Als Erich von Stroheim 1919 BLIND HUSBANDS, seinen ersten Film als Regisseur drehte, hatte er bereits Erfahrung im Filmgeschäft gemacht. Er war bis zu diesem Zeitpunkt als Nebendarsteller zumeist als Schurke aufgetreten, wurde aber auch als militärischer Berater bei mehreren Filmen eingesetzt, wodurch er Erfahrungen im Bereich der Produktion sammelte. In diesem Zusammenhang entwickelte Stroheim eine besondere Vorliebe für die Wirkung der glamourösen Uniform, die ihm selbst, auch im Alltag getragen, die Aura des Besonderen verlieh und die er in seinen Filmen verwendete: eine durch die Uniform vermittelte kontinentale Aura, die im Laufe der 20er Jahre, das Jahrzehnt seines zentralen Schaffens, Stroheims alter ego werden sollte.
Angesichts der Tatsache, dass Stroheim 1909, im Alter von 24 Jahren, aus Österreich in die Vereinigten Staaten emigriert war, lässt sich die Vorliebe für eine derartige Selbstpräsentation rückfolgern. Mitgebracht hatte Stroheim nicht nur die Vorliebe für die Zurschaustellung des Selbst, sondern auch einen besonderen kontinentalen Blick, welcher sich in der Hinterfragung der kulturellen Rückständigkeit und sexuellen Verklemmtheit der Amerikaner, aber auch der Verabsolutierung der Familie als gesellschaftlicher Basis der amerikanischen Gesellschaft äußerte. Diese Faktoren sind Grundideen, auf die Stroheim seine Filme aufbaut.
Seine Filme vermitteln bei den Zuschauern durch eine satirische Sicht auf die Protagonisten einen verinnerlichten Einblick hervor: Sie erkennen unter der kaschierenden Fassade von Regenten, von durchschnittlichen Bürgern oder von Betrügern und Verführern die menschliche Eigentlichkeit. Die provokante Wirkung der Filme wird zudem durch die zynische Abbildung dieser Verhaltensmuster hervorgerufen: obgleich seine Filme größtenteils in Europa angesiedelt waren, strebte Stroheims dekuvrierender Stil den zeitgenössischen Moralauffassungen der Amerikaner entgegen. Augenblicke des Alltags einer europäischen Welt aus der Sicht des amerikanisierten Wieners bewirkten die Desillusion von naiven Vorstellungen einer glitzernden Aristokratie.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Die Wiener Moderne als Hintergrund für das Filmschaffen Erich von Stroheims
- 2. Leben und Werk Erich von Stroheims
- 2.1. Biographie: Überblick
- 2.2. Die Filme: Einführung
- 2.2.1. BLIND HUSBANDS (1919)
- 2.2.2. THE DEVIL'S PASSKEY (1919)
- 2.2.3. FOOLISH WIVES (1920/21)
- 2.2.4. MERRY-GO-ROUND (1922/23)
- 2.2.5. GREED (1923)
- 2.2.6. THE MERRY WIDOW (1924/25)
- 2.2.7. THE WEDDING MARCH (1926/27)
- 2.2.8. QUEEN KELLY (1928/29)
- 2.3. Resümee
- 3. Die zentralen Einflüsse auf die Filme Stroheims: Europa und Psychologie
- 3.1. Europäische Einflüsse
- 3.1.1. Darstellertypisierung zum Ausdruck der Authentizität
- 3.1.2. Militär und Dekadenz als europäische Phänomene
- 3.1.3. Das literarische Moment als Konzept des Europäers
- 3.2. Psychologische Einflüsse
- 3.1. Europäische Einflüsse
- 4. Die Umsetzungen der Dekuvrierung
- 4.1. Der Atavismus des Handelnden
- 4.2. Der Atavismus von Milieu, Lebensumfeld und Natur
- 4.3. Die Darlegung der Natur der handelnden Figuren im jeweiligen Umfeld
- 4.4. Die Dekuvrierung des Scheins durch die Bewegung
- 4.5. Die Dekuvrierung der Figuren durch stilistische Mittel
- 4.6. Die Dekuvrierung der Figuren durch deren Atavismus
- 4.7. Die Sezierung des Amerikanischen und des Amerikaners
- 5. Die Selbstinszenierung des Europäers als Darsteller
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beleuchtet die Einflüsse der Wiener Moderne auf das filmische Werk Erich von Stroheims und untersucht, wie diese in seinen Filmen zum Ausdruck kommen.
- Die Wiener Moderne als prägender kultureller Hintergrund
- Die Rolle der Uniform und die Inszenierung des Selbst
- Die Dekonstruktion amerikanischer Moralvorstellungen und die Darstellung von Dekadenz
- Europäische Einflüsse auf Stroheims Filmästhetik
- Die Verwendung psychologischer Konzepte in den Filmen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung präsentiert Erich von Stroheim als Regisseur mit Erfahrung im Filmgeschäft, der eine Vorliebe für die Wirkung der Uniform und einen besonderen Blick auf die amerikanische Gesellschaft entwickelte. Stroheims Filme zeichnen sich durch satirische Sicht auf die Protagonisten aus und dekonstruieren naive Vorstellungen einer glitzernden Aristokratie.
- Kapitel 1: Die Wiener Moderne als Hintergrund für das Filmschaffen Erich von Stroheims: Dieses Kapitel untersucht den Einfluss der Wiener Moderne auf Stroheims künstlerische Entwicklung und die spezifischen Aspekte, die seine Filme prägten. Es beleuchtet die Rolle des Militärischen, das Nebeneinander von Bürgerlichkeit und Adel sowie die wachsende Bedeutung der Psychologie in Wien um 1900.
- Kapitel 2: Leben und Werk Erich von Stroheims: Kapitel 2 liefert einen Überblick über Stroheims Biografie und die Entwicklung seines filmischen Werkes. Es werden seine wichtigsten Filme vorgestellt und kurz analysiert, wobei auf die zentralen Themen und Besonderheiten jedes Films eingegangen wird.
- Kapitel 3: Die zentralen Einflüsse auf die Filme Stroheims: Europa und Psychologie: Dieses Kapitel analysiert die europäischen und psychologischen Einflüsse auf Stroheims Filme. Es untersucht die Verwendung von Darstellertypisierung, die Darstellung von Militär und Dekadenz, das literarische Moment und die Integration von psychologischen Konzepten in seine filmische Sprache.
- Kapitel 4: Die Umsetzungen der Dekuvrierung: Kapitel 4 befasst sich mit den verschiedenen Strategien, die Stroheim zur Dekonstruktion von Schein und Illusion einsetzt. Es untersucht den Atavismus des Handelnden, die Rolle des Milieus, die Darlegung der Figuren in ihrem Umfeld, die Verwendung von Bewegung und Stilmitteln sowie die Sezierung des Amerikanischen und des Amerikaners.
- Kapitel 5: Die Selbstinszenierung des Europäers als Darsteller: Dieses Kapitel fokussiert auf Stroheims Selbstinszenierung als Darsteller und analysiert seine Rolle als europäischer Intellektueller, der die amerikanischen Verhältnisse aus einer kritischen Perspektive betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt Themen wie Wiener Moderne, Erich von Stroheim, Filmästhetik, Dekadenz, Militär, Psychologie, Amerikanische Kultur, Europäische Einflüsse, Selbstinszenierung und Dekonstruktion.
- Quote paper
- Otto Peter Boller (Author), 1996, Die Einflüsse der Wiener Moderne auf Person und Werk Erich von Stroheims, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90685