Europäische Zentralbank und Federal Reserve Bank im Vergleich. Die Wirtschaftsprobleme im europäischen Raum und mögliche Lösungsansätze


Akademische Arbeit, 2020

33 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die EZB im Vergleich zur FED
2.1 Organisation
2.2 Aufgabenbereiche und Finanzinstrumente
2.3 Einfluss der Regierung und Rechenschaftspflicht
2.4 Währungsraum und Verwaltungsprobleme
2.5 Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede

3. Herausforderungen an die EZB und Lösungsansätze
3.1 Bilanzausweitungen und Niedrigzinspolitik der EZB
3.1.1 Inflations- bzw. Deflationsgefahr
3.1.2 Unabhängigkeitsgefährdung aufgrund Staatsfinanzierung
3.2 Wirtschaftskrisen
3.3 Die gefährdete Stabilität der Euro-Zone

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Heutzutage ist Geld in einer Volkswirtschaft als Tausch/Zahlungsmittel nicht mehr wegzudenken. An die Zeiten, in denen noch mit Gütern wie Gold oder Edelsteinen getauscht werden musste, möchte sich niemand mehr erinnern. Allein die Teilbarkeit und die Transparenz der Preise macht Geld zu einem besseren Zahlungsmittel. Ob es sich nun um Münzgeld, Banknoten oder Giralgeld handelt, spielt keine Rolle, wobei Ersteres langsam einen Abschied nehmen muss. Geld hat aber zusätzlich noch die Funktion eines Wertaufbewahrungsmittels. Hier zeigt sich der Vermögenscharakter des Geldes, der vor allem auf dem Vertrauen der Menschen beruht.1 Diese Funktion des Geldes lässt sich grob in zwei Arten unterscheiden. In die Vorsichtskasse, die auch mit einem Notgroschen vergleichbar ist, gehen Ersparnisse für ungewisse aber bei Eintritt dringliche Ereignisse, wie ein Versagen des Kühlschrankes. Die Vorsichtskasse wird vor allem bei ungewissen Wirtschaftslagen durch das Angstsparen der Menschen gefüllt. Die Spekulationskasse wiederum beinhaltet die Wertpapiere oder andere Anlageformen der Menschen. Hier wird auf Gegenwartskonsum verzichtet, um durch Zinsen das Geld für sich selbst arbeiten zu lassen. Diese Kasse ist vor allem abhängig von den Zukunftserwartungen bezüglich der Konjunktur und der damit verbundenen Wertentwicklung der Anlageformen.

Durch die Einführung von Geld in den Volkswirtschaften wurden aber nicht alle Probleme des Tauschhandels gelöst. Das erste Problem war, dass nun jede Volkswirtschaft eine andere Währung hatte. Wenn nun staatenübergreifend gehandelt werden wollte, bedarf es bestimmten Wechselkursen. Diese Wechselkurse müssen wiederum irgendwie festgelegt werden, um den Handel zu erleichtern. Nach dem Beschluss auf eine Gemeinschaftswährung in Europa in den Verträgen von Maastricht in 19922, wurde auch schnell klar, dass diese Währung irgendwie gesichert werden musste. Dies war die Geburtsstunde der EZB. Das nächste Problem war nun, dass das Vertrauen in diese Währung beibehalten werden musste, da sie sonst keinen Wert mehr besitzt. Deutlich wurde diese Abhängigkeit einer Währung vom Vertrauen darin nach dem Ersten Weltkrieg. Die Hyperinflation von 1923 in Deutschland sorgte dafür, dass die Menschen ihren Lohn täglich in Tüten und Reisetaschen abholen mussten.3 Der Auslöser war, dass Banknoten nur noch mit Staatschuldpapieren gedeckt werden konnten. Durch die hohen Kriegskosten wurde also immer mehr Geld gedruckt und der Staat musste sich somit mehr verschulden. Hinzu kamen die hohen Reparationsforderungen gegen Deutschland. Da dem Geldmengenwachstum kein vergleichbarer Anstieg der Gütermengen entgegenstand, war die Preissteigerungsrate enorm, was damals zu einer Währungsreform führen musste.

Heutzutage sollen diese Probleme durch die Zentralbanken, auch Währungshüter genannt, vermieden werden. Sie sind Instrumentarien für ganze Währungsräume, wie den Euroraum und die USA, die, im besten Fall, unabhängig von den Regierungen unterstützend handeln und die Beständigkeit der Währung sichern.

Das führt zum Thema dieser Projektarbeit. Im Folgenden soll die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Federal Reserve System (FED) verglichen werden. Aufbauend darauf werden Probleme, die in einem Währungsraum aufkommen können, am Beispiel des Euroraums analysiert und gleichzeitig Lösungsvorschläge für die EZB für den Umgang mit diesen Problemen ermittelt.

2. Die EZB im Vergleich zur FED

Das BIP in den USA betrug im Jahre 2018 rund 20,6 Billionen US-Dollar4, was sie zur größten Volkswirtschaft der Welt macht (vgl. BIP Euro-Zone 2018: 11,57 Billionen Euro5 ). Der amerikanische Währungsraum ist also größer als der, der Euro-Zone. Beide besitzen eine Zentralbank, die diesen Währungsraum stabilisieren soll. Auch wenn diese sich sehr ähnlich sind, gibt es Unterschiede in deren Organisation und Aufgabenbereichen und den Problemen, mit denen sie in ihren jeweiligen Währungsräumen konfrontiert werden. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden im Folgenden dargestellt.

2.1 Organisation

Die EZB wurde am 1.06.1998 als gemeinsames Tochterinstitut der nationalen Zentralbanken in Europa mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet. Heute sind bei dem Herzstück des Eurosystems mehr als 3500 internationale Mitarbeiter angestellt, die mit den nationalen Zentralbanken – im Rahmen der Bankenaufsicht – die Geldpolitik in Europa bestimmen6. Zusammen ergeben die EZB mit den anderen Zentralbanken das europäische System der Zentralbanken (ESZB).

