Herausforderung Generationenvertrag. Das deutsche Rentensystem und die Folgen des demografischen Wandels


Hausarbeit, 2019

24 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Problemstellung .

2. Analyse
2.1 Definition
2.2. Folgen des demografischer Wandels
2.3 Demografische Entwicklung in Zahlen
2.4 Grundstruktur der Altersversorgung
2.4.1 Deutsche Rentenversicherung: Ein Generationenvertrag
2.4.2 Aktuelle Entwicklung der Rentenversicherung und Entwicklung bis

3. Generationenvertrag als Politikum: Debatten und Reaktionen
3.1 Diskurs demokratische Herausforderungen und Generationengerechtigkeit
3.2 Rentenpolitische Entwicklung und Debatte im Zeitverlauf
3.2.1 Die 90iger Jahre
3.2.2 Die Jahre nach 2000
3.2.3 Die Jahre nach 2010

4. Implikationen
4.1 Mögliche Folgen einer verfehlten Rentenpolitik
4.2 Meinungen und Maßnahmen der Regierung
4.3 Der Generationenkonflikt aus Sicht eines Theologen
4.4 Ausblick auf die Zukunft der Altersversorgung in Deutschland

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung und Problemstellung

Die Soziale Marktwirtschaft ist noch immer das unumstrittene Ordnungsmodell in Deutschland. Sie kombiniert wie kein zweites Modell Freiheit und Wohlstand miteinander und beweist dabei Vitalität, soziale Sicherheit und Durchhaltevermögen. Hierfür ist aber ein sozialstaatliches Siche-rungssystem notwendig, welches in Deutschland auf den folgenden drei Pfeilern basiert: Versi-cherung, Versorgung und Fürsorge. Sie folgt dem Prinzip der solidarischen Selbsthilfe. Dieses Prinzip steht allerdings in der politischen und gesellschaftlichen Debatte zur Disposition. Auf der einen Seite argumentieren liberale Kräfte, der Sozialstaat bremst die deutsche Volkswirtschaft aus und versuchen damit den Wohlfahrtsstaat zu untergraben. Sie plädieren als Lösung für ein privatwirtschaftliches Vorsorgesystem, das von den Bürgern selbstverantwortlich aufgebaut wer-den soll. Die andere Seite argumentiert, der Sozialstaat sei ein wesentlicher Stützpfeiler des Wirt-schaftsstandortes Deutschland. Um die vorliegenden Differenzen zu lösen, bedeuten Herausfor-derungen in Bereichen des Gemeinwesens frühzeitiges Handeln in der Wirtschafts-, Arbeits-, und Sozialpolitik. Die vorliegende Hausarbeit befasst sich kritisch mit diesem Handeln und analysiert das sozialstaatliche System der Rentenversicherung im Zeitverlauf und gibt einen Ausblick.

Trotz aller positiven Effekte wird häufig die Steuerungsfähigkeit von versorgungsstaatlichen Sys-temen in Frage gestellt und deshalb gefordert, die sozialstaatliche Umverteilung der Renten zu-rückzudrängen. Damit tauchen Probleme der Alterssicherung auf, die die Zukunftsfähigkeit des deutschen Rentensystems nachhaltig gefährden (Witzel 1998: S. 18). Dies führt zu vielschichti-gen Herausforderungen, die politische Maßnahmen nötig machen, um Folgen des demographi-schen Wandels abzumildern. Eine Reihe weiterer Faktoren sind zu nennen, die Einfluss auf das Rentensystem nehmen: Die öffentliche Diskussion, die das politische Geschehen beeinflusst, das Risiko einer möglichen Altersarmut und ihre Beitragshöhen; längere Lebensarbeitszeiten und de-ren Anpassung der Arbeitsbedingungen, brüchige Erwerbsbiographien und vieles mehr. Eine For-derung jüngerer Menschen ist deshalb, dass die finanzielle Gerechtigkeit zwischen den Generati-onen gewährleistet sein muss. Was bedeutet dies im Speziellen? Für viele Wissenschaftler und Politiker ist das Problem folgendes: Wenn die Bevölkerung altert, sind, gemessen an der Gesamt-bevölkerung, weniger Menschen aktiv am Produktionsprozess beteiligt, sodass das Wachstum pro Kopf der Bevölkerung sinkt und somit die Rentenbeiträge von weniger erwerbstätigen Menschen pro Rentenempfänger finanziert werden. Konflikte der ungleichen Lastenverteilung zwischen den Generationen können entstehen.

Wie wird also die zukünftige Ausgestaltung der Alterssicherungssysteme ablaufen, damit es nicht zur größten Gefahr sozialer Unruhen kommt? Welche Maßnahmen wurden eingeführt, damit das an seine Grenzen stoßende Umlageverfahren sinnvoll gestützt werden kann? Es ist nicht Ziel der Hausarbeit, konkrete Lösungen und Zukunftsszenarien zu nennen, jedoch soll ein Bewusstsein für die Probleme und Herausforderungen geschaffen werden (Preissl 2015, S.2-6). Neben den Folgen staatlicher Maßnahmen soll ein Überblick über die öffentliche Meinung im Hinblick auf das Thema beleuchtet werden. Die Hausarbeit wird durch ein kurzes Fazit abgeschlossen.

2. Analyse

Aufgabe eines tiefgreifenden Verständnisses aktueller Kontroversen und Debatten ist die einlei-tende Erklärung und Definition von Begrifflichkeiten, bevor es in die vertiefende Analyse geht.

2.1 Definition

Mit „Sozial“ im Kontext der Hausarbeit sind laut Hans F. Zacher gesellschaftliche Verhältnisse und damit zusammenhängende individuelle Befindlichkeiten gemeint. Sozial hat immer mit Gleichheit und Ungleichheit zu tun, welche verringert werden soll, aber gleichzeitig akzeptiert wird.

Staatliche Sozialpolitik, der Sozialstaat und die sozialen Sicherung gehören eng zusammen. So-zialpolitik ist das Mittel, um soziale Benachteiligung und Gegensätze innerhalb einer Gesell-schaft durch das Handeln politischer Akteure zu unterbinden. Dies kann sich beispielsweise in eine soziale Umverteilungspolitik ausdrücken, in der sich ein Gemeinwesen seiner basalen Soli-darität versichert. Der Sozialstaat stellt einen Gegenentwurf zum neoliberalen angloamerikani-schen Kapitalismus dar und das System der sozialen Sicherung stellt einen institutionellen Rah-men hierfür zur Verfügung (Butterwegge 2012: S.11).

Der preußische Reformer und Theoretiker der Sozialpolitik Lorenz von Stein hat das Verständnis, welches wir von Wohlfahrt haben, maßgeblich entwickelt: „Ein sozialer Staat hat die Aufgabe, gleichzeitig die Bedingungen des Privateigentums und damit der Entfaltung einer unabhängigen Unternehmerfunktion zu gewährleisten und die Arbeits- und Lebensbedingungen er Arbeiter zu verbessern“ (Butterwegge 2012: S. 13 in Kaufmann: S. 29). Eckart Reidegeld erwähnt, dass sich bestimmte Gruppen, Schichten und Klassen in die jeweils gegebene soziale und politische Ord-nung fügen, in die sie als Unterprivilegierte und Fremdbestimmte eingebaut sind. Weitere Be-grifflichkeiten und Definitionen würden den Rahmen der Hausarbeit sprengen, weshalb gerne auf das Buch von Christoph Butterwegge verwiesen wird, wenn Interesse bestehen sollte, sich inten-siver damit zu beschäftigen.

