Die Bedeutung von biografischen Vorerfahrungen für Bewältigungsstrategien von Adressaten im Kontext aktueller Hilfen der Sozialpädagogischen Familienhilfe


Bachelorarbeit, 2020

41 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Vorgehensweise

2 Theoretischer Rahmen
2.1 Die Sozialpädagogische Familienhilfe
2.2 Abwehr als Verhaltensweise und Bewältigungsstrategie

3 Empirische Teil
3.1 Methodi sches Vorgehen
3.1.1 Das narrative Interview
3.1.2 Durchführung der Interviews
3.1.3 Auswertung der Interviews
3.2 Analyse der Interviews
3.2.1 Interview mit Sabrina
3.2.2 Interview mit Nadine
3.3 Teilergebnisse der Interviews
3.3.1 Das Interview als Möglichkeit der Wiedergutmachung
3.3.2 Das Interview als Möglichkeit der Selbsterklärung
3.3.3 Das Interview als Vertreterin
3.4 Interpretation der Ergebnisse

4 Abschließende Betrachtung unter Bezug theoretischer Ansätze
4.1 Biografie-Begriff in der Sozialen Arbeit
4.1.1 Biografische Erfahrungen und Wirkungen
4.2 Motivation der Adressaten
4.2.1 Die Bedeutung der intrinsischen Motivation
4.3 Schlussfolgerungen für Abwehrmechanismen von Adressaten im Kontext der Sozialpädagogischen Familienhilfe

Literaturverzeichnis

Anhang

Anlage 1 Transkription Interview I

Anlage 2 Transkription Interview II

Anlage 3 Einverständniserklärung

Anlage 4 Narratives Interview Leitfaden

1 Einleitung

Eine Person wird bewältigen, wenn sie kann, abwehren, wenn sie muss, und fragmentieren, wenn sie dazu gezwungen wird. (Haan, Norma 1977, zitiert nach Miethe 2017, S. 40)

Im Rahmen des Zitates wird dem Begriff der Abwehr ein schützender Aspekt zugeschrieben. Eine Abwehrhaltung wird in erzieherischen Hilfen häufig eingenommen, dabei ist sie zum einen auf der Seite der Adressaten vorzufinden, aber auch Fachkräfte können sich nicht von inneren Mechanismen und Prozessen der Abwehr freisprechen. Abwehrverhalten kann erzieherische Hilfen in unterschiedlichen Auswirkungen prägen. Es kann sich auf einzelne Themenbereiche beziehen oder bis zur Ablehnung der vollständigen Maßnahme und somit zum Abbruch führen. Abwehr wird daher häufig als Hemmnis für zielführende Prozesse innerhalb der Hilfen gesehen. Hieraus lässt sich die Frage nach den Beweggründen für solche Verhaltensweisen ableiten. Wie das eingangs genannte Zitat aufzeigt, finden sich Adressaten auch innerhalb von Zwangskontexten oder nicht funktionierenden Hilfeprozessen wieder, die sich auf Verhaltensweisen, die Wahrnehmung des Selbst und Sinnzuschreibungen auswirken können.

Grundlegend wirft das Thema Abwehr die Frage auf, wie Menschen sich in erzieherischen Hilfen wieder-, aber auch zurechtfinden. Böhnisch beschreibt, dass die Lebensbewältigung allgemein das Streben nach subjektiver Handlungsfähigkeit bedeutet (vgl. Lambers 2016, S. 111). Dieses entsteht in einem Zusammenspiel von Selbstwert, sozialer Anerkennung und erlebter Selbstwirksamkeit. Wird dieses psychosoziale Gleichgewicht unter der Begründung nicht ausreichender persönlicher Ressourcen gestört, wird die Bewältigungsaufgabe individuell kritisch erlebt und verlangt schließlich nach gesellschaftlicher Hilfe. Somit kann die Soziale Arbeit als gesellschaftliche Reaktion auf die Bewältigungstatsachen der modernen Risikogesellschaft betrachtet werden. Darüber hinaus wird sie potenziell für jeden Menschen verfügbar gemacht (vgl. Lambers 2016, S. 111). In einer Risikogesellschaft können, sondern müssen Lebensentwürfe immer häufiger ohne Anlehnung an tradierten Vorbildern entwickelt werden. Dies bezieht sich auch auf die subjektiven Biografien, die weniger das Resultat von klassen- und schichtspezifischen Zugehörigkeiten sind, sondern vor dem Hintergrund weitreichender Individualisierungsprozessen und als Ergebnis eigener Entscheidungen interpretiert werden müssen (vgl. Böllert in Otto u.a. 2011, S. 1127). Nach Böhnisch ergibt es demnach keinen Sinn, bei abweichendem Verhalten von ,misslungener‘ Sozialisation zu sprechen, weil in der Zeit der Pluralisierung und Biografisierung der Lebensverhältnisse eindeutige Sozialisationsverläufe nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden können (vgl. Böhnisch 2010, S. 86).

