Sucht

Aus psychoanalytischer Sicht


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Was bedeutet Sucht
2.1 Der Begriff „Sucht“
2.2 Der Begriff „Abhängigkeit“
2.3 Der Begriff Sucht in Sicht der Psychoanalyse

3 Kurze Geschichte des Rausches

4 Alte psychoanalytische Ansätze
4.1 Das psychoanalytische Suchtverständnis seit Radó
4.2 Wie kann eine Verstimmung entstehen?
4.3 Verstimmung in der Pubertät

5 Neue psychoanalytisch orientierte Ansätze
5.1 Das Ich- oder strukturpsychologische Modell
5.2 Das Selbstpsychologische Modell
5.3 Das Objektpsychologische Modell
5.4 Das pschoanalytisch- interaktionelle Modell

6 Suchtstrukturen durch Brüche im Selbst-Empfinden

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis

9 Internetquellen

1 Einleitung

Seit Beginn der menschlichen Kulturgeschichte werden psychoaktive Substanzen, welche den Menschen in Rauschzustände befördern, kontrolliert oder auch unkontrolliert eingenommen. In früheren Kulturkreisen wie auch heute noch in Naturvölkergruppen wurden diese zum Zweck eines besonderen Bewusstseinszustandes in soziale, spirituelle oder religiöse Rituale eingebettet.[1]

Heute hören wir, dass immer mehr Menschen abhängig von Süchten, die stoffgebunden oder stoffungebunden sind, aber warum?

Diese Hausarbeit beschäftigt sich weitestgehend mit der Thematik der Suchtentstehung und soll die Frage nach dem warum aus einer psychoanalytischen Sicht aufhellen.

Sie soll zunächst einen allgemeinen Einstieg in die Thematik der Sucht bieten. Daher werden zunächst einige Definitionen vorgestellt sowie auch ein kleiner geschichtlicher Einblick gewährt, um neue Modelle der Psychoanalytik zum Thema Sucht besser nachvollziehen zu können.

Diese Ausarbeitung basiert auf der Literatur von Ernst Lürßen mit dem Thema „Das Suchtproblem – in neuer psychoanalytischer Sicht“ und dem Buch von Helmut Kuntz „Der Rote Faden durch die Sucht – Neue Ansätze in Theorie und Praxis“.

2 Was bedeutet Sucht

2.1 Der Begriff „Sucht“

Das Wort Sucht hat seinen Ursprung im germanischen suhti-, althochdeutschen suht, suft, mittelhochdeutschem suht und ist nicht verwandt mit „suchen“. Es geht auf „siechen“ (ahd. siuchen, mhd. siuchan) zurück, das Leiden an einer Krankheit. Im heutigen Sprachgebrauch ist das Adjektiv „siech“ nur noch regional gebräuchlich.[2]

Im offiziellen Sprachgebrauch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existierte der Begriff Sucht von 1957-1964.

Danach wurde der Begriff von der WHO durch "Abhängigkeit", aber auch durch "schädlichen Gebrauch" ersetzt.[3]

Diese Umformulierung geschah zum einen, um die negativen Nuancen des Begriffs Sucht und die damit verbundene Stigmatisierungen von Abhängigen zu vermeiden, zum anderen, um eindeutig definierte Begrifflichkeiten zu schaffen.[4]

2.2 Der Begriff „Abhängigkeit“

Abhängigkeit wird in dem Internetportal der Gesundheitsberichtserstattung des Bundes, ein Organ des Statistischen Bundesamtes, als eine Sammelbezeichnung für verschiedene Formen des Missbrauchs von Drogen, Medikamenten oder anderen chemischen Substanzen beschrieben.[5]

Weiterhin findet sich dort, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Abhängigkeit als einen seelischen, eventuell auch körperlichen Zustand definiert, der dadurch charakterisiert ist, dass ein dringendes Verlangen oder unbezwingbares Bedürfnis besteht, sich die entsprechende Substanz fortgesetzt und periodisch zuzuführen.

Laut dieser Quelle liegt bei einer Abhängigkeit der Drang zu Grunde, die psychoaktiven Wirkungen der Substanz zu erfahren, manchmal aber auch das Bedürfnis, unangenehme Auswirkungen des Fehlens der Substanz (Entzugserscheinungen) zu vermeiden.

Der Begriff Abhängigkeit steht in der Medizin für das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden nach Verständnis der WHO die Kräfte des Verstandes untergeordnet.

Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen eines Individuums.