Es gibt bereits eine Vielzahl verschiedener Gerechtigkeitsbegriffe, wie beispielsweise Klasse, Schicht, Milieu, Geschlecht oder Chancengleichheit. In den letzten Jahren kam noch der Termi­nus „ Generation“ neu hinzu, bei dem es sich vorwiegend um einen zeitlichen Abstand und um Merkmalsunterschiede zu vorausgegangenen Altersgruppen handelt. In der Generationenge-rechtigkeit, die in diesem Zusammenhang oft Erwähnung findet, ist die Forderung nach gleichen Lebensverhältnisse von Angehörigen verschiedener Generationen gemeint. Dabei wird ein Kon-flikt zwischen Jung und Alt thematisiert, der in den Medien gar zu einem „Krieg der Generatio-nen“ hochgeschaukelt wird. In Unterkapitel 2.2 wird auf Ursachen des Generationenkonfliktes eingegangen, insbesondere der demografischen Wandel und seine Entwicklung thematisiert:

2.2. Folgen des demografischer Wandels

Der demografische Wandel und seine Folgen sind bereits seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema auf der Agenda politischer und gesellschaftlicher Diskurse, denn Deutschland befindet sich be-reits seit Jahren in diesem Alterungsprozess der Bevölkerung. Es wird von einem demografischen Wandel gesprochen, wenn die Zahl der Menschen im jüngeren Alter abnimmt und gleichzeitig die Zahl der älteren Menschen zunimmt. Folgende Abbildung zeigt das Dilemma im Zeitverlauf von 1972 bis heute:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verh ältnis Beitragszahler zu Altersrentnern

Gesellschaftliche Umbrüche werden keinen Teil der Gesellschaft davon unberührt lassen. Bereits 50 % der deutschen Bevölkerung ist über 45 Jahre alt und eine Person von fünf hat bereits das Alter von 66 Jahren überschritten. Die Veränderung der Altersstruktur wird durch eine Vielzahl verschiedener Ursachen forciert und durch das Phänomen des Double Aging geprägt. Eine ge-steigerte Lebenserwartung durch medizinischen Fortschritt, Hygienebestimmungen, Arbeits-schutz und Umweltbedingungen führen zu statistisch fortwährend älter werdenden Individuen. Beschleunigend hinzu kommt die Tatsache, dass die niedrige Geburtenrate der letzten 30 Jahre die Gesellschaft im Ganzen älter werden lässt. Die drei wesentlichen Entwicklungsfaktoren, eine Bevölkerungszahl zu beeinflussen, sind die Fertilität (Geburten), die Mortalität (Sterberate) und die Migration in Form von Wanderungssalden.

Zur Migration ist festzuhalten, dass eine Zuwanderung der letzten Jahre vor allem durch jüngerer Menschen in Deutschland stattgefunden hat und als Trendumkehrindikator des demografischen Wandels gesehen werden kann. Dies führte dazu, dass nach einem langjährigen Rückgang seit dem Jahr 2012 die Geburtenzahlen wieder zulegen. In der Abbildung wird das voranschreiten des demografischen Wandels im Vergleich 1990 – 2018 deutlich. Wenn nun mehr Menschen aus dem Erwerbsalter ausscheiden, gibt es bei dem beitragsfinanzierten Altersvorsorgesystem Engpässe auf der Seite der Einzahler.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Demografischer Wandel in Deutschland im Vergleich

Zwischen 1990 und 2018 ist die Anzahl der Personen ab einem Alter von 70 Jahren von 8 auf 13 Millionen gestiegen. Das Statistische Bundesamt spricht von den unterschätzten Risiken eines schleichend empfundenen Prozesse. Dieser wird sich insbesondere bei den älteren Bürgern deut-lich beschleunigen (Statistisches Bundesamt 2019: Online).

2.3 Demografische Entwicklung in Zahlen

Der Effekt der demografischen Trägheit pflanzt sich im Zeitverlauf von Generation zu Generation fort. Die Bevölkerung schrumpft immer weiter, die Bürger werden älter und die Kinder werden in ausreichendem Maße geboren wie es nötig wäre. Es ist nicht verwunderlich, dass die Maßnah-men dem demografischen Wandel zu begegnen, insbesondere im Hinblick auf die Migrationspo-litik, vielseitig und in Teilen der Bevölkerung kritisch betrachtet werden. Die Nettozuwanderung und kürzlich gestiegene Geburtenzahlen führen dennoch zur Schrumpfung der erwerbstätigen Menschen. Nach einer kurzen Konsolidierung wird die Zahl der Erwerbstätigen bis zum Jahr 2060 um weitere fünf Millionen Menschen fallen, abhängig von zukünftigen Nettozuwanderung. Hin-gegen wird die Zahl der Menschen ab 67 Jahre bis zum Jahr 2039 auf 15 bis 20 Millionen Men-schen ansteigen (heute 15,9 Millionen Menschen). Auch die Zahl der Menschen ab 80 wird von heute 6,2 Millionen Menschen im Jahr 2050 auf 10,5 Millionen wachsen. Die Bevölkerungszahl der erwerbsfähigen Personen wird in allen Bundesländern bis 2060 abnehmen, zum Teil um 30% in strukturschwachen ostdeutschen Flächenländern (Statistisches Bundesamt 2019: Online).

2.4 Grundstruktur der Altersversorgung

Angesparte Renten der Rentenbezieher in der Nachkriegszeit nach 1945 waren nichts mehr wert, da diese durch Inflation und Währungsreform ins Bodenlose schmolzen. Weiter deutete sich in der Nachkriegszeit immer mehr ein Regelungschaos und eine Undurchsichtigkeit an, welche zahl-reiche improvisatorische Lösungen auf sozialpolitischem Gebiet hatte entstehen lassen (Torp 2015: S. 81). Es musste eine grundsätzliche Neuordnung der sozialen Leistungen her, weshalb mit der Durchsetzung einer Reform das Prinzip der umlagefinanzierten Rentenversicherung ge-boren wurde. Die Rentenreform im Jahr 1957 galt als wichtigste Epoche der Alterssicherung im Hinblick auf die Modernisierung des deutschen Sozialsystems und wird im Folgenden näher er-läutert.

2.4.1 Deutsche Rentenversicherung: Ein Generationenvertrag

Der damalige Geschäftsführer und spätere wissenschaftliche Berater des Bundes Katholischer Unternehmer, Wilfrid Schreiber, hatte ein Konzept zur Erneuerung des Deutschen Rentensystems erarbeitet. Er nannte es „Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft“, auch als ‚Schreiber-Plan‘ bekannt. Er verzichtete auf die Anhäufung eines Kapitalstocks, wie es vorher erfolglos um-gesetzt wurde. In seinem Konzept finanziert die in die Rentenversicherung einzahlende Genera­tion direkt die aus der Rentenversicherung entnehmende Generation, die wiederum ihre Ansprü-che aus der Dauer und der Höhe der eigenen Beitragsleistungen in die Rentenversicherung ablei-tet. Das eingezahlte Geld wird direkt an die Leistungsempfänger ausbezahlt. Da sich die Rente dem konjunkturellen Verlauf über die Zeit durch Kopplung der Renten- an die Lohnentwicklung anpassen würde, ist die Rente als dynamisch anzusehen (Fey, C. – Politische Bildung Bayern 2011: Online). Zu erwähnen sind die Vorbehalte, die insbesondere Banken, Arbeitgeber und Ver-sicherer hatten. Sie argumentierten, dass die Kopplung eine Gefahr für die Stabilität der Währung wäre und in eine inflationäre Preis- und Lohnspirale münden würde. Zweitens untergrabe die dynamische Rente die private Kapitalbildung und damit die Anreizwirkung einer persönlichen Eigenvorsorge. Drittens würden die zugrundeliegenden Vorausberechnungen auf überhöhte Wahrscheinlichkeitsberechnungen im Hinblick auf Lebenserwartung und Rentendauer beruhen. Es wurde geschlussfolgert, dass angesichts der zunehmenden Alterung der Bevölkerung die in Aussicht gestellten Rentenleistungen auf Dauer nicht finanzierbar seien. Die Kritiker sollten Un-recht bekommen, denn nachdem sich schließlich ein Kompromiss anbahnte und der Bundestag in der Nacht vom 21. Zum 22.01.1957 die Rentenreform erfolgreich passierte, urteilte das Institut für Demoskopie Allensbach, dass „… kein Beispiel dafür bekannt sei, dass irgendein Gesetz, eine Institution oder sogar Verfassung und Symbole des Staates eine auch nur annähernd so positive Resonanz gehabt habe wie die Rentenreform“ (Torp 2015: S. 86f).

