Versuch einer epistemologischen Hermeneutik. Max Horkheimers (wissenschafts-) kritische Theorie


Hausarbeit, 2019

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Frühe wissenschaftskritische Theorie 2 a) Wissenschaftliche Erkenntnis als epistemischer Zirkel

II. Soziale Erkenntnis — Die Verquickung von Wissenschaft und Gesellschaft
a) Wissenschaftstheorie und Wissenssoziologie in der Zwischenkriegszeit
b) Implikationen eines epistemischen Zirkels
c) Rekapitulation

III. Versuch einer Kritik
a) Aufzeichnen, Klassifizieren, Verallgemeinern
b) Denkstilgebundenheit
c) Horkheimers Denkstil

IV. Eine letzte Betrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Es sei hier nur symbolisch an das alte griechische Prinzip erinnert: daß die Arithmetik in den demokratischen Städten betrieben werden kann, da in ihr Gleichheitsbeziehungen gelehrt werden; daß aber die Geometrie nur in den Oligarchien unterrichtet werden darf, da sie die Proportionen in der Ungleichheit aufzeigt.1

Dass ein solches „griechisches Prinzip“ im gesellschaftlichen Diskurs als selbstverständlich angenommen wird, scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Laut Max Horkheimer herrsche noch in den 1930er Jahren ein gesellschaftlicher Irrglaube darüber, dass Wissenschaft und Gesellschaft keine Berührungspunkte hätten und zwei getrennte Bereiche seien. Nach solcher Auffassung gäbe es auf der einen Seite Wissenschaftler, die sich die Aufgabe stellten wissenschaftliche Erkenntnisse über die Welt zu akkumulieren, während auf der anderen Seite die Mitglieder der Gesellschaft innerhalb eines sozialen Gefüges verortet werden, in welchem jene nach Werten und Normen handeln — eben genau das, von dem sich die Wissenschaftler scheinbar abgrenzten, um ihren Erkenntnissen Objektivität zu verleihen. Dass jedoch eine solche Abgrenzung unmöglich ist, drückt jenes „griechische Prinzip“ aus: Die in einer Gesellschaft verankerten sozialen Strukturen beeinflussen die Art und Weise wie Wissenschaft gelehrt und betrieben wird. Horkheimer geht sogar noch einen Schritt weiter. Zwischen Gesellschaft und Wissenschaft bestehe kein lineares, sondern ein dialektisches Verhältnis: Einerseits wirken gesellschaftliche Strukturen auf den Wissenschaftsbetrieb ein, jedoch erzeugen neue Entdeckungen auch neue Veränderungen innerhalb der gesellschaftlichen Struktur. Horkheimers Analyse dieser dialektischen Spannung offenbart sich dabei jedoch als wissenschaftskritische Theorie. Denn aufgrund dieser Dialektik dienten seit dem 19. Jahr-hundert wissenschaftliche Erkenntnisse nur noch einem wirtschaftlichen Apparat, weil sowohl Theorien und Methoden als auch ihre praktische Anwendungen je nur im Kontext einer ökonomischen Verwertbarkeit Verwendung fänden. Die eigentliche Aufgabe der Wissen-schaft — die gesellschaftlichen Lebensverhältnisse zu verbessern — scheint für Horkheimer unter diesen Umständen nicht verwirklicht werden zu können.

Die vorliegende Arbeit separiert sich in zwei Teile. In Reaktion auf die wissenschafts-kritischen Äußerungen versteht sich der erste Teil als eine Hermeneutik Horkheimers dialektischer Erkenntnistheorie, da es keine von ihm eigens entworfene epistemologische Abhandlung gibt. Seine Ideen verstreuen sich auf diverse Texte, von denen für diese Arbeit drei ausgewählt wurden, die während der 1930er Jahre in der Zeitschrift für Sozialforschung erschienen und aus denen seine erkenntnistheoretischen Standpunkte interpretiert werden sollen. Im Anschluss an diese Auslegung, die begrifflich als epistemischer Zirkel vorgestellt wird, versucht der zweite Teil sich an einer Revision der wissenschaftskritischen Äußerungen Horkheimers. Die These, die hierbei formuliert werden soll ist, dass Horkheimers Kritik — über die Reproduktion ökonomischer Strukturen der Wissenschaft — auf ihn selbst zurückfällt. Betrachtet man die kritische (Wissenschafts-)Theorie Horkheimers unter dem Standpunkt einer Denkstilgebundenheit, dann ergibt sich die Konsequenz, dass auch Horkheimer nur einen marxistischen Denkstil reproduziert und nicht über das hinauskommt, was seiner Theorie als revolutionäre Kräfte zuschreibt: die Lösung der Krise der Wissenschaft durch die richtige Theorie der Gesellschaft.