An der Spitze der EZB steht der EZB-Rat. Dieser setzt sich aus der Präsidentin Christine Lagarde, dem Vizepräsidenten Luis de Gindos, den übrigen vier Mitgliedern des Direktoriums und den 19 Präsidenten der nationalen Zentralbanken der europäischen Mitgliedstaaten zusammen. Alle Direktoriumsmitglieder, inklusive der Präsidentin und dem Vizepräsidenten, werden vom Europäischen Rat mit einer nicht verlängerbaren Laufzeit von 8 Jahren ernannt. Um ein gleichzeitiges Ausscheiden zu vermeiden wurden die Amtszeiten gestaffelt. Die Stimmverteilung ergibt sich im EZB-Rat wie folgt: Die Direktoriumsmitglieder haben ein permanentes Stimmrecht und die Stimmrechte der übrigen Mitglieder rotieren seit dem Beitritt Litauens am 01.01.2015 zum Euro-Währungsgebiet im monatlichen Turnus, da seit diesem Zeitpunkt die Mitgliederanzahl von 18 überschritten wurde. Diese Grenze wurde gewählt, um dem EZB-Rat seine Handlungsfähigkeit trotz immer neuen Mitgliedereinstiegen zu gewährleisten. Für die Verteilung wurden die Mitglieder nach Wirtschaftskraft und Größe des Finanzsektors in Gruppen unterteilt. Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und die Niederlande (Ränge eins bis 5) teilen sich 4 Stimmen und die übrigen 14 Ränge teilen sich elf Stimmen.7

Als letztes Organisationselement kommt noch der erweiterte EZB-Rat hinzu, durch den sich die Präsidenten der Nationalbanken der Nicht-Euro Länder an den Tagungen des EZB-Rats beteiligen können. Insgesamt gilt also im Eurosystem der Grundsatz „zentrale Entscheidungsfindung – dezentrale Ausführung“8, da die Beschlüsse der EZB von den nationalen Zentralbanken umzusetzen sind.

Das Federal Reserve System wurde 1913 gegründet und hat seinen Sitz in Washington D.C. Es besteht aus dem Board of Governors, der sich widerum aus 7 Mitgliedern mit Jerome Powell als Präsident zusammensetzt, und den zwölf regionalen FRBs. Die Mitglieder des Board of Governors werden auf 14 Jahre vom Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt und die Präsidenten der FRBs von den Direktoren der FRBs auf fünf Jahre. Das wichtigste Gremium des FED ist das Federal Open Market Committee (FOMC). Dieses setzt sich aus dem Präsidenten der FRB aus New York, dem Board of Governors und vier Mitgliedern aus den zwölf Vorsitzenden der FRBs, die einer Rotation unterliegen, zusammen. Jedes Mitglied des FOMC hat ein gleiches Stimmrecht.

2.2 Aufgabenbereiche und Finanzinstrumente

Die historische und allgemeine Hauptaufgabe der Notenbanken ist die Versorgung des Marktes mit Geld. Dies passiert bei der EZB im Wesentlichen durch die Versorgung der nationalen Zentralbanken, die dieses dann im Auftrag der EZB an die Unternehmen, die Haushalte und den Staat verteilen. Eingeführt wurde diese Aufgabe durch das Monopol des Banknotendrucks und des Erschaffens von Münzen gesichert. Somit konnte beispielsweise verhindert werden, dass Staaten in Europa ihre eigene Währung entwerten, indem zu viel davon auf dem Markt ist.

Das ist aber nicht die einzige Aufgabe der EZB. Entscheidender für EU-Mitgliedstaaten ist die Festlegung des Leitzinssatzes. Der Leitzins gibt Auskunft darüber, welche Art der Geldpolitik angestrebt wird. Bei einer expansiven Wirtschaftspolitik, ohne Gefahr einer Inflation wegen einem zu großen Geldangebot, gelten eher niedrigere Zinssätze, um beispielsweise die Wirtschaft zu stärken und die Kreditvergabe zu erleichtern. Bei Gefahr einer Inflation werden die Zinsen erhöht, um das Geldangebot zu verringern und somit der Entwertung entgegenzuwirken. Des Weiteren hält die EZB Währungsreserven.

Das wichtigste Element zur Erfüllung dieser Aufgaben sind die Offenmarktgeschäfte. Hierbei tritt die EZB selbst auf dem Markt auf, um die Banken durch Kauf oder Verkauf von Wertpapieren Geld zur Verfügung zu stellen oder Geld vom Markt abzuschöpfen. Die sog. Hauptrefinanzierungsgeschäfte haben eine Laufzeit von einer Woche und sind die Haupteinnahmequelle der Banken. Es werden von der EZB festverzinsliche Wertpapiere der Geschäftsbanken zum Tageskurs zum Leitzinssatz gekauft. Die Zuteilung dieses Geldes erfolgt entweder durch den Zinstender, wobei die Geschäftsbanken den Betrag an Geld festlegen und den Zins, den sie bereit sind, dafür zu bezahlen. Die EZB legt dann einen Geldbetrag fest, der vergeben wird und verteilen diesen anteilig an die Höchstbietenden. Oder sie erfolgt durch den Mengentender. Hierbei wird von der EZB ein Geldbetrag zu einem festen Zins vergeben und die Banken müssen lediglich den Betrag nennen, den sie erhalten wollen. Gegebenenfalls wird eine Zuteilungsquote errechnet.9 Die gleiche Form der Refinanzierung gibt es auch über einen längeren Zeitraum, Basistender genannt.

