Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, inwieweit es möglich ist, anhand der tiergestützten Therapie Kinder mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung zu fördern. Die Fragestellung wird im Rahmen dieser Ausarbeitung speziell an der therapeutischen Arbeit mit Pferden untersucht. Deutschland spielt in Bezug auf den Einsatz des Mediums Pferd eine Vorreiterrolle in ganz Europa, weshalb mir diese Wahl als sinnvoll erscheint. Die Praxis ist der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der tiergestützten Therapie weit voraus. Daher ist es mir wichtig, die bereits vorhandene aktuelle Literatur zum genannten Therapiegebiet vorzustellen. Ein Blick über Deutschlands Grenzen hinaus zeigt sich hierbei als unvermeidbar.
Beginnend soll anhand einer Studie von MAND aufgezeigt werden, dass Lehrer in Förderschulen häufig auf Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten treffen und diese Störungen nicht außer Acht gelassen werden dürfen in der Förderung des Kindes. Um die These der Komorbidität zwischen Lernbehinderung und Verhaltensstörung zu untermauern, werde ich anschließend die Ursachen beider Auffälligkeiten miteinander vergleichen. Danach werden einige Verhaltensstörungen, die sehr häufig anzutreffen sind, näher beschrieben und vorgestellt. Da es mir speziell um die Förderung der sozialen Kompetenz durch tiergestützte Therapie geht, wird im Anschluss eingehend erläutert, was unter diesem Begriff verstanden wird.
Im zweiten Abschnitt wird das Konzept sowie die Geschichte der tiergestützten Therapie vorgestellt. Hierzu gehören natürlich auch ein Abriss des internationalen Forschungsstandes sowie die Erläuterung der Fachtermini. Der Abschnitt wird abgeschlossen mit der Darstellung der Besonderheiten der Kind-Tier-Beziehung sowie den damit verbundenen Grenzen.
Da ich die Arbeit in der tiergestützten Therapie anhand eines speziellen Tieres erklären möchte, folgt im anschließenden Abschnitt 4 die Arbeit mit dem Pferd als Co-Therapeut. Zuerst soll die besondere Beziehung zwischen Mensch und Pferd belegt werden, natürlich auch anhand der Historie. Da sich die Reittherapie unterteilt in die drei Bereiche Hippotherapie, Behindertenreiten sowie heilpädagogisches Reiten und Voltigieren, werden diese im Folgenden vorgestellt. Welche Anforderungen an die Ausbildung des Therapeuten gestellt werden, ist im Kapitel 4.4 beschrieben. Im Anschluss folgen die Anforderungen an den Charakter, die Haltung sowie die Ausbildung des Therapiepferdes...
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Verhaltensstörungen bei Kindern an Förderschulen
2.1 Verhaltensstörungen – eine mögliche Komorbidität der Lernbehinderung?
2.2 Verhaltensauffälligkeiten – bestimmte Störungen des Sozialverhaltens
2.2.1 Angst
2.2.2 Aggression
2.2.3 Hyperaktivität
2.3 Was ist soziale Kompetenz?
3 Die tiergestützte Therapie
3.1 Der internationale Forschungsstand
3.2 Begriffsklärung der englischen Fachtermini
3.3 Die Kind-Tier-Beziehung
3.3.1 Die Grenzen der Kind-Tier-Beziehung
4 Reittherapie
4.1 Die Mensch-Pferd-Beziehung
4.2 Historie des Therapeutischen Reitens
4.3 Das Therapeutische Reiten
4.3.1 Hippotherapie
4.3.2 Reiten als Sport für Behinderte
4.3.3 Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten
4.4 Der Reittherapeut
4.4.1 Die Übertragung
4.4.2 Die Gegenübertragung
4.4.3 Widerstand
4.5 Das Pferd
4.5.1 Anforderungen an die Größe des Pferdes
4.5.2 Anforderungen an den Charakter des Pferdes
4.5.3 Die Ausbildung und Haltung des Therapiepferdes
4.5.4 Das Pferd als Co-Therapeut
5 Die Therapie mit verhaltensauffälligen Kindern
5.1 Förderung im senso-motorischen Bereich
5.2 Förderung im kognitiven Bereich
5.3 Förderung im sozial-emotionalen Bereich
6 Das Heilpädagogische Reiten und Voltigieren am praktischen Beispiel
6.1 Protokoll einer ersten Heilpädagogischen Therapieeinheit
6.2 Kommentar zur Heilpädagogischen Therapieeinheit
6.3 Die gefilmte Heilpädagogische Therapieeinheit
6.3.1 Die Kinder
6.3.2 Die Reitstunde
6.4 Soziale Kompetenz fördern, Beziehungsaufbau erlernen
6.5 Selbstvertrauen stärken und Ausgeglichenheit fördern
6.6 Ängste abbauen
6.7 Aggressionen abbauen
6.8 Abschlussgedanken zu meinen Praxiserfahrungen
7 Abschließender Kommentar und kritische Gedanken
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Das Kind zeigt noch keine Spur von jenem Hochmut, welcher dann den erwachsenen Kulturmenschen bewegt, seine eigene Natur durch eine scharfe Grenzlinie von allem anderen Animalischen abzusetzen. Es gesteht dem Tier ohne Bedenken die volle Ebenbürtigkeit zu; im ungehemmten Bekennen zu seinen Bedürfnissen fühlt es sich wohl dem Tier verwandter als dem ihm wahrscheinlich rätselhaften Erwachsenen (FREUD 1912/1913, S.154)
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, inwieweit es möglich ist, anhand der tiergestützten Therapie Kinder mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung zu fördern. Die Fragestellung wird im Rahmen dieser Ausarbeitung speziell an der therapeutischen Arbeit mit Pferden untersucht. Deutschland spielt in Bezug auf den Einsatz des Mediums Pferd eine Vorreiterrolle in ganz Europa, weshalb mir diese Wahl als sinnvoll erscheint. Die Praxis ist der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der tiergestützten Therapie weit voraus. Daher ist es mir wichtig, die bereits vorhandene aktuelle Literatur zum genannten Therapiegebiet vorzustellen. Ein Blick über Deutschlands Grenzen hinaus zeigt sich hierbei als unvermeidbar.
