Der Wartegg-Zeichentest

Projektive Verfahren zur Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen


Hausarbeit, 2007

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Projektive Verfahren
2.1 Entwicklung
2.2 Grenzen und Möglichkeiten
2.3 Anwendungsbereiche projektiver Verfahren

3. Der Wartegg-Zeichentest
3.1 Allgemeines
3.2 Theoretische Grundlagen
3.3 Testdurchführung
3.4 Testauswertung
3.4.1 Formale Auswertung
3.4.1.1 Graphische Merkmale
3.4.1.2 Formbehandlung
3.4.1.2 Flächenbehandlung
3.4.1.3 Auffassung der Formqualitäten
3.4.2 Inhaltliche Auswertung
3.4.2.1 Inhaltliche Gesamtbetrachtung
3.4.2.2 Inhaltliche Einzelbetrachtung

4. Anwendung bei Kindern und Jugendlichen

5. Kritik am Wartegg-Zeichentest

6. Schlussbemerkung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Projektive Verfahren zur Diagnostik sind ebenso verbreitet wie umstritten. In der Behandlung Erwachsener spielen sie heute eher eine untergeordnete Rolle. In der Kinder- und Jugend­psychiatrie/-psycho­therapie werden sie dagegen häufig angewandt. Eines dieser Verfahren ist der Wartegg-Zeichen-Test.

Wider Erwarten gibt es nur wenig und zudem kaum neuere Literatur zu diesem Test.

Im Folgenden werden zunächst der Entwicklungshintergrund projektiver Verfahren, ihre Grenzen und Möglichkeiten sowie ihre Anwendungsbereiche dargestellt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit befasst sich mit dem Wartegg-Zeichentest. Es werden seine theoretischen Grundlagen, Intentionen und Anwen­dungs­bereiche sowie Testdurchführung und Auswertung beschrieben. Im Anschluss wird auf die Besonderheiten bei seiner Anwendung im Kinder- und Jugendbereich eingegangen sowie Kritik am Wartegg-Zeichentest diskutiert.

2. Projektive Verfahren

2.1 Entwicklung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewannen metrische Verfahren in der Psychodiagnostik an Popularität. Die Zerlegung der Persönlichkeit in messbare Teilfunktionen wurde von Seiten der Gestaltpsychologie und unter Einfluss der Psychoanalyse kritisiert (Rauchfleisch, 2006). Aus dem Bestreben, die Persönlichkeit als Ganzes darzustellen, gingen projektive Tests entwickelt (ebd.).

Projektive Verfahren basieren auf einem psychoanalytischen Interpretationsmodell (Döpfner, Lehmkuhl, Petermann & Scheithauer, 2000). Der Begriff der "Projektion" wurde von Freud im Rahmen der Psychoanalyse entwickelt und beschreibt, vereinfacht ausgedrückt, die "Veräußerlichung eines inneren Vorgangs" (Freud, 1975 zit. nach Rollett, 2003, S.340).

In projektiven Verfahren wird uneindeutiges oder unstrukturiertes Reizmaterial eingesetzt, das Reaktionen auslösen soll, die Rückschlüsse auf Einstellungen, Abwehrmechanismen, Motiva­tionen und die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen erlauben sollen (APA, 2001).

Es bildeten sich drei Gruppen von projektiven Verfahren heraus: Form-Deutung, verbal-thematische sowie zeichnerische und gestalterische Verfahren (Rollett, 2003).

Nach der Systematik Pervins (2003,.zit..nach.Kubiak.&.Weber) sind Merkmale projektiver Diagnostik

- unstrukturierter Ansatz (viel Raum für eine freie Ausgestaltung der Anwendung des Instruments)
- verdeckter Ansatz (geringe Transparenz des Instrumentes für den Probanden)
- subjektiver Ansatz (interpretierbare Selbstberichtsdaten statt messbarer Leistungs- oder direkter Verhaltensdaten)

Daraus ergibt sich, dass, wie bei allen qualitativen Methoden, die Auswertung und Interpretation projektiver Verfahren hohe Ansprüche an den Testleiter stellen.

2.2 Grenzen und Möglichkeiten

Kaum eine diagnostische Methode ist so umstritten wie die projektiven Verfahren. Die Akzeptanz reicht von begeisternder Befürwortung bis hin zur strikten Ablehnung (Rollett, 2003). Von Kritikern wird angeführt, dass sie nur eingeschränkt den Anforderungen der Psychometrie nach Quantifizierung, klarer konzeptueller Grundlage und Erfüllung der Testgütekriterien genügen (Rauchfleisch, 2006).

