Lied versus Ode


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Lied
2.1. Metrik
2.2. Vers versus Satz
2.3. Metrum versus Rhythmus
2.4. Die Strophen im Lied

3. Die Ode
3.1. Metrik
3.2. Vers versus Satz
3.3. Metrum versus Rhythmus
3.4. Die Strophen in der Ode

4. Schlusswort

5. Bibliographie

1. Einleitung

In dieser Arbeit werde ich mich mit dem Thema „Lied versus Ode“ beschäftigen. Hierzu werde ich die charakteristischen metrischen und semantischen Merkmale der beiden Gedichtgattungen Lied und Ode herausstellen und sie miteinander vergleichen. Somit werden die Unterschiede wie auch die Gemeinsamkeiten der Gattungen deutlich. Dies analysiere ich anhand des Liedes „Herbstlied“ von Johann Gaudenz von Salis-Seewis und der Ode „Heidelberg“ von Friedrich Hölderlin. Dabei wird das Augenmerk nicht auf die inhaltliche Interpretation der beiden Gedichte gelegt, sondern vielmehr auf die Analyse der jeweiligen Gedichtform.

Ich möchte in meiner Arbeit beweisen, dass die Gattungen Lied und Ode zwei völlig verschiedene Formen von Gedichten sind. Das Lied hat eine hoch determinierte, aber einfache formale Form. Diese einfache Struktur zeigt sich in metrischer wie auch in semantischer Hinsicht, vor allem durch wiederholende Elemente, z.B. Refrain und das Prinzip der Variation. Außerdem ist das Lied durch seine regelmäßige und mehrstrophige Gliederung singbar. Die Ode jedoch besitzt eine niedrig determinierte, aber komplizierte Struktur. Sie ist metrisch fest gefügt und meist stilistisch gehoben. Die Ode kann dieselben Themen aufnehmen wie das Lied, jedoch bedient sie sich nicht der einfachen Struktur des Liedes. Typisch für die Ode ist die Dissonanz von Vers und Satz und das Prinzip der Entwicklung.

Zu Beginn werde ich in meiner Arbeit das Lied „Herbstlied“ in Hinsicht auf seine metrische Organisation untersuchen und seine Reimordnung bestimmen, da es für das Verständnis der beiden Gedichtformen Lied und Ode wichtig ist. Danach werde ich das Verhältnis von Vers und Satz näher betrachten, ferner die Übereinstimmungen und Abweichungen von Rhythmus und Metrum herausstellen. Abschließend werde ich das Gedicht noch hinsichtlich seiner Organisation der Strophen betrachten. Nach derselben Vorgehensweise wird danach die Ode „Heidelberg“ analysiert. Dabei werde ich jedoch die charakteristischen Merkmale der Ode direkt mit denen des Liedes vergleichen, um so die Gemeinsamkeiten wie auch die Abweichungen der beiden Gedichtformen herausstellen zu können.

2. Das Lied

Das Lied „Herbstlied“ von Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1786)

Bunt sind schon die Wälder,

Gelb die Stoppelfelder;

Und der Herbst beginnt!

Rothe Blätter fallen;

Graue Nebel wallen;

Kühler weht der Wind!

Wie die volle Traube,

Aus dem Rebenlaube,

Purpurfarbig strahlt!

Am Geländer reifen

Pfirsiche, mit Streifen,

Roth und weiß, bemalt!

Dort, im grünen Baume

Hängt die blaue Pflaume,

Am gebognen Ast.

Gelbe Birnen winken,

Daß die Zweige sinken

Unter ihrer Last.

Welch ein Apfelregen

Rauscht vom Baum! Es legen

In ihr Körbchen sie

Mädchen, leicht geschürzet,

Und ihr Röckchen kürzet

Sich bis an das Knie.

Winzer, füllt die Fässer!

Eimer, krumme Messer,

Butten sind bereit!

Lohn für Müh’ und Plage

Sind die frohen Tage

In der Lesezeit!

Unsre Mädchen singen,

Und die Träger springen;

Alles ist so froh:

Bunte Bänder schweben,

Zwischen hohen Reben,

Auf dem Hut von Stroh.

Geige tönt und Flöte,

Bei der Abendröthe,

Und bei Mondenglanz:

Schöne Winzerinnen

Winken und beginnen

Deutschen Ringeltanz![1]

Metrik

Das Lied „Herbstlied“ besitzt ein dreihebiges, trochäisches Versmaß. Dieser Versfuß beginnt mit einer Hebung, welche sich dann mit einer Senkung abwechselt. Reimordnung und Metrum bilden das Rekurrenzschema des Liedes. In diesem Lied ist jedoch die Anzahl der Silben innerhalb der einzelnen Strophen nicht festgelegt, sondern die Silbenzahl variiert in den verschiedenen Versen. Die Anzahl der Silben in den jeweiligen Versen wiederholt sich jedoch in jeder Strophe. Vers drei und sechs jeder Strophe besitzen 5, Vers eins, zwei, vier sowie fünf 6 Silben. Die Anzahl der Hebungen in den einzelnen Versen ist mit jeweils 3 Hebungen festgelegt, jedoch beinhalten die sechssilbigen Verse 3 Senkungen, während man in den Versen mit 5 Silben lediglich 2 Senkungen feststellen kann. Festgelegt ist aber die Zahl der Senkungen zwischen den Hebungen, denn auf je eine Senkung folgt im Wechsel eine Hebung. Daher ergeben sich für die verschiedenen Verse auch unterschiedliche Versmaße:

