Vaterlandsliebe und Patriotismus in Deutschland

Gibt es mehr Patrioten in Deutschland als man denkt?


Hausarbeit, 2019

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. These
1.2. Methode
1.3. Definition

2. Entwicklung des Patriotismus
2.1. Durch die Epochen
2.1.1. Entstehung und Wandel in der Antike
2.1.2. Aufklärung und 18. Jahrhundert
2.1.3. Unterdrückung im Nationalsozialismus
2.1.4. Nachkriegszeit und geteiltes Deutschland bis zum Verfassungspatriotismus
2.2. Abgrenzung zum Nationalismus
2.3. Verfassungspatriotismus

3. Fazit
3.1. Methodenbewertung
3.2. Schlussfolgerung

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Zum Patriotismus gibt es viele verschiedene Interpretationen. Es gibt den nationalen Patrio-tismus der rechten Szene, es gibt den feiernden Patriotismus der Fußball-Weltmeisterschaft. In der Fachwelt wird außerdem der Verfassungspatriotismus diskutiert. Dabei geht es um ei-nen von Dolf Sternberger geprägten Begriff, welcher dem nationalen Patriotismus gegenüber-steht und den Patriotismus wieder in die Mitte der Gesellschaft holen soll. Worum es im Patrio-tismus wirklich geht, versuche ich in dieser Arbeit zu klären und zu belegen.

1.1. These

Der Patriotismus ist eine moralische Grundeinstellung für den Einsatz am Gemeinschaftswohl. Dabei ist die Gemeinschaft nicht zwangsweise an den Begriff des Vaterlandes geknüpft. Der Patriotismus ist sehr viel unabhängiger von der deutschen Übersetzung und universeller zu verstehen. Daher werde ich erörtern inwiefern patriotische Elemente durch die Epochen ent-standen, untergingen und wieder zum Vorschein kamen. Die Grundlage des Patriotismus blieb dabei immer dieselbe und hat sich nur auf unterschiedliche Art und Weise gezeigt.

1.2. Methode

Zuerst werde ich den Begriff des Patriotismus eingrenzen und definieren, um die eigentli-che Herkunft und Bedeutung zu präzisieren. Zur Klärung und zum Nachweis meiner The­se werde ich die historische Entwicklung des Begriffs des Patriotismus in Deutschland betrachten. Dazu untersuche ich die Entstehung oder Aufnahme des Begriffs in vier Epo-chen. Von der Entstehung und dem Wandel in der Antike, über die Ermächtigung im 18. Jahrhundert, die Unterdrückung während des Nationalsozialismus bis zur Rückbesinnung im geteilten Deutschland. Durch die Abgrenzung zum Nationalismus wird die Bedeutung des Verfassungspatriotismus deutlich. Nach der Erläuterung des Verfassungspatriotismus ziehe ich ein Fazit.

1.3. Definition

Patriotismus wird in Deutschland übersetzt mit Vaterlandsliebe. Mit diesem Begriff haben viele Deutsche Probleme und würden sich ungern als Patrioten bezeichnen, weil es zu sehr an den Nationalisten oder Chauvinisten grenzt. Man würde sich verbunden zeigen Vaterlandsliebe in mit der dunklen Vergangenheit Deutschlands und das möchte keiner.1 Es gibt viele Defini-tionen und Spielarten des Patriotismus. Die Definition des idealen Patrioten aus einer Zeit vor dem Nationalismus ist die treffendste und ursprünglichste Art und Weise, den Patrio-tismus zu beschreiben. Das griechische Wort ‚Patria’ steht für die Abstammung und das Geschlecht, dem man angehörte. Im Lateinischen kommt die Verehrung der Vaterstadt Rom hinzu.2 Im 18. Jhd. entstand der Typus des idealen Patrioten, welcher nicht nur Bür-ger, sondern ein guter Bürger ist.3 Der Patriot sollte ein Interesse an der Wohlfahrt haben und rechtschaffen handeln.4 Er sollte also immer das Wohl seines Umfelds im Blick ha-ben, nicht nur das seiner Familie, sondern darüber hinaus auch das seiner Gesellschaft bzw. Gemeinschaft. Dabei wird nie genau spezifiziert, wie groß seine Patria ist. Es könnte sein Dorf, seine Stadt, seine Region, sein Land oder sogar ganz Europa sein. Auch der Grundstein für einen universellen Anspruch der Patrioten liegt schon in dieser Epoche und der fehlenden Spezifikation der Größe der Patria. Denn der perfekte Patriot soll für die Rechte der gesamten Menschheit eintreten. Er ist global und universell.5 Der Patriotismus kann wachsen und sich verändern. Man ist nicht nur Patriot, wenn man diesem Idealbild des Patrioten entspricht. Der persönliche Patriotismus kann auch in kleinen alltäglichen Dingen beginnen und zu größerer Teilhabe wachsen. Er soll sogar eine alltägliche Tugend sein und nicht nur bei Gelegenheit präsentiert werden.6