Dieser "Mangel" ist auf ihre Zielstellung, das Individuum ganzheitlich zu erfassen, zurückzuführen. Befürworter projektiver Verfahren verweisen darauf, dass die Komplexität der Persönlichkeit schwer in reproduzierbaren Messwerten darstellbar ist (Rauchfleisch, 2006).

Als Vorzug projektiver Verfahren wird angenommen, dass sie nicht durchschaubar und damit weniger leicht verfälschbar sind.(Rollett, 2003). Dies bringt jedoch das ethische Problem mit sich, dass die Intention für den Probanden nicht ohne weiteres ersichtlich ist (ebd.).

Gerade Befürworter der projektiven Verfahren warnen vor einer Beliebigkeit der Interpretation bzw. dem Überschätzen des möglichen Erkenntnisgewinns (vgl. Vetter, zit. nach Renner, 1953)

In der Praxis nehmen die projektiven Verfahren "einen wichtigen Stellenwert bei der Exploration und Generierung diagnostischer und interventionsbezogener Hypothesen ein" (Rollett, 2003). Die mit projektiven Verfahren gewonnenen Befunde werden in der Psychotherapie genutzt, um das Spektrum an psychodynamischen Hypothesen zu erweitern (Rauchfleisch, 2006)..

Projektive Verfahren dienen nicht der "Messung". Sie bereichern das Instrumentarium der Psycho­diagnostik, wenn sie ihrem Sinn und dem zugrunde liegenden Konzept gemäß eingesetzt werden.

2.3 Anwendungsbereiche projektiver Verfahren

Nach den "Standards für pädagogisches und psychologisches Testen" (Hecker, Leutner & Amelang, 1998 zit. nach Rollett, 2003) wird das Einsatzgebiet der projektiven Tests vor allem im Bereich der klinisch-psychologischen Diagnostik gesehen.

Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie werden projektive Verfahren angewandt. Während Erwachsene ihr Befinden und ihre Probleme leichter verbal ausdrücken können, ist diese Fähigkeit bei kleinen Kindern nur rudimentär vorhanden, bei älteren Kindern und Jugendlichen noch in der Entwicklung begriffen. Projektive Verfahren ermöglichen den spielerischen Zugang zur Erlebniswelt von Kindern und Jugendlichen.

Von 103 Verfahren, die Eberwein 1993 (zit. nach Rollett, 2003) auflistete, sind 68 auf Kinder und Jugendliche anwendbar. Neben dem Wartegg-Zeichentest kommen u.a. verbreitet zur Anwendung: der Baumtest, der Familie-in-Tieren-Test, der Mann-Zeichen-Test und der Scenotest.

3. Der Wartegg-Zeichentest

3.1 Allgemeines

Der Wartegg-Zeichentest (WZT) ist ein athematisches zeichnerisches Gestaltungs-verfahren, das Aufschluss über die Persönlichkeit geben soll (Rauchfleisch, 2006). Er besteht aus acht Feldern mit vorgegebenen Zeichen, deren Gestalt jeweils von den Testpersonen aufgenommen und zeichnerisch weiterführt werden soll..

Der WZT wurde 1930 von dem Leipziger Psychologen Ehrig Wartegg (1897-1983) entwickelt. Er sah Einsatzmöglichkeiten des Tests in der psychiatrischen Diagnostik, in der aufdeckenden Psychotherapie, in der Eignungsdiagnostik (schulisch, beruflich), in der Berufsberatung ("Arbeits­charaktere") und unter entwicklungspsychologischen Aspekten. August Vetter, ein Kollege Warteggs, benutzte den Test in der Psychotherapie und Lebensberatung (Avé-Lallemant, 2000). Er wertete ihn, wie Wartegg, erscheinungswissenschaftlich aus, zog aber auch die Handschriften­analyse mit heran (ebd.). Der erziehungswissenschaftlichen Deutung des WZT nahm sich 1953 Maria Renner an, die sich auf die Deutungsweise Vetters bezog. Ursula Avé-Lallemant (2000) stellt den WZT in den Dienst der Erziehungs-, Jugend- und Lebensberatung.

Ich selbst habe den Test in der Erwachsenenpsychiatrie vereinzelt und in der Kinder – und Jugendpsychiatrie /-psychotherapie sehr häufig angetroffen.