Wie lässt sich nun die Neuorientierung im Verhältnis zwischen Jung und Alt, zwischen den im Erwerbsleben Stehenden und den aus dem Produktionsprozess Ausgeschiedenen erklären? Die politischen Motive für die sozialstaatliche Etablierung einer intergenerationellen Gleichheitsnorm trifft im Kern auf Vorstellungen sozialer Gerechtigkeit. Für den damaligen Bundeskanzler Ade­nauer war wichtig, dass der wirtschaftliche Aufschwung der neuen Bundesrepublik auch die wirt-schaftliche Lage der Rentner, Hinterbliebenen, Witwen und Waisen verbessern und sie am Wohl-stand beteiligen sollte. Eine Neuordnung der sozialen Sicherung durch Teilhabe älteren Bürger wurde forciert, um das Sozialprodukt zu steigern. Wichtig im Hinblick auf das Verständnis über die Motive der Neuordnung ist zu bemerken, dass die Alten damals aufgrund der einerseits man-gelnden materiellen Ausstattung sowie anderseits aufgrund des Ausscheidens aus dem Berufsle-ben als potentiell gesellschaftlich und politisch gefährliche Großgruppe galt. Soziale Spannungen wären die Folgen, die nur durch ein Angleichen der Durchschnittsrenten an die Durchschnitts-löhne unter Kontrolle gehalten werden könne.

Die Überlegungen bezüglich des richtigen Finanzierungskonzeptes waren so alt wie die Renten-versicherung selbst. Erst der Wechsel vom damaligen Kapitaldeckungs- zum Umlageverfahren machte eine normative Neuorientierung der deutschen Alterssicherung möglich. Dieses norma­tive Fundament bekam erst durch die ‚Solidarität zwischen den Generationen‘ Gestalt und ging dann als ‚Generationenvertrag‘ in die Geschichte ein. Das Auseinanderfallen von Verdienenden jüngeren Generationen und Nicht-Erwerbstätigen älteren Generationen sollte damit beseitigt wer-den. Rentner wurden darüber hinaus durch die Dynamisierung psychologisch gesehen vom Für-sorgeempfänger hin zum Nachbarn des Lohnempfängers gerückt, was einer sozialen Qualität gleichkäme (Torp 2015: S. 105f).

Eine Stärke der deutschen Rentenversicherung im Vergleich mit Ländern wie Frankreich, Italien oder Schweden ist die Tatsache, dass hierzulande die gesamte Erwerbsbiographie als Berech-nungsgrundlage der Renten herangezogen wird.

2.4.2 Aktuelle Entwicklung der Rentenversicherung und Entwicklung bis 2025

In 2017 beliefen sich die Ausgaben der gesetzlichen Träger der Rentenversicherung auf 298,9 Mrd. €, was im Vergleich zum Jahr 2016 ein Anstieg von 10 Mrd. € bedeutete (Rentenversiche-rungsbericht 2018). Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Finanzierung der Altersversorgung für den Sozialstaat Deutschland nicht nur eine finanzielle Belastung darstellt, sondern auch gesamt-wirtschaftlich von großer Bedeutung ist. Der Umfang des Themas ist jedoch für eine Hausarbeit dieses Rahmens zu komplex, als dass die Entwicklung der Rentenversicherung vollständig ana-lysiert werden kann. Es existieren viele unbekannte Variable, die, jede für sich betrachtet, unter-schiedlichen Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit der Renten- und Sozialversicherung nehmen. Er-wähnenswert ist jedoch die Tatsache, dass eine mögliche auftretende Rentenlücke die Politik dazu bewogen hat, einschneidende Maßnahmen wie die Riester-Rente einzuführen. Diese hat das Ka-pitaldeckungssystem wiederbelebt und damit das etablierte Rentenversicherungssystem in Frage gestellt. Die Gefahr, die sich für viele Menschen in der Auseinandersetzung stellt, ist, dass der Begriff der Sozialpolitik an Bedeutung verliert. Was dies genau bedeutet, soll im Folgenden kurz erklärt werden:

Die Gefahr liegt darin begründet, dass der Eifer neoliberaler Kräfte unter dem Deckmantel der Reformpolitik kein Halt macht vor den Errungenschaften der europäischen Zivilisation und mög-licherweise den Wohlfahrtsstaat als Ganzes bedroht. Dabei sind bereits die primitiven Formen einer sozialen Sicherung wie der Schutz vor Risiken so alt, dass sich ihre Spur, gut erforscht, im Alten Ägypten verliert (Butterwegge 2012: S.12f). Die Bevölkerung verliert das Vertrauen in das Rentensystem und der politische Druck steigt auch von politischer Seite, sinnvolle Lösungen zu finden und neue Wege zu gehen. Dabei bekommt der Begriff der Generationengerechtigkeit in der politischen und gesellschaftlichen Debattenkultur eine immer größere Bedeutung. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass eine Einbeziehung unterschiedlicher Generationen in die Debatte über neue Wege der Alterssicherung notwendig ist. Die Problematik ist zu komplex, als dass einfache Lösungen, die als Wahlgeschenk an Ältere verpackt werden, ausreichen würden. Diese einfachen Lösungen haben meistens nur eine kurze Wirkdauer und gelten daher als Scheinlösung. Deshalb wird der Begriff der Generationengerechtigkeit immer mehr als Leitgedanke entwickelt, aus dem heraus Ideen und Konzepte zur Beantwortung der sich ergebenden Herausforderungen entstehen sollen. Alles zielt mit der Generationengerechtigkeit darauf hin, dass Lösungen gesucht werden, die dahingehend gerecht sind, als das sie die eine Generation nicht gegenüber einer an-deren benachteiligt oder bevorteilt (Fey, Politische Bildung Bayern 2011: Online).

3. Generationenvertrag als Politikum: Debatten und Reaktionen

Ein großer Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik war die von Franz Müntefering 2007 vorge-preschte Initiative, die Altersgrenze auf 67 zu erhöhen. Diese brachte große Akzeptanzprobleme mit sich und enorme Anstrengungen, Kompromisse und Konsensbereitschaft zu erarbeiten. Im weiteren Verlauf wird in Kapitel 3.1 näher darauf eingegangen.

3.1 Diskurs demokratische Herausforderungen und Generationengerechtigkeit

Aufgabe einer Meinungsbildung ist es, dass die Bevölkerung Probleme wahrnimmt, Risiken rea-listisch einschätzt und sich auf mögliche Veränderungen einstellt. Ohne dieses Problembewusst-sein wird eine Durchsetzbarkeit notwendiger politischer Maßnahmen nur sehr schwer gelingen. Eine öffentliche Aufklärung wird jedoch häufig von verschiedenen Akteuren und Interessenver-tretern durch Negierung, Verharmlosung und Verdrängung der Probleme erschwert oder sogar unterdrückt. Vor den 90iger Jahren hatte das Thema der Generationengerechtigkeit deshalb in den breitenwirksamen Medien des Fernsehens, Rundfunks und den Tageszeitungen nur einen gerin-gen Stellenwert, weshalb es auch politisch nicht der Schwere der Herausforderungen gleich kam (Rauscher & Roos 2002, S.39). Erst ab den 90iger Jahren avancierte das Thema als politischer Grundsatz zu einer überparteilich akzeptierten Leitidee. Die FDP erklärte die Generationenge-rechtigkeit zu den Zielen der von ihnen geforderten grundsätzlichen Reform des Alterssiche-rungssystems. In der Anlage findet sich der Ausschnitt aus dem Wiesbadener Grundsatzpro-gramm der FDP aus dem Jahr 1997. Zur gleichen Zeit verteidigte der damalige Finanzminister Herr Blüm die Absenkung des Rentenniveaus ebenfalls als Beitrag zur ‚Generationengerechtig-keit‘ und zur ‚gerechten Lastenverteilung zwischen Jung und Alt‘. Die Politiker von Bündnis 90/Die Grünen stellten fest, dass die Frage der Generationengerechtigkeit besonders für die Al-tersvorsorge neu gestellt werden müsse. Schon zuvor wurde ‚Die Grüne‘ als die Partei der Gene-rationengerechtigkeit in Szene gesetzt. Schließlich nahm mit dem Motto der ‚Gerechtigkeit zwi-schen den Generationen‘ auch der damalige Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung aus dem Jahr 2003 eine zentrale Stellung zu dem Thema.

