Der faktische Konzern


Seminararbeit, 2002

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung
1.1 Überblick
1.2 Abgrenzung
1.2.1 Faktischer Konzern
1.2.2 Qualifizierter faktischer Konzern
1.2.3 Vertragskonzern
1.2.4 Eingliederung

2. Faktischer Aktienkonzern/p> 2.1 Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG
2.2 Verhältnis zu anderen Vorschriften
2.3 Nachteilige Einflussnahme und Nachteilsausgleich nach § 311 AktG
2.3.1 Veranlassung
2.3.2 Nachteil
2.3.3 Nachteilsausgleich
2.3.4 Vorstandspflichten
2.4 Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG
2.4.1 Aufstellung
2.4.2 Funktion
2.4.3 Inhalt
2.5 Prüfung des Abschlußberichts
2.5.1 Prüfung durch Abschlussprüfer nach § 313 AktG
2.5.2 Prüfung durch Aufsichtsrat nach § 314 AktG
2.5.3 Sonderprüfung nach § 315 AktG
2.6 Kein Bericht nach § 316 AktG
2.7 Verantwortlichkeit der Beteiligten
2.7.1 Haftung des herrschenden Unternehmens nach § 317 AktG
2.7.2 Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder nach § 318 AktG

3. Faktischer GmbH-Konzern
3.1 Einführung
3.2 Treuepflicht
3.3 Actio pro socio
3.4 Rechtsfolgen bei schädigender Einflussnahme

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Überblick

In der vorliegenden Arbeit soll der faktische Konzern mit seinen Rechtsgrundlagen und konzernrechtlichen Besonderheiten dargestellt werden. Dazu empfiehlt es sich zunächst, den Konzernbegriff im allgemeinen zu klären sowie den faktischen Konzern gegenüber anderen Erscheinungsformen der Unternehmenskonzentration abzugrenzen.

Ein Konzern ist nach §§ 15, 18/1 AktG ein Zusammenschluss mehrerer selbständiger Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung, wobei letzteres das entscheidende Kriterium ist.1 Da es im faktischen Konzern i.d.R. schon an der einheitlichen Leitung fehlt2, wird noch zu untersuchen sein, inwieweit es gerechtfertigt ist, hier trotzdem von einem Konzern zu sprechen.

1.2 Abgrenzung

1.2.1 Faktischer Konzern

Der faktische Konzern kann in den faktischen Aktienkonzern und den faktischen GmbH-Konzern unterteilt werden. Für ersteren finden die Regelungen der §§ 311-318 AktG Anwendung. Danach liegt ein faktischer Aktienkonzern vor, wenn zwischen einem Unternehmen als herrschendem Unternehmen und einer AG oder KGaA eine Abhängigkeit besteht, ohne dass ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vorliegt. Dabei ist unter herrschendem Unternehmen in der Regel ein Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung zu verstehen. Andersherum vermutet nämlich § 17/2 AktG eine Abhängigkeit, wenn ein Unternehmen im Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmens steht.3 Diese Vermutung ist jedoch seitens des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens widerlegbar. Es kann auch eine Minderheitsbeteiligung ausreichen, um die Eigenschaft eines herrschenden Unternehmens anzunehmen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn 20% der Anteile eines Unternehmens in Besitz eines Aktionärs stehen, und die durchschnittliche Erscheinungsquote der letzten Jahre auf der Hauptversammlung unter 40% liegt. Das ermöglicht dem Aktionär, Entscheidungen durchzusetzen, weil er in diesem Fall über die Hälfte des versammelten Grundkapitals auf sich vereint.

Beim faktischen GmbH-Konzern gelten prinzipiell die gleichen Voraussetzungen wie für den Aktienkonzern, nur dass es sich hier beim abhängigen Unternehmen um eine GmbH handelt. „Es gibt jedoch kein kodifiziertes GmbH-Konzernrecht. Die h.M. erfasst die Konflikte im faktischen GmbH-Konzern über die Treuepflicht.“4 Auf diese wird später noch ausführlicher einzugehen sein.

1.2.2 Qualifizierter faktischer Konzern

Als qualifizierte faktische Konzerne werden Konzern- oder Abhängigkeitsverhältnisse bezeichnet, „in denen das [...] gesetzliche Haftungssystem der §§ 311 und 317 AktG funktionsunfähig ist.“5 Das heißt, dass die Nachteilsausgleich- und Schadenersatzpflicht nicht greifen. Dies ist der Fall, wenn der zuvor zugefügte Nachteil nicht quantifizierbar, d.h. betriebswirtschaftlich nicht messbar ist, so dass kein Rechtsanspruch auf Ausgleich entstehen kann. Ohne hier weiter auf die notwendigen Haftungsvoraussetzungen einzugehen, die ohnehin umstritten sind, bleibt festzustellen, dass bei der qualifiziert faktisch konzentrierten AG und auch der so konzentrierten GmbH ein genereller Verlustausgleichsanspruch nach § 302/1 AktG entsteht, wonach die ausgewiesenen Jahresfehlbeträge des abhängigen Unternehmens voll auszugleichen sind.

