Der tibetische Buddhismus und die chinesische Religionspolitik


Seminararbeit, 2019

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


I nhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Problematik

2. Buddhismus

3. Verbreitung des Buddhismus nach Tibet
3.1 Verbreitung und Etablierung des Buddhismus
3.2 Besonderheit des tibetischen Buddhismus

4. Veränderungen in Tibet im 20. Jahrhundert
4.1 Einmarsch der Volksbefreiungsarmee
4.2 Flucht des Dalai Lamas ins indische Exil

5. Chinesische Religionspolitik
5.1 Religionspolitik von 1950 bis 1976
5.2 Religionspolitik nach 1978 bis heute

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Motivation

War Tibet jemals unabhängig beziehungsweis,e wie kam es dazu, dass Tibet nun ein Teil Chinas ist? Wie stehen die Tibeter zu der chinesischen Politik? Wie kommt es, dass Tibet vor allem in westlichen Ländern mystifiziert und geheimnisvoll dargestellt wird? Was ist die Besonderheit des tibetischen Buddhismus?

Diese Fragen stellte ich mir vor Beginn dieser Lehrveranstaltung, da ich mich vor der Teilnahme des Kurses noch nicht mit Tibet-Thematiken befasst oder richtig auseinandergesetzt habe. Aufgrund meines Interesses an verschiedenen Philosophien oder Religionen, besonders von fremden Ländern, habe ich mich für dieses Thema entschieden. Um einen tieferen Einblick in die Tradition und Geschichte eines Landes zu erhalten, kann es von Vorteil sein, sich vorerst mit Religionen und Lehren eines wichtigen Gelehrten zu beschäftigen, da oftmals so die Gesellschaft oder Bräuche eines Landes besser zu verstehen sind. Des Weiteren beschäftige ich mich neben dieser Seminararbeit mit einem Forschungsprojekt, in dem ich den Zuwachs von Interesse an verschiedensten Religionen in China erforschen möchte. Dabei betrachte ich die derzeitige politische Lage und die chinesische Religionspolitik. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, den tibetischen Buddhismus in den Kontext der Religionspolitik Chinas zu stellen und möchte die wesentlichen Veränderungen nach der Flucht des Dalai Lamas darlegen. So ist der Schritt, sich erstmal über die Geschichte Tibets, im Bezug auf Volksreligionen und dem (tibetischen-)Buddhismus zu informieren, unumgänglich.

Hinsichtlich der noch immer vorhandenen Wichtigkeit des Glaubens und des Dalai Lamas für Tibet und die anhaltenden Spannung zu der Regierung in Peking, habe ich mich für die Problematik „Der Tibetische Buddhismus und die Chinesische Religionspolitik“ entschieden.

1.2 Problematik

Um die heutige Situation in Tibet und die Thematik des Kurses „Tibet im Diskurs“ verstehen und nachvollziehen zu können, ist es notwendig sich vorerst mit dem geschichtlichen Werdegangs Tibets auseinanderzusetzen und sich ebenfalls mit den Grundgedanken des Buddhismus vertraut zu machen, um so die Besonderheit des tibetischen Glaubens nennen zu können. In der anfänglichen ersten Verbreitung des Buddhismus in Tibet beschränkte sich die Religion lediglich auf Hofkreisen. In den vergangenen Jahrhunderten entwickelte sich diese Religion zur einer bedeutsamen Rolle, die bis heute anhält. Doch dem Gegenüber steht China und somit zwangsläufig auch die Kommunistische Partei.

Im Laufe meines Arbeitsprozesses fand ich heraus, dass das Thema um Religion, Tradition und Kultur sensibel, sowohl für Tibet, als auch für China ist, besonders in Hinblick auf die chinesische Religionspolitik. Betrachtet man den Einmarsch der chinesischen Truppen 1950, hinterließ dieser einen tiefen Einschnitt in Tibet. Zum einen verursacht durch die Flucht des Dalai Lamas aus Tibet im Jahr 1959 und zum anderen durch die Bindung Tibets an China. Auch die Kulturrevolution, die von 1967 bis 1977 stattfand, verursachte Schäden. Viele Tempelanlagen und Schriften wurden zerstört und Mönche und Nonnen wurden unterdrückt, verfolgt, umerzogen oder gar umgebracht. Doch auch heute noch leiden Tibeter unter der strengen Religionspolitik Chinas. Denn auf Grund der Tatsache, dass der tibetische Buddhismus für die Kultur und Identität der Tibeter ein zentrales und wichtiges Element darstellt, kann dieser Faktor für die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) als einer der bedrohlichsten gelten, wenn es um die innere Sicherheit Chinas geht1. Zwar gilt der Buddhismus laut gültiger Verfassung von 1982 als einer der fünf anerkannten Religionen. Von einer ungestörten Ausübung des Glaubens, wie es im deutschen Grundgesetz steht (§ 4 (2)), kann jedoch nicht die Rede sein2. Die Folgen sind, dass sich viele Tibeter unterdrückt fühlen und Angst um ihre eigene Kultur und Tradition haben. Der politische Protest, von tibetischer Seite aus, gegen die Religionspolitischen-Restriktionen finden auch international Gehör in einer Debatte, die Fragen der Religionsfreiheit mit Fragen der Menschenrechte und der Unabhängigkeit Tibets miteinander in Verbindung stellt3.

