Vielmehr interessiert hier ein Teilaspekt des Vorgangs [der Konfessionalisierung]: Die Frage nach dem Wovon und dem Woher dieses Prozesses, seinen gesellschaftlichen Triebkräften und Bremsschuhen, oder präziser: Die Rolle des damaligen, sich gerade erst herausbildenden Staates in diesem Vorgang. Dass er zum Ende der Konfessionalisierungsepoche deutliche Züge des Absolutismus ausgeprägt oder sich sogar zu einem „typisch“ absolutistischen Staat entwickelt hatte, bestreitet in der gängigen Forschung kaum jemand ernsthaft. Wodurch diese jedoch zustande kamen, ob es sich um eine allmähliche Machthäufung in den Händen der Obrigkeit handelte, welche von dieser bewusst vorangetrieben wurde, oder ob der frühmoderne Staat quasi von selbst, als Ergebnis einer „blinden“ gesellschaftlichen Dynamik „von unten“, entstand, daran scheiden sich die Geister. Ohne durch weitere Feldforschungen oder Quellenexegese etwas wirklich Neues zu der Debatte beitragen zu können, will sich diese Arbeit nun dem Versuch widmen, erstens anhand des existierenden Materials einen Überblick über den Stand der Diskussion zu geben, zweitens dieses kritisch zu betrachten und drittens wenn nötig den gangbarsten Weg zwischen den Stühlen – in diesem Fall: den beiden Hauptargumentationsrichtungen der „etatistischen“ und der „selbstregulativen“ Schule - zu suchen, ohne zwanghaft nach einer falschen Versöhnung zu streben. Dabei wird sich zeigen, dass die Wahl des jeweiligen Forschungsgegenstandes mitunter einen gewichtigen Einfluss auf die Kernhypothesen und Schlussfolgerungen der entsprechenden Forschungsrichtung hat, ein nicht unerheblicher Aspekt angesichts der Absolutheit, mit der trotz der beträchtlichen konfessionellen Fragmentierung für das eigene Paradigma häufig eingetreten wird.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die ,,etatistische“ Schule
- II.1 Grundlagen
- II.2 Die Selbstherausbildung des frühmodernen Staates
- III. Die „selbstregulative“ Schule
- III.1 „Selbstzurichtung“ statt „Staatsüberschätzung“
- III.2 Grenzen der „Selbstregulierung“
- IV. Basisdivergenzen
- V. Auswege
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle des frühmodernen Staates im Prozess der Konfessionalisierung. Sie befasst sich mit der Frage, wie der Staat an der Entwicklung des Absolutismus beteiligt war und ob dieser Prozess durch bewusste Machthäufung oder durch eine „blinde“ gesellschaftliche Dynamik entstanden ist.
- Die Rolle des Staates in der Konfessionalisierung
- Die „etatistische“ und die „selbstregulative“ Schule der Forschung
- Sozialdisziplinierung und der Aufstieg des Absolutismus
- Die Bedeutung der Konfessionalisierung für die Staatsbildung
- Die Auswirkungen der Konfessionalisierung auf die Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung stellt den historischen Kontext der Konfessionalisierung dar und führt in das Thema der Arbeit ein. Sie betont die Bedeutung des Staates in diesem Prozess und skizziert die Forschungsdebatte um die Entstehung des Absolutismus.
II. Die „,etatistische\" Schule
Dieses Kapitel beleuchtet die Forschungsrichtung, die den Staat als zentralen Akteur in der Konfessionalisierung betrachtet. Es erörtert den Begriff der „Sozialdisziplinierung“ und beschreibt, wie der Staat die Gesellschaft durch Disziplinierung der Bevölkerung nach seinen Vorstellungen umgestaltete.
II.1 Grundlagen
Dieser Abschnitt definiert die Grundannahmen der „etatistischen“ Schule und erläutert, wie diese Forschungsrichtung auf dem Begriff der „Sozialdisziplinierung“ basiert.
II.2 Die Selbstherausbildung des frühmodernen Staates
Dieser Abschnitt diskutiert die These, dass der frühmoderne Staat durch die Monopolisierung von Kirche und Religion an Macht gewann und somit seine eigene Entwicklung vorantrieb.
III. Die „selbstregulative“ Schule
Dieses Kapitel stellt die Forschungsrichtung vor, die den Staat als weniger aktiv und die gesellschaftliche Dynamik als treibende Kraft hinter der Konfessionalisierung sieht.
III.1 „Selbstzurichtung“ statt „Staatsüberschätzung“
Dieser Abschnitt erläutert, wie die „selbstregulative“ Schule die Bedeutung des Staates in der Konfessionalisierung relativiert und stattdessen die „Selbstzurichtung“ der Gesellschaft in den Vordergrund stellt.
III.2 Grenzen der „Selbstregulierung“
Dieser Abschnitt untersucht die Grenzen der „Selbstregulierung“ und diskutiert die Frage, inwieweit der Staat dennoch Einfluss auf die Konfessionalisierung hatte.
Schlüsselwörter
Konfessionalisierung, Frühmoderner Staat, Absolutismus, Sozialdisziplinierung, Selbstregulierung, „etatistische“ Schule, „selbstregulative“ Schule, Kirche, Gesellschaft, Reformen, Religionsfrieden.
- Arbeit zitieren
- Patrick Hesse (Autor:in), 2004, Staat und Konfessionalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90428