Das Spätmittelalter war – wie der Name schon andeutet – als „Spätzeit“ geprägt von der Auflösung der hochmittelalterlichen Lebensform. Überall machten sich Zerfallserscheinungen bemerkbar. Auch und insbesondere die Kirche war davon betroffen. Die Zeit vor der Reformation steht für die Kirche im Zeichen des verzweifelten Versuchs einer „reformatio generalis in capite et membris“.
Die großen Veränderungen der Zeit trafen auch die Ordensgemeinschaften und hier führten sie ebenso zu Zerfall und Dekadenz. Regeln und Statuten hatten ihre Prägekraft verloren und die Ideale der Ordensgründer gerieten in Vergessenheit. Dem Mönchtum drohte der Niedergang. Denn, so Peter Hawel, „nur deshalb bekamen die Orden soviel Zulauf, weil nach wie vor das monastische Leben als die höchste Verwirklichung des Christentums angesehen und angestrebt wurde. […] Mit dem Spätmittelalter scheint sich dieser absolute Anspruch des Mönchtums offensichtlich verloren zu haben […]. Sein Höhepunkt war gegen Ende des 13. Jahrhunderts überschritten, und trotz gutgemeinter Reformen lief es seiner Erstarrung entgegen.“
Jene Ordensreformen – und im Speziellen die Reformbewegung der Franziskaner – sind Gegenstand dieser Arbeit. Man könnte meinen die Verwendung dieses Zitats in der Einleitung nähme eine negative Beurteilung der Ordensreformen bereits vorweg. Ziel dieser Arbeit ist jedoch, die Erfolge der Ordensreformer herauszustellen und zu zeigen, dass keineswegs prinzipiell von einem Niedergang des Mönchtums die Rede sein kann.
Die Phase der spätmittelalterlichen Ordensreformen wird von der Forschung vielmehr mittlerweile „mit dem 12. Jahrhundert, der Zeit der Entstehung der Reformorden, dem 13. Jahrhundert, dem Saeculum der Bettelorden, und dem 19. Jahrhundert, das nach Revolution und Säkularisation eine erstaunliche Neublüte und Expansion der Vita religiosa erlebte, auf eine Stufe gestellt.“ Warum diese Einordnung gerechtfertigt ist, soll hier dargestellt werden.
Zunächst soll jedoch die Lage der Christenheit im Spätmittelalter beleuchtet werden um hier jene Faktoren zu entdecken, die sich so zermürbend auf die Ordensgemeinschaften auswirkten. Auch wie die Zerfallserscheinungen im Ordenswesen sich konkret ausnahmen gilt es zu klären.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Lage der Christenheit im Spätmittelalter
- Missstände in den Klöstern
- Zisterzienser
- Benediktiner
- Bettelorden
- Die Ordensreformen des Spätmittelalters
- Die Reformkongregationen der Benediktiner
- Andere Reformbewegungen
- Äußere Einflüsse auf die Reformen
- Widerstand gegen die Reformen
- Armut als Reformprogramm: Die franziskanische Observanzbewegung
- Der Armutsstreit
- Die Observanzbewegung
- Die Phase der Herausbildung der Observanzbewegung (1368-1418)
- Die zweite Reformphase nach dem Konzil von Konstanz (1418-1528)
- Einflussnahme von außen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die franziskanische Observanzbewegung als Beispiel für die Ordensreformen des Spätmittelalters. Sie zielt darauf ab, die Erfolge der Reformbewegungen aufzuzeigen und zu widerlegen, dass das Mönchtum im Spätmittelalter zwangsläufig einem Niedergang entgegen strebte.
- Die Lage der Christenheit im Spätmittelalter und die Herausforderungen für die Kirche und ihre Ordensgemeinschaften
- Die Missstände innerhalb der Klöster verschiedener Orden
- Die Reformbewegungen in verschiedenen Orden, insbesondere die Reformkongregationen der Benediktiner
- Die franziskanische Observanzbewegung als Beispiel für eine erfolgreiche Reformbewegung
- Die Rolle von Armut als Reformprogramm und die Auseinandersetzungen um dieses Thema
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung skizziert den historischen Kontext des Spätmittelalters und die Herausforderungen, vor denen die Kirche und ihre Ordensgemeinschaften standen. Kapitel 2 beleuchtet die Lage der Christenheit im Spätmittelalter, die durch politische und gesellschaftliche Umbrüche, Naturkatastrophen und das Abendländische Schisma geprägt war. Kapitel 3 befasst sich mit den Missständen in den Klöstern, die zum Teil auf die Erosion der Ordensregeln und die Vernachlässigung der ursprünglichen Ideale zurückzuführen waren.
Kapitel 4 gibt eine Übersicht über die verschiedenen Reformbewegungen innerhalb der Orden, wobei die Reformkongregationen der Benediktiner exemplarisch dargestellt werden. Schließlich konzentriert sich die Arbeit in Kapitel 5 auf die franziskanische Observanzbewegung. Dieses Kapitel beleuchtet den Armutsstreit innerhalb des Franziskanerordens und zeichnet die Entwicklung der Observanzbewegung von ihren Anfängen bis zu ihrer Blütezeit nach.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themen Ordensreformen, Spätmittelalter, Christenheit, Missstände in Klöstern, Zisterzienser, Benediktiner, Bettelorden, franziskanische Observanzbewegung, Armut, Armutsstreit, Reformbewegungen, Reformkongregationen, Konzil von Konstanz.
- Quote paper
- Vincent Steinfeld (Author), 2007, Die franziskanische Observanzbewegung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90801