Beginnend soll anhand einer Studie von MAND aufgezeigt werden, dass Lehrer in Förderschulen häufig auf Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten treffen und diese Störungen nicht außer Acht gelassen werden dürfen in der Förderung des Kindes. Um die These der Komorbidität zwischen Lernbehinderung und Verhaltensstörung zu untermauern, werde ich anschließend die Ursachen beider Auffälligkeiten miteinander vergleichen. Danach werden einige Verhaltensstörungen, die sehr häufig anzutreffen sind, näher beschrieben und vorgestellt. Da es mir speziell um die Förderung der sozialen Kompetenz durch tiergestützte Therapie geht, wird im Anschluss eingehend erläutert, was unter diesem Begriff verstanden wird.
Im zweiten Abschnitt wird das Konzept sowie die Geschichte der tiergestützten Therapie vorgestellt. Hierzu gehören natürlich auch ein Abriss des internationalen Forschungsstandes sowie die Erläuterung der Fachtermini. Der Abschnitt wird abgeschlossen mit der Darstellung der Besonderheiten der Kind-Tier-Beziehung sowie den damit verbundenen Grenzen.
Da ich die Arbeit in der tiergestützten Therapie anhand eines speziellen Tieres erklären möchte, folgt im anschließenden Abschnitt 4 die Arbeit mit dem Pferd als Co-Therapeut. Zuerst soll die besondere Beziehung zwischen Mensch und Pferd belegt werden, natürlich auch anhand der Historie. Da sich die Reittherapie unterteilt in die drei Bereiche Hippotherapie, Behindertenreiten sowie heilpädagogisches Reiten und Voltigieren, werden diese im Folgenden vorgestellt. Welche Anforderungen an die Ausbildung des Therapeuten gestellt werden, ist im Kapitel 4.4 beschrieben. Im Anschluss folgen die Anforderungen an den Charakter, die Haltung sowie die Ausbildung des Therapiepferdes.
Der fünfte Abschnitt zeigt die Fördermöglichkeiten auf, die sich in der Heilpädagogischen Reittherapie mit verhaltensauffälligen Kindern ergeben. Diese erstrecken sich über den senso-motorischen, den kognitiven sowie den sozial-emotionalen Bereich, wobei der letztgenannte Bereich für diese Examensarbeit am bedeutendsten ist.
Anschließend folgt eine genauere Beschreibung des Therapeutischen Reitens anhand von Praxisbeispielen. Meine Erfahrungen, die ich auf dem heilpädagogischen Reit- und Ausbildungshof Wolkenstein in Niedersachsen sammeln konnte, sollen hier näher betrachtet werden. Es beginnt mit einer Darstellung des Hofes und der Arbeit der beiden Reittherapeuten Mareike Schmidt und Felix Müller. Sodann folgt das Protokoll einer ersten Reittherapieeinheit mit einer kleinen Schülergruppe einer Förderschule. Um die Fördermöglichkeiten besser zu verdeutlichen wird dieser Anfängergruppe eine Fortgeschrittenengruppe gegenüber gestellt. Diese Fortgeschrittenengruppe, bestehend aus einem lernbehinderten Mädchen, einem High-function-Autisten sowie einem laut Schulakte hyperaktiven Jungen, habe ich länger begleitet und bei ihren Therapieeinheiten gefilmt. Ein Zusammenschnitt dieser Erfahrung liegt als Video dieser Arbeit bei.
Danach werden die Lernaspekte von DETTENBORN und SCHMIDT-DENTER, welche in dem Abschnitt 2.3 zur Sozialkompetenz vorgestellt wurden, mit der Praxis verglichen, um herauszufinden, inwieweit eine Förderung im sozial-emotionalen Bereich anhand des therapeutischen Reitens möglich ist.
Den Abschluss der Arbeit bildet ein zusammenfassender Kommentar zu den bearbeiteten Aspekten.
