Soziale Ungerechtigkeit in Kindertageseinrichtungen


Hausarbeit, 2016

21 Seiten


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund

3. Soziale Ungleichheit in Kindertageseinrichtungen
3.1 Struktur und Finanzierung
3.2 Besuchsquote und deren Entwicklung
3.3 Soziale Herkunft
3.4 Schlussfolgerungen

4. Chancengleichheit oder Chancenungleichheit?
4.1 Thematisierung von Chancengleichheit
4.2 Thematisierung von Chancenungleichheit

5. Fazit und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unsere Bildungslaufbahn ist gekennzeichnet durch Übergänge und die an diesen Schnittstellen jeweils zu treffenden Entscheidungen. Spätestens seit PISA 2000 ist das Thema des unterschiedlichen Zugangs zu Bildung populär geworden. In der Diskussion um die schlechte Bildungssituation Deutschlands im Bezug auf PISA wurde auch wiederholt die Diskussion um Bildung im Elementarbereich angestoßen. Das übergreifende Anliegen dieser Arbeit ist, systematisch herauszuarbeiten, ob der Kindergarten als außerschulische Einrichtung sozialer Ungleichheit entgegen wirken kann und dadurch Chancengleichheit verspricht oder ob er als erste Bildungsinstanz Chancenungleichheit von Beginn an fördert.

Den Anfang dieser Arbeit bildet eine theoretische Betrachtungsweise. Hierzu wird auf Bourdieu und seine Habitustheorie verwiesen. In dieser wird der Mensch als ein gesellschaftlich geprägter Akteur gesehen. Der Habitus setzt sich zusammen aus Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, die bestimmen, wie ein Akteur seine Umwelt wahrnimmt, welche Alltagstheorien, Klassifikationsmuster, ethischen Normen und ästhetischen Maßstäbe er vertritt und welche individuellen und kollektiven Praktiken er hervorbringt. Außerdem unterscheidet Bourdieu hauptsächlich vier Formen von Kapital. Darüber hinaus wird in dieser Arbeit mit einem an Bourdieu angelehntes Milieukonzept gearbeitet, das Menschen gruppiert, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Grundlegende Wertorientierungen sind dabei ebenso entscheidend wie Alltagseinstellungen zur Arbeit, zur Familie, und zu Geld. Sie rücken den Menschen und sein gesamtes Bezugssystem ganzheitlich ins Blickfeld.

Vor dem Hintergrund der Debatte um die Bedeutung vorschulischer Bildungseinrichtungen wird in dieser Arbeit eine Analyse zum selektiven Zugang zum Kindergarten vorgenommen. Hierzu werden die Daten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) im Hinblick auf soziale Ungleichheit des Besuches einer Kindertageseinrichtung auf drei Ebenen untersucht: Auf der ersten Ebene wird die Struktur sowie die Finanzierung des Kindergartens betrachtet, auf zweiter Ebene geht es bei der Inanspruchnahme um die Besuchsquote und deren Entwicklung und auf dritter Ebene wird schließlich der Einfluss der sozialen Herkunft auf den Zugang zum Kindergarten betrachtet. Die Analyse wird auf Westdeutschland beschränkt, da die Fallzahlen oftmals zu gering ausfallen Darauf aufbauend wird im weiteren Verlauf der Arbeit die Rolle des Kindergartens im Hinblick auf Chancengleichheit aber auch auf Chancenungleichheit diskutiert. Es wird herausgearbeitet, dass der Kindergarten durchaus in der Lage ist, unvorteilhafte sozialisatorische Einflüsse der Elternhäuser in den unteren Sozialschichten abzuschwächen. Mit Hilfe der DIJ-Kinderbetreuungsstudie wird dennoch veranschaulicht, dass der Besuch eines Kindergartens mit Ausschlusskriterien verbunden ist. Somit wird deutlich, dass der Kindergarten zwar ein wirksames Mittel ist, um die im Bildungssystem benachteiligten Kinder zu fördern, er jedoch als institutionelles außerschulisches Programm allein nicht ausreicht, um Bildungsungleichheiten umfassend abzubauen.

2. Theoretischer Hintergrund

Dieses Kapitel konzentriert sich auf den theoretischen Ansatz, der dieser Arbeit zugrunde liegt. Die hier vorgestellte Theorie und das daran angelehnte Konzept sind relevant, um die Ergebnisse dieser Arbeit in ihrem gesamten Kontext zu verstehen.

Grundsätzlich haben sich zwei Erklärungsansätze durchgesetzt, die sich dem Thema Ungleichheit aus verschiedenen Richtungen nähern. Zum Einen gibt es die Humankapitaltheorie, deren Ausgangspunkt eine ökonomisch-rationale Sichtweise auf Bildungsentscheidungen ist. Zum Anderen geht man von Entscheidungen aus, die durch die soziale Umgebung geprägt sind und indem Bildungsgänge nicht nach rationalen Kriterien, sondern nach milieuspezifisch sozialisierten Vorstellungen beurteilt werden. Die meisten milieuspezifischen Erklärungsansätze beziehen sich auf Pierre Bourdieu. Anders als die Modelle der rationalen Wahl rückt er den Entscheidungsprozess an den Übergangspunkten der Bildungslaufbahn in den Hintergrund und geht davon aus, dass die Verfügung über die verschiedenen Kapitalien nahezu automatisch entscheidet, welcher Bildungsweg eingeschlagen wird. Der nachfolgende Abschnitt befasst sich näher mit Bourdieu, da seine Überlegungen zu den verschiedenen Kapitalien bedeutungsvoll sind und eine große Rolle dabei spielen, die Wirkweise der sozialen Herkunft genauer differenzieren zu können.

