Diese Hausarbeit will folgenden Forschungsfragen nachgegehen:
Inwiefern konnte – trotz der politisch schwierigen Zeit, in die es fiel – das Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte seinem zweifellos hehren Anspruch als moderne und unabhängige wissenschaftliche Forschungsstätte gerecht werden? Stellte es einen Fortschritt für die deutsche Geschichtswissenschaft dar? Wie lässt sich seine Leistung bilanzierend beurteilen?
„Was hat die Geschichte als Wissenschaft und die Geschichtsschreibung mit Organisation zu tun“1? An der Schwelle zum 20. Jahrhundert, in der heißen Phase von Industrialisierung und Imperialismus, wurde diese Frage in Deutschland neu gestellt. Ausschlaggebender Grund war sicherlich ein Bestreben, der eigenen Nation aus möglichst reichhaltigen Quellen historische Geltung zuzuschöpfen. Deutsche Geschichte sollte im europäischen Kontext erfahrbar werden. Aber darüber
hinaus herrschte längst ein Zustand, in dem einzelne Historiker mit Großprojekten hoffnungslos überfordert waren, diese jedoch nicht an geeignete Stellen abtreten oder durch sie kompensiert werden konnten. Gerade die Herausgabe schwieriger, zusammenhängender Geschichtsquellen, gefasst in Editionen, beanspruchte ein erhebliches Maß an Arbeitsteiligkeit in genuine Geschichtsschreibung auf der einen und präzise Ausdifferenzierung historischer Hilfswissenschaften auf der anderen Seite. Hinzu gesellte sich für die moderne Geschichtskunde die Notwendigkeit,
in einer mehr und mehr vernetzen Welt auch andere geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen einzubeziehen, eine Bresche des interdisziplinären Diskurses innerhalb der Geschichtswissenschaft zu schlagen. Der preußische Minister C.H. Becker drückte diesen Sachverhalt wie folgt aus: „Der Historiker der alten Medizin muss Griechisch und Arabisch, der Historiker der neuen Medizin muss Medizin können“2. Da der Geschichtswissenschaftler aber unmöglich alles lernen kann, ohne sein eigentliches Aufgabengebiet zu vernachlässigen, ist er auf Kooperation
angewiesen. Die „Vergesellschaftung der Forschung“ wurde zur Losung der Zeit3. In diesem Zusammenhang ging es für die Geschichtswissenschaft um die Schaffung einer in großem Stile institutionalisierten Historie mit fortschrittlicher Arbeitsteilung und einem großen Netzwerk von Personalunionen sowie archivarischer Verfügungsgewalt, möglichst auf dem ganzen Kontinent.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Organisation von Geschichte
- Warum Organisation?
- Anfänge und Klassik organisierender Geschichtsschreibung
- Nachklassik organisierender Geschichtsschreibung
- Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte
- Geisteswissenschaften in der KWG als grundsätzliche Problematik
- Erste geschichtswissenschaftliche Initiative nach KWG-Gründung
- Forschungsleistung des KWIDG
- Verhältnis zu den Universitäten
- KWIDG im Nationalsozialismus
- Konsequenzen der Max-Planck-Gesellschaft
- MPI für Geschichte: Neubeginn oder Erbe?
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Gründung und Entwicklung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte (KWIDG) im Kontext der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG). Sie untersucht, ob das Institut, trotz der politischen Herausforderungen seiner Zeit, seinem Anspruch als moderne und unabhängige Forschungsstätte gerecht werden konnte und welche Bilanz seiner Leistungen gezogen werden kann. Die Arbeit befasst sich auch mit der Frage, ob das Institut von Staat und Wirtschaft vereinnahmt wurde, insbesondere während des Nationalsozialismus.
- Die Entstehung des KWIDG im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Organisation und politischem Kontext
- Die Rolle des KWIDG in der deutschen Geschichtswissenschaft
- Die Forschungstätigkeit des Instituts und seine wichtigsten Projekte
- Das Verhältnis des Instituts zu den Universitäten
- Die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf das KWIDG
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Bedeutung des KWIDG für die deutsche Geschichtswissenschaft im Kontext der Zeit. Sie beleuchtet die Notwendigkeit einer organisierten Geschichtsforschung im 20. Jahrhundert und führt die Entstehung des Instituts im Kontext der KWG ein.
Organisation von Geschichte
Dieser Abschnitt beschreibt die Entwicklung der organisierten Geschichtsschreibung von ihren Anfängen bis zur Gründung des KWIDG. Er untersucht den Einfluss des wissenschaftlichen Fortschritts und die Notwendigkeit einer methodischen Herangehensweise in der Geschichtsforschung.
Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Gründung, der Organisation und der Forschungstätigkeit des KWIDG. Er behandelt die spezifischen Herausforderungen, die mit der Forschung in den Geisteswissenschaften verbunden waren, sowie die Bedeutung von Paul Fridolin Kehr als Prototyp des Wissenschaftsorganisators.
Forschungsleistung des KWIDG
Dieser Abschnitt analysiert die wissenschaftlichen Leistungen des Instituts und seine wichtigsten Projekte. Er untersucht den Führungsstil von Paul Fridolin Kehr und das Verhältnis des Instituts zu den Universitäten.
KWIDG im Nationalsozialismus
Dieser Abschnitt untersucht die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf das KWIDG und die Frage, ob es eine Vereinnahmung des Instituts durch Staat und Wirtschaft gegeben hat.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter, die diese Arbeit behandeln, sind: Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte (KWIDG), Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), Paul Fridolin Kehr, organisierte Geschichtsschreibung, Geschichtswissenschaft, Nationalsozialismus, Max-Planck-Gesellschaft.
- Quote paper
- Julian Wangler (Author), 2007, Das Kaiser Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90401