Storytelling im Marketing

Die Kampagne "Say it with your project" von Hornbach


Hausarbeit, 2018

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Heimwerken mit Gothic Girl

2. Methodik und theoretische Ansätze

3. Kulturwissenschaftliche Erzählforschung

4. Die Geschichte

5. Konstruktive Merkmale und Emotionalität im Spiegel der Realität

6. Konklusion und Ausblick

Bibliographie

1. Heimwerken mit Gothic Girl

1.1 Narrativität

Die Narrativität ist ein fester Bestandteil der Kulturwissenschaft. Erzählen kann generell als kommunikatives Handeln und somit als alltägliches Geschehen angesehen werden. Es entspricht nach Kurt Ranke einem menschlichen Grundbedürfnis.1 Eines der Axioma Paul Watzlawicks besagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ 2 Damit drückt er aus, dass Kommunikation unumgänglich in unsere Welt verankert ist. Findet die Kommunikation nicht mittels Worten statt, so doch mittels Gesten, Mimik, Verhalten. Ähnlich verhält es sich mit dem Erzählen. Dieses ist eine Komponente, untrennbar zur Kommunikation, die latent in unser alltägliches Tun verankert ist. Ambivalent zur allgemeinen Kommunikation, muss das Erzählen einer Geschichte nicht offensichtlich und vorsätzlich geschehen - auch durch ein Fotoalbum kann beispielsweise eine Geschichte konstruiert werden. Andere Sektoren, die vor allem seit der digitalen Revolution unsere Alltagswelt durchdringen, konstruieren ganz bewusst und rationell narrativen Kontext. An und für sich ist dies kein Phänomen der Neuzeit, so bediente sich die Werbeindustrie des 19. Jahrhunderts der Bilderwelt der Sammelbilder und konstruierte mittels eines grafischen, narrativen Distributionswegs eine emotionale Produktbindung. Im Grunde ist dies auch das Prinzip, dem sich die Werbeindustrie unseres digitalen Zeitalters bedient: eine Produktbindung und Emotionalisierung an Hand von Geschichten. Diese können in Form von Werbeplakaten, Produktdesign, Werbeclips, Kampagnen und vielem weiterem auftreten.

Geschichten gibt es in vielen Bereichen des Alltags. Manchmal werden sie sehr explizit erzählt, ein anderes Mal versteckt, so dass unser Unterbewusstsein zwar arbeitet und verarbeitet, während wir der Geschichte bewusst kaum Beachtung schenken oder diese zumindest nicht als solche wahrnehmen. So finden wir Geschichten also auch in der Musik, in Form von autobiographischen Erzählungen oder in Reiseberichten. Es zeigt sich, dass eine tiefe Durchdringung des Alltags durch Geschichten vielmehr der Realität entspricht, als die kulturpessimistische Auffassung vom Niedergang des Erzählens im Augenschein der Globalisierung, die oft große Aufmerksamkeit erfährt.3

1.2 „Say it with your project“

In der folgenden Analyse werde ich exemplarisch eine Geschichte herausgreifen und sie hinsichtlich Narrativ und in Anbetracht des kulturwissenschaftlichen Storytellings analysieren. Die Baumarktkette Hornbach entwickelt ein Marketingprinzip, das vor allem die emotionale Bindung an das Produkt intendiert. Dabei veröffentlicht der Konzern unter der Kampagne „Say it with your project“ eine Reihe von Werbevideos, die auf emotionale, gesellschaftskritische und persönliche Weise die selbstauferlegte Identität des Heimwerkerbaumarkts repräsentieren. Im Vordergrund stehen die Liebe zum Eigenheim und die ehrgeizige und schließlich erfolgreiche Handarbeit, die in allen Clips mittels Handwerkergeräten demonstriert wird. Generell wird die Corporate Identity des Unternehmens in eine alltägliche, aber doch außergewöhnliche, emotionale Struktur eingebunden. Diese Struktur kann als elaborierte Story aufgefasst werden, die mit differenzierten Erzählmustern zur Moral und parallel auch zum Heimwerken hinführt.

Geschichten sind in unsere Alltagswelt verankert und beschreiben Erlebnisse, Ereignisse,Erinnerungen und Erfahrungen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft4.