Vorneweg sei darauf hingewiesen, dass die Kultusministerkonferenz 1994 entschieden hat, für den schulischen Bereich auf Eigenschaftsbegriffe wie „lernbehindert“ und „verhaltensgestört“ zu verzichten und statt dessen den Förderbedarf zu benennen. Seither sprechen die Verwaltungen von „Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Bereich Lernen“ bzw. „Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Bereich emotionale und soziale Entwicklung“. Diese Definitionen schließen nur die Schüler ein, welchen eine sonderpädagogische Förderung vom Schulamt zugebilligt wird. Der Einfachheit und Unhandlichkeit der bestehenden Begriffe halber werde ich im Folgenden die Begriffe „lernbehindert“ und „verhaltensauffällig“ benutzen, nicht zuletzt deswegen, da sich meiner Ansicht nach die tiergestützte Therapie ebenfalls für Kinder eignet, welche vom Schulamt nicht als förderbedürftig eingestuft werden und dennoch als auffällig in einem der Bereiche erscheinen.
2 Verhaltensstörungen bei Kindern an Förderschulen
Lernbehindertenpädagogik und Verhaltensgestörtenpädagogik sind zwei unterschiedliche Fachrichtungen mit unterschiedlichen Theorien, Lehrangeboten und Rahmenplänen. Im Jahr 2000 wurden die Hamburger Verhaltensgestörtenschulen sowie diverse Förderstellen überführt in die Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen (REBUS), da es bis zu diesem Zeitpunkt ein sehr unübersichtliches Feld an verschiedenen Einrichtungen gab. Es gibt noch keine statistischen Auswertungen darüber, inwieweit verhaltensauffällige Kinder nun an Schulen für Lernbehinderte unterrichtet werden. Dabei drängt sich die Frage auf, ob es vor der Schließung der Verhaltensgestörtenschulen tatsächlich eine strikte Trennung der betroffenen Kinder gab und dies überhaupt möglich war. Eine Antwort auf diese Frage ist noch nicht gefunden, da dieses Thema bisher kaum untersucht und beforscht worden ist. Sucht man in den Datenbanken PSYNDEX und FIS-BILDUNG wird man nur wenige empirische Untersuchungen zu diesem Thema finden.
Es gibt allerdings einige indirekte empirische Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang von Verhaltensproblemen und Lernstörungen. So wurde etwa in der PISA-Studie die kognitive Grundleistung als negativer Prädikator für aggressives Verhalten gesehen (vgl. MAND 2004, 319). MAND hat aufgrund dieser geringen Beforschung des Themas im Jahr 2004 eine Lehrerbefragung an neun Schulen für Lernbehinderte in drei Städten durchgeführt. Als Erhebungsinstrument benutzte er den Teacher´s Response Form (TRF). Dieser Lehrerfragebogen ist in der Diagnostik von Verhaltensstörungen weit verbreitet und arbeitet wie die meisten Fragebögen zu diesem Thema: Es wird untersucht, welche Symptome bei welchem Kind der Klasse zu finden sind. Es werden sowohl eher unauffällige Verhaltensweisen wie „Kind verhält sich zu jung für sein Alter“ als auch deutlich problematischere Symptome wie „Greift andere Kinder körperlich an“ erfragt (vgl. MAND 2004, 320). Anschließend vergleicht der befragte Lehrer den Fragenkatalog mit einem Auswertungsbogen, in dem die einzelnen Symptome genauen Problemen wie etwa der Aufmerksamkeitsstörung, sozialem Rückzug oder Depressivität zugeordnet werden können. Nun lassen sich individuelle T-Werte errechnen, die zeigen, ob ein Kind unauffällige Verhaltensweisen zeigt oder als auffällig eingeschätzt werden muss. Ein weiterer Fragebogen befasst sich mit der Schülerzahl pro Klasse, der Herkunft der Schüler sowie weiteren sozialstatistischen Fragen.
Die Lehrerbefragung ergab, dass von den 204 Schülern 60 Kinder „so auffällig eingeschätzt [werden], dass für sie auch ohne das Vorliegen von Schulleistungsproblemen ein Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eingeleitet werden müsse“ (MAND 2004, 320). Demnach wären 29 Prozent der Kinder verhaltensauffällig. Auch nach Vergleich mit dem Auswertungsbogen und den berechneten T-Werten zeigte sich, dass es sich hierbei um Kinder handelte, welchen erhebliche Verhaltensstörungen attestiert werden mussten. Der Grenzwert zur Auffälligkeit liegt zwischen 60 und 63 Punkten, während der durchschnittliche T-Wert der auffälligen Kinder im Test bei 71,97 Punkten lag. Der Wert lag also beachtlich oberhalb des Grenzwertes.
Des Weiteren ergab der Test, dass es sich bei den Kindern mit Verhaltensproblemen häufiger um Jungen als um Mädchen handelte. Von den 60 als verhaltensauffällig eingestuften Kindern waren 40 Jungen. Auch zeigten sich deutlich die Auswirkungen, die ein hoher Anteil nicht deutscher Muttersprachler innerhalb einer Klasse auf auffälliges Verhalten haben kann. MANDs Befragung ergab, dass 92,3 Prozent der als aggressiv eingestuften Kinder aus Klassen kommen, in denen der Migrantenkinderanteil über 37 Prozent liegt. Als Migrantenkinder bezeichnet der Autor Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist; somit werden auch Spätaussiedler und Migranten in dritter Generation zum Teil mit einbezogen. Hierzu ist noch zu sagen, dass der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Förderschulen im Durchschnitt bei 37 Prozent liegt, weshalb MAND diesen Wert als Maß betrachtet.