Von der chinesischen Seite aus wird der tibetische Buddhismus mit den Fremddynastien, vor allem mit der Yuan- und der Qing-Dynastie assoziiert.

Die Akzeptanz des (tibetischen) Buddhismus in dem Reich der Mitte (zhonguo 中国) und das derzeitige Wirkungsgeflecht zwischen der chinesischen Politik und Tibet sind durch viele Veränderungen und Erneuerungen im 20. und 21. Jahrhundert geprägt.

Diese Arbeit verfolgt das Ziel, im ersten Schritt die geschichtliche der Übernahme und die daraus resultierende Wichtigkeit des Buddhismus in Tibet und auch die Institutionalisierung des Lamaismus inhaltlich wiederzugeben. Darüber hinaus werden die ausschlaggebenden Entwicklungen in Tibet im 21. Jahrhundert genannt und ihre Auswirkungen auf das Land beziehungsweise auf die Bevölkerung erläutert. Abschließend beschäftigt sich diese Hausarbeit mit der chinesischen Religionspolitik. Dabei wird auf das hohe Konfliktpotenzial zwischen der KPCh sowie der chinesischen Regierung und den Tibetern eingegangen, umso die derzeitige Situation deuten zu können und eventuelle zukünftige Aussagen treffen zu können, wie sich das Verhältnis zwischen Regierung und Tibet (positiv) verändern könnte.

2. Buddhismus

Der Buddhismus ist ein aus dem Westen geprägter Sammelbegriff für unterschiedliche auf der Lehre des historischen Buddha, Siddharta Gautama, basierende Glaubensrichtung und Schulen4. Diese Religion hat ihren Ursprung in Indien im 6./5. Jahrhundert vor unserer Zeit und entstand im Kontext einer religiösen Reformbewegung. Von Indien aus breitete sich der Glaube in weite Teile Asiens aus. Die buddhistische Lehre kennt die Vorstellung vom Kreislauf der Wiedergeburten und vom Karman-Gesetz, nach dem sich die Verhaltensweisen und die ihnen hinterliegenden Absichten je nach Beschaffenheit positiv oder negativ auf die zukünftige Daseinsformen auswirken und den Kreislauf der Wiedergeburten in Gang halten5. Der Buddhismus geht von der Unbeständigkeit und Vergänglichkeit aller Dinge aus, die ihre Geltung aus der Vorstellung in der Lehre vom Nicht-Selbst beziehungsweise Nicht-Ich findet. Zudem spielen die Figuren des Bodhisattva und des Buddha eine zentrale Rolle im Buddhismus. Der Bodhisattva stellt eine besondere Form eines Buddhisten dar, der fast zur höchsten Erkenntnis gelangt und erleuchtet ist. Seine Bestimmung ist es, zum Wohlergehen aller Menschen zu wirken. Der Buddha (wörtlich: der Erwachte) wird als ein Wesen bezeichnet, das erkannt hat, welche Gesetzmäßigkeiten den Zyklus der Wiedergeburten in Gang halten und zu vollkommener Erleuchtung gelangt ist6. Ziel ist es, die Entfaltung des eigenen Geistes, die Form der sogenannten Buddha-Natur zu erlangen. Das heißt, in jeder Person steckt das Potenzial einer Anwärterschaft auf die Buddhaschaft. Eine spezielle Form des Tantrismus7 entwickelte sich in Tibet über die Verschmelzung mit der dort ansässigen indigenen Bon-Religion8 zum tibetischen Buddhismus.

