Religionskritik in Karl Gutzkows "Wally, die Zweiflerin" - eine Analyse


Hausarbeit, 2008

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Handlung und Darstellung
1.1. Erstes Buch
1.2. Zweites Buch
1.3. Drittes Buch

2. Religionskritik
2.1. Cäsars Geständnisse über Religion und Christentum
2.1.1. Der Ursprung der Religion: Heidentum vs. Christentum
2.1.2. Martin Luther und die Reformation: Katholizismus vs. Protestantismus
2.1.3. Rationalismus und Aufklärung: Deismus vs. Theismus
2.1.4. Kirchenkritik und Naturreligion
2.2. Die religiöse Haltung der Protagonistin vor der Lektüre der Geständnisse
2.3. Die Rezeption der Geständnisse durch Wally und die existenziellen Folgen

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Karl Gutzkows im August des Jahres 1835 erschienener Roman Wally, die Zweiflerin bildete nicht nur den Anlass scharfer Kritiken, sondern war zugleich Auslöser des Verbots der unter dem schlagwortartigen Ausdruck Junges Deutschland gefassten Autorengruppe. Im Bundesbeschluss vom 10. Dezember 1835 wurde „der unter der Bezeichnung >das junge Deutschland< […] bekannten literarischen Schule, zu welcher namentlich Heinr. Heine, Carl Gutzkow, Heinr. Laube, Ludolph Wienbarg und Theodor Mundt gehören“ vorgeworfen, „die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden socialen Verhältnisse herabzuwürdigen und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören“.[1]

Der Roman Wally, die Zweiflerin spiegelt die politischen, sozialen und philosophischen Strömungen seiner Zeit – des Vormärz – wieder; zum Zeitpunkt seines Erscheinens spielt er in der Gegenwart und kann somit als Zeitroman typisiert werden. Er handelt von der jungen Adligen Wally, die ein unbeschwertes, aber „fades“[2] Leben zwischen geselligem Geplauder, gesellschaftlichen Verpflichtungen und Kuraufenthalten führt. Die Begegnung mit dem „Skeptiker“[3] Cäsar und die eingehende Beschäftigung mit seinen unorthodoxen, oft provokanten Thesen zu Religions- und Glaubensfragen erschüttern die „an einem religiösen Tick“[4] leidende Wally und münden in ihren Selbstmord.

Die öffentliche Aufregung um Gutzkows Wally war zwar zu einem nicht unbeträchtlichen Teil den harschen und ausfallenden Kritiken Wolfgang Menzels geschuldet, dennoch berührte der Roman gesellschaftliche Tabus: Religionskritische Fragestellungen und Reflexionen – über den Wert der Ehe, die Möglichkeit der Selbsttötung etc. – ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch, kulminieren jedoch in den Geständnissen Cäsars, die sich kritisch mit drei Epochen der Religionsgeschichte auseinandersetzen: Antike (Entstehung des Christentums), Mittelalter (Reformation) und Neuzeit (Aufklärung).

Der erste Teil dieser Arbeit gibt einen Überblick über die Handlung des Romans und untersucht auf der Grundlage der Einführung in die Erzähltheorie von Matias Martinez und Michael Scheffel exemplarisch drei Aspekte der Darstellung: Zeit, Modus und Stimme. Die darstellerischen Besonderheiten der Wally – Erzählerwechsel, Analepsen, Binnenerzählungen – sollen auch im Hinblick auf ihre beabsichtigte Wirkung betrachtet werden.

Im zweiten Teil soll zunächst die Essenz der Religionskritik Cäsars herausgearbeitet werden; anschließend soll die religiöse Haltung der Protagonistin Wally vor der Lektüre der Geständnisse untersucht werden. Den fatalen Folgen der Rezeption der Geständnisse durch Wally ist ein dritter Abschnitt gewidmet.

Die verwendete Literatur beschränkt sich auf einführende Texte zur Erzähltheorie, Romananalyse und zu der Literatur des Vormärz.