Den so genannten stoffgebundenen Abhängigkeiten kommt dabei eine repräsentative Bedeutung zu. Aber fast jede Form menschlichen Interesses kann zu einer Abhängigkeitserkrankung führen.[6]

2.3 Der Begriff Sucht in Sicht der Psychoanalyse

Aus der psychoanalytischer Sicht versteht man unter der Begrifflichkeit von Sucht, ... „einen inneren Zwang, die hemmungslose unbezwingbare Gier, einen bestimmten Stoff einzunehmen, ohne Rücksicht bzw. sogar unter bewuster oder unbewusster Einbeziehung seiner schädigenden Folgen.“[7]

Das heute geläuftige „Wort >Droge< (=Suchtstoff) meint dabei [...] lediglich eine Substanz, deren Einverleibung zur Reizung empfänglicher biologischer Substanze führt, also eine psychoaktive Substanz.“[8]

3 Kurze Geschichte des Rausches

Schon zur Zeit der Antike und früher sogar, war der Rausch, herbeigeführt durch den Alkoholkonsum, ein Ritual. Die Griechen zelebrierten das so genannte „Symposion“, einen abendlichen ritualisieren Umtrunk unter Männern. Es gibt immer wieder Vorurteile, dass zum Beispiel die Germanen sich regelmäßig „besoffen“ haben, jedoch entspricht dies nicht der Realität.

Im 16. Jahrhundert, war die europäische Landwirtschaft nicht in der Lage eine flächendeckende Versorgung mit Bier oder Wein zu sichern. Alkohol galt als ein Luxusgut und sogar als Währung. Vom Mittelalter bis hin zur Neuzeit war der Rausch ein Gruppenerlebnis, allerdings nur an besonderen Festtagen.

Erst im 18. Jahrhundert wurde der Rausch zu einem Massenphänomen und die Folgen der Trinkerei traten ins öffentliche Bewusstsein. Um 1800 wurde das Gasthaus zu einer Männerdomäne und zum Ort der Trinkerei.

Der Rausch wurde auch zum Instrument der Frauen, um ihrem Emanzipationsanspruch Ausdruck zu verleihen.[9]

Der Aachener Polizeidirektor schrieb 1850:

„Namentlich sind es die Frauenzimmer, welche, da sie nicht füglich in die Schänke gehen können und auch zu Hause keinen Branntwein bekommen, bei Gelegenheit, dass sie etwas für ihre Haushaltung einkaufen, sich auch gleichzeitig einen Schnaps reichen lassen und sich so nach und nach an das Branntweintrinken gewöhnen“[10]

Die Medizin und Psychologie erkannte schließlich 1822 die Schädlichkeit des Alkohols und beschrieb erstmals den Charakter der Sucht als Krankheitsbild.[11]

Heute findet sich das Krankheitsbild fest verankert in wichtigen psychologischen Indices wie zum Beispiel dem ICD10 wieder.

4 Alte psychoanalytische Ansätze

Psychoanalytische Ansätze haben seit Beginn der 20er Jahre einen starken Einfluss auf die Sozialpädagogik. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse hat, auch wenn seine Ansätze bis heute noch kontrovers diskutiert werden, die „Klassischen Methoden der Sozialarbeit“ durch Grundbegriffe wie der Freudschen Persönlichkeitstheorie oder durch sein klassisches psychoanalytisches Konzept geprägt.[12]

Obwohl sich Hinweise bei Freud nur spärlich und verstreut finden lassen, beschrieb er Suchtstoffe bereits mit der Funktion eines Ersatzmittels.

„man würde nicht selten durch die Enttäuschung beim Weibe zum Alkohol getrieben, begebe sich ins Wirtshaus, in die Gesellschaft der Männer.“[13]

Freud meinte weiterhin, dass Narkotika entweder direkt oder auch auf Umwegen, als ein Ersatz für mangelnden Sexualgenuss gesehen werden können. Er beschrieb weiter die Masturbation als die einzige große Gewohnheit, also als die „Ursucht“, welche durch andere Süchte wie etwa durch Alkohol, Morphium, Tabak usw. abgelöst und ersetzt werden. Besonders stellt er den Alkohol als ein Liebesersatzobjekt dar und zwar als ein Idealobjekt, weil der Alkohol die Stimmung heben, Hemmungen aufheben und Kritikfähigkeit herabsetzen kann.[14]

Später wurde zwar dann der Ursprung der süchtigen Abhängigkeit von der genitalen Fixierung, in die die entwicklungsgeschichtlich frühere orale Phase[15] verschoben. Dennoch wird bereits hier deutlich, wie es auch in neueren Ansätzen diskutiert wird, dass die Abhängigkeit zu Stoffen eine Ersatzfunktion darstellen kann.

Die Intoxikation, also die Einnahme von körperfremden Stoffen, welche laut Freud eine unmittelbare Lustempfindung verschafft, ist eine der rohesten, aber auch effektivsten Methoden das persönliche Leid zu lindern. Hierbei denkt der Benutzer nicht nur an einen schnellen Lustgewinn, wie etwa das Lindern von Kopfschmerzen mit einer Aspirin, sondern auch an ein ersehntes Stück Unabhängigkeit von der Außenwelt.

