Am 18.08.2006 trat das neue AGG in Kraft, welches die alten Bestimmungen der §§
611 a und b, 612 BGB zur Diskriminierung außer Kraft setzte. Ziel dieses Gesetzes
ist es nach § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der
ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung,
des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
In dieser Arbeit sollen die Rechtfertigungsgründe des AGG erörtert werden, die eine
geschlechtsspezifische Stellenbesetzung infolge von Kundenwünschen begründen
können. Die §§ 611 a und b BGB (Geschlechtsbezogene Benachteiligung und Arbeitsplatzausschreibung)
sind mit dem AGG außer Kraft getreten. Die umfangreiche Rechtsprechung
kann jedoch auch zukünftig als Auslegungshilfe für die teilweise inhaltsgleichen
Regelungen des AGG herangezogen werden.1
Bei der unmittelbaren und der mittelbarem Benachteiligung i.S.d. § 3 AGG ist eine
Rechtfertigung der Benachteiligung möglich. Bezüglich des Geschlechts greifen jedoch
nur § 8 I AGG - Zulässige unterschiedliche Benachteiligung wegen beruflicher
Anforderung - oder die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen einer positiven
Maßnahme nach § 5 AGG. Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines des in § 1 AGG genannten Grundes
ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der
Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung
darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderungen angemessen
sind.
§ 8 I AGG setzt somit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinien 2000/43/EG2 und 2000/78/EG3 und
Art. 2 Abs. 6 der Richtlinie 76/207/EWG4 um. Nach dem EuGH ist der Rechtfertigungsgrund eng auszulegen und unter Beachtung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzuwenden.5
Zwar können Unternehmer im Rahmen der freien unternehmerischen Entscheidung
festlegen, welche Anforderungen bzw. Qualifikationen für bestimmte Stellen gefordert
werden und somit auch auf die Kundenwünsche eingehen, jedoch müssen auch
diese Anforderungen wesentliche und entscheidende Kriterien für die Tätigkeit darstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Rechtfertigungsgründe
2.1. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen nach § 8 AGG
2.2. Positive Maßnahmen nach § 5 AGG
2.3. Beispiele zulässiger unterschiedlicher Behandlung
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 18.08.2006 trat das neue AGG in Kraft, welches die alten Bestimmungen der §§ 611 a und b, 612 BGB zur Diskriminierung außer Kraft setzte. Ziel dieses Gesetzes ist es nach § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
In dieser Arbeit sollen die Rechtfertigungsgründe des AGG erörtert werden, die eine geschlechtsspezifische Stellenbesetzung infolge von Kundenwünschen begründen können.
2. Rechtfertigungsgründe
Die §§ 611 a und b BGB (Geschlechtsbezogene Benachteiligung und Arbeitsplatzausschreibung) sind mit dem AGG außer Kraft getreten. Die umfangreiche Rechtsprechung kann jedoch auch zukünftig als Auslegungshilfe für die teilweise inhaltsgleichen Regelungen des AGG herangezogen werden.[1]
Bei der unmittelbaren und der mittelbarem Benachteiligung i.S.d. § 3 AGG ist eine Rechtfertigung der Benachteiligung möglich. Bezüglich des Geschlechts greifen jedoch nur § 8 I AGG - Zulässige unterschiedliche Benachteiligung wegen beruflicher Anforderung - oder die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen einer positiven Maßnahme nach § 5 AGG.
2.1. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen nach § 8 AGG
Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines des in § 1 AGG genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderungen angemessen sind.
§ 8 I AGG setzt somit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinien 2000/43/EG[2] und 2000/78/EG[3] und Art. 2 Abs. 6 der Richtlinie 76/207/EWG[4] um.
Nach dem EuGH ist der Rechtfertigungsgrund eng auszulegen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzuwenden.[5]
Zwar können Unternehmer im Rahmen der freien unternehmerischen Entscheidung festlegen, welche Anforderungen bzw. Qualifikationen für bestimmte Stellen gefordert werden und somit auch auf die Kundenwünsche eingehen, jedoch müssen auch diese Anforderungen wesentliche und entscheidende Kriterien für die Tätigkeit darstellen.
Wesentlich ist eine berufliche Anforderung dann, wenn sie für das Berufsbild prägend ist. Abzustellen ist dabei wohl auf objektive Kriterien unter Berücksichtigung der konkreten Tätigkeiten des Unternehmens.[6]
Entscheidend ist eine berufliche Anforderung, wenn sich die Anforderung auf die eigentlichen Aufgaben des Arbeitnehmers bezieht und sie für die vertragsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung erforderlich ist. Ist die berufliche Anforderung hingegen nur erwünschter Nebeneffekt der Tätigkeit, liegt keine entscheidende Anforderung vor.[7]
Des Weiteren muss der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemssen sein. Rechtmäßig ist er, wenn er nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.[8] Willkür liegt z. B. vor, wenn die berufliche Anforderung keinen Bezug zur Tätigkeit des Arbeitnehmers hat oder wenn die Anforderung gegen ein Verbotsgesetz verstößt. Angemessen ist eine berufliche Anforderung, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Der Arbeitgeber muss hierfür das mildeste geeignete Mittel zur Erreichung dieses Zweckes darstellen. Zudem ist die Rechtsposition der benachteiligten Personen zu berücksichtigen.[9]
Im Rahmen des früheren Benachteiligungsverbotes nach § 611 a BGB war eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts zulässig, soweit eine Vereinbarung oder ein Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit war.
