„‘Leben‘ ist das eigentliche Thema und Zentrum der Literatur um 1900 (...)“ , konstatiert Helmut Koopmann in seinem Buch „Deutsche Literaturtheorien zwischen 1880 und 1920“. In einer Zeit der Mechanisierung und Industrialisierung, des Empirismus und Positivismus beginnen die Literaten „(...) unterhalb der mechanisch-physikalisch faßbaren Welt nach einem unbekannten Etwas zu suchen, das tiefer reicht als die Schicht der physikalisch erklärbaren Phänomene und Gesetze.“ Leben wird als etwas Mystisches gedeutet und die Literaten begeben sich auf die Suche nach einer neuen Sprache, um dem eigentlich Nicht-Darstellbaren beizukommen. Die Beschäftigung mit dem eigenen Medium Sprache wiederum hat zur Folge, dass Kunst und Literatur einen extrem hohen Stellenwert erhalten. Koopmann fasst dies prägnant zusammen in der Formel „(...) die Orientierung auf das ‚Leben‘ führt hin zu einer neuen Sprache, die Betonung der Sprache zu einem neuen Primat der Kunst.“ Dies gilt seiner Ansicht nach für alle Stilrichtungen der Frühen Moderne gleichermaßen, für Naturalismus, Ästhetizismus und Expressionismus.
Vor allem in der Literatur der Décadence entsteht nun ein Interesse an einer pathologischen Unfähigkeit zum Leben, Kunst wird immer mehr zum Lebensersatz. Beim frühen Thomas Mann äußert sich dies in der vielfachen Thematisierung des Gegensatzes von Kunst und Leben. Zwei besonders prägnante Künstlerfiguren, die mit dieser Problematik zu kämpfen haben und in engen Zusammenhang gesehen werden müssen, sind Hanno Buddenbrook aus Manns erstem Roman und Tonio Kröger aus der nur wenig später entstandenen gleichnamigen Novelle. Die vorliegende Arbeit versucht nun anhand eines Vergleichs die Verbindungslinien zwischen den beiden Figuren aufzuzeigen – Koopmann spricht von Tonio Kröger als „(...) Hanno Buddenbrook redivivus (...)“ . Gleichzeitig soll dadurch verdeutlicht werden, welche zentrale Rolle der Themenkomplex Kunst – Leben beim frühen Thomas Mann einnahm und inwieweit sich Manns Sichtweise auf das Verhältnis des Künstlers zum Leben und zur Gesellschaft v. a. durch den Einfluss Friedrich Nietzsches veränderte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Tonio Kröger als Wiedergeburt Hanno Buddenbrooks?
- Entstehungsgeschichten von „Buddenbrooks“ und „Tonio Kröger“
- Hanno Buddenbrook und Tonio Kröger – Ein Vergleich
- Äußerliche Erscheinung
- Familiengeschichtlicher Hintergrund
- Eigenschaften und Charakterzüge
- Schopenhauer und Nietzsche als „Väter“ der Figuren
- Schlusswort
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, die Parallelen und Unterschiede zwischen den beiden Künstlerfiguren Hanno Buddenbrook aus Thomas Manns erstem Roman und Tonio Kröger aus der Novelle „Tonio Kröger“ aufzuzeigen und die enge Verbindung zwischen ihnen zu beleuchten. Der Autor sieht Tonio Kröger als „Hanno Buddenbrook redivivus“ an und betrachtet beide Figuren als prägnante Beispiele für das Spannungsfeld von Kunst und Leben im Frühwerk Thomas Manns.
- Der Konflikt zwischen Kunst und Leben als zentrales Thema im Frühwerk Thomas Manns
- Die Rolle des Künstlers innerhalb der Gesellschaft und der Konflikt mit dem Bürgertum
- Der Einfluss von Friedrich Nietzsche auf die Figuren und ihre Sichtweise auf das Verhältnis des Künstlers zum Leben
- Die Entwicklung des Künstlertypus im Werk Thomas Manns
- Die Verwendung literarischer Mittel zur Darstellung der psychischen und geistigen Zustände der Figuren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext des Frühwerks Thomas Manns in der Literaturtheorie der frühen Moderne dar. Sie beleuchtet die Suche nach einer neuen Sprache, um dem eigentlich Nicht-Darstellbaren beizukommen, und die zentrale Rolle, die Kunst und Literatur in dieser Zeit einnehmen.
Das Kapitel „Tonio Kröger als Wiedergeburt Hanno Buddenbrooks?“ befasst sich mit den Entstehungsgeschichten der beiden Werke und stellt die zentralen Themen der beiden Figuren vor. Es analysiert die Parallelen und Unterschiede in ihrer äußeren Erscheinung, ihrem familiengeschichtlichen Hintergrund und ihren Charaktereigenschaften.
Das Kapitel „Schopenhauer und Nietzsche als „Väter“ der Figuren“ beleuchtet den Einfluss der beiden Philosophen auf die Figuren und ihre Sichtweise auf das Verhältnis des Künstlers zum Leben.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind Kunst, Leben, Künstler, Bürgertum, Konflikt, Parallelen, Unterschiede, Thomas Mann, Hanno Buddenbrook, Tonio Kröger, Schopenhauer, Nietzsche.
- Arbeit zitieren
- M.A. Johannes Schmid (Autor:in), 1998, Tonio Kröger als Wiedergeburt Hanno Buddenbrooks?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90276