Um kurzfristige Liquidität zu sichern gibt es noch einerseits die Spitzenrefinanzierungsqualität, bei der Banken einen Kredit mit einer Laufzeit von einem Tag gewährt bekommen. Der Zinssatz hierbei ist gleichzeitig die Obergrenze des täglichen Zinskanals (vgl. Abbildung 2), da keine Bank zur Refinanzierung mehr Zinsen bezahlen würde als bei der EZB. Andererseits gibt es die Einlagefazilität, bei der die Banken ihr Geld über Nacht bei der EZB lagern können. Dieser Zinssatz legt die Untergrenze für den Zinskanal fest, da keine Bank ihr Geld für einen geringeren Zins anlegen würde.10

Vor allem um Krisen zu bewältigen kann die EZB ebenso am Kapitalmarkt aktiv werden und Staats- bzw. Unternehmensanleihen erwerben. Das Kursrisiko liegt hier bei der EZB. Auf die hiermit korrespondierenden Probleme wird in einem späteren Kapitel eingegangen.11

Zu guter Letzt steuert die EZB den Geldmarkt noch über ihre Mindestreservepolitik. Diese besagt, dass Geschäftsbanken aktuell 0,5%12 ihrer Sicht-, Termin- und Spareinlagen bei der EZB hinterlegt haben müssen, welche zum Zinssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte verzinst werden. Je höher dieser Prozentsatz ist, desto weniger Geld können die Banken in Form von Krediten vergeben.

Insgesamt kann die Strategie für den Einsatz dieser geldpolitischen Instrumentarien also als eine Zwei-Säulen-Strategie verstanden werden. Die erste Säule ist die wirtschaftliche Analyse, bei der wirtschaftliche Indikatoren zur Bestimmung der Politik benutzt werden und die zweite Säule ist die monetäre Analyse. Hierbei ist das Wachstum der Geldmenge der Ansatzpunkt. Die angestrebten 4,5% setzen sich aus der angestrebten Preissteigerung (2%), dem angestrebten Wirtschaftswachstum (2%) und der schneller werdenden Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (0,5%) zusammen.13

Beim FED sehen die Aufgaben ähnlich aus. Jedoch hat es mehrere gleichberechtigte Ziele, im Gegensatz zum Eurosystem, in dem die Preisniveaustabilität das oberste Ziel ist. Im Federal Reserve Act heißt es hier “the board of governers […] shall maintain long run growth of the monetary […] aggregates […], so as to promote effectively the goals of maximum employment, stable prices and moderate long-term interest rates.”14 Diesem Auszug ist eine Geldmengenpolitik mit dem Ziel der Vollbeschäftigung, stabilen Preisen und mäßigen Zinsen abzuleiten. Diese Aufgabe der Durchführung der Geldpolitik durch Beeinflussung der monetären Bedingungen wird aber begleitet von der Überwachung und Regulierung des Bankensystems, der Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems (gemeint sind hier die Zinsen) und der Zurverfügungstellung von Dienstleistungen an die Regierung.15 Ein sogenanntes „Inflation Targeting“ wird vom FED aber ebenso betrieben. Die Strategie, die mit diesen Zielen verfolgt wird, lässt sich als ein „Multi-Indikatoren-System zur Prognose der Inflations- und Konjunkturentwicklung“16 beschreiben. Das Board of Governers nutzt also sämtliche Indikatoren der Wirtschaftsanalyse, um beispielsweise eine künftige Preissteigerung wegen positiven Wirtschaftsaussichten zu prognostizieren. Bei dieser Strategie kann lediglich bemängelt werden, dass eine absolute oder relative Kennzahl fehlt, an die sich auch die Bevölkerung richten kann, wenn sie die Tätigkeiten des FED beurteilen möchte.

Um diese Strategie durchzusetzen und die Ziele zu erreichen, arbeitet das FED ebenso mit Offenmarktgeschäften. Diese werden aber einzig allein mit dem Kauf und Verkauf von Staatsanleihen, entweder über endgültige Käufe/Verkäufe oder über Geschäfte mit Rückkaufsvereinbarung (Repos), durchgeführt.

Zusätzlich zu der Offenmarktpolitik hat das FED auch die Möglichkeit einer Zinspolitik, wie sie im Eurosystem vorhanden ist. Diese Diskontpolitik mit dem dazugehörigen Diskontsatz soll Banken mit Liquiditätsproblemen eine Hilfestellung bieten. Derzeitig beträgt dieser Zinssatz 0,25%17. Angelehnt ist dieser Zinssatz an die „Federal Funds Rate“, die als der amerikanische Leitzinssatz zu verstehen ist.

Entsprechend niedrig ist dieser Zinssatz aufgrund der aktuellen Lage, in der die Liquiditätsbeschaffung keine Probleme bereiten soll.

Das dritte und letzte Instrumentarium des FED ist die Mindestreservepolitik. Von Grund auf ist diese mit der des Eurosystems vergleichbar, da sie lediglich besagt, dass Banken ein Mindestreserve-Soll, abhängig von ihren Einlagen, bei der Zentralbank halten sollen. Im Gegensatz zum Eurosystem sind diese Einlagen aber unverzinst und es werden Bargeldbestände angerechnet. Da die Einlagen unverzinst sind, versuchen die Banken die Mindestreserve zu verringern, indem sie Einlagen über das Wochenende in von dieser Pflicht befreiten Sparkonten, sog. „Money Market Deposit Accounts“, lagern. Die Kunden merken hiervon nichts und vom FED ist dieser Schritt nicht untersagt. Da die Mindestreserve aber eigentlich eine Stabilisierungsfunktion besitzt, bietet das FED die Möglichkeit an, freiwillig Geld bei ihr zu lagern, das mit dem Zinssatz der Federal Funds Rate verzinst wird und dessen Zinsen dazu dienen, Dienstleistungen des FED zu bezahlen.18