Der WZT wurde als Teil einer Testreihe entworfen, zu der weiterhin der Deutungstest (von Wartegg und Vetter) und der Erzählungstest (von Wartegg) gehört (Renner, 1957). Die Herauslösung und gesonderte Beschreibung des Zeichentest begründet sich nach Maria Renner (1957) aus der großen Verbreitung dieses Tests und der damit verbundenen Gefahr der Trivialisierung.

3.2 Theoretische Grundlagen

Der WZT ist ein projektives, halbstrukturiertes Testverfahren, das von seinem Erfinder, Ehrig Wartegg, als graphoskopisches Verfahren beschrieben wird (Wartegg, 1953).

Wartegg (1953) versteht darunter

[…] ein psychodiagnostisches Verfahren, welches die zeichnerisch testmäßige Weiterführung planmäßig variierter Reizgegebenheiten in gefügehaft überschaubarem Zusammenhänge fordert und auf Grundlage experimentell kontrollierter Wechselbeziehungen der Antriebs- und Empfindungsfunktionen im optischen Felde Einblick in der Schichtenaufbau kortikaler Steuerung von reflexiblen Ausgangspositionen bis zu qualitativer Differenzierung geistiger Sinnbezüge ermöglicht. (S.9)

Beim WZT wird das Unbewusste nicht frei reproduziert, sondern durch sog. Anmutungscharaktere provoziert (Avé-Lallemant, 2000). Diese vorgegebenen Reizbedingungen machen den Unterschied zwischen freiem zeichnerischem Ausdruck einerseits und zu inhaltlich begrenzten Zeichenproben (wie z.B. dem Baumtest) andererseits aus (Wartegg, 1953). Nach Vetter (zit. nach Renner, 1957) wird durch die vorgegebenen Anfänge eine methodische Geschlossenheit des Deutungsverfahrens ermöglicht, was den WZT einmalig unter den Auffassungs- und Gestaltungstests mache. Diese "Standardisierung" ermöglicht eine gewisse Vergleichbarkeit der Aussagen verschiedener Tests (Avé-Lallemant, 2000).

Bei der Auswahl der Anfangslinien kam es nach Wartegg (1953) auf quantitativ sparsam dosierte, dafür qualitativ höchst prägnante Reize an. Auf diese Reize wird trotz einer mit dem Alter zunehmenden assoziativen sinnhaften Verknüpfung auf einer "genetisch frühen Stufe reflexibler Verarbeitung" (Wartegg, 1953, S.11) reagiert. Die statistisch häufigen Ergebnisse wurden von Wartegg (1953) in einer Normalreihe festgehalten und können so von pathologischen oder postpathologischen Lösungen unterschieden werden.

Die acht Zeichen sollen verschiedene Bereiche der Persönlichkeit ansprechen (Avé-Lallemant, 2000). Sie sind "qualitative Dominanten", die sich nach mehreren Gesichtspunkten zusammen-fassen lassen (Wartegg, 1953). Wartegg (1953) unterscheidet die Zeichen in je vier eher weiblich (fein, zart, organisch lebendig) und eher männlich (starr, mechanisch, schwer, gerichtet) anmutende Reize. Während in den Feldern 1, 2, 7 und 8 bogige Anfänge vorgegeben sind (zu denen auch der Punkt gezählt wird), weisen die Felder 3 bis 6 gerade Linien auf (Vetter, zit. nach Avé-Lallemant, 2000). Die erste Gruppe weckt eher "lebensnahe", die zweite eher "gegenständliche" Einfälle (ebd.). Hier erkennt Vetter die nicht zufällige Ähnlichkeit zu Bogen und Winkeln in der Handschrift (ebd.).

Die vorgegebenen planmäßig variierten Anfangslinien stellen nach Wartegg (1953, S. 8) "ein Maßkriterium für die durch objektive Reizgegebenheiten geforderte Begrenzung motorischer Impulse […]" dar. Dies führe zu einem messbaren Ausgleich der "Antriebs- und Empfindungs­funktionen" (ebd.). Laut Wartegg (1953) sind beim Zeichentest auch vitale und motorisch-volitive Funktionen beteiligt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Der Wartegg-Zeichentest
Untertitel
Projektive Verfahren zur Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen
Hochschule
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Magdeburg
Veranstaltung
Grundlagen Psychologischer Diagnostik
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V91047
ISBN (eBook)
9783638045629
ISBN (Buch)
9783640270248
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Wartegg-Zeichentest selbst ist nicht Bestandteil dieser Veröffentlichung.
Schlagworte
Wartegg-Zeichentest, Grundlagen, Psychologischer, Diagnostik
Arbeit zitieren
Katrin Bauer (Autor:in), 2007, Der Wartegg-Zeichentest, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91047

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