Der Eintritt in Hilfemaßnahmen wird in der Literatur häufig als eine Eskalation der Lebenslagen beschrieben, insbesondere im Kontext der stationären Jugendhilfe (vgl. Normann 2003, S. 121). Somit ist es notwendig zu erfassen, wie Adressaten diese biografischen Veränderungen durch Hilfemaßnahmen erlebt haben und wie sich dies auf die Annahme sowie Gestaltung zukünftiger Hilfen auswirkt, besonders unter Bezug von Abwehrmechanismen.

Das Statistische Bundesamt legte 2018 in einer Pressemitteilung dar, dass mehr erzieherische Hilfen als jemals zuvor gewährt wurden. Nach den vorliegenden Daten wurden rund 1.003.000 Hilfen gewährt und damit über 17.500 mehr als im Jahr davor. Dabei liegt der Prozentsatz der sozialpädagogischen Familienhilfe bei fast 13 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt). Diese Entwicklung zeigt auf, dass sich Menschen vermehrt in hilfeorientierten Maßnahmen wiederfinden, wodurch gleichzeitig der Bedarf an Erkenntnissen über das Erleben von Adressaten steigt, das Rückschlüsse auf Gestaltung, Auswirkungen und Folgen erzieherischer Hilfen zulässt. Gerade im Hinblick auf die Prozesse von entscheidenden Abwehrhaltungen unter dem Bezug der steigenden Bedarfe von unterstützenden Hilfemaßnahmen.

Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich daher mit folgender Frage:

Welche Erfahrungen begünstigen oder vermeiden Abwehrmechanismen der Adressaten in Hilfen der Sozialpädagogischen Familienhilfe ?

Es wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen dieser Untersuchung nicht die Gesamtheit der Thematik aufgezeigt werden kann. Ziel dieser Arbeit soll es sein, eine Form der Auseinandersetzung mit dem Thema der Abwehrhaltung aufzuzeigen, anhand von Erfahrungen von Adressaten, um anschließend einen Ausblick in Bezug auf die Praxis und die weitere Forschung zu ermöglichen.

1.1 Vorgehensweise

In diesem Abschnitt sollen die Vorgehensweise und Struktur der vorliegenden Bachelorarbeit beschrieben werden. Zudem wird angemerkt, dass aus Gründen der leichteren Lesbarkeit die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet wird. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

Im zweiten Kapitel werden Rahmungen und Herleitungen beleuchtet, die für die weiterführende Bearbeitung relevant sind. Dabei geht es zum einen um die Rahmung des Gegenstands der Sozialpädagogischen Familienhilfe unter Einbeziehung von Entwicklungen und Abbrüchen von Hilfen. Weiterführend wird dieses mit dem Verständnis von Abwehrverhalten als Bewältigungsform in Verbindung gebracht.

Das dritte Kapitel widmet sich dem empirischen Schwerpunkt dieser Arbeit und beginnt mit der Vorstellung der gewählten Methode des narrativen Interviews. Hierfür werden die Methode und die Begründung der Auswahl, die Durchführung und abschließend die Auswertung aufgeführt. Im Anschluss werden beide Fälle vorgestellt und prägnante Erkenntnisse der einzelnen Interviews beschrieben. Danach erfolgt als Teilergebnis eine Beschreibung der Effekten, die innerhalb der Durchführung und Auswertung erkannt werden konnten und für die Deutung der nachfolgenden Ergebnisse relevant sind. Abschließend werden Erkenntnisse aus beiden Interviews ausgewertet sowie Unterschiede und Gleichungen aufgezeigt.

Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse anhand theoretischer Konzepte der Biografie, mit dem Schwerpunkt der Wirkung von biografischen Erfahrungen, und der Motivation, mit dem Fokus auf die intrinsische Motivation der Adressaten, vorgestellt. Diese Bachelorarbeit schließt mit einem Ausblick für die Praxis und die Forschung in Bezug auf Abwehrmechanismen im Kontext der Sozialpädagogischen Familienhilfe ab.

2 Theoretischer Rahmen

Im folgenden Kapitel steht die Einordnung der thematischen Hintergründe dieser Arbeit im Fokus. Zu Beginn werden Herleitungen der Thematik bezügliche der Sozialpädagogischen Familienhilfe vorgenommen, wobei ein grundsätzliches Verständnis des Arbeitsgebietes vorausgesetzt wird. Um die Relevanz und das Begriffsverständnis von Abwehr bezogen auf die Familienhilfe und für die später aufgeführten Interviews zu verdeutlichen, wird der Begriff in seinem theoretischen Kontext aufgeführt.