Die Forderung nach mehr Generationengerechtigkeit hat in dieser Zeit aber auch Widerspruch erfahren. Eine ausschließliche Fixierung auf öffentliche Transfers wird einer objektiven Beurtei-lung nicht gerecht, so die damalige Behauptung der Lebenslaufforschung. Rentenzahlungen seien nur ein Ausschnitt des komplexen Austauschverhältnisses zwischen den Generationen (ebs. S. 377). Entgegenlaufende private Netto-Transfers innerhalb der Familie in Form von Erbschaften stünden den sozialstaatlichen Leistungen entgegen. Des Weiteren wurde kritisiert, dass in der öffentlichen Debatte im Denken der Bevölkerung überhaupt keine Generationengerechtigkeits- problematik bestehe, so das Ergebnis repräsentativer Meinungsumfragen. Die Leiterin des Insti-tuts für Demoskopie Allensbach kam deshalb zu dem Schluss, dass bei dem politisch vielfach diskutierten Problem der Generationengerechtigkeit in Wirklichkeit um eine „Schimäre1 “ han-dele. Die Grafik zeigt das Ergebnis der Umfrage zur Legitimation des Generationenvertrages:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Sind Sie der Meinung, dass das Prinzip des sogenannten "Generationenvertrages" richtig ist?

Dennoch stieg das Ungerechtigkeitsempfinden insbesondere in der jüngeren Bevölkerung mit der Zeit stark an, so dass sich 77 % der unter 17-34jährigen für ein gerechteres Rentensystem aus-sprachen. Diese Ergebnisse könnten Ursache einer langfristig und nachhaltig angelegten politi-schen Agenda der Parteienlandschaft sein und nunmehr mit dem Generationengerechtigkeitsar-gument auch über ein normatives Leitbild verfügen, die auf Ebene einer rein technischen Sach-zwanglogik nicht zu erzielen war (Torp 2015: S. 377f).

Für die SPD, so der ehemalige Chef Sigmar Gabriel, sind die wichtigen sozialdemokratischen Verteilungsfragen zu sehr in den Hintergrund geraten. Er wundert sich, dass seine Partei heutzu-tage beinahe zwei Jahre für ein Handelsabkommen mit Kanada debattiert, anstatt die sozialpoli-tischen Probleme im Land anzugehen (Schaumburger Nachrichten 2019: Online-Lektüre). Hein-rich Oberreuter, damals Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, reklamiert für die SPD eine Übernahme konservativer Grundpositionen. Eigenverantwortung anstelle der Soli-darität, Teilhabe statt Verteilungsgerechtigkeit, das ist es, all dies setzt seiner Meinung nach zu Duden: Trugbild, Hirngespinst stark auf einen sozialen Kapitalismus ab. Ideologische Gegensätze zwischen den Parteipolitischen Lagern schwänden. Familienpolitik wurde im Jahr 2002 von SPD und Grüne gemeinsam be-stimmt.

Hans-Peter Bartels, ein sozialdemokratischer Bundestagsabgeordnete und heutiger Wehrbeauf-tragte, plädierte für einen kompletten Systemwechseln von einem beitragsfinanzierten Versiche-rungssystem hin zu einem steuerfinanzierten gesetzlichen Leistungssystem der sozialen Sicher-heit. Begründet hat er dies damit, dass die Folgen einer schleichenden demografischen Entwick-lung aufgehalten werden könnten. Doch das Gegenteil würde passieren. Durch eine solche Ver-lagerung profitieren Unternehmen und Händler, da sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Kunden abwälzen würden, so Prof. Butterwegge, Politikwissenschaftler und Geschäftsführender Direktor des Instituts für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Uni-versität zu Köln. Nicht mehr Erwerbstätige und Großfamilien würden besonders hoch belastet. Es muss erkannt werden, dass weitere Angriffe auf die ursprünglich paritätische Finanzierung der Sozialversicherung durch eine forcierte Umstellung auf Steuermittel Millionen Arbeitnehmer-haushalte und Mehrkinderfamilien zu Hauptleittragenden machen würde. Steuerfinanzierte Sozi-albeiträge sind nicht per se ungerechter: Deren Verteilungswirkung hängt aber zu stark davon ab, ob die notwendigen Vorsorgemittel durch direkte oder indirekte Steuern aufgebracht werden. Wenn dann nämlich Leistungen gekoppelt werden an direkte Steuern, ist die Gefahr eines ‚Sozi-alabbaus‘ signifikant höher. Da das Sozialversicherungssystem sich selbst verwalte, wäre die Ver-lässlichkeit einer über Beiträge finanzierten Altersvorsorge eher größer als bei steuerfinanzierten Experimenten. Denn würde die Verantwortung in die Hände des Finanzministers übergehen, so zeigen internationale Vergleiche, können Leistungen auch schnell wieder gekürzt werden (But-terwegge 2012: S. 400f).

Wichtig zu erwähnen im Hinblick auf die Wirksamkeit und Notwendigkeit öffentlicher Debatten ist die Unkenntnis vieler Bürger über das sogenannte Umlageverfahren. Vielen Menschen ist gar nicht bekannt, dass das Umlageverfahren nicht vorsieht, einmal eingezahlte Rentenbeiträge nach der Erwerbstätigkeit als Rente wieder voll auszuzahlen.

3.2 Rentenpolitische Entwicklung und Debatte im Zeitverlauf 3.2.1 Die 90iger Jahre

Nach der erfolgreichen Wiedervereinigung Deutschlands und einem umfassenden Systemwech-sel des Beitrittsgebietes durch Integration in das bundesdeutsche Rentensystem kamen die ost-deutschen Bürger mit Wirkung vom 01.01.1992 in den Genuss eines weitaus großzügigeren (westdeutschen) Rentensystems. Die ganzheitliche sozialpolitische Angleichung der gesetzlichen Rentenversicherungsbezüge der Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland zeigte sich in Ein-kommenszuwächse und beseitigte eine vorher vorhandene materieller Abkopplung dieser. Trotz dieses Aufholprozesses ostdeutscher Rentner bedeutete dies nicht, dass die Einkommenssituation der Alten im Osten insgesamt besser war als im Westen, der Gegenteil war der Fall. Dieser Rück-stand lag darin begründet, dass die Alten in Ostdeutschland ausschließlich auf die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen waren, während die Westrentner noch über umfang-reiche alternative Einkommensquellen verfügten. Nach einer Dekade des Angleichens hat im Zeitverlauf jedoch die Einkommensarmut der über 65 Jährigen in Ostdeutschland gegenüber den jüngeren Bürgern abgenommen und auch im direkten Vergleich zu ihren Altersgenossen im Wes-ten wiesen sie ein geringeres Armutsrisiko auf (Torp 2015: S. 347ff). Die Folgekosten der deut-schen Wiedervereinigung sowie die prekäre Arbeitsmarktsituation hat die Rentenfinanzierung so sehr gefährdet, dass die Probleme und Herausforderungen das erste Mal öffentlich und politisch zum großen Themenschwerpunkt wurde. Die Folgen einer schnellen Annäherung an das Westni-veau lies die Rentenausgaben nämlich explodieren.