Damit wird dem Suchtmittel, also der Droge, die Funktion eines Sorgenbrechers zugeschrieben, mit der sich der Benutzer jederzeit aus der Realität ausetzen und in seiner Welt mit besseren Empfindungsbedingungen Zuflucht finden kann. Der Benutzer weiß, dass er sich mit Hilfe der „Sorgenbrecher“ jederzeit dem Druck der Realität entziehen kann und in einer eigenen Welt Zuflucht findet.[16]

4.1 Das psychoanalytische Suchtverständnis seit Radó

Radó (1926) stellte fest, dass es dem Süchtigen, der eine gestörte Lust-Unlust-Regulation hat, an einer seelischen Organisation mangelt. In seiner seelischen Organisation fehlt ihm ein Reizschutz gegen unerträgliche innere Spannungen.[17]

Um diesen inneren Spannungen Stand zu halten wird, ein neuer Reizschutz mit Hilfe von Rauschgiften gesucht. Durch diese Intoxikation wird das Schmerzempfinden, welches durch die inneren Spannungen erzeugt wird, herabgesetzt oder aufgehoben und gleichzeitig kann das Rauschmittel zu einer Förderung der ICH - Funktion[18] durch seine stimulierende Wirkung führen. Weiter spricht Radó davon, dass die Wirkung der Rauschgifte auf einem Wechselspiel zwischen erregenden und lähmenden Einflüssen beruht, die eine unlustvolle schmerzende Spannung in eine lustvolle verwandeln können.[19]

Diese Wirkung ermöglicht dem ICH mit Hilfe der Rauschgifte den Weg zurück in einen kindlichen narzisstischen Zustand magischer Traumerfüllung und seinem kindlichen Größenwahn zu finden. Zugleich entspricht dieser unreale Zustand einer gleichzeitigen Freiheit von Depressionen.[20]

Als eine psychologische Ausgangssituation für eine Intoxikation nimmt Radó (1933, 1958) eine Initialverstimmung an. Diese Verstimmung ist durch eine hohe Unlustspannung und eine gleichzeitige hochgradige Intoleranz gegenüber der Unlust gekennzeichnet, welche das Inidividuum stark für die Einnahme von Rauschmitteln sensibilisiert.[21] Durch das Benutzen der Rauschgifte entflieht zwar das Individuum in einen unbeschwerten Zustand, wo der Druck der Realität nicht mehr wahrgenommen wird, nimmt das Individuum die Realität allerdings umso depressiver wahr, wenn es aus seinem Rausch erwacht. Dies benennt Radó eine Kontrastwirkung[22] bei der das Individuum wiederholt in eine depressive Verstimmung verfällt. Dieses neue Wissen über die Funktion des Rauschgiftes, also einen verstimmungsfreien Zustand, sensibilisiert das Individuum hochgradig für weitere Intoxikationen.[23]

[...]


[1] Vgl. Schwarzer 2002, S. 277

[2] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Sucht

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Sucht

[4] Eben da

[5] http://www.gbe-bund.de/glossar/Abhaengigkeit

[6] Eben da

[7] Vgl. Lürßen 1976, S. 101

[8] Eben da

[9] Vgl. Psychologie Heute Heftnr. 4 / 2006 S.60/63

[10] Psychologie Heute Heftnr. 4 / 2006 S.62

[11] Vgl. Psychologie Heute Heftnr. 4 / 2006 S.60/63

[12] Geißler / Hege 2001, S.42

[13] Lürßen 1976, S.103

[14] Vgl. Lürßen 1976, S 103f

[15] Die Orale Phase beginnt laut Freud etwa im zweiten Lebensjahr

[16] Vgl. Lürßen 1976, S 104

[17] Vgl. Lürßen 1976, S 105

[18] Das Ich kann als System von Funktionen betrachtet werden. Dabei ist die wichtigste Funktion sich selbst zu organisieren, d. h. die Funktionen werden differenzierter und genauer durch die Erfahrungen im Laufe der Entwicklung. Hartmann formuliert vier Funktionen:

Kognitive Funktionen: Wahrnehmung, Denken, Urteilen, das Überprüfen der Realität und das Aufrechterhalten der Realitätswahrnehmung.

Vermittelnde Funktionen: Das Ich vermittelt zwischen Es und Über-Ich sowie der äußeren Realität.

Angstentwicklung: Das Ich entwickelt eine Sensibilität für beängstigende Signale.

Schutzfunktionen - Abwehrmechanismen: Diese Funktionen dienen der innerpsychischen Steuerung. Sie helfen unerträgliche Affekte, die mit Angst, Scham, Schuld oder Minderwertigkeitsgefühlen gekoppelt sind, zu vermeiden. Diese Schutzfunktionen sind bei allen Menschen vorzufinden.

(Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Ich-Psychologie zuletzt geöffnet am 07.03.2008)

[19] Vgl. Lürßen 1976, S 105

[20] Vgl. Eben da

[21] Vgl. Eben da

[22] Vgl. Eben da

[23] Vgl. Lürßen 1976, S 105

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Sucht
Untertitel
Aus psychoanalytischer Sicht
Hochschule
Katholische Hochschule NRW; ehem. Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Aachen
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V90229
ISBN (eBook)
9783638044738
ISBN (Buch)
9783638941143
Dateigröße
591 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sucht
Arbeit zitieren
Kajetan Kubik (Autor:in), 2008, Sucht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90229

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