2.1 Die Sozialpädagogische Familienhilfe

Im Handbuch der Hilfen zur Erziehung wird beschrieben, dass ein deutlicher Anstieg von teilstationären sowie ambulanten Hilfemaßnahmen verzeichnet werden kann. Somit konnte in den Jahren 1995 bis 2010 eine Erhöhung von ca. 18.000 auf über 100 000 Fälle verzeichnet werden, wobei die Tendenz weiter steigend ist (vgl. Wabnitz in Macsenaer u.a. 2014, S. 40). Nach dem Statistischen Bundesamt lag die Anzahl allein im Bereich der Sozialpädagogischen Familienhilfe im Jahr 2018 bei über 126 000 Fällen, die damit 12,6 Prozent der gewährten Hilfen abdeckten (vgl. Statistisches Bundesamt). Zurückzuführen ist der Anstieg demnach auf partiell schwierig gewordene sozioökonomische Lebenslagen von Familien sowie die Brüchigkeit von Familienkonstellationen. Durch empirische Studien kann ein Zusammenhang von Armuts- und Belastungsquoten sowie der Inanspruchnahme und Gewährung von Hilfe zur Erziehung erwogen werden (vgl. Wabnitz in Macsenaer u.a. 2014, S. 41). Die Anlässe für die Einleitung der Hilfe sind meist komplex und reichen von eingeschränkten Erziehungskompetenzen der Eltern, fehlender oder ungenügender Betreuung oder Förderung bis hin zu familiären Konflikten und Gefährdungen der Kinder (vgl. Fröhlich - Gildhoff in Macsenaer u.a. 2014, S. 111). Dadurch gestalten sich auch die Möglichkeiten zum Erhalt einer Sozialpädagogischen Familienhilfe unterschiedlich: Zum einen haben Familien das Recht und die Option, sich an den öffentlichen Träger zu wenden. Auf der anderen Seite stellt Rehder dar, dass etwa 75 Prozent der Familien dem Hilfesystem bereits vor einer installierten Hilfe bekannt sind, durch Institutionen wie Schulen, Kindergärten oder Arztpraxen oder indem diese bereits von behördlicher Seite angeboten bzw. verordnet wurde. Weiter wird aufgeführt, dass sich die Sozialpädagogische Familienhilfe somit nicht nur auf den Aspekt der Hilfe bezieht, sondern auch auf den der Kontrolle (vgl. Rehder 2016, S. 85). Das nicht konsensuelle Arrangement wirkt sich sowohl auf die Annahme von Hilfen als auch auf die weiterführenden Prozesse innerhalb der Zusammenarbeit und der Bewältigungsmuster der Adressaten aus. Diese Gesichtspunkte werden im dritten Kapitel innerhalb der Auswertung der Interviews nochmals aufgegriffen.

2.2 Abwehr als Verhaltensweise und Bewältigungsstrategie

Wie im vorherigen Kapitel aufgezeigt, sind nicht alle Fälle in der Hilfe der Sozialpädagogischen Familienhilfe konsensuell. Daher liegt es nahe, sich dem Konzept der Abwehr zu widmen und den Begriff klar einzuordnen sowie abzugrenzen. Um den Bezug zur Sozialpädagogischen Familienhilfe herzustellen, wird zuvor in diesem Kapitel die Thematik von Hilfeabbrüchen mitaufgeführt.

In einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Studie aus dem Jahr 2002 zu den Effekten in der Jugendhilfe wurden Bedingungen von Abbrüchen in Hilfemaßnahmen genauer untersucht. Heraus kam, dass im Bereich der Sozialpädagogischen Familienhilfe 85,7 Prozent der Abbrüche alleinig von Eltern entschieden wurden, dieses entsprach sechs von sieben Abbrüchen. Die meistgewählte Begründung lag mit 50 Prozent in der fehlenden Mitwirkung oder Kooperation der Eltern, innerhalb der Studie bei drei von sechs Fällen. Die Untersuchung legte zudem offen, dass bei Abbrüchen in der Sozialpädagogischen Familienhilfe meist nur ein Grund angegeben wurde und keine Kombinationen mehrerer Faktoren (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2002, S. 407 f.). Darüber hinaus wird die Bedeutung von Prozessmerkmalen deutlich, da Abbrüche besonders bei einer mangelnden Kooperation mit den Eltern in den Hilfemaßnahmen auftreten (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2002, S. 411).

Im vorherigen Kapitel wurden die Anlässe aufgegriffen, unter denen mögliche Voraussetzungen eingeschätzt werden, dass eine Familie oder ein Jugendlicher den Ansprüchen zur Bewilligung der Hilfe zur Erziehung entsprechen. Grundsätzlich kann bereits dieses verstanden werden, als eine Abweichung von der gesellschaftlich gewünschten oder geforderten Norm. Somit weisen die Adressaten in ihrer Lebensführung Verhaltensweisen oder Lebenseinstellungen auf, die nicht der Norm entsprechen. Ebenso kann der Abbruch einer gesellschaftlich gewünschten oder geforderten Hilfe, durchgeführt durch den öffentlichen Träger, als Normabweichung verstanden werden. Nach Böhnisch geht mit dem Bruch mit tradierten Mustern ,normaler Lebensführung4 die Gefahr vor sozialer Ausgrenzung einher, wenn Menschen biografisch scheitern oder sich sozial und kulturell benachteiligt fühlen (vgl. Böhnisch 2017, S. 11 f.). Weiterführend wird von Böhnisch beschrieben, dass innerhalb der abweichenden Verhaltensweisen Botschaften der Adressaten zu verstehen sind, die auf ihre individuelle Hilflosigkeit und ihren Bewältigungsversuch in kritischen Lebenskonstellationen hinweisen. Nach dieser Interpretation von Böhnisch kommt abweichendes Verhalten dann vor, wenn konforme Mittel zur Bewältigung nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen. Somit kann diese Verhaltensweise als Versuch gedeutet werden, die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten, in einigen Situationen sogar ,um jeden Preis‘ (vgl. Böhnisch 2017, S. 19).