I. Fr ühe wissenschafts kritische Theorie

Obwohl die verschiedenen Aufsätze Horkheimers, die während der Frühphase in der Zeitschrift für Sozialforschung erschienenen sind, von etlichen wissenschaftskritischen Äußerungen durchzogen sind, existiert in dieser Zeit m. E. keine von Horkheimer eigens dafür entworfene wissenschaftstheoretische Abhandlung, die seine Äußerungen gebündelt darstellen würde. Es scheint aus diesem Grund geschickt den Versuch zu wagen, einige der verstreuten kritischen Überlegungen zur Wissenschaft und zu einer (wissenschaftlichen) Epistemologie zu extrahieren und sie hier gesammelt darzulegen. Die Aufsätze, aus denen das Material entnommen wird, erschienen während der 1930er Jahre. Es handelt sich um Bemerkungen über Wissenschaft und Krise (1932), Zum Problem der Wahrheit (1935) und Traditionelle und kritische Theorie (1937).

Da es an einigen Stellen, an denen Horkheimer kritisch über „die Wissenschaft“ räsoniert, unklar ist, ob er damit die Wissenschaft im Allgemeinen anspricht (also auch die Sozial-wissenschaft, Philosophie etc.) oder ob er dabei auf Naturwissenschaften rekurriert, werde ich mit dem Begriff Wissenschaft so verfahren, dass damit einzig auf die Naturwissenschaften Bezug genommen wird, um den Rahmen dieser Arbeit besser abstecken zu können.

Ferner scheint es mir, dass auch Horkheimers epistemologisches Konzept nicht für wissenschaftliche Erkenntnis allein reserviert ist, sondern sich als Konzept auf die mensch-liche Erkenntnis per se erstreckt. Wenn im Folgenden daher von „Erkenntnis“ die Rede ist, meint dies zugleich Erkenntnis in der wissenschaftlichen Praxis und schließt damit auch die menschliche Erkenntnisleitung als solche ein.

a) Wissenschaftliche Erkenntnis als epistemischer Zirkel

Untersuchungsobjekt – Methode – Wahrheit. Im Grunde kann dieser triadische Prozess ad infinitum fortgeführt werden. Er bezeichnet das dialektisch-erkenntnistheoretische Modell Horkheimers, welches hier abstrakt als epistemischer Zirkel vorgestellt werden soll. Da jede Erkenntnis ihren Ausgangspunkt an einem Objekt hat, um Fragen an es zu stellen, beginnt auch der epistemische Zirkel Horkheimers mit der Aufgabe das Untersuchungsobjekt zu klassifizieren. Horkheimer zufolge entstamme jedes Untersuchungsobjekt der Wissenschaft aus der „Wirklichkeit“.2 Und obwohl durch das Untersuchungsobjekt die jeweilige For-schungsrichtung vorgegeben ist, könne es jedoch überhaupt nur unter der Voraussetzung bestimmter gesellschaftlicher Diskurse in das Blickfeld der Wissenschaft gelangen. Was nichts anderes bedeutet, als dass das Untersuchungsobjekt durch gesellschaftliche Strukturen determiniert ist.3 Man kann sich beispielsweise vorstellen, dass die Erforschung einer Krankheit (als richtungsweisendes Untersuchungsobjekt) realisiert wird, weil ihr epide-misches Auftreten den gesellschaftlichen Diskurs dominiert und dadurch erst in das Blickfeld der Wissenschaft gerät.

Aber nicht nur das In-Erscheinung-Treten eines Objektes, sondern auch die Methoden der Untersuchung selbst stehen in gewisser Weise in Abhängigkeit zu gesellschaftlichen Dynamiken: Um Erkenntnisse über ein Objekt zu generieren, wird aus einem momentan vorherrschenden Theoriefundus geschöpft. Das heißt, es wird auf Theorien zurückgegriffen, die zum Zeitpunkt der Erkenntnisproduktion, innerhalb der Wissenschaft, Gültigkeit besitzen.