Um in Zeiten der Corona-Pandemie die Liquidität zu sichern, hat Jerome Powell im März aber verkündet, dass das Instrumentarium der Mindestreserve ausgesetzt wird.19

2.3 Einfluss der Regierung und Rechenschaftspflicht

Der Einfluss, den die jeweilige Regierung auf die beiden Zentralbanken auswirken kann, ist einer der größeren Unterschiede in den beiden Währungssystemen. So heißt es im Artikel 108 des EG-Vertrags : „Bei der Wahrnehmung der […] Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank […] Weisungen […] der Mitgliedstaaten […] einholen oder entgegennehmen.“20 21 In der Praxis ist diese Unabhängigkeit nochmal in fünf Teile untergliedert. Die institutionelle Unabhängigkeit besagt, dass die EZB keine Weisungen von Mitgliedstaaten annehmen darf. In der persönlichen Unabhängigkeit ist geregelt, dass die Mitglieder des Direktoriums in der acht-jährigen Amtszeit nur aus schwerwiegenden Gründen ihres Amtes enthoben werden dürfen. Die funktionelle Unabhängigkeit gibt der EZB das Monopol in der Zuständigkeit zur Erreichung des Zieles Preisniveaustabilität. Die finanzielle Unabhängigkeit sorgt dafür, dass die EZB über einen eigenen Haushalt und eigene Einnahmen verfügt und die rechtliche Unabhängigkeit gibt ihr eine eigene Rechtspersönlichkeit. Damit soll sichergestellt werden, dass die EZB nicht beeinflusst werden kann und, dass Regierungen keinen Druck auf sie ausüben können. Als Form der Gegenkontrolle ist die EZB dem Europäischen Parlament gegenüber als Vertretung der EU-Bürger rechenschaftspflichtig. Dies passiert in Form von Jahresberichten und in Form der Teilnahme an den vierteljährlichen Anhörungen des Ausschusses für Wirtschaft und Währungen des Europäischen Parlaments. Des Weiteren haben die Mitglieder im Europäischen Parlament die Möglichkeit, schriftliche Fragen an die EZB zu stellen. Um darüber hinaus auch Transparenz den EU-Bürgern gegenüber zeigen zu können, veröffentlicht die EZB achtmal im Jahr jeweils zwei Wochen nach einer geldpolitischen Sitzung den Wirtschaftsbericht als Grundlage für ihre geldpolitischen Beschlüsse und einen konsolidierten Wochenausweis für Informationen zu geldpolitischen Operationen, Devisengeschäften und Anlagegeschäften. Hinzu kommt alle sechs Wochen eine Pressekonferenz im Anschluss an geldpolitische Sitzungen des EZB-Rats zur Festsetzung der Leitzinsen und eine Zusammenfassung zu jeder dieser Sitzungen. Auch die Direktoriumsmitglieder selbst halten sich in der Öffentlichkeit nicht zurück und sind auf sozialen Medien aufzufinden und geben regelmäßig Interviews.22

In Hinsicht auf die Unabhängigkeit hat das FED eine schwächere Stellung, denn es existiert keine Rechtsgrundlage für die Unabhängigkeit der amerikanischen Zentralbank. Die Ziele und die Finanzinstrumente sind zwar im Federal Reserve Act niedergeschrieben, jedoch existiert kein mit dem System des Euroraumes vergleichbares System der Unabhängigkeit. Der US-Präsident ernennt die Mitglieder des Board of Governers nach seinem Ermessen und der Kongress hat jederzeit die Möglichkeit, die Rechtslage zu Lasten des FED zu ändern.23 Demnach besteht die Unabhängigkeit des FED darin, dass es frei in seinen Entscheidungen und dem Einsatz seiner Finanzinstrumente ist und eine finanzielle Freiheit genießt. Jedoch lebt es in ständiger Unsicherheit, ob sich seine Stellung nicht eines Tages ändern könnte. Die Rechenschaftspflicht des FED ist ähnlich wie die der EZB. Auch vom FED werden Daten zur Beurteilung der Geldpolitik, insbesondere Inflationsprognosen veröffentlicht. Die Ergebnisse der Verteilungen durch Offenmarktgeschäfte werden, im Gegensatz zur EZB, bei der diese direkt nach den Zuteilungsentscheidungen bekannt gegeben werden, nur in Form von einem wöchentlichen Durchschnitt mitgeteilt. Die Ergebnisse der FOMC-Sitzungen werden aber ebenso inklusive des Abstimmungsverhaltens nach sechs bis acht Wochen veröffentlicht und nach fünf Jahren sogar der genaue Wortlaut.

Im Hinblick auf die Transparenz hat es das FED etwas schwieriger als die EZB. Da es, wie in einem vorangegangenen Kapitel beschrieben24, keine eindeutige und veröffentlichte Strategie besitzt, ist es für die Öffentlichkeit nicht ganz so einfach, nachzuvollziehen, ob sie mit der Arbeit des FED zufrieden sind. Ebenso ist es dadurch etwas komplizierter, die richtigen Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben, da ihre Strategie auf einer Indikatoranalyse beruht.