Der Begriff der Abwehr kann mehrdimensional gedeutet werden, denn abweichendes Verhalten kann als Versuch zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit interpretiert werden. Seiffge-Krenke beschäftigt sich mit dem Begriff der Abwehr im therapeutischen Setting, jedoch können hieraus Rückschlüsse auf die Handlungs- und Denkmuster innerhalb der Soziale Arbeit gezogen werden. Sie beschreibt Abwehr und Widerstand als Phänomene, die das tägliche Leben begleiten und daher in zahlreichen Alltagsbereichen erkannt werden können (vgl. Seiffge-Krenke 2017, S. 13). Wird die Sozialpädagogische Familienhilfe als Hilfe verstanden, die im Alltag der Adressaten eingeordnet wird, zeigen sich ebenfalls vielschichtige Formen von Abwehr und Widerstand. Seiffge-Krenke betont jedoch, dass zwischen beiden Begriffen unterschieden werden muss, auch wenn eine klare Trennung problematisch ist. Beides sind komplexe Konzepte, die sich in ihrer Funktion unterscheiden: Die Abwehr auf der einen Seite umfasst Prozesse, die gegen Schmerz, Gefahr und negative Affekte schützen und die Emotionen so herunterregulieren, dass sie durch das Individuum handhabbar werden. Dem gegenüber steht das Widerstandskonzept, das nach Seiffge-Krenke die Neurose, das Alte, das Infantile sowie das Vertrauen gegen Aufdeckung und Veränderung schützt (vgl . Seiffge-Krenke 2017, S. 16). Seiffge-Krenke greift zur Definierung des Widerstand Greenson auf, der diese als Kraft beschreibt, die sich gegen die Behandlung stellt und somit verhindert, dass der Betroffene frei assoziiert oder spricht(vgl. Seiffge- Krenke 2017, S. 18). Zudem wird vermieden, Einsicht zu gewinnen, um den gegenwärtigen Zustand aufrechtzuerhalten. Aus Gründen der Komplexität wurde eine Abgrenzung von der Theorie des Widerstands vorgenommen und sich auf eine vereinfachte Sicht des Abwehrbegriffs für diese Arbeit verständigt. Somit wird Abwehr als Mechanismus verstanden, der eine Ich-Funktion innehat. Die Ängste eines Menschen mobilisieren nach diesem Verständnis die Abwehrmechanismen, wobei das Ich die jeweilige Gefahr beurteilt und einschätzt. Seiffge - Krenke zitiert Anna Freud, indem sie hervorhebt, dass Abwehr immer zwei Komponenten beinhaltet, eine Gefahr und eine schützende Funktion (vgl. Seiffge- Krenke 2017, S. 26).

Festzuhalten ist, dass jeder Mensch Formen von Abwehrmechanismen nutzt und diese einen psychischen Schutzvorgang darstellen. Es müssen also Unterscheidungen stattfinden: So sind manche Abwehrmechanismen beständig aktiv, auch wenn beispielsweise kein äußerlicher Reiz besteht, andere werden erst durch besondere Anlässe aktiv. Einige Abwehrmechanismen können über das gesamte Leben konstruktiv und hilfreich sein, während andere auf einzelne Situationen zurückzuführen sind und im weiteren Verlauf Möglichkeiten zu Wachstum und Entwicklung hemmen oder gar verhindern. Daher ist es nötig, Abwehr nicht als zu brechende Instanz zu sehen, sondern situationsadäquat mit ihr umzugehen (Miethe 2017, S. 49 f.). Mit Hilfe eines ressourcenorientierten Blicks kann eine positive Sicht auf die Abwehr erfolgen. Es wird beschrieben, dass Abwehrphänomene die Bewältigungsleistungen von Menschen aufzeigen. Sie können somit Hinweise für strukturelle Voraussetzungen der Person liefern und sind ausschlaggebend für die Auswirkungen, da Stressoren allgegenwärtig sind. Entscheidend ist somit die Fähigkeit, mit Belastungen umzugehen. Seiffge-Krenke betont dieses wiederkehrend mit der integrativen Sicht auf die Patienten und der Anerkennung ihrer Bewältigungsleistung. Zudem basiert auf der Forschung über Abwehr und Stressoren der Begriff des Coping, der Bewältigungsprozesse beschreibt (vgl. Seiffge- Krenke 2017, S. 33 ff.).

