Spätestens seit den 1980er Jahren ist „Tibet“ im europäischen und deutschen Raum auch ein Begriff von politischer Bedeutung.
Die chinesische Herrschaft über die Region Tibet ist ein beständiger Streitpunkt, auch im internationalen Rahmen.
Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international oder Human Rights Watch nehmen die Tibetproblematik in ihre Agenden auf, während die tibetische Exilregierung unter der Führung des 14. Dalai Lama international agiert, um das Thema Tibet in möglichst vielen Tagesordnungen gesellschaftlicher, politischer, ökologischer und kultureller Art auftauchen zu lassen.
Durch die Zusammenarbeit zahlreicher privater Bürgerinitiativen und Kulturvereine, unterstützt von engagierten Politikern und Politikerinnen aus dem linksliberalen und alternativen Spektrum wird der Slogan „Free Tibet!“ zu einem Sinnbild des Kampfes gegen eine Unterdrückungspolitik der VR China.
Bereits seit den frühen 1960er Jahren wurde der Begriff Völkermord von der tibetischen Exilregierung benutzt. Spätestens jedoch seit der Dalai Lama in einem Interview vom „kulturellen Völkermord in Tibet“ gesprochen hat, wird diese Formel häufig aufgegriffen.
Was passiert nun zwischen Tibet und der VR China?
Sind die Tibeter ein unterdrücktes Volk um dessen Verschwinden aufgrund rücksichtsloser und zielgerichteter chinesischer Repressionen gebangt werden muß oder kommt der Vorwurf des Völkermordes der tibetischen Exilregierung und ihrer internationalen Lobby gerade Recht, um politischen Druck auszuüben und so ihren Führungsanspruch über Tibet zu untermauern?
Um zwischen diesen extremen Standpunkten vermitteln zu können, muß der Vorwurf des Völkermordes in Richtung der VR China untersucht und auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft werden.
Diese Arbeit zeigt an drei Beispielen chinesischer Politik, ihrer Umsetzung und der Folgen für Tibet, inwieweit eine Aussage über den chinesischen Völkermord an den Tibetern haltbar ist.
Zunächst ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Begriff Völkermord und dessen Verwendung notwendig, um den Maßstab für die erwähnte Prüfung festzulegen und den definitorischen Rahmen dieser Arbeit klarzustellen.
Diese kritische Auseinandersetzung will einen Beitrag leisten zum überdachten Umgang mit einem so machtvollen wie unklaren Begriff wie Völkermord, um dessen Instrumentalisierung, genauso wie dessen argumentativem Verschleiß entgegenzuwirken.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Der Begriff Völkermord und seine Konzepte
- Abgrenzungen von ,,Tibet"
- Ausgewählte Beispiele der chinesischen Tibetpolitik
- Bevölkerungspolitik
- Siedlungspolitik
- Religiös und politisch motivierte Verfolgung
- Relativierung der Argumente
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Vorwurf des Völkermordes an den Tibetern durch die Volksrepublik China. Ziel ist es, anhand ausgewählter Beispiele der chinesischen Tibetpolitik zu analysieren, inwieweit dieser Vorwurf gerechtfertigt ist. Dazu werden die wichtigsten Konzepte des Völkermordes beleuchtet und der Begriff „Tibet“ abgegrenzt.
- Begriff des Völkermordes und seine Anwendung in der Tibetproblematik
- Analyse der chinesischen Tibetpolitik in Bezug auf Bevölkerungs-, Siedlungs- und Verfolgungsmaßnahmen
- Kritik an der Instrumentalisierung des Begriffs Völkermord
- Die Bedeutung historischer Legitimation und aktueller Schuldzuweisungen im Verhältnis zwischen China und Tibet
- Die Suche nach differenzierten Aussagen im Spannungsfeld zwischen Unterdrückung und Entwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik und beschreibt die Relevanz des Begriffs „Tibet“ in der europäischen und deutschen Gesellschaft. Sie beleuchtet die historische Entwicklung der Tibetfrage und stellt die Rolle der tibetischen Exilregierung und verschiedener Menschenrechtsorganisationen dar.
Im zweiten Kapitel wird der Begriff Völkermord definiert und seine Bedeutung in der internationalen Politik sowie in der Debatte um die Tibetproblematik erörtert. Der Autor analysiert die Bedeutung des Begriffs und seine potenzielle Instrumentalisierung.
Das dritte Kapitel behandelt die Abgrenzung des Begriffs „Tibet“ und beleuchtet wichtige historische Ereignisse im 20. Jahrhundert, die die tibetisch-chinesischen Beziehungen prägten.
Im vierten Kapitel werden drei ausgewählte Beispiele der chinesischen Tibetpolitik näher betrachtet: die Bevölkerungspolitik, die Siedlungspolitik und die religiös und politisch motivierte Verfolgung.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Relativierung der Argumente für den Vorwurf des Völkermordes an den Tibetern.
Das Kapitel "Fazit" ist in dieser Vorschau nicht enthalten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Tibetproblematik, dem Begriff des Völkermordes, der chinesischen Tibetpolitik, der tibetischen Exilregierung, Menschenrechtsfragen, historischer Legitimation, Schuldzuweisungen, Unterdrückung und Entwicklung.
- Quote paper
- Jörn Mirete (Author), 2004, Die Tibetpolitik der Volksrepublik China - ein Völkermord?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91159