Es deutete sich mehr und mehr an, dass es sich bei den Finanzproblemen der deutschen Renten-versicherung im Kern um eine Strukturkrise handele und einer dringenden Reform bedürfe. Nicht mehr das umlagefinanzierte Rentenmodell war in den internationalen rentenpolitischen Diskussi-onen und damit auch in Deutschland erste Wahl, sondern es gewann ein Siegeszug des Mehrsäu-lenparadigmas. Dies beruhte auf ein kapitalgedecktes privates Rentensystem und wurde von der Weltbank ideologisch verteidigt (ebd. S. 366). Die Weltbank propagierte aufgrund der Gefahr einer demographischen Alterung drei Säulen der Alterssicherung. Eine staatliche nach dem Be-dürftigkeitsprinzip oder für alle gleiche Grundsicherung bereithaltende Säule, eine zweite ver-pflichtende und staatlich regulierte, aber privatwirtschaftlich verwaltete und kapitalgedeckte Säule und eine dritte auf Freiwilligkeit basierte Säule.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Mehrs äulenprinzip der Altersvorsorge

Besonders in den Transformationsländern nach 1990 in Osteuropa erwies sich dieses Mehrsäu-lenmodell als tragbares Alterssicherungskonzept. Auch auf europäischer Ebene wurde Mobil ge-macht und die Alterung der Bevölkerung als Anlass genommen, die Rentensysteme zügig zu re-formieren. Es ist schwer zu messen, inwieweit sich eine Einflussnahme von Weltbank und Euro-päischer Kommission auf die Agenda der deutschen Rentenpolitik auswirkte, gab es doch bereits ein ähnliches Dreisäulenmodell mit der Trias gesetzlicher, betrieblicher und privater Alterssiche-rung. Dennoch wurden der Druck und die Forderung nach einer tiefgreifenden Rentenreform ins-besondere auf der Grundlage der zukünftigen Finanzierungsfrage intensiviert und von politischen und wirtschaftlichen Nutznießern gekonnt mit dem ‚Wirtschaftsstandort Deutschland‘ verknüpft. Die Liberalisierung und Deregulierung von Märkten wurde durch Innovationen in der Kommu-nikations- und Informationstechnologie verstärkt und verschärfte so die Debatte um die globalen Wettbewerbsbedingungen, die nur durch einen Standortvorteil gewonnen werden können und in der Folge wettbewerbsschädigende Schwächen des Standortes Deutschland beseitigen. Eine große Schwäche in diesem Zusammenhang wurden die gestiegenen Sozialversicherungsbeiträge genannt, mit denen die Beiträge der Rentenversicherung ins Visier der Modernisierer kamen (ebd. S. 369).

3.2.2 Die Jahre nach 2000

Mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem zukünftigen Bundesarbeitsminister und ehemaligen Gewerkschaftsfunktionär Walter Riester nahmen die Reformbemühungen zur Jahrtausendwende Gestalt an und ebneten der Fi-nanzbranche den Zugang zur Alterssicherungspolitik. Das Geschäft mit der privaten Altersvor-sorge und die damit einhergehenden Profitaussichten einte die einst konkurrierende Versiche-rungsindustrie und den Banken- und Investmentsektor und führte zu konzertierten Medienkam-pagnen, die darauf abzielten, das Vertrauen, die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit der gesetz-lichen Rente zu untergraben und die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer Teilprivatisie-rung der Altersversorgung zu überzeugen (Wehlau, 2009: S.159-311). Zusätzlich nutzte die Fi-nanzlobby Renditevergleiche der sich abzeichnenden Gewinne aus der Aktienhaussee auf dem deutschen Aktienmarkt DAX sowie die New Economy und stellte diese den krisengeschüttelten Gesetzlichen Rentenversicherungen gegenüber (Torp, 2015. S.374). Dies war für viele deutsche Bürger die Geburtsstunde der (teil)-privaten Rentenvorsorge.

Ein weiterer wesentlicher Faktor für zunehmende Reformbemühungen zur Jahrtausendwende war der Aufstieg des politischen Diskurses zur Generationengerechtigkeit. Bereits in den 70iger und 90iger Jahren stand der Vorwurf im Raum, das Rentensystem verteile die durch die Bevölke-rungsentwicklung verursachten Lasten einseitig zuungunsten der Jüngeren und verstoße so gegen das Gebot der Generationengerechtigkeit. Durch den hinzukommenden demographischen Wan-del erlangte die Argumentation eine zusätzlich normative Aufladung. Immer mehr Think Tanks, politische Kreise, Interessenvertreter und finanzierte Stiftungen prangerten den Betrug an die jün-gere Generation an (ebd. S. 374f).

Große Entrüstung der Medienlandschaft und der Öffentlichkeit entlud sich 2008, als die Große Koalition den Altersvorsorgefaktor für zwei Jahre aussetzte und die gesetzlichen Altersrenten um 1,1 Prozent anstatt nur um 0,46 % anhob. Die Zeitungen schrieben von einem „Sieg der Alten-lobby“ (Süddeutsche Zeitung) und bezichtigten die Bundesregierung eines „Rentenbetrugs“ (BILD). Leichtfertigkeit und Populismus wurde den Parteien CDU/CSU und SPD vorgeworfen und avancierte zum Synonym für das Festhalten am Sozialstaatspostulat des Grundgesetztes und am Prinzip der Solidarität – um die wachsende Zahl älterer Stimmbürger an der Wahlurne nicht zu verlieren. Da auf sozialpolitische Maßnahmen auch viele publizistische Angriffe neoliberaler Interessenvertreter auf den Wohlfahrstaat stattfanden, wurde eine starke Beeinflussung des Mei-nungsklimas Deutschlands deutlich (Butterwegge 2012: S. 256).

3.2.3 Die Jahre nach 2010

Der aktuelle Arbeitsminister Hubertus Heil hat am 13. Juli 2018 in einer Pressekonferenz das neue Rentenpaket II vorgestellt. Es sieht eine Reform der Erwerbminderungsrente vor mit dem Ziel der Bekämpfung von Altersarmut insbesondere bei den sehr niedrigen Renten. Erreicht wer-den kann dies durch eine Anhebung der Zurechnungszeit, um die finanzielle Situation der Emp-fänger von Erwerbsminderungsrenten zu begünstigen. Da jedoch die Neuregelung nur für Ren-tenneuzugänge gilt und die Rentensteigerung mit der Grundsicherung verrechnet wird, steigen die Kosten auf kurzfristigem Zeithorizont nur sehr gering an, wachsen aber bis 2030 in den Mil-liardenbereich an.

Eine Verbesserung und Einigung bei der ‚Mütterrente 2‘ hat zum Ziel, die Geburtenrate zu erhö-hen, Altersarmut entgegenzuwirken sowie der Generationengerechtigkeit zu entsprechen. Spätere Untersuchungen haben aber nur einen geringen Effekt in den Geburtenzahlen ausmachen können. Die Mütterrente verschlingt Kosten, die sinnvoll zur Armutsvermeidung hätte eingesetzt werden können, so Prof. Schnabel von der Fakultät Finanzwissenschaften der Universität Duisburg-Es-sen. Er verweist weiter darauf, dass die Verrechnung der Zuschläge mit der Grundsicherung po­sitive Effekte bei der Linderung der Altersarmut neutralisieren würden und deshalb eine Anhe-bung der Entgeltpunkte bei niedrigen Einkommen oder die Anhebung der Faktoren für Witwen-rente zu größeren positiven Effekten geführt hätte.