2.4 Währungsraum und Verwaltungsprobleme

Der letzte größere Unterschied zwischen der EZB und dem FED ist der unterschiedliche Währungsraum, den die beiden Zentralbanksysteme zu bewältigen haben. Bei der EZB handelt es sich hierbei um die EU, in der 19 Staaten den Euro als Währung besitzen, acht andere jedoch nicht. Einerseits gibt es also schon 19 Länder mit verschiedenen Konjunkturzyklen und unterschiedlichen fiskalpolitischen Entscheidungen, auf die die EZB lediglich mit Entscheidungen bezüglich der Geldmenge des Euros Einfluss nehmen kann. Andererseits gibt es aber auch noch acht Länder mit einer eigenen Währung, deren Zentralbanken zwar im erweiterten EZB-Rat an den geldpolitischen Entscheidungen der EZB und des Euro-Systems teilhaben können, jedoch im Endeffekt leichter andere Entscheidungen bezüglich zur Geldmenge ihrer eigenen Währungen treffen können. Aus diesen Gründen könnte man der EZB nachsagen, dass auf jeden Fall Probleme aufkommen könnten, wenn ein einheitlicher Leitzins und eine einheitliche Geldpolitik für verschiedene Länder getroffen werden sollen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kann diese Behauptung jedoch widerlegen. Der DIW Autor Jan Phillip Fritsche und Christian Harms von der Universität Hamburg haben in diesem Zusammenhang ein Maß für geldpolitischen Stress entwickelt. Dieser beschreibt die Abweichung des jeweils in einem Land gültigen Zinssatzes von demjenigen Zinssatz, der die Wirtschaft stabilisieren würde. Analysiert wurden hierbei die Eurogründungsländer25 in Hinsicht auf die relative Veränderung ihres geldpolitischen Stress‘ nach der Euroeinführung im Vergleich zu den Jahren 1978-1999.

Ergebnis dieser Studie war, dass sich der geldpolitische Stress in allen Ländern nach der Euroeinführung verringert hat. Am Beispiel Deutschlands besagt die Studie, dass die EZB es 2,96 Mal besser als die deutsche Regierung vor der Euroeinführung geschafft hat, die Konjunktur zu stabilisieren.26 Das ist also ein Beweis dafür, dass die EZB ihrer Aufgabe gewachsen ist.

Zum erweiterten EZB-Rat und dessen Mitgliedern gibt es zu sagen, dass diese nicht stimmberechtigt sind und hauptsächlich die Wechselkurse der eigenen Währung gegenüber dem Euro festlegen27. Wenn man genauer hinschaut, ist das Ziel des erweiterten EZB-Rats ebenso das Ziel, in jedem EU-Staat den Euro einzuführen, da er aufgelöst werden soll, wenn dieses Ziel erreicht ist. Daher stellen diese Länder für die Geldpolitik der EZB kein großes Problem dar.

Abschließend soll noch auf die Länder eingegangen werden, die nicht der EU angehören, aber trotzdem den Euro als Währung benutzen (z.B. Andorra). Diese Länder merken von den geldpolitischen Entscheidungen der EZB nichts und sind deswegen auch unbeachtlich.

Das FED hat im Gegensatz dazu nur eine einzige Währung und einen Staat zu betreuen. Auf den ersten Blick lässt das verlauten, dass die Aufgabe des FED leichter ist als die der EZB. Aufgrund der langen Beständigkeit des FED lassen sich auch wenige Unterschiede bei der geldpolitischen Herangehensweise im Zeitverlauf erkennen. Davor Bestand das System der Geldpolitik in den USA aus Privatbanken, die das Recht hatten, eigene Banknoten auszudrucken.28 Das hat dafür gesorgt, dass in den USA oftmals die Banknoten bei den verschiedenen Banken untereinander keine Akzeptanz gefunden haben. Im Vergleich zu diesem System stell das FED in jedem Fall eine Verbesserung dar. Wenn man sich die Federal Reserve Banks genauer anschaut, wird deutlich, dass diese eher die Funktion der nationalen Zentralbanken im Eurosystem erfüllen, also nehmen sie auch nicht wirklich Einfluss auf die Geldpolitik des FED. Interessant wäre es aufgrund der Größe Amerikas lediglich noch, sich den Föderalismus in Amerika genauer anzusehen. Seit den 20er Jahren herrscht dort ein kooperativer Föderalismus.29 Das ist vergleichbar mit dem Föderalismus in Deutschland und bedeutet, dass Bund und Einzelstaaten eng miteinander kooperieren. Der Bund unterstützt die Staaten also beispielsweise mit Zahlungen und durch ein einheitliches Gesundheitssystem. Zudem stellt er teilweise Infrastruktur zur Verfügung. Die Fiskalpolitik wird aber zentral geregelt, was auch daran erkenntlich wird, dass das Fed vom Kongress abhängig ist.

Grundsätzlich lässt sich also sagen, dass das FED aufgrund der Tatsache, dass in diesem System nur eine Währung besteht und im gesamten Land nur eine Fiskalpolitik herrscht, nicht mit den Problemen der EZB im Bereich des Währungsraumes konfrontiert ist.

2.5 Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Um diesen Vergleich der beiden Zentralbanksysteme nun zusammenzufassen, lässt sich sagen, dass sich, obwohl die beiden Währungsräume von den Fiskalpolitiken so unterschiedlich sind, die Entscheidungen der Zentralbanken ähneln. In Europa herrscht ein System der Integration und der Globalisierung, da der internationale Handel gefördert werden soll und in den USA geht die politische Richtung, vor allem seitdem Donald Trump Präsident geworden ist, in den Protektionismus über. Man nehme hier den Handelskrieg mit China als Beispiel, bei dem Trump Strafzölle verhängt hat, um den Konsum im Inland zu fördern.30 Dennoch sind Entscheidungen über Leitzinssätze und Aktionen auf dem Kapitalmarkt bei den Zentralbanken ähnlich. Bei der EZB gilt schon seit längerer Zeit die Nullzinspolitik, das FED hat aber kürzlich fast nachgezogen.

Auch wenn die Strategie der Zentralbanken unterschiedlich ist, allein schon deswegen, da das FED kein klar definiertes Ziel wie die Preisniveaustabilität hat, werden richtige geldpolitische Entscheidungen getroffen, um beispielsweise das Preisniveau zu stabilisieren. Dadurch fehlt es lediglich des Öfteren an einer Transparenz zur Entscheidungsfindung.