Durch ihre emotionale Wirkungsweise können deren Inhalte von Empfängern leichter aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden, als dies eine rein faktenbasierte, entemotionalisierte Vermittlung leisten könnte. Doch gibt es noch mindestens eine weitere Prämisse:

„Ein Unternehmen muss sich im Klaren darüber sein, wer seine Kunden sind oder welche Kunden es gerne hätte. Es muss sein Leistungsangebot entsprechend ausrichten und dann vermitteln. So erkennen die Kunden, dass die Marke, das Unternehmen zu ihnen passt.“ 5

Jürgen Schröcker, Vorstandsmitglied und CMO bei der Baumarktkette, beschreibt hier, dass Hornbach die spezifische Rezipientenperspektive, genauso wie die Spezifika im Vermittlungsweg intendiert. Wo ist schließlich diese Spezifika erkennbar? Was sind die Muster und Wege der Vermittlung? Wie funktioniert die Geschichte im Gesamtkontext?

Diesen Fragen werde ich mich unter anderen im Folgendem widmen und nach einer Analyse des Werbevideos „Gothic Girl“ von Hornbach zu einer Einordnung kommen. Dabei richtet sich mein Erkenntnisinteresse vor allem auf das Storytelling. Anhand der Analyse werde ich deshalb aufzeigen, inwiefern die Geschichte der Baumarktkette aus kulturwissenschaftlicher Perspektive in die Kategorie des Storytellings eingeordnet werden kann.

2. Methodik und theoretische Ansätze

2.1 Einordnung

Beim vorliegenden Analysegegenstand handelt es sich um einen Werbefilm, der sich in die Reihe der audiovisuellen Medien einordnen lässt. Diese gelten als „narrative Medien“6, da sie sowohl auf digitaler, sowie auf audiovisueller Ebene Nachrichten, Botschaften und Geschichten vermitteln, darüber hinaus aber auch einen Erzählanlass in der Alltagswelt bieten. Somit kann man sagen, dass sie „zum Weitererzählen in der mündlichen Rezeption einladen“7. Daraus folgt, dass Werbefilme und andere audiovisuelle Ausdrucksformen große Parallelen in den Kommunikationsgewohnheiten zur traditionellen Sage oder zur modernen Sage (auch: FOAF tale) aufweisen. So kann beispielsweise auf einen hohen Wiedererkennungswert und eine stetige Transformation der Geschichte geschlossen werden. Deshalb lehne ich mich in der Analyse an den Erzählforscher und Volkskundler Albrecht Lehmann8 an, welcher den Mensch und seine Geschichten in den Mittelpunkt stellte und für eine Kontextforschung im Zusammenhang mit Alltagsgeschichten plädierte. So werde ich neben dem Inhalt meiner Geschichte soziokulturelle Bezüge und Erzählanlässe mit einbeziehen.

2.2 Transmedialität

In diesem Zusammenhang ist auch die Transmedialität von Bedeutung. Der als TV-Spot publizierte Werbefilm wurde auf diversen Social - Media - Kanälen (wie Facebook und YouTube) im Internet verbreitet. Dadurch erlangt der Werbefilm eine größere Reichweite, steht in jeweils unterschiedlichen Kontexten und erreicht verschiedene Rezipientengruppen, was bei der Analyse mitgedacht wird.

2.3 Erzähler - und Kontextforschung

Methodisch nähere ich mich dem Analysegegenstand mittels der „Erzähler- und Kontextforschung“9, die die Wechselwirkung von Erzählung und gesellschaftlichem System in das Zentrum der Forschung stellt. Dabei wird die Gewichtung „vom Text zum Kontext“10 verlagert: Erzähler, Erzählgelegenheit, Erzählweise, Interaktionen, Bedeutung und Funktion der Geschichte bilden den Untersuchungsschwerpunkt. Dies stellt den Mensch und seine Bedürfnisse, sowie seine Gewohnheiten in den Mittelpunkt, was wiederum die kulturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung ermöglicht.11

Als ergänzende Herangehensweise werde ich die „Strukturalistische Methode“12 nach Vladimir J. Propp anwenden, um die Kerngeschichte und ihre Muster und Motive herauszuarbeiten. Neben der Herausarbeitung von Erzählstrukturen und -funktionen geht es hierbei vor allem auch um den Transfer von Erzählmotiven auf die gesellschaftlichen Ausdrucksformen und die gesellschaftliche Funktion von Erzählungen und Storytelling im Werbefilm.

3. Kulturwissenschaftliche Erzählforschung

3.1 Die Geschichte der Geschichten

Diese Arbeit widmet sich dem Storytelling in Werbefilmen. Doch Geschichten sind mit Nichten eine Erfindung der Marketingbranche. Bereits in der Vergangenheit erzählten sich die Menschen Geschichten zur Unterhaltung, aber auch um Moralvorstellungen oder Wissen weiterzugeben. Dies reicht bis hin zu Überlebensstrategien, die in Form von Geschichten vereinfacht und anschaulich weitergegeben wurden.13 Die auch im modernen Bildungsplan vorgesehene Methode der Wissensvermittlung mittels Geschichten, war also bereits damals verbreitet.