Ebenfalls relevant ist die entwicklungspsychologische Perspektive, die beschreibt, dass Abwehrmechanismen in den Entwicklungsphasen unterschiedliche Ausprägungen haben und als gesund und notwendig erachtet werden. So können Stufen der Abwehrmechanismen von Verleugnung, Projektion und Identifikation innerhalb der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nachgewiesen werden und Rückschlüsse auf eigene ,Laufzeiten‘, welche implizieren, dass Verhaltensweisen in bestimmten Lebens- und Entwicklungsphasen häufiger vorkommen beziehungsweise sich entwickeln und zum anderen wieder abnehmen (vgl. Seiffge-Krenke 2017, S. 42 ff.). In der Literatur wird eine Vielzahl an möglichen Abwehrmechanismen beschrieben, insgesamt kann aber nahezu alles zur Abwehrzwecken eingesetzt werden (vgl. Miethe 2017, S. 50). Für den Umgang mit Abwehrmechanismen und Veränderungen von Bewältigungsmustern wird nach Seiffge-Krenke Zeit benötigt, da diese sich nicht linear verändern (vgl. Seiffge- Krenke 2017, S. 44).

Der Begriff der Abwehr ist somit vielschichtig und dient gesunden sowie ungesunden Prozessen, die zu positiven oder negativen Effekten oder Konsequenzen führen können. Um Erkenntnisse, Formen und Nutzen von Abwehr fokussierter zu betrachten, wird im folgenden Kapitel die Methode des narrativen Interviews genutzt.

3 Empirische Teil

Das dritte Kapitel widmet sich dem empirischen Schwerpunkt dieser Arbeit. Im ersten Abschnitt wird das methodische Vorgehen erläutert. Dabei werden die gewählte Form des narrativen Interviews sowie die Durchführung und die anschließende Auswertung vorgestellt. Im Anschluss werden die Interviews zu Beginn getrennt voneinander eingeführt, um erste Erkenntnisse und Unterschiede zu verdeutlichen. Als zentraler Punkt folgt ein Kapitel zu den Effekten, die bei den Interviews beobachtet werden konnten.

3.1 Methodisches Vorgehen

In den folgenden Unterkapiteln soll das Vorgehen innerhalb der Methode des Interviews beleuchtet werden.

3.1.1 Das narrative Interview

Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Methode des narrativen Interviews gewählt, da es für die Erhebung Wirkfaktoren beinhaltet, die zielführend für die angestrebte Art der Informationen waren. In der vorliegenden Erfassung sollen zum einen biografische Faktoren fokussiert werden. In der Literatur wird beschrieben, dass die Biografie durch biografische Erzählungen erst erzeugt wird (vgl. Küsters 2009, S. 30). Somit können durch narrative Interviews Einblicke in die Biografie der Adressaten vorgenommen werden. Der Ansatz dieser Interviewform liegt darin, die individuellen Deutungsmuster des Interviewten zu erfassen und ihm durch narratives Nachfragen die Möglichkeit zu geben, seine Lebensgeschichte in einer biografischen Gesamtgestalt zu präsentieren und dabei subjektive Deutungszuschreibungen hervorzubringen (vgl. Miethe 2017, S. 81). Da in der Erhebung die Frage behandelt werden sollte, welche Erfahrungen, bezogen auf Hilfesysteme, Abwehrmechanismen der Adressaten in Hilfen der Sozialpädagogischen Familienhilfe begünstigen oder vermeiden helfen, galt es, auf die Relevanzsysteme der Adressaten einzugehen und sie zu erfassen. Ein bedeutender Aspekt dabei war, dass die Methode des narrativen Interviews an die Alltagskommunikation angelehnt ist, sodass die Interviewten in ihrer gewohnten Sprache antworten können. Des Weiteren stützt diese Methode die Annahme, dass Menschen grundsätzlich in der Lage sind, über ihr eigenes Leben vieles zu erzählen, auch wenn sie es nicht bewusst deuten oder einordnen können. Somit wird mit Hilfe eines narrativen Interviews mehr erfahren als durch gezielte Fragen nach bestimmten Zusammenhängen (vgl. Miethe 2017, S. 81). Dadurch werden die Interviewten zum Experten ihrer Selbst und haben die Möglichkeit, sich frei zu äußern. Dabei ist es notwendig, zwischen erlebtem, erinnertem und erzähltem Leben zu unterscheiden, denn bei der Auswertung von narrativen Interviews kann nicht von der erlebten Realität der Vergangenheit ausgegangen werden. Die Erzählungen sind durch die präsente Realität und Deutungen bereits vom Interviewten bewertet und möglicherweise verändert worden oder es fließen neue Relevanzen ein (vgl. Graßhoff u.a. 2015, S. 22). Zudem spielen mögliche Effekte bezogen auf das Interview eine Rolle, die Auswirkungen auf Aussagen oder deren Deutung haben können. Dieses wird nochmals gesondert im Kapitel 3.3 anhand der Fälle beleuchtet.