Horkheimers Formulierung deutet darauf hin, dass jedes Untersuchungsobjekt Teil der Wirklichkeit sein muss, wenn er schreibt, dass der Wissenschaft ihr Gegenstand die Wirklichkeit sei. Diese Sichtweise ist alles andere als trivial. Denn es gibt WissenschaftssoziologInnen, die – z. B. mikrobiologischen – Untersuchungsobjekten den Bezug zur Wirklichkeit abstreiten, wenn diese beispielsweise in vitro gezüchtet sind, weil sie nur ganz spezifischen Laborumständen genügen müssen. Mit der Wirklichkeit haben diese Untersuchungsobjekte wenig gemein. Siehe dazu bspw.: Knorr-Cetina, K. (1991): Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft, Suhrkamp: Frankfurt a.M.; Knorr-Cetina, K. (2002): Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen, Suhrkamp: Frankfurt a.M.; Eine nicht so stark konstruktivistische Interpretation von Untersuchungsobjekten findet sich bei Hans-Jörg Rheinberger. Sein Begriff des epistemischen Dings (was hier quasi als ‚Untersuchungsobjekt‘ bezeichnet wurde) wird als eine Mischform zwischen Konstruktion im Labor und realer Abbildung verstanden. Siehe hierzu: Rheinberger, H-J. (2006): Experimentalsysteme und epistemische Dinge, Suhrkamp: Frankfurt a.M.

Für Horkheimer handelt es sich dabei um Theorien mit einem starren Begriffssystem unter welchem das Untersuchungsobjekt beschaut wird. So schreibt Horkheimer:

Immer steht auf der einen Seite das gedanklich formulierte Wissen, auf der andern ein Sachverhalt, der unter es befasst werden soll, und dieses Befassen, dieses Herstellen der Beziehung zwischen der blossen Wahrnehmung oder Konstatierung des Sachverhalts und der begrifflichen Ordnung des Wissens heisst seine theoretische Erklärung.4

Präziser formuliert, spricht Horkheimer auch von einem „Operieren mit Konditionalsätzen, angewandt auf eine gegebene Situation. […] Solches Kalkulieren gehört zum logischen Gerüst der Historie wie der Naturwissenschaft.“5 Man kann daraus ableiten, dass das Resultat der Forschung, d.h. die wissenschaftliche Erkenntnis, immer nur jenen Teil der Wirklichkeit repräsentieren kann, welcher der Theorie selbst entspricht.6 Der Grund für die Abhängigkeit der Untersuchungsmethode von der Gesellschaft liegt nun darin begraben, dass die wissenschaftliche Erkenntnis für eine gewisse Zeit als neue Wahrheit innerhalb der Gesell-schaft zirkuliert und dabei eine Veränderung der Wirklichkeit erzeugen kann. Da die Wahrheit einer Erkenntnis nicht nur aus der Theorie selbst abzuleiten sei, sondern sich durch die gesellschaftliche Praxis bestätige,7 steht damit auch die Untersuchungsmethode in Abhängigkeit zur Gesellschaft.8 Denn — so meine Lesart — es finden lediglich jene Unter-suchungsmethoden ihren Weg zurück in die Wissenschaft, die auch durch die gesellschaftliche Praxis bestätigt wurden, das heißt ‚wahr gemacht’ wurden. Wenn beispielsweise neue Erkenntnisse aus der Chemie in der Gesellschaft zur praktischen Anwendung kommen, besteht die Möglichkeit entweder: dass ihre Wirkungsweise verifiziert wird, oder: dass ihre Wirkungsweise fehlschlägt. Die Anwendung der Theorie in der Praxis entscheidet letztlich über ihre Wahrheit.

Die Wahl der Methode als auch die „theoretische Erklärung“ von Sachverhalten sind daher nicht nur innerhalb einer rein wissenschaftlichen Praxis zu suchen. Weder die Objekte der Wissenschaft noch ihre Praktiken sind von der gesellschaftlichen Rezeption gänzlich unabhängig, „denn auch die Wissenschaft wird mit dem Umfang und mit der Linie ihrer Arbeiten nach nicht bloß durch die ihr eigenen Tendenzen, sondern letzten Endes durch die gesellschaftlichen Lebensnotwendigkeiten bestimmt.“9 Untersuchungsobjekte erscheinen daher nur innerhalb einer Gesellschaft mit bestimmten Wahrheits- und Wirklich-keitsauffassungen. Und sie transformieren sich jedes Mal erneut, wenn sich der epistemische Zirkel schließt. Schließen — das heißt hier jedoch nicht von einem circulus vitiosus sprechen. Dieser Kreislauf schraubt sich quasi in die Höhe, weil er das Moment beinhaltet immer neue Dinge in sich aufnehmen zu können. Nur so werden alte Wahrheiten durch neue ersetzt werden können. Es ist diese „Unabschließbarkeit der Erkenntnis“,10 die Horkheimers er-kenntnistheoretisches Konzept in einer hegelianisch-dialektischen Tradition verankert: [J]ede negierte Einsicht wird im Fortgang der Erkenntnis als Moment der Wahrheit aufbewahrt, bildet einen bestimmenden Faktor in ihr und erfährt mit jedem neuen Schritt weitere Bestimmung und Veränderung. Eben deshalb ist die methodische Form von These, Antithese, Synthese keineswegs als ‚lebloses Schema‘ anzuwenden.11