Zu guter Letzt soll noch einmal auf die größten beiden Unterschiede bei den Zentralbanken hingewiesen werden. Diese sind einerseits die fehlende vertragliche Grundlage beim FED und das Vorhandensein mehrerer Fiskalpolitiken im Euroraum durch eine Vielzahl an Ländern. Diese Unterschiede würden eigentlich darauf schließen lassen, dass die geldpolitischen Entscheidungen unterschiedlich ausfallen müssten, da einerseits in den USA jederzeit durch den Kongress die Machtstellung und Entscheidungsgewalt des FED geändert werden könnte, was zu kurzfristigeren Entscheidungen führen sollte. Und andererseits die EZB viel mehr Länder berücksichtigen muss, was zu einer diversifizierteren Geldpolitik führen sollte, die nicht seit einigen Jahren ziemlich gleich sein dürfte.

Doch in der Realität zeigt sich eben, dass dies nicht der Fall ist. Das FED beschränkt sich nicht unbedingt auf kurzfristige Entscheidungen und die EZB hält schon ziemlich lange an ihrer von Mario Draghi31 eingeführten expansiven Geldpolitik fest.

Somit ergibt sich, dass trotz der unterschiedlichen Umstände in den Bereichen Organisation, Aufgabenfelder und Finanzinstrumente, Unabhängigkeit von der Regierung und im Währungsraum, die beiden Zentralbanken eine ähnliche Politik verfolgen und es nicht gesagt werden kann, ob es ein System besser schafft, bestimmte Krisen zu bewältigen. Dies ist auch nicht allein die Aufgabe der Zentralbanken, sondern auch der Regierungen in den Währungsräumen.

Dennoch können die Zentralbanken Einfluss auf die Wirtschaft in Krisen haben und zumindest versuchen, diese zu stabilisieren und den entstehenden Schaden zu begrenzen bzw. die Wirtschaft durch Konjunkturspritzen wieder in Schwung zu bringen. Mögliche Probleme und Krisen werden im Folgenden anhand des Euroraums analysiert und es werden die Handlungsspielräume und mögliche Lösungsvorschläge für die EZB aufgezeigt.

3. Herausforderungen an die EZB und Lösungsansätze

Der Euro gilt aktuell noch als eine stabile Währung und der Euroraum mit Staaten wie Deutschland, die von Ratingagenturen wie S&P in die beste Bonitätsstufe eingestuft werden,32 eigentlich als ein stabiler Währungsraum, wenn es da nicht ein paar Ausreißer wie Italien und Griechenland gäbe. Der Staatsbankrott von Griechenland ist mittlerweile kein Geheimnis mehr und Italien weist in absoluten Zahlen die höchste Staatsverschuldung in der EU auf, da diese 2,32 Billionen € beträgt, was in etwa 130% des BIPs entspricht.33 Genau für solche Staaten müssen Hilfsprogramme angeboten werden, wie der Plan der EU, 750 Mrd. € teilweise als Kredite zu vergeben und teilweise zu verschenken.34 Dadurch werden die Märkte mit mehr Geld versorgt, was wiederum eine Inflationsgefahr hervorruft. Eben diese Überversorgung der Finanzmärkte mit Geld, Wirtschaftskrisen hervorgerufen durch exogene Schocks wie Corona und die Infragestellung der Beständigkeit der EU stellen im Euroraum Probleme dar, mit denen die EZB ebenso konfrontiert wird. Um den Umgang mit diesen Problemen soll es im Folgenden gehen.

3.1 Bilanzausweitungen und Niedrigzinspolitik der EZB

Neben dem Konjunkturprogramm der EU, hat die EZB im Rahmen ihres Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) vor, Staats- und Unternehmensanleihen mit einem Volumen von bis zu 1,35 Billionen € zu erlangen und somit die Finanzmärkte mit Geld zu versorgen.35 Das Programm soll bis Juni 2021 laufen und bei Bedarf ausgeweitet werden, wenn es die Notlage erfordert. Unabhängig davon existiert das Asset Purchase Programme (APP), bei dem monatlich ca. 20 Mrd. € an Wertpapieren erworben werden.36 Dies führt dazu, dass die Bilanz der EZB, die unendlich viel Geld erschaffen kann, immer weiter ansteigt.

Bei diesen Mengen an Geld, die dem Finanzmarkt zufließen, stellt sich die Frage, ob dadurch nicht vielleicht Inflations- oder Deflationsgefahr herrscht, oder ob die Ankäufe von Staatsanleihen nicht vielleicht als verdeckte Staatsfinanzierung gelten kann. Dies soll im Folgenden erörtert werden.

3.1.1 Inflations- bzw. Deflationsgefahr

Hierzu muss sich erst einmal vors Auge geführt werden, wie eine Inflation bzw. eine Deflation entstehen. Kurz gesagt steigen bei einer Inflation die Preise, da das Geldangebot im Vergleich zum Güterangebot mehr erhöht wird. Bei Betrachtung des Marktmodells mit Angebot und Nachfrage sinkt somit der Wert der betroffenen Währung, was im Gegenzug die Preise der Güter erhöht. Eine Preissteigerungsrate von 2% ist jedoch erwünscht, da dies mit dem Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft zusammenhängt.37 Bei einer Inflation sind natürlich auch die Wechselkurse in andere Währungen betroffen, da bei einem Wertverlust der einen Währung, die andere Währung im Vergleich dazu an Wert gewinnt. Eine Deflation ist das Gegenteil der Inflation. Sie entsteht, wenn das Geldangebot verringert werden würde oder zu viele Güter auf dem Markt sind. Die Folge daraus sind sinkende Preise, welche für die Wirtschaft fatal sein können, da somit die Unternehmen weniger Gewinn machen, was sie zu Entlassungen bringt, wodurch das Volkseinkommen sinkt und daher weniger konsumiert werden kann. Dieser negative Multiplikatoreffekt soll zwingend vermieden werden.