3.1.2 Durchführung der Interviews

In den ersten Schritten der Durchführung lag der Schwerpunkt auf der Erfassung einer geeigneten Klassifizierung der möglichen Teilnehmer. Dafür wurde entschieden, auf jene Adressaten zurückzugreifen, die vor der offiziellen Sozialpädagogischen Familienhilfe bereits mindestens eine weitere Maßnahme im Rahmen der Hilfe zur Erziehung genutzt hatten. Um das Feld weiter einzugrenzen, wurde zusätzlich der Faktor aufgenommen, dass der erste Hilfeverlauf im Jugendalter angesiedelt sein sollte, um gegebenenfalls Rückschlüsse auf Relevanzwechsel in verschiedenen Lebensphasen ziehen zu können. Somit ließ sich die Anzahl an Teilnehmern stark begrenzen. Im Anschluss an die Klassifizierung wurde Kontakt zu Mitarbeitern und eigenen Adressaten aufgenommen und eine kurze Befragung durchgeführt. Dabei kristallisierten sich zwei weibliche Adressaten heraus, die zum einen den Ansprüchen der Klassifizierung entsprachen und zum anderen in einem persönlichen Telefonat Interesse und Motivation bekundeten, an den Interviews teilzunehmen. Hierzu muss angemerkt werden, dass beide Adressaten der Verfasserin dieser Arbeit aus ihrer praktischen pädagogischen Tätigkeit bekannt sind. Dieser Faktor wird im Kapitel 3.3.3 nochmals spezifisch aufgegriffen, da er einen Effekt auf die durchgeführten Interviews hat. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Handhabbarkeit innerhalb dieser Arbeit sich auf zwei Interviews festgelegt wurde. Einerseits ermöglicht dies eine Vergleichbarkeit und Entgegenstellung, andererseits kann im Rahmen dieser Bachelorarbeit eine Vollständigkeit der Informations- und Wissenserschöpfung nicht erreicht werden. Daher ist die vorliegende Arbeit als Stimulus zu betrachten.

Da Forschungsfragen in der qualitativen Forschung tendenziell offen gehalten werden, um eine Offenheit der Struktur des zu untersuchenden Gegenstandes zu bewahren (vgl. Küsters 2009, S. 39), damit soll verhindert werden, dass die Betrachtungsweise oder der Zugang nicht bereits so festgelegt wurde, dass ausschließlich nach Bestätigungen der Vorüberlegungen gesucht wird. Die Einstiegsfrage eines narrativen Interviews wird ,Erzählstimulus‘ genannt. Zu beachten ist dabei, dass dieser insbesondere in Bezug auf biografische Faktoren offen gestaltet ist und keinen Start- oder Endpunkt setzt. Auch enthält er keine inhaltliche Begrenzung oder ist auf einzelne Lebensphasen beschränkt. Bestimmte thematische Fokussierungen können in den Stimulus aufgenommen werden, um beispielsweise zu gewährleisten, dass Themenbereiche angesprochen werden (vgl. Küsters 2009, S. 44). Dieses wurde innerhalb der durchgeführten Interviews anhand folgender Frage vorgenommen:

Zu Beginn wäre es interessant zu erfahren, welche Erfahrungen du bisher gemacht hast. Also, wie war dein Leben vor deinem ersten Kontakt zur Jugendhilfe und wie hat es sich dann weiterentwickelt bis heute?

Zusätzlich wurde darauf geachtet, dem Interviewten nach dem Erzählstimulus zuzuhören sowie eine gesprächsfördernde Haltung einzunehmen und lediglich Gestiken oder Laute zu äußern. Es galt, auf eine beendende Gestik oder Formulierung des Erzählers zu warten, wie „Joah, jetzt habe ich mal etwas gesprochen. Holla, die Waldfee!“ oder „Ich glaube, ich habe genug geredet“, die in den durchgeführten Interviews vorkamen. Küster beschreibt dieses als ,Koda‘ (vgl. Küsters 2009, S. 60). Dadurch wird die Haupterzählung beendet und die nächste Phase des Interviews eingeleitet: die Nachfragephase. Hierbei wird unter Verwendung von immanenten und exmanenten Fragen unterschieden. Immanente Fragen dienen dazu, Lücken in der Erzählung zu schließen oder Themen anzuschneiden, die nur angerissen, aber nicht ausgeführt wurden (vgl. Küsters 2009, S. 61 f.). Sind alle immanenten Fragen gestellt, können die exmanenten einfließen, indem der Interviewer selbst Fragen oder Themen einbringt. Dabei wird der Erzähler als Experte und Theoretiker seiner Selbst anerkannt (vgl. Küsters 2009, S. 63 f.). Um das Ende eines Interviews einzuleiten, kann das Abfragen soziodemografischer Fragen genutzt werden. Dabei ist zu beachten, dass diese am Ende eines Interviews gestellt werden, da sie Einfluss auf Fokussierungen oder Stimmungen des Erzählers nehmen können (vgl. Küsters 2009, S. 64). In den durchgeführten Interviews wurde nach Geburtsjahr, Bildungsabschluss und derzeitigem Familienstand gefragt. Abgeschlossen wurde das Interview mit einer letzten Erzählaufforderung:

Gibt es etwas, was du noch hinzufügen möchtest, oder etwas, was noch nicht angesprochen oder erzählt wurde?