Das Ergebnis dieser Lehrerbefragung bestätigt, dass es an Lernbehindertenschulen einen hohen Anteil an Verhaltensstörungen gibt; fast ein Drittel der Schüler ist hiervon betroffen. Anzumerken ist allerdings, dass es sich um vom Lehrer wahrgenommene Verhaltensstörungen handelt, die diagnostisch nicht abgesichert sind. MAND merkt an, dass Lehrer allgemein häufig über Verhaltensstörungen ihrer Schüler klagen, unabhängig von der Schulform. Vergleicht man aber die Werte aus MANDs Studie mit einer Befragung unter Berliner Grundschullehrern, zeigt sich, dass hierbei „nur“ 13 Prozent der Kinder als verhaltensauffällig eingestuft werden (vgl. 2004, 322). Auch sollte bedacht werden, dass die meisten der an Förderschulen unterrichtenden Lehrer eine sonderpädagogische Ausbildung absolviert haben. „Warum sollte man annehmen, dass eine solche Ausbildung dazu führt, dass Schüler als verhaltensauffällig gehalten werden, die in Grundschulen als unauffällig gelten würden?“ (MAND 2004, 323).
Auch wenn die Untersuchung von MAND noch keine eindeutige Aussage zulässt, macht sie den Zusammenhang von Lern- und Verhaltensproblemen sehr wahrscheinlich. Nach dem Autor werden folglich heutzutage drei Gruppen von Kindern an Förderschulen betreut: Schüler mit Lernproblemen, Schüler mit Verhaltensproblemen sowie Schüler mit Lern- und Verhaltensproblemen.
2.1 Verhaltensstörungen – eine mögliche Komorbidität der Lernbehinderung?
Dass Kinder auf Lernbehindertenschulen auch häufig unter Verhaltensproblemen leiden, zeigt sich nicht nur durch die Lehrerbefragung von MAND. Betrachtet man die gemeinhin angenommenen Ursachen für eine Lernbehinderung einmal genauer, zeigen sich deutliche Parallelen zu den Ursachen von Verhaltensauffälligkeit.
Für BLEIDICK ist der Zusammenhang zwischen Lernbehinderung und sozialen Faktoren offensichtlich. „Lernbehinderte entstammen zum überwiegenden Teil unteren Sozialschichten, sie wachsen unter erschwerten sozialen Bedingungen auf, ihr soziales Ansehen ist besonders gering“ (1995, 107). Die Fähigkeit zu Lernen hängt in hohem Maße von den gegebenen sozialen Einflussfaktoren ab, so dass es sich von selbst versteht, dass eine ungünstige Konstellation wesentliche Beeinträchtigungen des Lernens bewirken kann. Die Vernachlässigung von affektiven frühkindlichen Bedürfnissen wie Sicherheit und Vertrauen können dazu führen, dass das Lernen beeinträchtigt wird.
Auch THEIS-SCHOLZ ist der Auffassung, dass lernbehinderte Kinder häufig „ungünstigen Umweltfaktoren“ ausgesetzt sind (2002, 9). Der Umstand, dass diese Schülergruppe häufig soziokulturell benachteiligt ist, ist ein wichtiger Aspekt bei Schulversagen. Abgesehen von den primären Bedürfnissen des Kindes wie Geborgenheit, respektiert werden und eine konsequente liebevolle Erziehung fehlt es ebenso häufig an intellektuellen Anregungen. Leistungsmotivation, Sprachmuster, eine ungestörte senso-motorische Entwicklung und die Arbeitshaltung der Eltern sind ebenfalls ausschlaggebend für den Schulerfolg des Kindes. „Soziokulturelle Deprivation und deren Auswirkungen auf das Lernverhalten eines Kindes gilt seither als wesentliches Bedingungsgeflecht vor allem bei den Ursachen für das Auftreten von Lernbeeinträchtigungen“ (THEIS-SCHOLZ 2002, 12). Viele der Kinder auf Förderschulen werden demnach in ihren Grundbedürfnissen nicht ausreichend befriedigt.
Wie sieht es nun mit dem sozialen Umfeld von Schülern aus, welche als verhaltensauffällig eingestuft werden? Das Familiensystem ist für HENNIG und KNÖDLER (1995) in Bezug auf das gezeigte Verhalten des Schülers wesentlich wichtiger als das System „Schulklasse“, da das Kind diesem schon sechs bis sieben Jahre früher ausgesetzt ist. Der emotionale Stress, welcher sich durch negative Faktoren in der Familie im Schüler anstaut, entlädt sich im Klassenverband gegenüber seinen Mitschülern. Die Armut und geringe Bildung der Familie, ein Migrationshintergrund sowie weitere soziale Belastungen sind keine hinreichende Bedingung für eine soziale und emotionale Beeinträchtigung, aber sie sind eindeutige Risikofaktoren (vgl. PREUSS-LAUSITZ/SORG 2005, 45). Ein erheblicher Teil der als verhaltensauffällig empfundenen Kinder stammt aus ökonomisch und sozial schwachen Familien. Oft erfahren diese so genannten „emsoz-Kinder“ keine oder nur unzureichend Unterstützung auf dem Weg zur eigenen Ich-Identität und kommen somit nur sehr begrenzt voran; ebenso beim Lernen wie in ihrer sozialen Entwicklung (vgl. PREUSS-LAUSITZ 2005, 17).