1.2.3 Vertragskonzern

Vertragskonzerne stellen neben den faktischen Konzernen die zweite Gruppe dar, in die Konzerne unterschieden werden. Sie werden nach § 18/1 in Verbindung mit § 291/1 AktG durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages begründet, welcher dem herrschenden Unternehmen ein Weisungsrecht gegenüber dem abhängigen Unternehmen verschafft. Nach Kuhlmann/Ahnis tritt diese Wirkung bei Abschluss anderer in § 291/1 AktG genannten Unternehmensverträge nicht ein.6 Die Einräumung des Weisungsrechts wird auf Seiten des abhängigen Unternehmens durch die Verpflichtung zum Verlustausgleich nach § 302 AktG kompensiert, welche für die Obergesellschaft entsteht.

1.2.4 Eingliederung

Die Eingliederung begründet ebenfalls ein Konzernverhältnis zwischen der eingegliederten und der Hauptgesellschaft, wie dies ähnlich auch beim vertraglichen und faktischen Konzern der Fall ist. Sie basiert aber nicht wie in diesen Fällen auf einem Vertrag, sondern ist ein innergesellschaftlicher Vorgang. Die Eingliederung ist in den §§ 319 – 327 AktG geregelt. Sie ist die „engste denkbare Verbindung zweier rechtlich selbständiger Unternehmen“.7 Der Unterschied zum Beherrschungsvertrag liegt in der fast unbeschränkten Weisungsbefugnis [Ausnahme: § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und existenzgefährdende Weisungen] gegenüber der eingegliederten Gesellschaft.

2. Faktischer Aktienkonzern

2.1 Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG

Die §§ 311 ff. AktG sind unter drei Voraussetzungen anwendbar. Es muss sich bei der Gesellschaft um eine AG oder KGaA handeln, die von einem herrschenden Unternehmen abhängig ist. Herrschendes Unternehmen ist nach Hüffer8 „jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf Rechtsform, wenn er neben Beteiligung an der AG anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen aufweist, die nach Art und Intensität ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindungen seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluß auf die AG nachteilig ausüben.“ Dabei ist nicht erforderlich, dass er von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch macht.

Die Abhängigkeit vom herrschenden Unternehmen ist die zweite Voraussetzung. Sie muss nach § 17 AktG gegeben sein. Dieser fordert in Absatz 1 den schon thematisierten möglichen Einfluss des herrschenden Unternehmens und konkretisiert in Absatz 2: „Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist.“9

Dritte Voraussetzung ist das Nichtvorliegen eines Beherrschungs- oder Eingliederungsvertrages. In diesem Fall würden andere Schutzmechanismen greifen (§§ 300 ff. AktG), die mit denen der §§ 311 ff. AktG nicht vereinbar sind. Andere Unternehmensverträge schließen die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG aber nicht aus. Ausnahme ist der isolierte Gewinnabführungsvertrag, bei welchem die Vorschriften über den Abhängigkeitsbericht und die Sonderprüfung nach § 316 AktG nicht anwendbar sind.

2.2 Verhältnis zu anderen Vorschriften

Die nach §§ 311 ff. AktG zulässige Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zu einer nachteiligen Maßnahme seitens des herrschenden Unternehmens ist auch nach §§ 57, 60 und 62 AktG unzulässig. Nach Emmerich / Sonnenschein / Habersack ist aber davon auszugehen, dass diese Paragraphen durch die §§ 311 ff. AktG verdrängt werden „und deshalb die Verpflichtung zum Nachteilsausgleich (einstweilen) an die Stelle der Rückgewährpflicht aus § 62 AktG tritt.“10 Dies zieht im Falle der Nichtgewährung des Nachteilsausgleichs für das herrschende Unternehmen zunächst die Rechtsfolgen der §§ 311 ff. nach sich, hier namentlich die des § 317 AktG, Schadenersatz. Weiterhin finden nun aber auch die §§ 57, 60 und 62 AktG uneingeschränkt Anwendung, weil die o.g. Verdrängung nur für den Fall des tatsächlichen Nachteilsausgleiches Anwendung finden kann.