Dieses soll ermöglichen, dass der Erzähler positiv aus dem Interview gehen kann und keine ungeklärten Themen bestehen oder im Nachhinein ein dringender Erzähldruck verspürt wird. Küster beschreibt, dass dies im Idealfall mit dem Ausschalten des Aufnahmegerätes geschehen sollte (vgl. Küsters 2009, S. 64). In den durchgeführten Interviews wurde sich dagegen entschieden, da in den abschließenden Ergänzungen und Erzählungen relevante Aspekte zu erkennen sein können, wie in der Auswertung nochmals aufgeführt wird. Nach der Beendigung der Aufnahme wurde jedoch die Möglichkeit eingeräumt, Nacherzählungen auch ohne Aufnahmegerät einzufügen, wie Küsters es empfiehlt.

Bezogen auf den Rahmen der Interviewdurchführung kann angegeben werden, dass beide Interviews in den privaten Räumlichkeiten der Adressaten durchgeführt wurden. Dies wurde bewusst gewählt, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, die den Erzählern Sicherheit vermitteln sollte. Vor Beginn der Befragung wurden der Grund und die Verarbeitung der Interviews nochmals erläutert und im Hinblick auf die Vorgaben der Bachelorarbeit mit einem Dokument zur Einwilligung der Datenverarbeitung und Datenschutzes festgehalten. Danach wurde das Aufnahmegerät gestartet, um das Gespräch vollständig aufzunehmen. Dies war entscheidend für die spätere Auswertung, da sich durch ein Gedächtnisprotokoll nicht alle Facetten eines Interviews erfassen lassen. Nachfolgend wird das Vorgehen zur Auswertung der Interviews vorgestellt.

3.1.3 Auswertung der Interviews

Das Ziel einer qualitativen Methode ist, die soziale Wirklichkeit von innen zu beschreiben und zu verstehen, wobei versucht wird, aus dem vorliegenden Datenmaterial Erkenntnisse abzuleiten. Somit steht das Interpretieren und Verstehen sozialer Wirklichkeit, also die Rekonstruktion von Sinnzusammenhängen, im Mittelpunkt. Dabei gilt es festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Vorannahmen die Rekonstruktion und Interpretation geschieht (vgl. Aeppli и. a. 2016, S. 230 ff.).

Bevor eine Interpretation der Daten erfolgen konnte, wurden die Interviews transkribiert (siehe Anlage). Dabei wurden das Geschehen und das Gesagte während des Interviews mit Worten beschrieben (vgl. Aeppli u.a. 2016, S. 189). In der Transkription wurden Namen sowie Orte anonymisiert, um die Identität der Adressaten zu schützen. Zudem wurden die Pausen im Gespräch mit aufeinanderfolgenden Punkten dargestellt, welche für die verstrichenen Sekunden zählen, sowie deutliche Störungen in Klammern eingefügt. Dieses dient dazu, die Interviewsituation aufzuzeigen, die Einfluss auf das Gespräch haben kann. Darüber hinaus wurden emotionale Veränderungen wie Lachen für die spätere Interpretation der Aussagen in einer Klammer hinterlegt. Dabei ist zu bemerken, dass Sprache und Kommunikation vieldeutig sind. Dies stellt eine Herausforderung in empirischen Arbeiten dar, da eindeutige Aussagen gesucht werden, diese aber in einer Situation gewonnen werden, die von Komplexität und mehreren Interpretationsmöglichkeiten gekennzeichnet ist (vgl. Aeppli u.a. 2016, S. 191). Daher wird an dieser Stelle nochmals auf das Kapitel 3.3 verwiesen, das sich mit den Effekten der Interviews auseinandersetzt.

In der Inhaltsanalyse wurden zunächst Kodierungen vorgenommen, um Strukturen und Inhalte innerhalb der Interviews zu erfassen. Dabei wurde sich anschließend auf drei Bereichsthemen festgelegt, sodass nicht alle Aussagen und Thematiken in die weitere Bearbeitung einfließen, da dies den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Es wurde sich für folgende drei Bereiche entschieden:

- Abwehrmechanismen der Adressaten
- Motivationen der Adressaten
- biografische Aspekte, insbesondere jene, die Abwehrmechanismen vermindern oder verstärken

Die Auswahl wurde getroffen, da sich in den Interviews deutlich zeigte, dass diese Bereiche sich gegenseitig bedingen. Diese Erkenntnisse werden unter Einbezug theoretischer Hintergründe erneut aufgegriffen und mit den Interpretationen und Rekonstruktionen der Interviews zusammengeführt (siehe Kapitel 4).

3.2 Analyse der Interviews

Im folgenden Kapitel werden die beiden Interviews vorerst einzeln vorgestellt und erläutert.

3.2.1 Interview mit Sabrina

Zum Zeitpunkt des Interviews lebte Sabrina mit ihrer Tochter allein in einer Drei­Zimmer-Wohnung in einer Kleinstadt. Sie erhält seit ca. 1,5 Jahren Unterstützung durch eine Sozialpädagogische Familienhilfe. Außerdem hat sie keinen Schulabschluss, da sie die Schule abgebrochen hat. Sie wünscht sich aber, bald eine Arbeit zu finden, damit sie in der Zeit, in der ihre Tochter die Kindertagesstätte besucht, etwas für sich und ihr Kind leisten kann.