Kinder und Jugendliche, welche stark ängstigende Erfahrungen innerhalb ihrer Familie machen mussten, vernachlässigt wurden oder mehrfach eine Missachtung ihrer vitalen Lebensbedürfnisse erlebten, sind in ihrer psychischen Entwicklung beeinträchtigt. WARZECHA fasst in einem Aufsatz zusammen: „Die meisten der sog. verhaltensgestörten oder lernbehinderten Schülerinnen und Schüler sind biographisch bereits sehr früh vernachlässigte Kinder, die physisch und/oder psychisch traumatisierenden Sozialisationsbedingungen ausgesetzt waren und es zum größten Teil immer noch sind“ (2002, 14). Oft ziehe eine Verhaltensstörung eine Lernbehinderung nach sich, was als posttraumatische Reaktion auf erlebte Grenzverletzungen verstanden werden kann. Was nach außen hin als unnormales Verhalten erscheint, ist für das Kind ein Bewältigungsmechanismus, eine „normale Reaktion auf unnormale Zustände“ (WARZECHA 2002, 15).
2.2 Verhaltensauffälligkeiten – bestimmte Störungen des Sozialverhaltens
Die Begriffe „Verhaltensstörung“, „Erziehungsschwierigkeiten“ etc. entziehen sich mitunter durch ihre Personen- und Situationsgebundenheit einer eindeutigen Definition. So genannte „Verhaltensgestörte“ werden häufig mit Ausdrücken wie emotional gestört, neurotisch, psychopathisch, erziehungsschwierig, sozial fehlangepasst, verwahrlost, gemeinschaftsgefährdend, gemeinschaftsschädigend, persönlichkeitsgestört, verhaltensbehindert, verhaltensgestört und verhaltensauffällig beschrieben (vgl. HILLENBRAND 1999, 34). Welcher dieser Begriffe nun entscheidend für die Bezeichnung als „verhaltensgestört“ ist, bestimmt der soziale, kulturelle und historische Kontext, in dem ein Kind lebt. Sie setzt also ein soziales Bezugssystem voraus und ist wegen dessen Dynamik immer nur vorläufig. Eine Verhaltensweise wird erst dadurch auffällig, wenn sie durch Eltern oder Lehrer als gestört bewertet wird. Die subjektiven Annahmen der Beurteiler spielen daher eine wesentliche Rolle.
Im Folgenden sollen einige Symptome näher beleuchtet werden, welche unter dem Überbegriff „Verhaltensstörung“ zusammengefasst werden und sehr häufig zu finden sind.
2.2.1 Angst
Biologisch gesehen ist die Angst ein Stresszustand von starker Intensität als Antwort auf eine wahrgenommene Bedrohung, verbunden mit einem Gefühl der körperlichen Anspannung sowie starken Impulsen, der Situation zu entfliehen. Kindliche Angststörungen können als Störungen mit überkontrolliertem Verhalten zusammengefasst werden. Kindliche Ängste z.B. bei Dunkelheit oder vor dem Tod sind Teil der normalen Entwicklung; beinahe jeder Mensch erlebt sie im Laufe seiner Entwicklung. Ängste erlangen nach PROTHMANN aber den Wert einer Verhaltensstörung, wenn sie das Leistungsvermögen der Kinder sowie ihre sozialen Kontakte beeinträchtigen. Angststörungen sind mit einem Vorkommen von 15 Prozent die häufigste kindliche Verhaltensauffälligkeit (vgl. 2005, 29). Der Schwerpunkt kann im individuellen Fall verschieden sein. Zu den Angststörungen zählen neben spezifischen Phobien die
- Schulphobie, die, wenn sie mit Trennungsangst zusammenhängt, typischerweise mit Schuleintritt beginnt und durch eine sehr starke Bindung der Kinder an ihre Eltern gekennzeichnet ist. Vermutet wird hierbei eine Störung der Eltern-Kind-Interaktion (vgl. PROTHMANN 2005, 30). Die Kinder wollen eine Trennung von den Eltern unter allen Umständen verhindern und sorgen sich sehr, wenn sie von ihren Eltern getrennt sein müssen.
- Schulphobie verbunden mit einer sozialen Phobie, die typischerweise erst im späteren Schulalter auftritt. Hier ist die Ursache in der unmittelbaren Schulumgebung (Mitschüler oder Leistungsdruck) zu suchen.
- Soziale Phobie und der soziale Rückzug. Die Kinder gelten als ruhig, schüchtern und in sich gekehrt, vermeiden den Umgang mit fremden Personen und Kindern bis hin zum elektiven Mutismus, was bedeutet, dass sie wahlweise ganz auf Kommunikation verzichten und in eine Stummheit verfallen. Sie sprechen oft leise, klammern sich an ihre Eltern oder verstecken sich vor fremden Personen hinter Möbelstücken. Es fällt diesen Kindern oft schwer, eine passende Kommunikation mit Gleichaltrigen zu vollführen. Ihnen fehlt es an Wissen über soziale Beziehungen. Ihre Beziehungen zu Gleichaltrigen sind wenig strukturiert, ihnen mangelt es an Phantasie im Spiel und sie interagieren lieber mit Erwachsenen als anderen Kindern (vgl. PROTHMANN 2005, 30).