Im nächsten Gliederungspunkt skizziere ich die Verbreitung des Buddhismus in Tibet und beschreibe die daraus resultierenden Gründe der Übernahme ferner Etablierung des Glaubens.

3. Verbreitung des Buddhismus nach Tibet

3.1 Verbreitung und Etablierung des Buddhismus

Die Anfänge des Buddhismus sind im Laufe der Yarlung-Dynastie zu finden, deren Linie buddhistischer Könige als „Dharma-Könige“ bekannt wurde9. Der König Songtsen Gampo, der 33. Herrscher der Yarlung-Dynastie, wird als Einiger Tibets angesehen. Im Jahr 627 bestieg Songtsen Gampo den Thron. Seine Bekehrung zum Buddhismus wird dem Einfluss seiner zwei Hauptgemahlinnen zugeschrieben. Zum einen der Prinzessin Bhrkuti aus Nepal und zum anderen der chinesischen Prinzessin Wencheng. Beide Frauen waren fromme Buddhistinnen. Sie unterstützen den Bau der ersten zwei Tempel, den Jokhang-Tempel und den Ramoche-Tempel, in der Königsstadt Lhasa. Im weiteren Bereich beeinflussten die beiden Prinzessinnen den Entwurf einer neuen Verfassung, bestehend aus sechs Gesetzkodizes für das Volk, nach dem Vorbild buddhistischer Disziplin und Prinzipien10.

Die größte Leistung in der Geschichte des tibetischen Buddhismus vollbrachte Songtsen Gampo allerdings durch die Einführung einer neuen Schrift für die tibetische Sprache. Diese Schrift-Entwicklung ist dem Minister Thonmi Sambhota zu verdanken, den der König nach Indien schickte, um die dortige Sprache zu studieren. Nach seiner Rückkehr entwickelte er die tibetische Schrift nach dem Vorbild der indischen Muster. Somit begann unter Anleitung des Ministers die größte literarische Übersetzungswelle11, die sich über weitere Jahrhunderte fortsetzte. Der König selbst beherrschte die tibetische Schrift und Grammatik. Songtsen Gampo wird die Schriftsammlung Mani Gambum zugeschrieben, in deren Mittelpunkt Avalokiteshvara, der Bodhisattva des großen Mitgefühls, steht. In dieser Sammlung wird dieser Bodhisattva als Vater des tibetsichen Volkes, als höchste spirituelle Prinzip, sowie als Bodhisattva des Mitgefühls, bis zum König von Tibet, Songtsen Gampo, verherrlicht12. So wurde der König als Emanation des Avalokieshvara verehrt. Trotz der Amtszeit des Königs Songtsen Gampos, der als erster Dharmaraja Tibets in die Geschichte eingegangen ist, war die Ausbreitung der buddhistischen Lehren nur auf den Königlichen Hof beschränkt. Nachfolger des Königs zeigten anfänglich kein Interesse, die Religion auch im Volk zu verbreiten. Erst der 38. König Trisong Detsen (zweiter Dharmaraja) leistete einen entscheidenen Impuls für die Verbreitung des Buddhismus in Tibet, denn nach der tibetischen Tradition erklärte er den indischen Mahayana-Buddhismus zur Staatsreligion13. Des Weiteren gründete er staatliche Tempel und Klöster, in dem erstmals Tibeter eine Ausbildung als Mönch absolvieren konnten. Der König starb im Jahre 797 nach einer Regierungszeit von 41 Jahren. Seine Arbeit, vor allem Förderung und Durchsetzung des Glaubens, wurden von seinen Nachfolgern weitergeführt. Im Jahre 815 erbte Tritsug Detsen den Thron (dritter Dharmaraja). Er führte ebenfalls wesentliche Maßnahmen durch zur Unterstützung des Buddhismus. Unter anderem setzte Tritsug das große Übersetzungswerk seines Vorgängers Trisong Desten fort. Sanskrit wurde zur offiziellen religiösen Sprache ernannt.

Letztlich waren die Einstellungen der tibetischen Könige gegenüber dem Buddhismus eine Mischung aus Toleranz, Synkretismus und gleichzeitig eine Bereitschaft zur kulturellen Erneuerung14. Der monastische Befreiungsweg in der frühen und späten Verbreitung des Buddhismus in Tibet genoss stets die Unterstützung der Könige und Herrscher, denn wie auch in Europa des Mittelalters waren Klöster als elite Erziehungsinstitutionen ein wichtiger Teil des organisierten sozialen und wirtschaftlichen Lebens15. Vo r allem die Einbindung des indigenen Glaubens an Dämonen und Geister in die tantrische Ritualpraxis war ein entscheidender Faktor für die nachhaltige Durchsetzung des Glaubens unter dem tibetischen Volk16. Im nächsten Unterpunkt werde ich auf die Besonderheiten des tibetischen Buddhismus eingehen und auf die spezielle Rolle des Dalai Lamas ferner auf die Institutionalisierung des Lamaismus hinweisen.