Sabrina wurde 1998 geboren und lebte bis zu ihrem 13. Lebensjahr mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater zusammen. Mit 13 Jahren wurde Sabrina auf Wunsch ihrer Mutter in eine Wohngruppe für Kinder und Jugendliche aufgenommen. Dort blieb sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr. Nach dem Auszug aus der Wohngruppe hatte sie keine eigene Wohnung. Wenige Monate später wurde Sabrina schwanger und zog nach der Entbindung gemeinsam mit ihrer Tochter in eine Mutter-Kind-Einrichtung in einer weiter entfernten Stadt. Nach dieser Hilfemaßnahme beantragte Sabrina die Hilfe für eine Sozialpädagogische Familienhilfe, da sie sich wünschte, mit ihrem Kind in eine eigene Wohnung zu ziehen.

Sabrina zeigte sich im persönlichen Kontakt bezüglich der Interviewanfrage interessiert. Zum einen fragte sie sich, was gerade sie Relevantes beitragen und warum sie für ein solches Interview passen könnte. Zum anderen freute sie sich über den Kontakt zur Interviewerin, da beide sich aus der Zeit der Aufnahme in der stationären Wohngruppe kannten, als die Interviewerin zu den Betreuerinnen gehörte. Das Gespräch fand in einer ruhigen Atmosphäre ohne weitere Störungen statt.

Sabrina schilderte, dass der Eintritt in die Wohngruppe für sie die Phase war, in der sie sich am stärksten durch ihre Verhaltensweisen distanzierte sowie gegen die Regeln und Strukturen auflehnte.

Also eigentlich fand ich das Leben davor auch ganz gut, aber es ist halt immer beschissener gewesen mit Familie und alles. Stiefvater hat sich alles so scheiße entwickelt. So, dass ich dann in die Einrichtung gekommen bin in Hamburg Und da habe ich ja richtig angefangen, Scheiße zu bauen (Lachen). (Anlage 1, Zeile 21­25)

Weiter erwähnte sie, dass die Betreuer versucht hätten, ihr zu helfen. In diesem Zusammenhang nannte sie häufig den Namen des Leiters. Jedoch habe sie für sich selbst keinen Sinn in der Maßnahme gesehen, da es eine Entscheidung anderer Personen gewesen sei und nicht ihre eigene.

Ja, einfach gekommen und gegangen, wann ich wollte, und trotzdem haben die irgendwie die Ruhe bewahrt und haben versucht mir zu helfen und ich habe die Hilfe nie angenommen. Linkes Ohr rein, rechtes Ohr raus. (Anlage 1, Zeile 39-41)

Sabrina nutzte ihre Abwehrmechanismen besonders in der Adoleszenz als Schutz und als Beweis, dass sie es schafft, ohne jegliche Hilfe zurechtzukommen. Durch dieses Verhalten konnte sie auf eigene Bedürfnisse und Wünsche eingehen. Eine Erwartung an die Hilfe hatte sie nicht. Zu dem Kontakt mit anderen berichtete sie, dass es für sie nicht einfach gewesen sei, sich von verschiedenen Personen etwas sagen zu lassen, insbesondere, wenn diese nur wenige Jahre älter waren als sie. Auf der anderen Seite sei sie aber auf der Suche nach einer verlässlichen Person gewesen und es sei ihr im Bewusstsein geblieben, dass sie Schwierigkeiten hatte, anderen zu vertrauen.

Ich für mich war, dass ich schlaf da und warte, bis ich 18 bin. Das war das Einzige, was ich wollte. Hab einfach nur das gemacht, auf was ich Lust hatte ... (Anlage 1, Zeile 122-124)

Zudem gab sie an, dass ihr Leben nach dem Auszug aus der Wohngruppe und während der Schwangerschaft kompliziert war und dass sie ohne alles da stand. Erst durch die Geburt ihrer Tochter habe sich ihre Sichtweise verändert.

... Neele war halt das Ausschlaggebende .. Also der ausschlaggebende Punkt, dass ich gemerkt habe, du musst was ändern. Und je mehr ich halt mit Neele war, umso mehr ist die Bindung gewachsen und desto bewusster wurde mir, dass ich keinesfalls reif war. Also zumindest, wie ich mich gefühlt hab, und ab da an erst eigentlich erwachsen geworden bin. Und das hat sich auch echt gut angefühlt. (Anlage 1, Zeile 70-74)

[...]

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung von biografischen Vorerfahrungen für Bewältigungsstrategien von Adressaten im Kontext aktueller Hilfen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
Hochschule
Fachhochschule Münster
Note
1,3
Jahr
2020
Seiten
41
Katalognummer
V909172
ISBN (eBook)
9783346254344
ISBN (Buch)
9783346254351
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anlagen mit Interview Transcripts sind nicht Teil der Publikation.
Schlagworte
Abwehr, empirische Arbeit, Bachelorarbeit, Interviews, Biografie
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Die Bedeutung von biografischen Vorerfahrungen für Bewältigungsstrategien von Adressaten im Kontext aktueller Hilfen der Sozialpädagogischen Familienhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/909172

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