Das vom Bundesfinanzministerium im August 2006 veröffentlichte »Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats über eine Neuregelung des Gemeinnützigkeitsrechts« sorgte in Deutschland einmal mehr für heftige Diskussionen. Wurde im Jahre 2002 das freiwillige, gemeinwohlorientierte und nicht auf den materiellen Gewinn ausgerichtete Engagement der Bürger von der Enquete-Kommission »Zukunft des Bürgerlichen Engagements« noch umfassend gewürdigt und unterstützt, so konstatiert der aktuelle Vorschlag des Beirats, dass „Selbstlosigkeit lediglich ein notwendiges Kriterium, aber keines, das zur Förderung wegen Gemeinnützigkeit hinreichend ist. Vielmehr muss zusätzlich die Allgemeinheit von der zu fördernden Tätigkeit profitieren.“ Weiter heißt es, dass dem gemeinnützigen Bereich wegen seiner wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wird, denn „[d]er produzierende Sektor verliert immer mehr an Bedeutung, und Ersatzarbeitsplätze müssen nach allgemeiner Einschätzung vor allem im personal intensiven Dienstleistungssektor entstehen.“ Der Bericht hebt darauf ab, dass der beste Garant für ein generelles Beschäftigungswachstum „ein funktionierender Wettbewerb unter den Leistungsanbietern“ ist. Für die freie Entfaltung des Wettbewerbs bedarf es adäquater Rahmenbedingungen und „[i]nsbesondere darf die Steuerpolitik den Wettbewerb nicht behindern.“
Und so lautet die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats: „Das geltende Recht ist mit ökonomischen Grundüberlegungen vereinbar, gewährt steuerliche Vergünstigungen aber viel zu großzügig.“ Steuervergünstigungen sollten künftig von der „Verleihung eines Non-Profit-Status getrennt werden und auf solche Fälle begrenzt bleiben, bei denen echte Kollektivgüter privat bereitgestellt werden.“ „Der Politik ist deshalb zu raten, das Gemeinnützigkeitsrecht umfassend neu zu regeln. Wegen des Ausmaßes von Wettbewerbsverzerrungen und wegen der Bedeutung, die dem Bereich gemeinnütziger Tätigkeiten in der reifen Dienstleistungsgesellschaft zukommt, ist eine solche Reform dringlich.“
Bestätigt sich durch diesen Bericht einmal mehr die Annahme des französischen Soziologen Pierre-Felix Bourdieu, dass der „Triumph eines ungebremsten, zynischen Kapitalismus“ zu einem „Prozeß der Rückbildung des Staates“ führe, oder darf man sich eines besseren Belehren lassen, weil es noch mindestens eine weitere Lesart geben kann, die über diese reduzierende Diagnose hinauszugehen weiß.
Inhaltsverzeichnis
- Eine Einleitung
- Die Metamorphose des Staates
- Das Konzept der Gouvernementalität
- Die kontextuelle Einordnung des Konzepts
- Die »politische Rationalität« und der Begriff der »Regierung«
- Die »politische Rationalität«
- Der Begriff der »Regierung«
- Die Genese der Gouvernementalität
- Der Einfluss des »christlichen Pastorats«
- Die Regierung der Menschen
- Die Etablierung der »Staatsräson«
- Der Einfluss des »Polizei-Apparats«
- Das Auftauchen des »Liberalismus«
- Die »soziale Frage« und ihre Konsequenzen
- Die neoliberale Gouvernementalität
- Ein kritisches Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die sich wandelnden Machttechniken des Staates im Kontext der neoliberalen Politik. Dabei wird untersucht, wie der Staat in einem aktivierenden Sinne auf die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik Einfluss nimmt. Der Fokus liegt auf der Erörterung des Konzepts der Gouvernementalität als Werkzeug zur Analyse dieser Prozesse und deren Auswirkungen.
- Die Metamorphose des Staates im Kontext der neoliberalen Politik
- Die Konzeption und Anwendung des Begriffs der Gouvernementalität
- Die Genese und Entwicklung des Konzepts der Gouvernementalität
- Die neoliberale Gouvernementalität als strategische Form der Staatslenkung
- Die Kritik am neoliberalen Konzept der Gouvernementalität
Zusammenfassung der Kapitel
1. Eine Einleitung
Dieses Kapitel beginnt mit einer Analyse des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats über eine Neuregelung des Gemeinnützigkeitsrechts, welches im Jahr 2006 veröffentlicht wurde. Es wird die Argumentation des Gutachtens beleuchtet, welche die Notwendigkeit einer verstärkten marktorientierten Steuerung des gemeinnützigen Sektors betont.
2. Die Metamorphose des Staates
Dieses Kapitel behandelt die gegenwärtige Krise des Sozialstaates und die damit verbundenen Forderungen nach einer Umstrukturierung und Modernisierung. Es werden verschiedene Erklärungsmuster für die Krise des Sozialstaates beleuchtet, darunter die Übergenerosität, der Missbrauch von Sozialleistungen, der demografische Wandel und die verstärkte Weltmarktkonkurrenz.
3. Das Konzept der Gouvernementalität
Dieses Kapitel stellt das Konzept der Gouvernementalität vor, wie es von Michel Foucault entwickelt wurde. Es wird die Einordnung des Konzepts in den Kontext der Machtforschung sowie die Bedeutung der »politischen Rationalität« und des Begriffs der »Regierung« für die Analyse der Gouvernementalität erläutert.
4. Die Genese der Gouvernementalität
Dieses Kapitel beschreibt die historische Entwicklung des Konzepts der Gouvernementalität. Es wird auf den Einfluss des »christlichen Pastorats«, die Etablierung der »Staatsräson« und den Einfluss des »Polizei-Apparats« sowie das Auftauchen des »Liberalismus« eingegangen.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter des Textes sind: Gouvernementalität, Neoliberalismus, Staat, Sozialstaat, Machttechniken, Selbstregulation, Aktivierender Staat, Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaft, Gesellschaft, Politische Rationalität, Steuerung, Transformation.
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- Markus Altmann (Author), 2006, Die "Gouvernementalisierung" des Staates, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91186