3.2 Besonderheit des tibetischen Buddhismus

Der tibetische Buddhismus ist bekannt für das umfassende und vielfältige Pantheon von tantrischen Gottheiten und scheint auf den ersten Blick wenig gemeinsam zu haben mit den ursprünglichen Lehren des Buddha Gautama. Dennoch findet man einzig allein in Tibet eine buddhistische Tradition, in der alle Hauptwege der buddhistischen Geistesschulung wie Hinayana, Mahayana und Vajrayana nicht nur textlich erhalten sind, sondern studiert und von einer hohen Anzahl von Anhängern gemeistert und realisiert worden sind, so dass die essenziellen Übertragungslinien bis heute erhalten werden konnten17. Diese spezielle Besonderheit der buddhistischen Manuskripte spiegeln den Wert der tibetischen einzigartigen Tradition wider. Wie bereits erwähnt, erfolgte eine besondere Ausprägung des tibetischen Buddhismus aufgrund der Symbiose mit der Bon-Religion, das einerseits schamanische Züge aufweist und einen Einfluss des Manichäismus besitzt.

[...]


1 Vgl. Koenig, Wiebke/ Daiber, Karl-Fritz (2008): Religionen und Politik in der Volksrepublik China, S.36.

2 Vgl. Meyer, Christian (2009): Religionen in China: https://www.bpb.de/internationales/asien/china/44302/religion?p=all (Zugang am 31.08.2019).

3 Koenig, Wiebke/ Daiber, Karl-Fritz (2008): Religionen und Politik in der Volksrepublik China, S.36.

4 Köpke, Wulf/ Blanck, Anke (2005): Die Welt des tibetischen Buddhismus, S.25.

5 Vgl. ebd., S.25.

6 Köpke, Wulf/ Blanck, Anke (2005): Die Welt des tibetischen Buddhismus, S.35.

7 „Ein Großteil der Literatur des tibetisch-buddhistischen Kanons ist den Schriften des esoterischen Buddhismus, den Tantras, gewidmet, welche sich vorwiegend mit der rituellen Praxis von einzelnen persönlichen Buddhas, deren Welt, Mandala und deren Interpretation beschäftigen. Die Tantras gelten als Lehre des absoluten Buddha, der sie über eine niedrige Manifestation einem esoterischen Praktikanten in einer Vision vermittelt hat“. (Köpke, Wulf/ Blanck, Anke (2005), S.58).

8 „Bon bezeichnet die vorbuddhistische Religion Tibets, die im 8. und 9. Jahrhundert allmählich vom Buddhismus verdrängt wurde. Diese Religion unterscheidet sich in einigen Punkten vom Buddhismus. Rituale befassten sich damit, sicherzustellen, dass die Seele eines Verstorbenen unbeschadet in ein postmortales Land der Glückseligkeit geführt wurde. Opfer in Form von Speisen, Getränken, kostbaren Gegenständen oder Menschenopfern, je nach Rang des Verstorbenen, begleiteten den Toten“. (Köpke, Wulf/ Blanck, Anke (2005), S.134).

9 Vgl. Hutter, Manfred (2016): Der Buddhismus. 2, Theravada-Buddhismus und Tibetischer Buddhismus, S.246.

10 Hutter, Manfred (2016): Der Buddhismus. 2, Theravada-Buddhismus und Tibetischer Buddhismus, S.248.

11 Vgl. ebd., S.248.

12 Vgl. ebd., S.249.

13 Vgl. ebd., S.249.

14 Vgl. ebd., S.257.

15 Vgl. ebd., S.262.

16 Vgl. ebd., S.259.

17 Vgl. ebd., S.259.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der tibetische Buddhismus und die chinesische Religionspolitik
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
19
Katalognummer
V902521
ISBN (eBook)
9783346201171
ISBN (Buch)
9783346201188
Sprache
Deutsch
Schlagworte
buddhismus, religionspolitik
Arbeit zitieren
Ronja Vetter (Autor:in), 2019, Der tibetische Buddhismus und die chinesische Religionspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/902521

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