4. Implikationen

4.1 M ögliche Folgen einer verfehlten Rentenpolitik

Die Absenkung des Rentenniveaus kann zu einer Gefahr von Altersarmut werden, da die Renten den Löhnen seit der Abänderung der Rentenformel nur noch in begrenztem Maß folgen. Arbeit-nehmer müssen in Zukunft mehr Geld in die GRV einzahlen, um eine Rentenleistung auch nur in Höhe der staatlichen Grundsicherung zu erhalten. Ein Berechnungsmodell unterstellt, dass ein Durchschnittsverdiener im Jahr 1992 annähernd 26 Beitragsjahre benötigte, um eine Rente auf dem Niveau der Armutsgrenze zu erzielen. Im Jahr 2030 braucht dieser Durchschnittsverdiener bereits 35 Jahre, um auf dasselbe Niveau zu kommen.

Wird die Veränderung der staatlichen Leistung im Ländervergleich mit Frankreich, Italien, Schweden und Deutschland im Zeitraum 1990 – 2004 verglichen, wird erkennbar, dass die größ-ten Leistungseinschnitte in allen Ländern bei den Rentenversicherungen zu verzeichnen sind. Verstärkt durch den demografischen Wandel wird sich in Deutschland aber erst die volle Auswir-kung zeigen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 60iger Jahre das Rentenalter erreichen und die Zahl der geringeren Geburtskohorten der 70iger und 80iger Jahre die Erwerbsstruktur in Deutschland kennzeichnen. Die bereits verabschiedeten Rentenkürzungen betreffen erst die künf-tigen Generationen der Rentenleistungsempfänger. Soziale Spannungen der heutigen älteren Ge­neration konnte abgemildert werden. Doch wie werden die zukünftigen Rentnergenerationen da-mit zurechtkommen? Der Hauptteil der Belastungen ist politisch gewollt in die Zukunft verlagert worden.

Die Rentenreformen entlasten die Rentenversicherung auf Kosten der jungen Generation, die erst später Rentenansprüche geltend machen wird. Es werden staatliche Zahlungen für zukünftige Rentenempfänger gekürzt, in der Erwartung, dass die verloren gegangenen staatlichen Ansprüche durch private und betriebliche Altersvorsorge ersetzt werden. Analysen haben jedoch gezeigt, dass Einkünfte von Rentnerhaushalten insbesondere im unteren Einkommensbereich fast aus-schließlich aus staatlichen Rentenansprüche bestehen. Sind nun aber private und betriebliche Ren-tenansprüche nicht vorhanden, können die einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen auch nicht von den in Aussicht gestellte Steuervergünstigungen genießen. Hingegen sind diese Steuer-vorteile für all die Bürger vorteilhaft, die mehr in die private Altersvorsorge stecken können. So-mit wird als Folge eine staatliche Steuerbegünstigungspolitik zu einer Umverteilungsmaschinerie von unten nach oben (Blome et al 2008: S.358f).

4.2 Meinungen und Ma ßnahmen der Regierung

Das Magazin ‚Der Spiegel‘ resümierte zur Jahrtausendwende, dass trotz aller Meinungsunter-schiede beide großen politischen Parteien CDU und SPD die Ansicht vertreten, Leistungen aus der staatlichen Rente zu senken sowie die Versorgungslücke, die sich im Alter auftut, durch pri­vate Vorsorge zu schließen. Ein weitreichend politischer und wissenschaftlicher Konsens ebnete schlussendlich den Richtungswechsel, der zur Riesterreform von 2001 sowie zum Rentenversi-cherungs-Nachhaltigkeitsgesetz 2004 führte. Mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz von 2007 wurde versucht, dem demografischen Wandel entgegen zu treten. Weiter war der Einstieg in die Teilprivatisierung der Alterssicherung durch staatliche Förderung einer zusätzlichen kapi-talgedeckten Altersvorsorge von großer Bedeutung, deren Leistungen das langfristige Absinken des GRV-Rentenniveaus kompensieren sollte. Möglichkeiten der steuerlichen Absetzbarkeit von Altersvorsorgebeiträgen soll die Niedrigsteinkommen und Personen mit Kindern überproportio-nal begünstigen. Die deutsche Alterssicherungspolitik beruht allerdings auf der Freiwilligkeit der privaten kaptalgedeckten Altersvorsorge und versucht, einen Aufbau durch finanzielle Anreize zu unterstützen. Damit befindet sich diese an einem liberalen Ende eines internationalen Trends, an dessen Beginn die obligatorische Mitgliedschaft in einem kapitalorientierten Rentensystem steht. Bundesarbeitsminister Riester scheiterte mit einer Verpflichtung der kapitalgedeckten Al-tersvorsorge, durch die BILD mit dem Prädikat „Zwangsrente“ gebrandmarkt. Das Thema private Pflichtrente war seitdem vollständig diskreditiert und verschwand (Torp 2015: S. 380ff).

Neben der Teilprivatisierung der Altersvorsorge und dem Absenken des Rentenniveaus wurde noch die Erhöhung des Renteneintrittsalters beschlossen. 2007 wurde unter Federführung des da-maligen Arbeitsministers Franz Müntefering die Regelaltersgrenze von 2012 bis 2029 schritt-weise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestands ab 63 besteht weiterhin, doch nur noch durch in Kauf nehmen dauerhafter Rentenabschläge. Dieser sozialpoli-tische Vorstoß wurde durch erheblichen Widerstand begleitet und von den Gewerkschaften im Umkehrschluss als deutlichen Machtverlust gegenüber den sozialstaatlichen Institutionen ver-standen. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters führt unweigerlich zu einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit und ist verbunden mit einem deutlichen finanziellen Verlust im Alter. Da in Deutschland jedoch der Ruhestand mit einer materiell sorgenfreien Lebensphase verbunden ist, ist in diesem Bereich der Lösungsfindung der Widerstand im Land besonders groß gegen die Idee zu wettern. Erst die Große Koalition 2013 unter Angela Merkel als Bundeskanzlerin wurde auf den Unmut der Bevölkerung und der Gewerkschaften reagiert und die Rente mit 67 für bestimmte Jahrgänge und einen begrenzten Kreis von Beitragszahlern außer Kraft gesetzt (ebd. S. 391). Es folgte 2014 das RV-Leistungsverbesserungsgesetz alias Rentenpaket 2014, welches bereits unter bestimmten Bedingungen die Rente mit 63 ohne Abschläge ermöglichen sollte. Ein Fazit im Hin-blick auf die Auswirkungen der Rente mit 67 ist noch zu früh, doch kann bei einer tiefergehenden Betrachtung aggregierter Daten davon ausgegangen werden, dass verschiedene soziale Gruppen in ausgesprochen ungleicher Weise vom Altersgrenzenkonzept betroffen sind. Für viele hochqua-lifizierte Arbeitnehmer gestaltet sich die Anhebung des Renteneintritts weniger problematisch als für weniger qualifizierte Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer, die aus eher einfach-qualifizierten Be-rufen kommen, wie auch Langzeitarbeitslose und Kranke leiden vermehrt unter dem Rückgang der Altersrentenleistung.

Dennoch ist eine Anpassung der Lebensarbeitszeit eine logische Konsequenz einer höheren Le-benserwartung, so der Vorsitzende Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft-lichen Entwicklung und Präsident des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Prof. Dr. Schmidt. Herr Schmidt ist überzeugt, dass ein an die Verlängerung der Lebensarbeitszeit gekop-pelter Rentenbeginn durchaus Sinn macht, vorausgesetzt es wird mehr für die Gesunderhaltung der Menschen im Alter getan. Nachdem der Sachverständigenrat die Tragfähigkeitslücken im Haushalt für verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Geburtenraten und Zuwanderungssal-den untersuchte, kam als Ergebnis heraus, dass es nur einen gering positiven Einfluss auf die Alterssicherungssysteme hätte, selbst bei teuer erkauften familienpolitischen Maßnahmen, um im Ziel die Geburtenrate zu steigern. Herr Schmidt kritisiert darüber hinaus die Flexibilität des Ar-beitsmarktes durch die Einführung des Mindestlohns sowie die Aufweichung der gesetzten Al-tersgrenzen durch die große Koalition 2013 unter Angela Merkel. Die aktuelle Migrationspolitik wird möglicherweise die Probleme entschärfen, doch sind für nachhaltig positive Effekte die Aus-gaben für Bildung zu gering und die Wirtschaftspolitik zu passiv (Preissl 2015, Onlinepublikation S.2-6).