- Angst und Depression gemischt.
Häufig kommen Ängste in Verbindung mit anderen Verhaltensauffälligkeiten vor. Bei 50 Prozent der ängstlichen Kinder geht PROTHMANN von einer Überlappung von Trennungsangst und depressiven Symptomen aus. Oft zeigen sich bei diesen Kindern schwierige Geschwisterbeziehungen, die möglicherweise erklären, warum die Kinder Probleme haben, mit Gleichaltrigen in Interaktion zu treten. Auch zeigen sich die Beziehungen zur Mutter und zum Vater aggressiver und spannungsreicher als bei gesunden Kindern (vgl. PROTHMANN 2005, 24).
Das Erziehungsverhalten der Eltern hat einen wichtigen Einfluss auf die Entstehung einer Angststörung bei ihrem Kind. Es zeigt sich, dass Eltern auf ihre ängstlichen Kinder oft mit einem überkontrollierenden und beschützenden Verhalten reagieren. Ein solches Interaktionsverhalten kann autonomes und sozial kompetentes Handeln der Kinder einschränken, weil hierdurch das Kind wichtige Erfahrungen nicht machen kann. Es lernt nicht, effektive Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Die Eltern erleben ihre Kinder wiederum als ängstlich und fühlen sich in ihrem bisherigen Erziehungsverhalten bestätigt. Wenn sie ihr überkontrollierendes Verhalten fortsetzen, entsteht ein Teufelskreis aus Überfürsorge, steigenden Verhaltensdefiziten und erhöhter Ängstlichkeit. Auch inkonsequentes Verhalten der Eltern wirkt sich negativ auf ihre Kinder aus, da sie nicht lernen, welche Reaktionen der Eltern auf ihr Verhalten folgen. Wird das Kind für das gleiche Verhalten einmal belohnt und einmal bestraft, kann es keine angemessenen Erwartungen in Bezug auf das Verhalten der Eltern aufbauen. Das erschwert die Bildung von Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen.
2.2.2 Aggression
Gewöhnlich wird unter Aggression im Alltag ein Verhalten verstanden, das von der für die jeweilige Situation bestehenden Norm abweicht und scheinbar mit der Absicht ausgeführt wird, einer Person oder Sache seelischen, gesellschaftlichen oder materiellen Schaden zuzufügen. PETERMANN (1998, 1017) unterscheidet zwischen folgenden Ausdrucksformen:
- offen-gezeigte und verdeckt-hinterhältige Aggression,
- körperliche und verbale Aggression,
- aktiv-ausübende und passiv-erfahrende Aggression (Betrachtungsweise aus Sicht des Täters oder Opfers),
- direkte und indirekte Aggression (die indirekte A. bezieht sich auf die Schädigung einer Person, indem man etwa ihren Besitz zerstört oder schädigt) und
- nach außen und nach innen gewandte Aggression.
Um die Aggression eines Kindes bewerten zu können, muss man sich das Ziel anschauen, welches dem Verhalten zu Grunde liegt. Gelingt es einem Kind nur schwer oder gar nicht, sein Sozialverhalten zu kontrollieren und stört es unbeabsichtigt die Gruppe mit seinem Verhalten, so spricht PETERMANN von Hyperaktivität (vgl. 1998, 1017). Versucht das Kind jedoch, seine eigenen Interessen den anderen aufzuzwingen, spricht man von egoistisch-motivierter Aggression da dieses Verhalten zielgerichtet schädigend ist.
Aggression kann prinzipiell dazu dienen, Gefühle wie Angst zu steuern. Dieses Verhalten äußert sich meistens in expressiven Wutausbrüchen. Diese Kinder fühlen sich schnell bedroht und versuchen, durch einen Wutausbruch das bedrohende Gefühl z. B. der Angst zu regulieren. PETERMANN vermutet, dass diese Kinder deshalb so aggressiv reagieren, weil sie sich der Zuneigung anderer ungewiss sind, „übermäßige soziale Anerkennung erwarten oder Bedrohung übersensibel und deshalb vermehrt wahrnehmen“ (1998, 1017).
In den Studien zur kindlichen Aggression wird hauptsächlich das egoistisch-motivierte Verhalten beforscht. Diese Form tritt bei Jungen und Mädchen im Verhältnis 5:1 auf, wobei Jungen meist durch körperliche Aggression auffallen und Mädchen durch manipulative Techniken (vgl. PETERMANN 1998, 1017f.).
Um zu verstehen, wie Aggression entsteht, benötigt es eine multifaktorielle, bio-psycho-soziale Herangehensweise. Keine einzeln stehenden Faktoren können hierfür ausreichen. Es gibt nach Ansicht von WENDELL einige Risikofaktoren, die sowohl auf Seiten der Person als auch der Umwelt liegen können. Diese Faktoren unterliegen einer zeitlichen Dynamik und können sich im Verlauf verstärken oder verringern. Insbesondere das Zusammenspiel dieser Faktoren ist bedeutsam für die Entstehung von kindlicher Aggression. Hier seien einige der Risikofaktoren genannt:
- Multiproblemmilieu
- Familiäre Konflikte
- Bindungsdefizite
- Problematische Peerbeziehungen
- Schulische Probleme
- Kognitive Defizite
- Genetische Dispositionen
- Defizite der Erziehung
- Soziale Disorganisation (vgl. WENDELL 2004, 9).