II. Soziale Erkenntnis — Die Verquickung von Wissenschaft und Gesellschaft

Laut Horkheimer basiert damit die wissenschaftliche Erkenntnisleistung auf einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen einer szientifischen und einer gesellschaftlichen Sphäre. Jedoch hat die Trennung in diese zwei Bereiche lediglich heuristischen Wert; als dass damit der Erkenntnisprozess in seiner Komplexität vereinfacht visualisiert werden konnte. Hork-heimers erkenntnistheoretisches Modell versteht sich hingegen vielmehr als eine strenge Dialektik, in der die Wissenschaft zwar in die gesellschaftlichen Strukturen eingewebt ist, jedoch diese Strukturen selbst produziert. Was hier als „Strukturen“ bezeichnet wird, versteht Horkheimer als eine ökonomische Produktionsweise,12 die jeden Bereich durchzieht und sich somit auch auf den Bereich wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion auswirkt. Aus diesem Grund ist auch der epistemische Zirkel nicht nur ein neutrales epistemologisches Phänomen, sondern eines mit normativen Implikationen. Das folgende Kapitel wird ein Teil dieser normativen Ebene näher beleuchten. Zuerst soll jedoch ein kurzer historischer Exkurs über die wissenschaftstheoretischen Positionen der 1930er Jahre gegeben werden, um damit die Situation Horkheimers wissensgeschichtlich einordnen zu können.

a) Wissenschaftstheorie und Wissenssoziologie in der Zwischenkriegszeit

Der erste Beitrag Horkheimers, der 1932 auch die erste Ausgabe der Zeitschrift f ür Sozialforschung begleitet, trägt den Titel Bemerkungen über Wissenschaft und Krise. Horkheimer vermerkt dort, dass „[i]n der Gegenwart der Wissenschaftsbetrieb ein Abbild der widerspruchsvollen Wirtschaft dar[bietet].“13 Die Idee über solch ein spiegelbildliches Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft stellt zur Zeit des Aufsatzes jedoch keinen wissenschaftstheoretischen Konsens dar. Der Wissenschaftsbetrieb, d. h. die Produktion von Wissen, wird von einem modernen positivistischen Diskurs dominiert. In der Denkschule des sogenannten Wiener Kreises fand dieser Diskurs seine bekanntesten Advokaten.14 Die positivistische Wissenschaftstheorie des frühen 20. Jahrhunderts legte ihren Fokus auf die induktiven oder deduktiven Rechtfertigungen15 von wissenschaftlichen Theorien und beschäftigte sich mit den logischen Verhältnissen zwischen wissenschaftlichen Sätzen. Die sozialen Strukturen, in welche die wissenschaftlichen Theorien verwoben sein könnten, fanden hierbei keine Beachtung — beziehungsweise wurde eine solche Abhängigkeit nach meinem Wissen gar nicht erst in Frage gestellt.

[...]


1 Foucault, M. (2017/1972): Die Ordnung des Diskurses, S. 16, in: ders., Die Ordnung des Diskurses, 14. Auflage, Fischer: Frankfurt a.M.

2 Horkheimer, M. (1980/1932a): Bemerkungen über Wissenschaft und Krise, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Institut für Sozialforschung Frankfurt a.M. (Hrsg.), Jahrgang I, C.L. Hirschfeld: Leipzig, S. 2.

3 Siehe: Horkheimer, M. (1980/1932a): S. 6.

4 Horkheimer, M. (1980/1937a): Traditionelle und kritische Theorie, in: Zeitschrift für Sozialforschung, von Max Horkhei-mer (Hrsg.) im Auftrag des Instituts für Sozialforschung, Jahrgang VI, Felix Alcan: Paris, S. 249.

5 A.a.O.: S. 250.

6 Es handelt sich hier m. E. in ähnlicher Weise um das, was später durch Feyerabend, Hanson oder Kuhn als Theorie-geladenheit der Beobachtung in den wissenschaftstheoretischen Diskurs eindringt. Siehe dazu: Hanson, R. N. (1958): Patterns of Discovery, Cambridge University Press: Cambridge; Feyerabend P. (1958): Versuch einer realistischen Interpretation der Erfahrung, in: ders., Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften, Ausgewählte Schriften 1, Vieweg: Braunschweig; Kuhn T. (1962/70): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Suhrkamp: Frankfurt a.M.