Diese Gesetzesformulierung war problematisch, da die Geschlechtszugehörigkeit nur in den seltensten Fällen unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit ist.
Eine allgemein anerkannte Definition gibt es diesbezüglich nicht, insbesondere nicht auf die Auswirkung von Kundenerwartungen.[10] Weder heute im AGG noch nach über 20 Jahren nach Inkrafttretens des § 611 a BGB, obwohl der EuGH bereits 1985 eine gesetzliche Konkretisierung dieser Ausnahme zum Gleichheitsgebot anmahnte.
Der Ansatz des AGG auf die wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung stellt wörtlich genommen eine geringere Anforderung dar, als an die Unverzichtbarkeit des § 611 a BGB. Denn zur Unverzichtbarkeit bedarf es mehr als lediglich eines sachlichen Grundes, wie er zur Rechtfertigung einer mittelbaren Ungleichbehandlung reicht.[11]
Auch fordert die Richtlinie 2002/73/EG keinen strengeren Maßstab, als in § 8 AGG statuiert.[12] Eine Absenkung des Maßstabes ist durch die Änderung des Wortlautes nicht ersichtlich.[13] Der Deutsche Gesetzgeber hat jedoch bereits bei der Umsetzung der Richtlinie 76/707/EWG in § 611 a I 2 BGB das Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung für Tätigkeit verlangt. Nach Art. 8 e II der Richtlinie 2002/73/EG darf die Umsetzung der Richtlinie keine Rechtfertigung für eine Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten Schutzniveaus bezüglich Diskriminierungen in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen genutzt werden. Folglich durfte der Gesetzgeber im AGG an die Rechtfertigungsgründe einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts keine geringeren Maßstäbe setzen, als in § 611 a BGB. Das Schutzniveau muss gewährleistet bleiben.[14]
Auch setzt die Unverzichtbarkeit keine biologische oder physische Unmöglichkeit der Leistungserbringung voraus.[15] Die Feststellung muss nach objektiven Kriterien erfolgen und sich aus der Eigenart der Tätigkeit selbst ergeben. Die Werte und Vorstellung und demnach auch das Konzept des Arbeitgebers spielen keine Rolle.[16] Ebenso trifft dies auf Erwartungen der Kunden zu, da der Arbeitgeber nach § 12 AGG eine Schutzpflicht innehat, sind Kundenwünsche keine Rechtfertigung.[17] Diesbezüglich kann von einer unverzichtbaren Voraussetzung des Geschlechts nur ausgegangen werden, wenn aufgrund der Vorbehalte der Kunden eine Ausübung der Tätigkeit durch ein bestimmtes Geschlecht tatsächlich nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten und Widerständen durchführbar ist.[18] Dabei ist bezüglich der Kundenerwartungen das Merkmal der Unverzichtbarkeit in der Rechtsprechung bislang relativ großzügig verstanden worden.[19] Nach Brors hingegen würde die Rechtsprechung nur Ausnahmen zulassen, wenn die Tätigkeit ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Kunden einer bestimmten Gruppe erforderte und diesem Vertrauen nur dann entsprochen werden könnte, wenn der Arbeitnehmer selbst zu der Gruppe gehöre.[20]
[...]
[1] Roesner, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, S. 8
[2] LuchK/Anhang, S. 361 ff.
[3] LuchK/Anhang, S. 374 ff.
[4] LuchK/Anhang, S. 393 ff.
[5] NK/Brors § 8 AGG Rn. 3; Roesner, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, S. 113
[6] ErfK/Schlachter, § 8 AGG Rn. 4; Roesner, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, S. 115
[7] ErfK/Schlachter, § 8 AGG Rn. 4; Roesner, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, S. 115
[8] Roesner, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, S. 116
[9] Roesner, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, S. 117
[10] NomK/Brors § 8 AGG Rn. 19
[11] Roesner, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, S. 12
[12] LuchK/Schleusner § 8 AGG Rn. 5
[13] Rolfs, Studienkommentar Arbeitsrecht, S. 236
[14] NK/Brors § 8 AGG Rn. 7, 18; LuchK/Schleusner § 8 AGG Rn. 5
[15] LuchK/Schleusner § 8 AGG Rn. 7
[16] LuchK/Schleusner § 8 AGG Rn. 8
[17] NomK/Brors § 8 AGG Rn. 16
[18] LuchK/Schleusner § 8 AGG Rn. 11
[19] LuchK/Schleusner § 8 AGG Rn. 12
[20] NomK/Brors § 8 AGG Rn. 13
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