In erster Linie, vor dem Nationalismus, war der Patriot das Idealbild des aufgeklärten Bür-gers, sogar eines Bürgers in einer Monarchie. Er war einfach ein guter Mensch, bestimmt von Altruismus, Wohlfahrt und Rechtschaffenheit.7 Jedoch entstand dieses Ideal in der Zeit der Aufklärung und fordert daher auch den Staat bzw. den Landesherren auf, diesen Tugenden zu folgen. Um einen Staat aufzubauen, in dem die Wohlfahrt und Rechtschaf-fenheit des Patrioten zur Geltung kommt, war ein Wandel in der Verfassung und in den Gesetzen erforderlich. Denn solange der Landesvater willkürlich Gesetze einführen und Steuern erheben kann, ist der Patriot machtlos.8 So wurde aus dem Begriff, der einen gu-ten Bürger beschreibt, eine Bewegung, die nach einer freien und gerechten Verfassung fragt. Mithilfe dieser Verfassung, welche Teilhabe und Einfluss seitens der guten Bürger ermöglicht, wird aus dem Staat ein Vaterland.9 Diese Bewegung erhielt also durch ihren Begriff des Patriotismus, welcher doch auf guten und verständlichen Tugenden basiert, Legitimation zur Selbstermächtigung der mündigen Bürger.10

Heute sollte der Begriff Patriot ebenso wie im 18. Jahrhundert einen guten Bürger be-schreiben, der sich mithilfe der ihm durch die Verfassung zugedachten Rechte und Mög-lichkeiten in seine Gesellschaft positiv einbringt und versucht etwas zu verbessern. Gera-de heutzutage in einer Demokratie sollte unsere Gesellschaft eine Bürgergesellschaft sein, in der ein funktionierender Gemeinsinn11 und der Einsatz für andere über Egoismus siegt.

2. Entwicklung des Patriotismus

2.1. Durch die Epochen

2.1.1. Entstehung und Wandel in der Antike

Der Patriotismus entstand in der frühen Antiken zusammen mit den ‚polis’, den Stadtstaa-ten. Allerdings gab es damals noch keine Nationen, sondern nur politische Gemeinschaf-ten mit einem gemeinsamen Versammlungsort. „Auch im antiken Griechenland hatte der ‚Patriotismus’ ursprünglich nichts mit einem Vaterland im Sinne eines Territoriums zu tun, sondern bezog sich ebenfalls auf Personengemeinschaften - allerdings, anders als in der neuzeitlichen Bürgergesellschaft, auf eine Elite, auf eine kleine Zahl von ‚Bürgern’, die polites. “ 12 In Rom gab es dann die ,patria civitatis ’ . Diese stand für jene politische Idee, die alle Individuen, die das römische Bürgerrecht besaßen, zu einer Gemeinschaft, dem römi-schen Staat, verband.13 Hier im Römischen Reich entstand der Sprung vom Patrioten der unmittelbaren Gemeinschaft zum Patrioten als jemanden, der für das Recht und die Ver-fassung aller Bürger einsteht. Es gab jedoch nicht mehr den völkischen Aspekt, denn im Römischen Reich lebten sehr viele Völker und die meisten Provinzbewohner erhielten das Bürgerrecht. Ein Imperium vieler Völker lässt sich besser regieren, wenn alle den gleichen Gesetzen bzw. der gleichen Verfassung unterstehen. Dieser bürgerliche Patriotismus, welcher sich auf eine Verfassung und eine Republik berief, sollte in der frühen Neuzeit wiederauferstehen.