Um nun diese Szenarien zu analysieren, werden das Preisniveau und der Wechselkurs des Euro zum Dollar in den letzten zehn Jahren mit der ansteigenden EZB-Bilanz verglichen. Der Zeitraum von 10 Jahren wurde gewählt, weil das große Ankaufprogramm und die Niedrigzinspolitik seit der Präsidentschaft von Mario Draghi in 2011 ihren Anfang gefunden haben.

Beim Preisniveau wird keine Inflations- bzw. Deflationsgefahr ersichtlich, da die Inflationsrate der Euro-Zone im Durchschnitt nahe an den angepeilten 2% liegt. Lediglich in 2011 und 2012 ist sie etwas darüber, was aber an den Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise durch die Pleite der Lehman Brothers in den USA liegt, da der wirtschaftliche Aufschwung nach dem deutlichen Abschwung natürlich sehr groß ausgefallen ist.38 In 2014, 2015 und 2016 war die Inflationsrate sehr niedrig, was laut Mario Draghi auf die gesunkenen Energie- und Lebensmittelpreise zurückzuführen war. Vor allem in Staaten wie Griechenland mussten die Staatsausgaben gesenkt werden, um die Verschuldung nicht weiter zu erhöhen und Unternehmen musste die Preise senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.39

Zu den Zeiten der hohen Inflationsrate hat die EZB, entgegen der Philosophie, den Wert des Euros durch eine Verringerung des Geldangebots zu steigern, die Banken mit zusätzlichem Geld versorgt. Hierbei handelte es sich fast um eine halbe Billion €.40 Der Grund hierfür war, dass das Vertrauen durch die Pleite der Lehman Brothers angeschlagen war und sich die Banken untereinander weniger Kredite gegeben haben. Daher musste die EZB eingreifen, um viele weitere Banken vor der Pleite zu bewahren. Zu diesem Zeitpunkt stieg die EZB-Bilanz also sehr stark an, aber die Inflationsrate ist eher zurückgegangen. Also kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass die Banken das zinslose Geld der EZB zu günstigen Konditionen an die Unternehmen und die Konsumenten weitergegeben haben und somit mehr konsumiert wurde bzw. das Güterangebot erhöht wurde.

Bei den niedrigen Inflationsraten in 2014, 2015 und 2016 wurde die gleiche Taktik angewandt. Die Wirtschaft wurde mit Geld versorgt und der Leitzins wurde nochmal nach unten angepasst.41 Das ist bei einer Deflationsgefahr normal, da somit die Unternehmen über die Geschäftsbanken mit günstigen Krediten versorgt werden sollen, um keine Arbeitnehmer entlassen zu müssen. Das erhöhte Geldangebot soll ebenso die Preise wieder in die Höhe treiben.

Im Vergleich dazu ist beim Wechselkurs EUR/USD zu sehen, dass der Euro gegenüber dem Dollar von 2011 bis 2019 an Wert verloren hat. Der Grund hierfür ist, dass die Bilanz des FED zwar auch immer weiter wächst und in 2009 einen großen Schub wegen der Weltwirtschaftskrise erfahren hat, jedoch gab es nicht, wie bei der EZB, einen unbegrenzten Liquiditätsschub für die Banken.42 Das hat einen Wechselkursverlust zu Folge, da das Angebot des Euro im Vergleich zum Angebot des Dollar mehr steigt.

Zusammenfassend ist also zu sagen, dass die EZB, ob es sich nun um eine Inflations- bzw. Deflationsgefahr handelte, immer weiter die Zinsen gesenkt und die Märkte mit Geld versorgt hat. Dies hat zwar für eine stabile Inflationsrate gesorgt, jedoch auch zu einer Abwertung des Euro, wie sie bereits Frankreich vor der Einführung des Euro erfahren hat.43. Da also bei dem Wechselkurs ein zu erwartender Fall eingetreten ist, bleibt die Gefahr einer Inflation in jedem Fall bestehen. Eine Deflation ist erst einmal auszuschließen, da in diesem Fall schnell durch Liquiditätsspritzen gehandelt werden kann. Daher stellt sich die Frage, wie mit dem Problem der nicht anhaltenden Bilanzausweitungen umgegangen werden soll. Dazu muss betrachtet werden, was denn mit dem Euro und den Staaten der Euro-Zone passiert, wenn die EZB die Ausdehnung ihrer Bilanz zurückfährt oder den Zins wieder erhöht.

Erstens können weniger Kredite vergeben werden, da die Banken auch in Verbindung mit der Mindestreservepolitik weniger Geld zur Verfügung haben, dass sie den Unternehmen, den Staaten und den Haushalten geben können. Zweitens werden weniger Kredite genommen, da die Zinsen hierfür höher angesetzt werden, weil die Banken ihre Marge trotzdem erhalten müssen. Letztendlich führt das dann dazu, dass die Wirtschaft mit der vorhandenen Menge an Geld zurechtkommen muss. Das verlangsamt das Wirtschaftswachstum und die Preissteigerungsrate. Es muss also ein günstiger Zeitpunkt gefunden werden, in dem die Wirtschaft boomt und viel konsumiert wird. In 2017 oder 2018 wäre eventuell ein solcher Zeitpunkt gekommen, in dem die Zinsen erhöht werden können und das APP zurückgefahren werden kann. Die Inflation war nahe an den angepeilten 2%, der Wechselkurs EUR/USD war auch kurz vorher etwas angestiegen und das Wirtschaftswachstum war auch gegeben.44 Da dieser Zeitpunkt aber nicht genutzt wurde und aktuell günstige Kredite für Unternehmen unabdingbar sind, können die Kritiker der EZB-Politik, deren Argument ist, dass die zusätzliche Liquidität hauptsächlich in die Aktienmärkte gelangt,45 nicht verstummt werden lassen. Aufgrund der aktuellen Entwicklung ist eine Währungsreform, abhängig von der Dauer der Corona-Krise, in den nächsten 10-15 Jahren eine Option für eine Besserung. Da der Euro von Anfang an und spätestens nach der Studie von CEP zur Entwicklung des Wirtschaftswachstums seit der Euro-Einführung in einzelnen EU-Staaten, sowieso noch nicht bei allen Menschen als Erfolg abgestempelt wurde. Dabei wurde das BIP ausgewählter Länder untersucht und durch eine synthetische Kontrollmethode mit dem BIP-Verlauf des Landes ohne Euro-Einführung verglichen. Dafür werden Nicht-Euro-Länder, die eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung wie das Bezugsland hinter sich haben durch eine bestimmte Gewichtung als Vergleich brauchbar gemacht. Frankreich zeichnet sich hierbei als größter Verlierer aus.46 Da bei Frankreich aber eigentlich erwartet wurde, dass die Wirtschaftsleistung steigt, weil davor die eigene Währung abgewertet wurde, ist eine komplette Währungsreform auch nicht der beste Ausweg aus den Bilanzausweitungen und der Niedrigzinspolitik.