Vers 1, 2, 4, 5: - v – v – v

Vers 3, 6 - v – v –

Das trochäische Versmaß ist typisch für die Gedichtform Lied. Es spiegelt die Einfachheit und die stark determinierte Organisation des Liedes wider und macht dem Leser eine einfache Lektüre möglich. So kann das Lied gesungen und der Text sowie die Melodie eingeprägt werden. Das Mittel der Wiederholung des Versmaßes ist ebenso eine typische Eigenschaft des Liedes und macht wiederum die einfache Struktur dieser Gedichtform deutlich. „Er [der Liedvers] behauptet sich in der Wiederholung als feste Einheit kongruenter metrischer und syntaktischer Muster […]“.[2]

Ferner kann man auf Grund der variierenden Silbenanzahl auch das Geschlecht jedes Verses nicht regelmäßig nach weiblicher oder männlicher Kadenz bestimmen. Als „Kadenz“ bezeichnet man den Versschluss, der entweder männlich ist, sobald der Vers mit einer Hebung endet, oder weiblich, falls er mit einer Senkung abschließt. Im vorliegenden Lied besitzen die Verse drei und sechs eine männliche, die Verse eins, zwei, vier und fünf jedoch eine weibliche Kadenz. Diese Reihenfolge wiederholt sich regelmäßig über alle Strophen hinweg.

Das vorliegende Lied besitzt 7 Strophen zu je 6 Versen. Die Reimordnung ist ein Schweifreim, auch Zwischenreim genannt, d. h. in einer Strophe von 6 Versen reimen sich der erste und zweite sowie der vierte und fünfte Vers paarweise, genauso wie der dritte und der sechste Vers. Diese Reimform wird häufig in Volksliedern benutzt:

a

a

b

c

c

b

Diese Reimordnung des Schweifreims wiederholt sich über das ganze Gedicht hinweg in jeder Strophe. Diese Wiederholungsstruktur ist ebenso wieder eine typische Eigenschaft für das Lied und spiegelt seine Einfachheit wider, ebenso wie der gleichmäßige Wechsel von Hebung und Senkung.

Im „Herbstlied“ unterteilt der Schweifreim jede Strophe durch die Reimpaare aa, bb und cc in semantische Einheiten. Dabei bilden die Reimpaare aa und cc jeweils einen syntaktisch vollständigen Satz, während das Reimpaar bb jeweils Ergänzungen zu aa und cc sind. Daher kann man sagen, dass die ersten drei Verse und die letzten drei Verse einer Strophe jeweils eine semantische Einheit bilden. Diese zwei syntaktischen Einheiten in jeder Strophe werden durch ein Enjambement voneinander getrennt. Ein Enjambement (=Zeilensprung) bedeutet das Übergreifen eines Satzes in den nächsten Vers. Somit fallen Satz- und Versende nicht zusammen. In der ersten Strophe schließen die Reimpaare aa und cc eine Aussage ein, während das Reimpaar bb jeweils Ergänzungen zu aa und cc darstellt:

Vers eins, zwei und drei:

Bunt sind schon die Wälder, a

Gelb die Stoppelfelder; a Reim abgeschlossen

Und der Herbst beginnt! b Aussage abgeschlossen

Vers vier, fünf und sechs:

Rothe Blätter fallen; c

Graue Nebel wallen; c Reim abgeschlossen

Kühler weht der Wind! b Aussage abgeschlossen

Nachdem der Sprecher in Vers eins und zwei die Landschaft beschreibt, nennt er im dritten Vers den Beginn des Herbstes. In Vers vier und fünf stellt er noch einmal seine Umgebung vor, während er in Vers sechs wieder eine Aussage zum Klima nennt. Hierbei sind Vers drei und sechs zwar Ergänzungen zu den Versen eins und zwei bzw. vier und fünf, allerdings bilden sie beide in sich semantische Aussagen, die sich aber inhaltlich auf die vorangegangenen Verse beziehen. Dies wird auch durch das Ausrufungszeichen am Ende der beiden Verse deutlich. Die Reimpaare aa, bb und cc bilden also jeweils eine semantische Einheit, welche jeweils mit einem Paarreim miteinander verbunden ist und somit kann der Leser/ Hörer diese Einheit schon klanglich wahrnehmen. Im Lied sind alle semantischen Einheiten durch einen Reim miteinander verbunden.

[...]


[1] Hay / von Steinsdorff. S. 86f.

[2] Rudolf Brandmeyer: Die Gedichte des jungen Goethe. Göttingen 1998. S.54f.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Lied versus Ode
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Fachbereich Geisteswissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V90821
ISBN (eBook)
9783638052351
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lied
Arbeit zitieren
Anna Sarah Bossmann (Autor:in), 2005, Lied versus Ode, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90821

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