2.1.2. Aufklärung und 18. Jahrhundert

Rudolf Vierhaus geht in seinem Aufsatz „Patriotismus - Begriff und Realität einer mora-lisch-politischen Haltung“ auf den Patriotismus im 18. Jhd. ein. Dieser Patriotismus war, wie schon bei der Definition erwähnt, ein Idealbild des aufgeklärten, guten Bürgers. In der Mitte des 18. Jhd. wurde in Deutschland das Fehlen eines deutschen Patriotismus ange-prangert.14 Jedoch verbreitete sich der Patriotismus spätestens ab der französischen Re­volution in ganz Europa. Schriftsteller schrieben als Patrioten, und auch Herrscher mein-ten patriotisch und aufgeklärt zu handeln und forderten dies von ihren Untertanen.15 Die Herrscher benutzten die Sprache dieser neuen Bewegung, um sich selbst zu legitimieren und einer Revolution wie in Frankreich entgegen zu wirken. Durch die literarische Rezep-tion der Antike und deren Heldengeschichten wurde klar, dass es darum ging, den Ge-meinnutz über den Eigennutz zu stellen und dabei war die Todesbereitschaft das ultimati-ve Opfer und der Test für wahren Patriotismus.16 Doch genau durch diese Eigenschaften des Patriotismus in dieser Zeit konnten Herrscher patriotische Aussagen nutzen, um den Dienst der Bürger und deren Hingabe geradezu zu fordern.17 Daraus entstand wiederum auch die Erwartung der Bürger, dass die jeweiligen Herrscher zum Wohle ihres Landes handeln würden und zum Wohl der ganzen Gesellschaft. Dazu gehören klare und be-gründete Gesetze, welche dem Gemeinwohl zugutekommen und keine despotischen Handlungen über das geltende Recht hinweg. Grundlage dieses beiderseitigen Patriotis-mus ist die Freiheit der Bürger und das Gefühl Aller, dazu zu gehören.18 So kam durch die Aufklärung und den Patriotismus auch die Selbstermächtigung der Bürger und die Forde-rung nach einer Verfassung in diese Epoche, denn: „Nur in einer freien Verfassung kann der Patriot leben und pflichtgemäß arbeiten, und dann seine politischen Pläne weiter trei-ben, als es bisher möglich war.“19

2.1.3. Unterdr ü ckung im Nationalsozialismus

Heutzutage meinen Viele, dass der Begriff des Vaterlandes und der Patriotismus zu sehr an die Zeit des Nationalsozialismus erinnere und dadurch unbenutzbar geworden sei. Da-gegen sprach Dolf Sternberger. Ihm zufolge habe Hitler den Begriff des Patrioten oder Patriotismus nie für sich in Anspruch genommen.20 Tatsächlich liest man bei der Propa­ganda der NSDAP kaum etwas von Vaterland oder über einen Patrioten. Bei Hitler ging es immer wieder um das Volk. In diesem Volk gab es die verfolgten Minderheiten, außerdem natürlich die Minderheit derjenigen, „die durch ihre Stellung oder Überzeugung auf Gedeih und Verderb mit dem Nationalsozialismus verbunden waren“21 und die Masse der Bevöl-kerung, welche zwischen Mitläufertum und leiser Kritik schwankte.22 Die Patrioten dieser Zeit waren die unterdrückten Aufrührer und Exilanten und Drahtzieher von Attentatsversu-chen. Der Begriff des Patrioten hatte in dieser Zeit nur wenig Kraft, da man durch öffentli-ches soziales Engagement entweder zur Zielscheibe der NSDAP wurde oder zum Mitglied derselben. In dieser Zeit hieß es mitmachen oder besser nichts machen.

„Überall und zu allen Zeiten sind die meisten Menschen weder Helden, noch möchten sie ihr kleines persönliches Glück durch politisches Engagement, zumal im Widerstand gegen eine erbarmungslose Obrigkeit, gefährden. Sie neigen in der Regel zum Konformismus. Vor allem aber beurteilen sie die Welt vor dem eigenen Erfahrungshorizont und nicht nach den - noch so schrecklichen - Erlebnissen anderer.“23

2.1.4. Nachkriegszeit und geteiltes Deutschland bis zum Verfassungspatriotismus

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Engagement von den Siegermächten untergraben. „Dort, wo diese [die Deutschen] noch im Umbruch selbsttätig an den Neuaufbau gingen, wurden sie von den Militärregierungen vielfach entmutigt wie bei der Auflösung der weit verbreiteten Antifaschistischen Ausschüsse.“24 Außerdem kam durch die Teilung die Fra-ge auf: „Was ist des Deutschen Vaterland, nämlich, welches ist unsere Patria in diesem geteilten Land und Volk?“25 Das neue Grundgesetz wurde mit Gedanken an ein vereintes Deutschland geschrieben, obwohl nicht sicher war, ob es jemals wieder ein vereintes Deutschland geben würde.