7 Horkheimer, M. (1980/1935): Zum Problem der Wahrheit, in: Zeitschrift für Sozialforschung, von Max Horkheimer (Hrsg.) im Auftrag des Instituts für Sozialforschung, Jahrgang IV, Heft 3, Felix Alcan: Paris, S. 337; Horkheimer, M. (1937): S. 252.

8 Der damit verbundene Wahrheitsbegriff kann hierbei als absolut-relativistisch verstanden werden. In diesem scheinbar kontradiktorischen Begriff steckt, dass die produzierte Erkenntnis nur innerhalb einer zeitlichen Periode wahr sein kann, da sie beim Voranschreiten neuer Erkenntnisse transformiert und neu definiert wird. Die Wahrheit jeder produzierten Erkenntnis ist demzufolge nicht als absolut, d. h. für immer geltend, sondern als relativ zu betrachten. Das absolute Moment hingegen ist ihre ständige Veränderung. „Die Theorie, die wir als richtig ansehen, mag einmal verschwinden, weil die praktischen und wissenschaftlichen Interessen, die bei der Begriffsbildung eine Rolle spielten, und vor allem weil die Dinge und Zustände, auf die sie sich bezogen, verschwunden sind.“ (Horkheimer, M.: (1980/1935): S. 337)

9 Horkheimer, M. (1980/1932a): S. 6.

10 Horkheimer, M. (1980/1932b): Zeitschrift f ür Sozialforschung, Max Horkheimer (Hrsg.), Jahrgang I, Photomechanischer Nachdruck, DTV: München, S. I f.

11 Horkheimer, M. (1980/1935): S. 328 f.

12 A.a.O.: S. 351.

13 Horkheimer, M. (1980/1932a): S. 6.

14 Unter die Bekanntesten Vertreter zählen beispielsweise Rudolph Carnap, Moritz Schlick oder Otto Neurath. Aber auch Ludwig Wittgenstein oder Karl Popper zählen zur gleichen Denkschule. Obwohl „Denkschule“ hier meint, dass ihre Vertreter auf der Grundlage der Logik die Philosophie verwissenschaftlichen wollten, untereinander jedoch verschiedene Ansätze vertraten.

15 Die beiden Ansätze wurden beispielsweise kontrovers zwischen Popper (Deduktivismus) und Carnap (Induktivismus) diskutiert. Dabei geht es um die Rolle der Rechtfertigung von Hypothesen. „Nach Popper ist eine Hypothese H genau dann akzeptabel, wenn sie sich bewährt.“ (Wuchterl, K. (1977): Methoden der Gegenwartsphilosophie, UTB: Bern, S. 38) Interessanterweise steht auch Horkheimer deswegen teilweise in der Tradition eines popperianischen Positivismus, da er gleichfalls die „Bewährung“ – als empirisches Datum – für die Wahrheit von Theorien postuliert (Zum Beispiel findet man Äußerungen über den Begriff der Bewährung in Horkheimers Aufsatz Zum Problem der Wahrheit [1980/1935: S. 339], in der er sich dezidiert gegen einen pragmatisch ausgelegten Begriff ausspricht. Bewährung ist bei Horkheimer nicht gleichzusetzen mit praktischer Leistung. Ob eine Theorie in der Praxis etwas lohnenswertes Leistet, zeige sich laut Horkheimer erst anhand einer Theorie der Gesellschaft). „Auf der anderen Seite steht Carnaps Auffassung: Eine Hypothese H ist genau dann akzeptabel, wenn sie induktiv bestätigt ist.“ (Wuchterl, K. (1977): S. 38) Obwohl man Horkheimer teilweise eine positivistische Denkweise unterbreiten kann, ist sie der induktiven Theorie Carnaps diametral entgegengesetzt. Erkenntnisse allein mithilfe der Logik aus Sätzen zu folgern, findet bei Horkheimer keinen Anklang. Mehr dazu findet sich im Kapitel Der epistemische Zirkel und seine normativen Implikationen in dieser Arbeit.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Versuch einer epistemologischen Hermeneutik. Max Horkheimers (wissenschafts-) kritische Theorie
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Philosophie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
23
Katalognummer
V907482
ISBN (eBook)
9783346214720
ISBN (Buch)
9783346214737
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kritische Theorie, Max Horkheimer, Epistemologie, Wissenschaftstheorie, Philosophie, Wissenschaftsphilosophie, Frankfurter Schule, Erkenntnistheorie
Arbeit zitieren
Tom Behrendt (Autor:in), 2019, Versuch einer epistemologischen Hermeneutik. Max Horkheimers (wissenschafts-) kritische Theorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/907482

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