Die Eltern können auf diese „schwierigen“ Kinder oft aufgrund eigener multipler Belastungen nicht angemessen reagieren, so dass ein feindliches familiäres Klima entsteht. Zu den familiären Risikofaktoren zählen die Ablehnung des Kindes durch die Eltern, Vernachlässigung und Desinteresse an dessen Entwicklung, aggressives, übermäßig strenges oder inkonsistentes Erziehungsverhalten, permanente Konflikte sowie antisoziales Verhalten und Alkoholmissbrauch der Eltern (vgl. WENDELL 2004, 10).
2.2.3 Hyperaktivität
Die Hyperaktivität gehört zu den hyperkinetischen Störungen, bei denen Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität und hyperaktives Verhalten stärker auftreten, als es bei Kindern auf vergleichbarer Entwicklungsstufe typischerweise beobachtet wird. Besonders eine desorientierte, mangelhaft regulierte und überschäumende motorische Aktivität sowie eine exzessive Unruhe sind auffallende Merkmale der Hyperaktivität (vgl. DÖPFNER/ LEHMKUHL/ SCHÜRMANN 1996, 11). Diese Merkmale lassen sich in folgende Symptome aufgliedern:
- Konzentrationsschwäche
- Leichte Ablenkbarkeit
- Geringe Ausdauer
- Vergesslichkeit
- Starke Leistungsschwankungen
- Unharmonischer Bewegungsablauf
- Motorische Unruhe
- Verkrampfte Schrift
- Geringes Selbstbewusstsein
- Geringe Frustrationstoleranz.
Ursachen sehen die Autoren im genetischen Bereich sowie in einer gestörten Reizübertragung durch Neurotransmitter im Zentralen Nervensystem (ZNS). Aber auch sekundäre Ursachen wie fehlerhafte elterliche und schulische Erziehungsansätze werden oft genannt und verstärken die endogenen Faktoren (vgl. 1996, 12). Die Lebensbedingungen der unter Hyperaktivität leidenden Kinder können sich verstärkend oder bessernd auf diese Verhaltensauffälligkeit auswirken. Ein ungünstiges Lebensumfeld, z. B. fehlende Zuwendung, inkonsistente Erziehung und fehlende Strukturierung des Alltags können Einfluss darauf nehmen, wie stark sich die Störung ausprägt. Solche ungünstigen Umweltfaktoren können jedoch nicht allein stehend eine Hyperaktivität auslösen. Diese entsteht nur, wenn auch entsprechende Anlagen vorliegen (vgl. DÖPFNER/ LEHMKUHL/ SCHÜRMANN 1996, 14).
Hyperaktivität kann auch symptomatisch sein für eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS. Dies ist nach heutigem Forschungsstand eine multifaktorielle Erkrankung, bei welcher bei ca. 50 Prozent der Betroffenen eine genetisch bedingte Anormalität der neuronalen Signalverarbeitung im Gehirn festzustellen ist.
2.3 Was ist soziale Kompetenz?
Bei den meisten der Kinder, welche als aggressiv, sehr ängstlich oder hyperaktiv bezeichnet werden, liegen auch Probleme im Sozialverhalten vor. Diesen Kindern fällt es oft schwer, mit Gleichaltrigen in Freundschaft zu treten, anderen zu vertrauen und sich auf sie einzulassen sowie sich selbst positiv abzugrenzen. Doch die so genannte soziale Kompetenzentwicklung, die bei diesen Kindern stockt, steht in einem engen Zusammenhang mit der eigenen Identitätsentwicklung von Kindern und Jugendlichen und ist somit immens wichtig (vgl. BINDER 2005, 287). Um im späteren Verlauf zu überprüfen, ob die tiergestützte Therapie Kindern Sozialkompetenz vermitteln kann, soll im Folgenden dieser Begriff näher erläutert werden.
Bisher gibt es keine allgemein akzeptierte Definition für diesen Begriff. Das rührt jedoch nicht daher, dass es keine profunde wissenschaftliche Auseinandersetzung darüber gibt, sondern folgt der Tatsache, dass unterschiedliche theoretische Zugänge zwangsläufig unterschiedliche Definitionen darüber hervorbringen.
Kompetenz wird im Allgemeinen als eine individuelle Fähigkeit betrachtet. Es ist laut FRÖHLICH (vgl. 1998, 244) eine Bezeichnung für die sachliche Zuständigkeit eines Menschen bei der Lösung von Problemen. Diese Auffassung beinhaltet letztlich die Annahme, dass alles soziale Geschehen auf individuelle Handlungen oder individuelle Denkvorgänge zurückzuführen ist.