4.3 Der Generationenkonflikt aus Sicht eines Theologen

Einer der profiliertesten Theologen Deutschlands, Professor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber, hatte 2012 im Rahmen seiner Gastprofessur zwei Vorträge an der Universität Duisburg-Essen gehalten und dabei die Generationengerechtigkeit thematisiert. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer Dringlichkeit dieser Thematik und empfahl selbst auferlegte Pflichten gegenüber den kom-menden Generationen. Ethische Fragen nach der Rücksichtnahme sollten nicht nur denjenigen gelten, die gleichzeitig mit uns leben, sondern auch diejenigen einschließen, die nach uns kom-men. Aus der Art des demografischen Wandels, den die deutsche Gesellschaft durchläuft, gewinnt die Generationengerechtigkeit eine hohe Dringlichkeit. Dieser doppelte Alterungsprozess führt zu einer Verschärfung der Anforderungen an die Nachrückenden, wie erst recht an die künftigen Generationen. Der Theologe betrachtet das Verhältnis der jüngeren, mittleren und älteren Gene-rationen zueinander, und fordert auf Basis der ethischen Tradition eine besondere Verantwortung der mittleren Generation. Sie trägt die Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und sie hat zugleicht eine besondere Verantwortung gegenüber den Lebensbedingungen der älteren Ge­neration. Es spitzt sich im demographischen Wandel die Frage zu, welche Verpflichtungen den Jüngeren gegenüber den Älteren zugemutet werden dürfte. Herr Huber verwendet in diesem Zu-sammenhang eine Analogie zur Bibel. Der biblische Methusalem wurde 969 Jahre alt und war damit der älteste in der Bibel erwähnte Mensch. Er wurde zum Symbol für den Herrschaftsan-spruch, den die Alten gegenüber die Jüngeren antreten. Ihre Versorgung wird zur lebenslangen Belastung für die Jüngeren. Auf heute bezogen bedeutet dies für ihn, dass die gesetzlich gesicherte Altersversorgung, die die ältere Generation sich gesetzt hat, den Lebensstandard der Jüngeren auf unabsehbare Zeit mindern wird. Es existiert darüber hinaus eine beträchtliche Einflussnahme äl-terer Akteure auf politischen Parteitagen und in der Parlamentsarbeit im Hinblick auf das Maß, wie hoch die zugesicherte Altersversorgung ausfallen wird. Exemplarisch ist zu erwähnen, dass ein kürzlich durchgeführter kleiner Parteitag der SPD ein Rentenniveau von ungefähr 50 % bis zum Jahr 2020 festgeschrieben hat, was im Umkehrschluss für alle Berufstätigen mit einem spä-teren Renteneintrittsalter die Botschaft aussendet, dass sich diese auf ein geringeren Rentenniveau einzustellen haben. Er lässt die Möglichkeit offen, ob sich die verschiedenartig individuellen Le-bensbiographien der Beitragszahler überhaupt eine private Altersvorsorge als mögliche Kompen-sation bezahlen können. Solche sozialpolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen müs-sen verhandelt werden, so die Aussage Herrn Hubers. Es wird jedoch in politischen Vorwahlzei-ten eine Klientelpolitik betrieben, die nicht die Generationengerechtigkeit berücksichtigt. Im po-litischen Umgang mit diesen Fragen wird das Generationenproblem somit weiter verschärft. Die Bereitschaft der jüngeren leistenden Generation, Kinder auf die Welt zu setzen und für diese nachwachsende Generation Verantwortung zu übernehmen, schwindet mit Zunahme der zusätz-lichen Belastung, die durch kollektive und individuelle Altersvorsorgen steigt. Umso wichtiger sollte die Gesellschaft über Pflichten nachdenken, um der nächsten jüngeren Generation eine Zu-kunft zu bieten. Dies bedeutet, dass den Menschen klar werden muss, dass ein notwendiger Bei-trag zur Zukunft der Gesellschaft erforderlich ist. Nicht nur das individuelle Glück sollte eine wesentliche Rolle in der Entscheidungsfindung für oder gegen Kinder spielen. Es wird dafür plä-diert, eine Generationengerechtigkeit einzufordern, die bisweilen gesellschaftlich als Tabu galt. Dazu gehört ein Bildungssystem, dass sich am Maßstab der Befähigungsgerechtigkeit orientiert. Erst Bildungsmöglichkeiten führen dazu, dass sich die Fähigkeit ausbildet, aktiv an der gesell-schaftlichen und politischen Teilhabe mitzuwirken. Eine gute Schulbildung ist da genauso wich-tig wie ein guter Übergang von der Schule in die Ausbildung oder das Studium. Für Herrn Huber ist das befähigungsgerechte Bildungssystem ein Schlüsselthema zur Generationengerechtigkeit. Er kritisiert die technisch ermöglichte Erlebens- und Handlungsumfang der Gegenwart, die die Vergangenheit und die Zukunft in eine Bedeutungslosigkeit bringt. Erinnerungen als Vergangen- heit und Hoffnungen als Zukunft werden gegenüber dem heutigen Erleben nur sekundär und ver-lieren an Bedeutung. Die Wirkung des verantwortungsvollen Handelns steht für Herrn Huber an vorderster Stelle. Er appelliert an alle Bürger, sich überparteilich für eine gerechte Sozialpolitik einzusetzen, die keine Verlierer kennt und eine sozialpolitische Balance zwischen jüngeren und älteren Generationen für notwendig hält, ohne die finanziellen Risiken zu sehr in die Zukunft zu verschieben (Huber 2012, Videopodcast auf primo-uni-due.de).

4.4 Ausblick auf die Zukunft der Altersversorgung in Deutschland

Der demografische Wandel bedroht die Nachhaltigkeit der Renten- und Pflegeversicherung in Deutschland. Nun gibt es verschiedene Akteure, die sich um eine Schadenbegrenzung bemühen. Wie bereits in der Einleitung eingegangen, versuchen auf der einen Seite liberale Kräfte, den Wohlfahrtsstaat mit weniger Aufgabenbereichen zu belasten, mit dem Ziel der höheren wirt-schaftlichen Produktivität durch private Kapitalvorsorge. Auf der anderen Seite versuchen sozi-alpolitisch orientierte Akteure, dem Staat eben mit diesen Aufgaben zu legitimieren, die einen sozialen Ausgleich gesellschaftlicher Gruppen beabsichtigen, ohne ausschließlich auf Gewinn-maximierung zu schauen (Blome et al 2008: S. 356). Die Gefahr besteht darin, ob es jemandem gelingt, eine Seite der Bevölkerung gegen die andere Seite aufzuwiegeln oder ob eine Lösung erstritten werden kann, die nicht zulasten der jüngeren oder zulasten der älteren Generation geht. Die Frage ist, wie eine staatliche Sozialpolitik diesen Balanceakt schafft.