Über das mündliche Tradieren hinaus, lässt sich die mediale Geschichtenvermittlung auf die Höhlenmalerei zurückführen, die vor ca. 37.000 Jahren entstand. Inhalt deren waren meist Geschichten und Szenen aus dem alltäglichen Leben, wie die Jagd, die Geschlechterrollen oder soziale Beziehungen. Wie auch heute noch waren die Geschichten also Indikator für die Identität, die Beziehung zur Umwelt und zu Gruppen, sowie Moral- und Weltvorstellungen, um nur einige Beispiele zu nennen.14

Später waren vor allem Märchen, Sagen und Legenden bekannt. Darunter fallen die Märchen der Gebrüder Grimm genauso wie Wundergeschichten, die oft von Wandererzählern tradiert wurden, aber auch religiöse Geschichten, wie christliche Gleichnisse waren nicht unüblich. Der Einfluss dieser Geschichten- und Märchenwelt reicht noch bis in unsere heutige Vorstellungswelt hinein.

3.2 Verflechtung der Märchen- und der Marketingwelt

Werbungen sind oft von Charakteristika und Schemata der Märchenwelt durchzogen.

Die Funktionen einer Geschichte sind vielschichtig, jedoch fällt im Marketing auf, dass vor allem der Wiedererkennungswert einzelner Strukturen und die darauf aufgebaute Informationsvermittlung verwendet wird, um Produkte, Firmen, oder Einzelpersonen zu vermarkten. So tauchen zum Beispiel immer wieder Charaktere in Werbeclips auf, deren Eigenschaften an eine klassische Heldenfigur oder an ein Fabelwesen erinnern. Werbung soll schnell eingängig sein und eine Langzeitwirkung erzeugen. Bekannte, tradierte Strukturen und Charaktereigenschaften unterstützen dies insofern, dass sie unterbewusst und somit ohne langes nachdenken wahrgenommen werden und bereits mit Emotionen hinterlegt sind. Ohne lange Erklärungen kann somit eine hohe Wirkung erzielt werden und eine umfassende Geschichte hervorgerufen werden.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass mit den Modernen Sagen15 (auch: Urban Legend oder FOAF tale), die von Rolf Wilhelm Brednich als Abgrenzung zu klassischen Erzählformen eingeführt wurden, eine weitere Kategorie besteht, die sich traditionellen Erzählmustern bedient. Meist mündlich erzählt oder über soziale Netzwerke verbreitet, werden die traditionellen Legenden und Mythen innerhalb neuer Formen, oder eingebunden in die moderne Alltagswelt, als kürzlich geschehenes, wahres Ereignis glaubwürdig weitergegeben.

3.3 Erzählforschung heute

Obwohl das Storytelling in der Alltagswelt fest verankert ist und über eine triviale Rezeption hinaus, von einer hohen Einflussnahme des Marketingkontents auf die alltäglichen Verhaltensmuster, Moralvorstellungen, Kaufverhalten und vielem mehr auszugehen ist, wird es verhältnismäßig wenig reflektiert. In der Forschung dominiert eine wirtschaftsökologische Herangehensweise.

So standen im Mittelpunkt bisheriger Forschungen meist die Suche nach einer Anleitung für gelungenes Storytelling für Unternehmen. Darunter fallen die Struktur und der Aufbau, stilistische Elemente und subjektive Empfehlungen.16 Was bisher noch weitgehend unerforscht ist, sind die Auswirkungen und der Einfluss auf die Alltagswelt der Rezipienten, sowie die Aufnahme und individuelle Einordnung der Kontente von Seitens der Rezipienten.

Durch solche Forschung kann jedoch, wie auch durch die Forschung zu Modernen Sagen, ein Zugang zur Gesellschaft und zur Gegenwartskultur geschaffen werden.