Soziale Kompetenz zeigt sich nicht im Inneren eines Menschen, sondern in zwischenmenschlicher Kommunikation. Es ist hierbei zu bedenken, dass es sich um einen normativen Begriff handelt. Er beinhaltet kulturelle, gesellschaftliche oder lokale Wertvorstellungen über angemessenes Verhalten gegenüber anderen Personen. Im Bereich der Sozialpsychologie umfasst die soziale Kognition „sowohl das Wissen über die Welt sozialer Geschehnisse, als auch den Prozess des Verstehens von Menschen, ihrer Beziehungen sowie der sozialen Gruppen und Institutionen, an denen sie teilhaben“ (SILBEREISEN 1998, 823). Eine pädagogischere Sichtweise vertreten DETTENBORN und SCHMIDT-DENTER (vgl. 1997, 188). Als soziales Lernen verstehen sie den Erwerb von Fähigkeit und Bereitschaft zu zwischenmenschlichen Verhaltensweisen, die zu einem akzeptablen Kompromiss zwischen Fremdbedürfnissen und eigenen Bedürfnissen führen. Es geht also nicht nur um das Verstehen von menschlichem Verhalten und Denken, sondern auch um die gekonnte Anwendung sozialer Verhaltensweisen.
Als Lerninhalte zählen DETTENBORN und SCHMIDT-DENTER folgende Bereiche auf:
- Einfühlungsvermögen: Hierbei handelt es sich um auf das Gegenüber gerichtetes Mitgefühl auf dessen Lage sowie um ein auf sich selbst bezogenes, unangenehmes und aversives Gefühl des Betroffenseins. Unter ersterem versteht man die Empathie, zweiteres betrifft das umgangssprachliche Mitgefühl (vgl. auch SILBEREISEN 1998, 834ff.)
- Achtung vor sich selbst und anderen: Oft geht inkompetentes Sozialverhalten auf ein negatives Selbstbild zurück. Hierbei zeigt sich deutlich die enge Verknüpfung von sozialer Kompetenz und Selbstkompetenz
- Soziale Perspektivenübernahme: Hierbei geht es um das Verstehen von Emotionen aufgrund der Lage des anderen. Laut SILBEREISEN findet normalerweise die wichtigste Entwicklung in der Unterscheidung von Emotionen und ihrer situationsbedingten Auslöser zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr statt (1998, 834). Allerdings wurden in der Forschung nur elementare Gefühle wie Angst, Trauer, Freude und Ärger untersucht. Komplexere Gefühle bereiten selbst zehnjährigen Kindern noch Verständnisschwierigkeiten.
- Zuhören und Verständnisbereitschaft: Für eine produktive Konfliktlösung und gute Kommunikation ist die aktive Zuwendung zu den Äußerungen anderer die Vorraussetzung.
- Selbstbehauptung: Bei diesem Aspekt geht es um die Fähigkeit, seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche durchzusetzen, ohne andere zu Schaden kommen zu lassen, wie etwa durch Gewaltandrohung.
- Differenzierte Folgenreflexion: Hierbei handelt es sich um das Reflektieren und Beurteilen des eigenen Handelns und der Folgen, die daraus für andere und für sich selbst entstehen (vgl. DETTENBORN/SCHMIDT-DENTER 1997, 189ff).
PETILLON hat sich speziell mit dem Sozialleben der Grundschulkinder befasst und stellt folgenden Anforderungskatalog zusammen:
- Kommunikation: Fähigkeit und Bereitschaft, sich verständlich zu machen und andere zu verstehen.
- Kontakt: Fähigkeit und Bereitschaft, mit anderen Kontakt aufzunehmen.
- Kooperation: Fähigkeit und Bereitschaft, mit anderen zusammen zu arbeiten.
- Solidarität: Fähigkeit und Bereitschaft zu gemeinsamen Handlungen in kleineren und größeren Gruppen; Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und Erkenntnis der gemeinsamen Lage.
- Konflikt: Fähigkeit und Bereitschaft, konstruktives Konfliktlöseverhalten zu praktizieren.
- Ich-Identität: Fähigkeit und Bereitschaft, Fremderwartung und eigene Bedürfnisse so zu verarbeiten, dass ein eigenes selbstbestimmtes Rollenverhalten entwickelt und praktiziert werden kann.
- Soziale Sensibilität: Fähigkeit und Bereitschaft, sich in die Rolle eines anderen hinein zu versetzen, sich in seine Lage einzufühlen und das Ergebnis dieser Bemühungen in das eigene Verhalten einzubeziehen.
- Toleranz: Fähigkeit und Bereitschaft, die Andersartigkeit, Hilfsbedürftigkeit und Eigentümlichkeit des anderen zu erkennen und zu respektieren.
- Kritik: Fähigkeit und Bereitschaft, Informationen, Normen, Handlungen und feststehende Urteile kritisch zu hinterfragen und ggf. Alternativen zu entwickeln.
- Umgang mit Regeln: Fähigkeit und Bereitschaft, wichtige Regeln des Zusammenlebens zu erarbeiten und zu beachten.
- Gruppenkenntnisse: Fähigkeit und Bereitschaft, Kenntnisse über wichtige Aspekte der sozialen Gruppe zu erwerben. (vgl. PETILLON 1993, 10f.).
[...]
- Arbeit zitieren
- Julia Brückmann (Autor:in), 2006, Tiergestützte Therapie bei Kindern mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten. Heilpädagogisches Reiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90333
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