Auch die Haftungstatbestände des § 117 AktG und der Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht wären bei Veranlassung zu einer nachteiligen Maßnahme gegeben. Sollte der Nachteil ausgeglichen werden, treten aber auch sie hinter diejenigen der §§ 311 ff. AktG zurück. Kommt es nicht zum Nachteilsausgleich, gilt wenigstens für den § 117 AktG das gleiche wie für die o.g. Paragraphen, nämlich das Aufleben der Haftung neben der des § 317 AktG. Die Treuepflicht hingegen kann aufgrund der gewollt kurzen Verjährungsfrist der §§ 317/4 und 309/3-5 AktG nicht aufleben, weil genannte Paragraphen ins Leere laufen würden, wenn die Möglichkeit des Rückgriffs auf die Treuepflicht bestünde. Dieser Rückgriff ist deswegen generell auszuschließen.11

Als letztes soll die Möglichkeit der Beschlussanfechtung nach § 243/2 AktG untersucht werden. Hier ist festgelegt, dass bei einer durch die Hauptversammlung beschlossenen nachteiligen Maßnahme der zu gewährende Ausgleich mit festzuhalten ist, während §§ 311 ff. AktG die Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs bieten. Der Beschluss hat also auch dann Bestandskraft, wenn er keinen Nachteilsausgleich vorsieht. Insofern muss die Möglichkeit bestehen bleiben, ihn anzufechten, wenn der Nachteilsausgleich auch nachträglich nicht gewährt wird. „Der Anfechtungsgrund des § 243 Abs. 2 AktG wird deshalb nicht durch § 311 AktG verdrängt, so wie umgekehrt die Möglichkeit der Beschlussanfechtung nach § 243 Abs. 2 AktG nicht der Anwendbarkeit des § 311 AktG entgegensteht.“12

2.3 Nachteilige Einflussnahme und Nachteilsausgleich nach § 311 AktG

2.3.1 Veranlassung

Eine nachteilige Maßnahme muss, um ausgleichsfähig zu sein, vom herrschenden Unternehmen veranlasst sein. Das heißt, dieses Unternehmen muss seinen Einfluss auf die abhängige Gesellschaft dazu verwenden, ihr Verhalten zu bestimmen. § 311 AktG verwendet dabei nicht den Begriff der Weisung, um deutlich zu machen, dass auch andere Formen der Beeinflussung relevant sind. Dies können daher auch Empfehlungen, Richtlinien oder Ratschläge sein. Eine Beeinflussung im Sinne des § 311/1 AktG liegt dagegen nicht vor, wenn der Vorstand in seiner Entscheidung frei bleibt, „nach eigenem geschäftlichen Ermessen zu entscheiden“.13

Die Veranlassung kann aber auch in anderen Formen gegeben sein, zum Beispiel über eine Beschluss der Hauptversammlung, in der das herrschende Unternehmen die Stimmmehrheit hält oder in Fällen personeller Verflechtungen, die in vielfältiger Art und Weise auftreten können. Der Nachweis solcher Veranlassung wird in der Praxis schwer zu erbringen sein. „Zu Recht geht deshalb die herrschende Meinung davon aus, daß der abhängigen Gesellschaft, ihren Gläubigern und außenstehenden Aktionären Beweiserleichterungen zugute kommen.“14 Genannte Autoren sprechen hier von einem „Beweis des ersten Anscheins“.

Die nachgewiesene Veranlassung muss sich außerdem in dem Ergreifen oder Unterlassen einer Maßnahme durch die abhängige Gesellschaft niederschlagen. Damit sind alle Akte der Geschäftsführung erfasst, die sich auf Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft auswirken können.15

Veranlassung und Maßnahme müssen des weiteren kausal zusammenhängen.

2.3.2 Nachteil

Hüffer unterscheidet 3 Prüfkriterien zur Ermittlung des nachteiligen Charakters einer Maßnahme.16

[...]


1 Vgl. Kuhlmann/Ahnis, Konzernrecht, München 2001, S.19

2 Vgl. Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, Heidelberg 1990, S.219

3 Vgl. Schubert/Küting, Unternehmenszusammenschlüsse, München 1981, S.77

4 Kuhlmann/Ahnis, a.a.O., S.102

5 Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, 7. Auflage, München 2001, S.437

6 Vgl. Kuhlmann/Ahnis, a.a.O., S.5

7 Kuhlmann/Ahnis, a.a.O., S.13

8 Vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 3. Auflage, München 1997, S.44

9 Vgl. dazu auch: Haesen, Der Abhängigkeitsbericht im faktischen Konzern, Köln u.a. 1970

10 Emmerich/Sonnenschein/Habersack, a.a.O., S.398, dazu auch OLG Stuttgart, AG 1994, 411 (412); LG Düsseldorf, AG 1979, 290 (291f.)

11 Vgl. Emmerich/Sonnenschein/Habersack, a.a.O., SS.399-400

12 Emmerich/Sonnenschein/Habersack, a.a.O., S.400

13 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 3. Auflage, München 2001, S.859

14 Emmerich/Sonnenschein/Habersack, a.a.O., S.403; Vgl. dazu auch: Decher, a.a.O., S.223

15 Vgl. Emmerich/Sonnenschein/Habersack, a.a.O., S.404

16 Hüffer, a.a.O., SS.1323 ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der faktische Konzern
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Privatrecht)
Veranstaltung
Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V9047
ISBN (eBook)
9783638158589
Dateigröße
569 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Faktisch, Konzern, Aktienkonzern, GmbH-Konzern, § 311 ff. AktG
Arbeit zitieren
Jan Cihar (Autor:in), 2002, Der faktische Konzern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9047

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