Es ist vermessen zu behaupten, dass eine gerechte Lösung von einer Partei zu erwarten ist. Die Gefahr sozialer Spannungen kann nur durch eine Kompromissbereitschaft aller beteiligten Ak­teure gelingen. Kompromisse sind die Kernkompetenzen einer funktionierenden Demokratie und bisher ein Wesensmerkmal deutscher Sozialpolitik gewesen. Bereits der israelische Philosoph Avishai Margalit sagte im übertragenen Sinne, dass „… die Güte einer Politik sich nicht an der Größe echter oder vermeintlicher Ideale ihrer Politiker zeigt, sondern an der Qualität ihrer Kom­promisse …“ (Essay in Süddeutsche Zeitung: 2016). Es wäre nicht zu empfehlen, das Problem der Generationengerechtigkeit zu entpolitisieren und dies lediglich als ein rein finanzwirtschaftliches Konstrukt zu sehen, welches nur noch unter dem Dogma der Gewinnmaximierung stehen würde. Der Generationenvertrag aus dem Jahre 1957 war eine politische Leistung, die dem damaligen Zeitgeist der 50iger und 60iger Jahre entsprach. Im gegenwärtigen Jahr 2019 sollte genügend Mut aufgebracht werden, die Herausforderungen mit allen gesellschaftlich beteiligten Akteuren zu-sammen zu bestreiten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, möglichst unter der politischen Perspektive eines Kompromisses (Fey 2011: Onlinelektüre). Die Alterssicherung ist und bleibt auf der politischen Agenda eines der wichtigsten Themenschwerpunkte. Dieter Döring assistiert aufgrund eines bestehenden ‚Trends‘ hin zum gelebten Wertewandel zur weiteren Ausrichtung des Leistungs- und Gegenleistungsprinzips. Das konstitutive Versicherungsprinzip besitzt seiner Meinung nach gute Anschlussmöglichkeiten für eine Universalisierung und Erweiterung der noch immer berufsständischen Sozialversicherungen (Butterwegge 2012: S. 401).

5. Fazit

Die Politik reagierte nach der Jahrtausendwende auf die Finanzierungsprobleme mit grundlegen-den Reformbemühungen. Mit dem Absenken des Nettorentenniveaus von 70 % auf etwa die Hälfte des Durchschnittsverdienstes wurde das Ziel der Lebensstandardsicherung durch das öf-fentliche Rentensystem laut Meinung vieler Wissenschaftler und Politiker jedoch untergraben und somit gefährdet, auch wenn versucht wurde, es durch das Mehrsäulenprinzip in seiner Geltung aufzuwerten. Der Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit bleibt als dominantes Organisationsprin-zip dem Rentensystem bestehen, jedoch werden die Prioritäten in der öffentlichen Diskussion unterschiedlich gesetzt. Die Debatte rund um die Generationengerechtigkeit hat im öffentlichen und politischen Diskus im Zeitverlauf etwas nachgelassen und ist im Jahr 2019 medial nicht gleich präsent wie noch zu Zeiten der Schwarz/Gelben-Regierung. Das kann verschiedene Gründe haben. Beispielsweise prägt seit 2015 die Migrations- wie auch die Klimapolitik die öffentliche Debatte. Ebenfalls verändert sich die politische Landschaft in Deutschland. Dies macht sich sehr deutlich in den Wahlergebnissen der AFD. Unabhängig von realistischen und umsetzbaren Lö-sungsvorschlägen bleibt die Alterssicherung in Deutschland eine hohe Herausforderung und Be-lastung für Bürger und Sozialstaat. In Zeiten hoher Dividendenausschüttung großer Kapitalge-sellschaften sehen liberale Kräfte Bürger in Staaten mit einem Schwerpunkt auf der kapitalge-deckten Vermögensbildung im Vorteil gegenüber dem umlagefinanzierten Vorsorgeprinzip ohne private Altersvorsorge. Kritisch zu betrachten ist auch, dass eine zu hohe öffentliche Berichter-stattung in Hinblick auf die Altersarmut gleichzeitig andere Themenschwerpunkte verdrängt. Die Jugendarbeitslosigkeit wird in vielen Ländern nicht genügend problematisiert und sollte neben der Alterssicherung einen mindestens gleich hohen Stellenwert erhalten. Was bringt eine hohe Alterssicherung, wenn die jüngere Generation nicht genügend berufliche Perspektiven hat, um das gegenwärtige Rentensystem nachhaltig zu sichern? Bleibt abzuwarten, wie sich die gesell-schaftliche und mediale Debatte rund um das Thema weiter entwickelt, denn nichts setzt Politiker mehr unter Handlungsdruck als ein gut geführter und in der breiten Gesellschaft unterstützter öffentlicher Diskurs.

Literaturverzeichnis

Blome A., Keck W., Alber J. (2008): Generationenbeziehung im Wohlfahrtsstaat.GWV Fach-verlage GmbH. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften

Butterwegge, Christoph (2012): Krise und Zukunft des Sozialstaates. Verlag für Sozialwissen-schaften. Wiesbaden. Springer VS

Chadwick, Andrew (2013): The Hybrid Media Systems. Politics and Power. Oxford: Oxford University Press.

Donges, Patrick & Jarren, O (2017): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft – Eine Einführung. 4. Auflage. Wiesbaden. Springer VS

Fa ßmann, Manuela & Moss, C. (2016): Instagram als Marketing-Kanal. Die Positionierung ausgewählter Social-Media-Plattformen. Wiesbaden. Springer VS.

Torp, Cornelius (2015):Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat. Alter und Alterssicherung in Deutschland und Großbritannien von 1945 bis heute. Göttingen. Vandenhoeck & Rup-recht GmbH & Co. KG.

Wehlau, Diana (2009): Lobbyismus und Rentenreform. Der Einfluss der Finanzdienstleistungs-branche auf die Teilprivatisierung der Alterssicherung. Wiesbaden.

Onlinequellen

Bundesamt f ür Statistik (2019): Bevölkerung – Mitten im demografischen Wandel: In: https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/demografie-mitten-im-wandel.html;jsessionid=70161625C01D1FD05D62624C721667F0.inter-net721. [Zugriff 03.08.2019]

Essay von Unbekannt. In S üddeutsche Zeitung (2016): Was ist ein guter Kompromiss. In: www.sueddeutsche.de/politik/essay-ein-hoch-auf-den-kompromiss-1.2927339-4. [Zugriff 31.07.2019]

Fey, Christian (2011) Politische Bildung Bayern: Der Generationenvertrag als politische Her-ausforderung: In: www.politische-bildung-in-bayern.net/fachbeitraege/item/495-der-ge-nerationenvertrag-als-politische-herausforderung. [Zugriff 31.07.2019]

Huber (2012) https://primo.ub.uni-due.de/primo-explore/fulldisplay?docid=UDEAL-EPH016768323&context=L&vid=UDE_NUI&lang=de_DE&search_scope=Lo-calUDE&adaptor=Local%20Search%20Engine&tab=localude&query=any,contains,spra-che%20macht%20denken&offset=0. [Zugriff: 05.08.2019]

Statistisches Bundesamt (2019): Bevölkerung im Erwerbsalter sinkt bis 2035 voraussichtlich um 4 bis 6 Millionen. In: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressekonferenzen/2019/Be-voelkerung/pm-bevoelkerung.pdf?__blob=publicationFile. [Zugriff 03.08.2019)

Preissl, Brigitte (2015): Zukunftsfähigkeit des Rentensystems. S. 2-6. Wirtschaftsdienst 95. Jahrgang, Heftnummer 13. In: https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2015/13/zukunftsfa-ehigkeit-des-rentensystems/. [Zugriff 07.08.2019]

Anhang

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Ausschnitt aus dem FDP-Grundsatzprogramm aus dem Jahr 1997

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Herausforderung Generationenvertrag. Das deutsche Rentensystem und die Folgen des demografischen Wandels
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Seminar
Note
1,00
Autor
Jahr
2019
Seiten
24
Katalognummer
V910571
ISBN (eBook)
9783346210937
ISBN (Buch)
9783346210944
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Generationenkonflikt, demografischer Wande, Sozialpolitik, Rentensystem, Sozialsystem, Generationenvertrag
Arbeit zitieren
Marcus Herzberg (Autor:in), 2019, Herausforderung Generationenvertrag. Das deutsche Rentensystem und die Folgen des demografischen Wandels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/910571

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Herausforderung Generationenvertrag. Das deutsche Rentensystem und die Folgen des demografischen Wandels



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden