teil der Szene ist. Durch die entstehende gruppenübergreifende Kommunikation ist es nicht zwingend notwendig sich innerhalb der Szene persönlich zu kennen. Mitglieder einer Jugendszene erkennen sich vielmehr an typischen Merkmalen und interagieren in szenespezifischer Weise.
9. Szenen sind vororganisierte Erfahrungsräume
Ein wichtiges und unverzichtbares Element einer jeden Szene sind so genannte Events. „Event soll – vorläufig – heißen: eine vororganisierte Veranstaltung, bei der unterschiedliche Unterhaltungsangebote nach szenetypischen ästhetischen Kriterien kompiliert oder synthetisiert werden, wodurch idealer weise ein interaktives Spektakel zustande kommt, das in der Regel mit dem Anspruch einhergeht, den Teilnehmern ein totales Erlebnis zu bieten. Die zumindest latente Funktion auch und gerade eines Events ist die Aktualisierung, Herstellung und Intensivierung von Wir-Gefühl.“ (Hitzler 2001, S.26)
10. Szenen strukturieren sich um Organisationseliten
Die Gruppen innerhalb einer Szene bilden sich nicht nur nach geographischen oder sprachlichen Maßstäben aus, sondern ebenso entlang funktionaler Leistungserbringung. Diese so genannten Organisationseliten bestehen größtenteils aus langjährigen Szeneangehörigen, welche zumeist einen großen Anteil am Bestehen und Aussehen der jeweiligen Szene haben. Hitzler unterscheidet 3 Gruppen. Das wäre 1. die kleine Gruppe oder Elite des Szenekerns, welche meistens auch gleichzeitig die Organisationselite stellt. Die 2. etwas größere Gruppe besteht aus den „Friends“ oder „Heavy-Usern“ und die letzte größte Gruppierung bilden die „normalen Szenegänger“.
„Organisationseliten bilden eine Art Szenemotor insofern, als die Rahmenbedingungen szenetypischer Erlebnisangebote in erster Linie dort produziert werden und auch Innovationen sehr oft ihren Ursprung dort haben.“ (Hitzler 2001, S.27) Trotzdem gilt grundsätzlich, dass scharfe Gruppen- oder Szenegrenzen eigentlich nicht existieren, denn viele Szenegänger stehen in Kontakt mit Mitgliedern anderer Gruppen und sind einer konkreten Gruppierung kaum zuzuordnen. Diese Offenheit und Durchlässigkeit ist eines der Hauptmerkmale von Szenen und trägt zu einem großen Teil auch zur Attraktivität von Jugendszenen teil.
11. Szenen sind dynamisch
Jedes Szenegeschehen ist in soweit dynamisch, dass es den Organisationseliten gelingen muss Events zu schaffen, welche den „Harten Kern“ zufrieden stellen. Das gelingt meistens nur mit einer entsprechenden Exklusivität der jeweiligen Veranstaltung, aber trotzdem muss eine Zugänglichkeit des Events auch für die eher sporadischen Szenegänger geschaffen werden. „Wenn es aber zutrifft, dass keine noch so professionelle Organisation den von ihr je produzierten bzw. produzierbaren Event-Typus mehr dauerhaft und massenhaft bindend institutionalisieren kann, dann folgt daraus, dass in Zukunft die einzige kulturelle Stabilität von Szenen im Wechsel prinzipiell instabiler Trend bzw. Moden bestehen dürfte.“ (Hitzler 2001, S.29)
12. Szenen liegen quer zu bisherigen Gesellungsformen und großen gesellschaftlichen Institutionen
Szenen könnten sich als Gesellungsformen erweisen, die quer liegen zu den bisherigen institutionell gestützten und verfassten Gesellschaftsbereichen. „Dementsprechend zeichnen sich Szenen mehr und mehr als jene Orte im sozialen Raum ab, an denen Identitäten, Kompetenzen und Relevanzhierarchien aufgebaut und interaktiv stabilisiert werden, welche die Chancen zur gelingenden Bewältigung des je eigenen Lebens über die Dauer der Szene-Vergemeinschaftung hinaus erhöhen könne.“ (Hitzler, o.a.)
1.4. Kultur als Distinktionsleitung nach Bourdieu
In seinem Hauptwerk Die feinen Unterschiede aus dem Jahr 1979 hat Pierre Bourdieu die Grundannahme gesetzt, dass das Schöne und allgemein als Kultur akzeptierte nicht nur durch reines Wohlgefallen entsteht. Bourdieu ist der Meinung, dass der kulturelle Wert von Objekten, Musikstilen oder Kunstrichtungen sich durch soziale Prozesse ergibt. „Für ihn sind ästhetische Wertschätzungen durchzogen von Kämpfen um die Legitimität des Geschmacks, sie sind jedenfalls weder objektiv vorgegeben, noch etwas nur individuelles.“ (Rehberg 2001, S.67) Weiterhin schreibt er, dass „ein umfassendes Verständnis des kulturellen Konsums erst dann gewährleistet ist, wenn Kultur im eingeschränkten und normativen Sinn von Bildung dem globaleren ethnologischen Begriff von Kultur eingefügt und noch der raffinierteste Geschmack für erlesenste Objekte wieder mit dem elementaren Schmecken von Zunge und Gaumen verknüpft wird.“ (Bourdieu 1987, S.17) Die Bevorzugung einer bestimmten Kultur ist seiner Meinung nach also nicht angeboren oder in der Natur des jeweiligen Menschen vorhanden, sondern sie ist sozialisationsbedingt. So schreibt er, dass nicht nur die kulturelle Praxis, wie zum Beispiel der Besuch bestimmter Museen, Ausstellungen oder Konzerte sondern auch die Vorliebe für besondere Musikstile oder Literatur primär mit dem Ausbildungsgrad und sekundär mit der sozialen Herkunft zusammenhängt. „Tatsächlich erweist sich der Einfluss der sozialen Herkunft niemals durchschlagender als gerade in bezug auf freie Bildung oder avantgardistische Kultur.“ (Bourdieu 1987, S 18) Nach Bourdieu reflektieren Einstellungen zu bestimmten Kunstformen auch immer aktuelle soziale Positionen. Somit verweisen sie gleichzeitig auch auf die Gesellschaftsstruktur als ganzes. So wird zum beispielsweise klassische Musik oder abstrakte Kunst eher von Mitgliedern gehobener Sozialschichten und Bildungsgrade konsumiert. Das hängt damit zusammen, dass diese sozialen Schichten in ihrer Ausbildung oft schon gewisse Grundkenntnisse über diese Kunstformen erfahren haben und sich somit auch ein ganz anderes individuelles Aufnahmepotenzial entwickelt hat. Menschen mit weniger hohen Bildungsabschlüssen oder aus unteren Schichten bevorzugen eher leichter zu verstehende Kunstwerke oder Musikstücke, weil sie von Kunst und Kultur eher unterhalten werden wollen. Aber warum bevorzugen besser ausgebildete Mitglieder der oberen Schichten andere Kunstwerke als Mitglieder der unteren sozialen Schichten? „Nach Bourdieu ist es keineswegs nur so, dass kultureller Geschmack von sozialen Positionen beeinflusst wird, sondern das kulturelle Praktiken ein entscheidendes Medium im Prozess der Herstellung und Verfestigung sozialer Ungleichheit sind, dass Klassen- bzw. Standesunterschiede in einem Feld sozialer Abgrenzungspraktiken verankert sind.“ (Rehberg 2001, S. 68) So werden Distinktionsleistungen zu einem zentralen Medium der darstellenden Erzeugung von Geltungshierarchien. Bourdieu versucht so zu vermitteln, dass nicht nur das ökonomische Kapital Macht und Einfluss vermitteln kann, sondern, dass auch kulturelles Kapital entscheidend sein kann. Die sozialen Eliten sind zwar maßgebend für den legitimen Geschmack und definieren diesen auch, aber auch untere Schichten können ihr kulturelles Kapital ihren Wünschen entsprechend nutzen.
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