Bourdieu stellt den Bezug zwischen hierarchischen sozialen Positionen und habituell verankerten Lebensstilen her. Damit zeigt er, dass die Handlungsmöglichkeiten stark durch die Stellung im sozialen Raum definiert sind. Habitus bezeichnet „kollektive Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster“ (Beyer 2012, S. 36), die unbewusst und ohne geplante Erziehungsmaßnahmen übernommen werden. Eine Vernetzung zwischen den alltäglichen Handlungspraktiken und den zu erwartenden Bildungschancen ist zu erkennen. Das Einkommen der Eltern spielt hier eine weniger wichtige Rolle als die Bildungsorientierung der Eltern. Kinder aus privilegierteren Milieus profitieren hier insofern, dass sie Handlungsabläufe, Lernstrategien und familiär erworbene Gewohnheiten verinnerlicht haben, welche Kinder aus bildungsfernen Milieus erst erlernen müssen. Durch den verinnerlichten Habitus und die verinnerlichten Werte kommt es zu einer gesellschaftlichen (Re-)Produktion des kulturellen Kapitals. Das kulturelle Kapital gliedert sich in drei Formen. Unter das institutionalisierte kulturelle Kapital fallen insbesondere schulische und akademische Titel. Objektives Kulturkapital liegt in Form von z.B. Gemälden und Büchern vor. Mit dem inkorporierten kulturellen Kapital ist die vom Einzelnen verinnerlichte und angeeignete Bildung gemeint. Über den Bildungsweg, der gegangen wird, entscheidet letztlich also das Verfügen über Kapitale.

These dieser Arbeit ist ein an Bourdieu angelehntes und im Folgenden dargestelltes Milieukonzept. Der soziokulturelle „Raum der Lebensstile“ (Bourdieu) gibt Aufschluss über Mechanismen der Wechselbeziehung von sozialer Herkunft und Bildung. Fokussiert werden Faktoren, welche ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital repräsentieren. Hierzu gehören Aspekte, wie (Aus-)Bildung, Erwerbstätigkeit, Beruf, Familienform und Einkommen. Es ergeben sich milieutypische Konstellationen, auf die nachfolgend eingegangen werden soll. Das Konzept des sozialen Milieus geht von der Annahme aus, „dass die subjektiven Lebensweisen einer sozialen Gruppierung durch deren objektive Lebensbedingungen zwar angeregt, beeinflusst oder begrenzt sein mögen, keineswegs aber völlig geprägt sind“ (Hradil 2001, S.426). Bei der Definition der Milieus handelt es sich im Unterschied zur traditionellen Schichteinteilung um eine inhaltliche Klassifikation. Für die weitere Betrachtung der Fragestellung, ob und in wie weit Chancenungleichheit schon beim Zugang zum Kindergarten existent ist, werden die Milieus im Folgenden nach der sozialen Lage gruppiert und kurz dargestellt (SINUS 2015):

Zur sozialen Oberschicht bzw. Oberen Mittelschicht gehören das konservativ-etablierte Milieu, das liberal-intellektuelle Milieu, das Milieu der Performer und das expeditive Milieu. Alle zeichnen sich durch eine hohe Formalbildung aus. Desweiteren findet man hier viele leitende und qualifizierte Angestellte und einen hohen Anteil von Selbstständigen und Freiberuflern. Typisch für die Oberschicht sind überdurchschnittlich hohe bis gehobene Haushaltseinkommen. Das liberal-intellektuelle Milieu hat im Milieuvergleich das höchste Einkommensniveau.

Der Mittelschicht zugehörig sind das sozialökologische Milieu, das adaptiv-pragmatische Milieu, die bürgerliche Mitte und zum Teil das traditionelle Milieu. Charakteristisch sind mittlere bis gehobene Bildungsabschlüsse. Lediglich im sozialökologischen Milieu ist auch eine hohe Formalbildung zu finden. Die Mittelschicht zeichnet sich durch einfache, mittlere Arbeiter und Facharbeiter aus.

Hier findet man mittlere bis gehobene Einkommensklassen. Im adaptiv-pragmatischen Milieu sind häufig Doppelverdiener anzutreffen.

Das prekäre Milieu und das hedonistische Milieu, sowie zu einem großen Teil das traditionelle Milieu gehören zu unteren Mittelschicht bzw. sozialen Unterschicht. Hier sind meist niedrige Bildungsabschlüsse zu finden. Ein überdurchschnittlich hoher Anteil von Schülern, Studenten und Azubis sind charakteristisch. Im Milieuvergleich findet man im prekären Milieu den höchsten Arbeitslosenanteil und damit verbunden auch ein niedriges Haushaltseinkommen.

Hier ist zu beachten, dass sich alle genannten Milieus hinsichtlich ihres angestrebten Lebenszieles, des Arbeits- und Leistungsethos und ihrer Lebensprinzipien unterscheiden. Auf diese Punkte wird in dieser Arbeit allerdings nicht näher eingegangen, da es für die Betrachtung der Fragestellung von wenig Relevanz ist. Es darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass die Grenzen zwischen den Milieus fließend sind. Zwischen den Milieus gibt es Berührungspunkte und Übergänge.

Abb. 1: Sinus Milieus in Deutschland 2015

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Sinus-Milieus® (2015), S.14.

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Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Soziale Ungerechtigkeit in Kindertageseinrichtungen
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Autor
Jahr
2016
Seiten
21
Katalognummer
V906636
ISBN (eBook)
9783346195487
ISBN (Buch)
9783346195494
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kindertageseinrichtungen, soziale, ungerechtigkeit
Arbeit zitieren
Katja Stepputt (Autor:in), 2016, Soziale Ungerechtigkeit in Kindertageseinrichtungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/906636

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