Bis heute regelt eine Verordnung aus dem Jahr 1944 das Hausratsverfahren, d. h. die Verteilung der Hausratsgegenstände und die Zuweisung der Ehewohnung bei der Scheidung: Die "Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats" entstand vor dem Hintergrund, dass sich der Wohnraum im Deutschen Reich im Zweiten Weltkrieg zunehmend verknappte und dass ein erheblicher Mangel an Möbeln und an sonstigem Hausrat bestand. Bei Kriegsende waren im Reichsgebiet 3,5 bis 4 Millionen Wohnungen zerstört, jede fünfte Wohnung war unbewohnbar und der Besitz von alltäglichem Hausrat wie Löffel und Teller war vielerorts nicht mehr selbstverständlich. Auch nach dem Krieg hielt die Mangelsituation in zunächst unverminderter Schärfe an und entspannte sich erst im Laufe der 1950er Jahre. Die HausratsVO trug den damaligen Verhältnissen Rechnung: Sie ermöglicht eine schnelle, den Bedürfnissen des Einzelfalls angepasste Auseinandersetzung um die Hausratsgegenstände und die Ehewohnung.
Das Hausratsverfahren ist in den §§ 8 bis 10 HausratsVO geregelt. Der Richter verteilt Hausratsgegenstände, die beiden Ehegatten gemeinsam gehören, gerecht und zweckmäßig (§ 8 I HausratsVO) und teilt sie nach § 8 III S. 1 HausratsVO einem der beiden Ehegatten als Alleineigentum zu. Der Richter kann laut § 9 I, II S. 2 HausratsVO auch notwendige Gegenstände, die einem Ehegatten alleine gehören, dem anderen Ehegatten als Alleineigentum zuweisen, sofern dieser auf die Weiterbenutzung angewiesen ist und es dem Ehegatten, dem die Hausratsgegenstände gehören, zugemutet werden kann, sie dem anderen Ehepartner zu überlassen.
Die HausratsVO gilt weiterhin, obwohl sich die Verhältnisse im Vergleich zu den 1940er Jahren verändert haben: Eine Mangelsituation besteht nicht mehr und heutzutage dürfte in den meisten Ehen der Hausrat einen beträchtlichen Wert haben. Daher ist die Frage zu stellen, ob die Hausratsverteilung nach der HausratsVO noch verfassungs- und zeitgemäß ist. Geprüft werden soll ein Verstoß der §§ 8 und 9 HausratsVO gegen Art. 14 GG.
Es wird wie folgt vorgegangen: Zuerst werden die für das Hausratsverfahren relevanten Bestimmungen der HausratsVO dargestellt und erläutert. Auf dieser Grundlage wird danach die forschungsleitende Frage durch eine Prüfung der §§ 8 und 9 HausratsVO auf Verfassungsmäßigkeit beantwortet. Es schließt sich ein Fazit an.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Das Hausratsverfahren nach der Hausrats VO
- I. Defizite der Regelungen zur Verteilung von Wohnung und Hausrat bei Scheitern der Ehe vor dem Erlass der Hausrats VO
- II. Entstehung und Erlass der Hausrats VO
- III. Überblick über das Hausratsverfahren nach der Hausrats VO
- 1. Verfahrensgrundsätze
- 2. Begriffsdefinition ,,Hausrat"
- 3. Regeln über die Zuweisung des Hausrats
- a) Billigkeitsentscheidung des Richters gemäß § 2 Hausrats VO
- b) Zuweisung von Hausrat gemäß § 8 Hausrats VO
- c) Zuweisung von Hausrat gemäß § 9 HausratsVO
- d) Regelung des § 10 Hausrats VO
- C. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 8 und 9 Hausrats VO
- I. Fortgeltung der Hausrats VO in der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 123 I GG
- II. Vereinbarkeit der §§ 8 und 9 Hausrats VO mit Art. 14 GG
- 1. Überblick der Rechtsprechung und des Schrifttums zur Vereinbarkeit der §§ 8 und 9 HausratsVO mit Art. 14 GG
- 2. Stellungnahme zur Vereinbarkeit der §§ 8 und 9 Hausrats VO mit Art. 14 GG
- a) Vereinbarkeit des § 8 I, III Hausrats VO mit Art. 14 GG
- b) Vereinbarkeit des § 8 II HausratsVO mit Art. 14 GG
- c) Vereinbarkeit des § 9 I, II S. 2 Hausrats VO mit Art. 14 GG
- d) Vereinbarkeit des § 9 I, II S. 1 HausratsVO mit Art. 14 GG
- D. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der rechtlichen und verfassungsrechtlichen Beurteilung des Hausratsverfahrens. Ziel ist es, die Defizite des Verfahrens vor dem Erlass der Hausrats VO aufzuzeigen, die Entstehung und den Inhalt der Verordnung zu erläutern und schließlich die Verfassungsmäßigkeit der §§ 8 und 9 Hausrats VO zu prüfen.
- Defizite des Hausratsverfahrens vor dem Erlass der Hausrats VO
- Entstehung und Inhalt der Hausrats VO
- Verfassungsmäßigkeit der §§ 8 und 9 Hausrats VO
- Rechtliche und verfassungsrechtliche Beurteilung des Hausratsverfahrens
- Eingriffe in das Eigentumsrecht
Zusammenfassung der Kapitel
- A. Einleitung: Die Einleitung stellt die Relevanz des Hausratsverfahrens im Kontext von Scheidungen dar und skizziert die Fragestellung der Arbeit.
- B. Das Hausratsverfahren nach der Hausrats VO: Dieses Kapitel beleuchtet die Defizite des Hausratsverfahrens vor dem Erlass der Hausrats VO, erläutert die Entstehung und den Erlass der Verordnung sowie die wichtigsten Regelungen des Verfahrens.
- C. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 8 und 9 Hausrats VO: Das zentrale Kapitel untersucht die Vereinbarkeit der §§ 8 und 9 Hausrats VO mit dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG). Dabei werden sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur zu diesem Thema berücksichtigt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Hausratsverfahren, der Hausrats VO, dem Eigentumsrecht, Art. 14 GG, der Verfassungsmäßigkeit, der Scheidung und der Verteilung von Hausrat.
- Arbeit zitieren
- Philipp Schnorbus (Autor:in), 2007, Ist das Hausratsverfahren noch verfassungs- und zeitgemäß?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91197