In dieser Stimmung der Niedergeschlagenheit und Unsicherheit über jegliche Gefühle und Meinungen dem Staat gegenüber schrieb Dolf Sternberger über Patriotismus, Staat und die Gesetzgebung. Er prägte den Begriff des Verfassungspatriotismus und meint, „daß es keine Freiheit geben kann ohne Staat.“26 Er erinnert an den Geist des Patriotismus. Es geht um ein Vaterland, in dem man frei leben, sich politisch oder sozial engagieren kann und selbst die gewünschten Veränderungen mit den verfassungsrechtlichen Mitteln um-setzt. Es geht ihm gerade in dieser Zeit nach den Verbrechen des Krieges nicht um Stolz, sondern um das Streben zu einem Ideal hin. Er versucht den Patriotismus in Deutschland in die Zukunft blicken zu lassen. Die Vergangenheit ist nicht wichtig für ein patriotisches Gefühl, sondern in welchem System wir jetzt leben und was dadurch möglich werden kann. Er sieht das Grundgesetz nicht als nüchterne Rechtsnorm, sondern als 'lebende Verfassung'.27

[...]


1 Günter Birtsch, Erscheinungsformen des Patriotismus, in: Patriotismus 4. 1989, S. 3–5, hier S. 3.

2 Reinhart Koselleck, Patriotismus. Gründe und Grenzen eines neuzeitlichen Begriffs, in: Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, hg. v. Willibald Steinmetz, Frankfurt am Main 20061, S. 218–238, hier S. 219.

3 Ebd., S. 220.

4 Rudolf Vierhaus, "Patriotismus" - Begriff und Realität einer moralisch-politischen Haltung, in: ders. (Hg.), Deutschland im 18. Jahrhundert. Polit. Verfassung, soziales Gefüge, geis-tige Bewegungen ; ausgew. Aufsätze, Göttingen 1987, S. 96–109, hier S. 97.

5 Koselleck 2006, S. 224.

6 Vierhaus 1987, S. 102.

7 Ebd., S. 98.

8 Ebd., S. 101.

9 Koselleck 2006, S. 221.

10 Ebd.

11 Volker Kronenberg, "Verfassungs- patriotismus" im vereinten Deutschland, in: Aus Poli-tik und Zeitgeschichte 2009. 2009, S. 41–46, hier S. 3.

12 Volker Kronenberg, Schlüsselbegriff des Politischen oder Anachronismus? Der Patrio­tismus in Zeiten von Europäisierung und Globalisierung, in: Die Politische Meinung Ju-li/August 2012. 2012, 25-31, hier S. 26.

13 Ebd., S. 27.

14 Vierhaus 1987, S. 104.

15 Ebd., S. 100.

16 Koselleck 2006, S. 226.

17 Vierhaus 1987, S. 104.

18 Ebd., S. 106.

19 Koselleck 2006, S. 221.

20 Dolf Sternberger, Verfassungspatriotismus, in: Peter Haungs u. Dolf Sternberger (Hg.), Verfassungspatriotismus, Bd. 10 (= Schriften, Bd. 10), Frankfurt a.M. 1990, S. 13–31, hier S. 19.

21 Peter Brandt, Universelle Werte und Nationalkultur. Was ist deutscher Patriotismus?, in: Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte. 2005, S. 36–39, hier S. 4.

22 Ebd.

23 Ebd.

24 Ebd.

25 Sternberger 1990, S. 19

26 Ebd., S. 14.

27 Thomas Schölderle, Verfassungspatriotismus und politische Bildung, in: GWP - Gesell-schaft. Wirtschaft. Politik. 2010, S. 337–344, hier S. 337.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Vaterlandsliebe und Patriotismus in Deutschland
Untertitel
Gibt es mehr Patrioten in Deutschland als man denkt?
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Friedrich-Meinecke-Institut)
Veranstaltung
Seminar: Spielarten des Patriotismus
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
13
Katalognummer
V910091
ISBN (eBook)
9783346205964
ISBN (Buch)
9783346205971
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Patriotismus, Verfassungspatriotismus, Nationalismus, Vaterlandsliebe, Deutschland, Neueste Geschichte, Geschichte
Arbeit zitieren
Joram Deckert (Autor:in), 2019, Vaterlandsliebe und Patriotismus in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/910091

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