4. Die Geschichte

4.1 Aufbau der Geschichte und Storyboard

Das Setting des Clips ist eine Kleinstadt nahe Toronto, die durch kleine Häuser in Pastellfarben auffällt - oder gerade nicht auffällt. Die Wohngegend ist nämlich geradezu unnatürlich sauber und gepflegt. Nichts kontrastiert die blasse Farbgebung der Häuser und der Kleidung der Bewohner. Zu Beginn des Clips sieht man ein silbernes Auto durch ein friedlich wirkendes Viertel fahren. Kinder tummeln sich lachend auf dem Spielplatz, ein altes Ehepaar führt einen kleinen weißen Hund aus. Ein Smash Cut führt den plötzlichen Bruch mit der Idylle herbei. Die nächste Szene zeigt die Protagonistin, das Gothic Girl in dem silbernen Auto. Das jugendliche Mädchen ist blass, hat schwarze Haare, schwarz geschminkte Augen und trägt schwarze Kleidung, sowie zwei schwarze Halsbänder. Es blickt mit einem introvertiert wirkendem Gesichtsausdruck zum Fenster hinaus (s. Abb.1).

Neben ihr im Auto sitzt ein bärtiger Mann mittleren Alters, der das Auto lenkt und besorgt zu dem Mädchen hinüberschaut. Erhält an. Das Mädchen steigt aus. Der Mann reicht dem Mädchen mit liebevollem Blick ihren Rucksack hinterher.

Auf dem Weg zur Schule und auch in der Schule selbst wird sie von den anderen Kindern und Jugendlichen, welche pastellfarben und weiß gekleidet sind, auffällig angesehen und ausgelacht (s. Abb.2).

Im Sportunterricht sitzt sie abseits auf einer Bank, während die anderen Kinder Ballspielen (s. Abb.3).

[...]


1 Anm.: Kurt Ranke, Ethnologe und Erzählforscher, sowie Mitherausgeber der Enzyklopädie des Märchens und der Fabula, Zeitschrift für Erzählforschung führte den Begriff des „homo narrans“ ein. Er sieht das Erzählen als fundamentales, menschliches Grundbedürfnis in der Vergangenheit, sowie in der Gegenwart an und fordert eine umfassende Erzählforschung. Vgl. Ranke, Kurt: Die Welt der einfachen Formen. Studien zur Motiv-, Wort- und Quellenkunde. Berlin/New York 1978, S. 268.

2 Watzlawick, Paul / Beavin, Janet H. / Jackson, Don D.: Menschliche Kommunikation. Stuttgart / Wien 1969, S. 53.

3 Vgl. Gottwald, Herwig: Spuren des Mythos in moderner deutschsprachiger Literatur. Theoretische Modelle und Fallstudien. Würzburg 2007, S. 323.

4 Vgl. Thier, Karin: Storytelling. Eine Methode für das Change-, Marken-, Projekt- und Wissensmanagement. Berlin / Heidelberg 32017, S. 8.

5 HORIZONT Online: Emotion ist nicht alles: Hornbach-CMO Jürgen Schröcker im Interview. Auf: HORIZONT (https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/-Emotion-ist-nicht-alles-Hornbach-CMO-Juergen-Schroecker-im-Interview-111504). Zugriff am 21.08.2018.

6 Brednich, Rolf Wilhelm: Methoden der Erzählforschung. In: Göttsch, Silke / Lehmann, Albrecht (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. Berlin 22007, S. 64.

7 Ebd., S. 62.

8 Vgl. Lehmann, Albrecht: Reden über Erfahrung. Kulturwissenschaftliche Bewusstseinsanalyse des Erzählens. Berlin 2007.

9 Brednich: Methoden der Erzählforschung (2007), S. 67.

10 Brednich: Methoden der Erzählforschung (2007), S. 67.

11 Vgl. Ebd., S.67.

12 Ebd., S. 66.

13 Vgl. Littek, Frank: Storytelling in der PR. Wie sie die Macht der Geschichten für Ihre Pressearbeit nutzen. München 2012, S. 12

14 Vgl. White 2012: Context and dating of Aurignacian vulvar representations from Abri Castanet, France

15 Anm.: Urban Legend, „[…] an apocryphal contemporary story, told as true but incorporating traditional motifs, and usually attributed to a friend of a friend.“ Aus: Brunvand, Jan Harold: American folklore: An Encyclopedia. New York / London 1996, S. 730.

16 Vgl. Kaufman, Barbara: Stories that SELL, stories that TELL. Journal of Business Strategy 2 (2003).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Storytelling im Marketing
Untertitel
Die Kampagne "Say it with your project" von Hornbach
Hochschule
Universität Regensburg
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V909387
ISBN (eBook)
9783346222527
ISBN (Buch)
9783346222534
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hornbach, kampagne, marketing, storytelling
Arbeit zitieren
Talena Burger (Autor:in), 2018, Storytelling im Marketing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/909387

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