3.1.2 Unabhängigkeitsgefährdung aufgrund Staatsfinanzierung

Im Rahmen der Bilanzausweitungen darf eben auch die Rechtslage der Staatsanleihenkäufe nicht außer Acht gelassen werden und ob es sich hierbei eventuell um eine Mandatsüberschreitung der EZB handelt, die hier die Grenzen ihrer Kompetenzen und Unabhängigkeit nicht ganz ernst nimmt. Wie bereits in einem vorigen Kapitel erwähnt, sind für die EZB verschiedene Arten der Unabhängigkeit formuliert, die sie daran hindern sollen, eine Wettbewerbsverzerrung zu vollziehen oder von bestimmten Staaten beeinflusst zu werden.47 Bei den Ausmaßen, die die Ankaufprogramme der EZB annehmen, muss ihre Unabhängigkeit durchaus hinterfragt werden. Dies hat bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) getan, indem es dem sogenannten Public Sector Purchase Programme (PSPP), also dem Ankauf von Staatsanleihen unterstellte, dies sei möglicherwiese Staatsfinanzierung. Die Bundesregierung habe in diesem Fall auch verfassungswidrig gehandelt, da sie die Beschlüsse der EZB nicht geprüft habe.48 Mit diesem Urteil stellte sich das BVerfG erstmalig gegen den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Laut dem BVerfG hat die EZB nun drei Monate Zeit, das PSPP zu begründen und die wirtschaftlichen Auswirkungen darzustellen. Die EZB hat sich hierzu nur durch ein Beibehalten der Geldpolitik geäußert, da die letzte Entscheidungsgewalt gegen europäische Institutionen vom EuGH aus geht.49

[...]


1 Vgl. Weber, 2013, S. 6

2 Ebd., S. 13

3 Vgl. Bundesbank, 2012

4 Vgl. Statista, 2019

5 Vgl. Satista, 2020

6 Vgl. ECB, 2020

7 Vgl. ECB, 2020

8 Ruckriegel, 2002

9 Vgl. Weber, 2013 S. 50 f.

10 Vgl Bankenverband, 2019

11 Vgl. Kap 3.1

12 Vgl. Weber, 2013 S. 24

13 Vgl. Ruckriegel, 2002 S.19 ff.

14 Federal Reserve, 2017

15 Vgl. Ruckriegel, 2002 S.13

16 Ruckriegel, 2002 S.25 f.

17 Vgl. Global-Rates, 2020

18 Vgl. Ruckriegel, 2002 S.32 f.

19 Vgl. FAZ, 2020

20 Dejure, 2020

21 Der EG-Vertrag wurde zum 1.12.2009 in „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ umbenannt und hat eine neue Artikelabfolge erhalten.

22 Vgl. ECB, 2020

23 Vgl. Ruckriegel, 2002

24 Vgl. Kap. 2.2

25 Außer Luxemburg, da es sich vor der Euroeinführung in einer Währungsunion mit Belgien befand.

26 Vgl. DIW, 2019

27 Vgl. ECB, 2020

28 Vgl. Bundestag, 2008, S. 4

29 Vgl. BPB, 2008

30 Vgl. NZZ,

31 EZB-Präsident von 2011-2019

32 Vgl. Tradingeconomics, 2020

33 Vgl. Statista, 2019

34 Vgl. Tagesschau, 2020

35 Vgl. FAZ, 2020

36 Ebd.

37 Vgl. Kap. 2.2

38 Vgl. Boerse.ARD, 2018

39 Vgl WiWo, 2014

40 Vgl. Sueddeutsche, 2011

41 Ebd.

42 Vgl. Tagesgeldvergleich, 2020

43 Vgl. Kap. 2.2

44 Vgl. Statista 2020

45 Vgl. Pilz, 2018, S. 188

46 Vgl. Gasparotti, 2018, S. 1

47 Vgl. Kap. 2.3

48 Vgl. Tagesschau, 2020

49 Ebd.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Europäische Zentralbank und Federal Reserve Bank im Vergleich. Die Wirtschaftsprobleme im europäischen Raum und mögliche Lösungsansätze
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, früher: Berufsakademie Stuttgart
Veranstaltung
Macroeconomics
Note
1,6
Autor
Jahr
2020
Seiten
33
Katalognummer
V910423
ISBN (eBook)
9783346255402
ISBN (Buch)
9783346255419
Sprache
Deutsch
Schlagworte
europäische, zentralbank, federal, reserve, bank, vergleich, wirtschaftsprobleme, raum, lösungsansätze
Arbeit zitieren
Daniel Kneipp (Autor:in), 2020, Europäische Zentralbank und Federal Reserve Bank im Vergleich. Die Wirtschaftsprobleme im europäischen Raum und mögliche Lösungsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/910423

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