1. Handlung und Darstellung

Der Roman Wally, die Zweiflerin umfasst drei Bücher von annähernd gleichem Umfang, die jedoch erhebliche Differenzen in der Darstellung aufweisen. Während in großen Teilen der Bücher 1 und 2 ein auktorialer Erzähler vorherrscht, der durch Reflexionen, Kommentare und direkte Ansprache des Lesers in Erscheinung tritt, besteht das 3. Buch fast ausschließlich aus Tagebucheinträgen der Protagonistin Wally, die nur sporadisch von kurzen Einschüben des auktorialen Erzählers unterbrochen werden.[5]

Die erzählerischen Besonderheiten eines fiktionalen Textes lassen sich mithilfe der drei Kategorien Zeit, Modus und Distanz beschreiben und bilden – neben dem Inhalt – den Untersuchungsgegenstand des folgenden Kapitels.

1.1. Erstes Buch

Nach einer ersten, flüchtigen Begegnung im Wald treffen der „Skeptiker“[6] Cäsar – eine in Charakter und Überzeugungen komplementäre Figur zur Protagonistin – und die junge Adlige Wally auf einem Ball erneut aufeinander, wechseln aber nur wenige Worte. Erst eine Woche später kommt es im Rahmen einer Abendgesellschaft zu einer ausführlicheren Unterhaltung, in der Cäsar auf kühne und ironische Weise religionskritische Thesen vertritt. Die ungestümen Äußerungen bringen Wally aus der Fassung und sie verlässt die Gesellschaft.

Während eines Badeaufenthaltes in Schwalbach kommt es in einem Spielsalon zum Wiedersehen und Cäsar vertreibt Wally fortan mit Späßen, Geschichten und Unternehmungen die Zeit. Auf einer Spazierfahrt zum Rhein treffen Cäsar und Wally eine „Übereinkunft der Liebe“[7], eine Art der Seelenfreundschaft wird geschlossen. Auch wenn Wally für einen Augenblick „die Umarmung Cäsars [zulässt]“[8], bleibt die Beziehung der beiden fortan eine platonische.

Nach einer unheimlichen und aufwühlenden nächtlichen Begegnung mit einer psychisch kranken Frau, die Wally bereits aus den Erzählungen Cäsars bekannt ist und später in der Nacht an ihren Wahnvorstellungen stirbt, trifft Wally den überhasteten Entschluss zur Abreise. Dieses Ereignis markiert zugleich – so informiert uns der Erzähler – „den ersten Abschnitt in [Wallys] Leben“[9] und bildet in Kapitel 12 den Abschluss des 1. Buches.

Die Ereignisse um Cäsar und Wally – die erste Begegnung, die Unterhaltungen, die gemeinsam verbrachte Zeit in dem nassauischen Badeort – bilden eine Rahmenerzählung, die auf einer ersten, extradiegetischen Ebene angesiedelt ist. (Innerhalb dieser Rahmenerzählung, auf einer intradiegetischen Ebene, finden sich verschiedene Binnenerzählungen Cäsars, die jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt betrachtet werden sollen.)

Die erzählenden Passagen sind – mit Ausnahme von gelegentlichen Reflexionen des Erzählers – in der 3. Person verfasst und lassen darauf schließen, dass der Erzähler der Rahmenhandlung selbst nicht Teil der erzählten Welt, also heterodiegetisch, ist.

Der Zeitpunkt des Erzählens liegt nach dem Zeitpunkt der erzählten Ereignisse, demnach handelt es sich um späteres Erzählen im epischen Präteritum – dies ist, selbst in Zukunftsromanen oder Utopien, der Regelfall. Andeutungen des Erzählers, die sich auf Zukünftiges beziehen, lassen den Leser vermuten, dass der Zeitpunkt des Erzählens nach dem unglücklichen Ende der Beziehung Wallys zu Cäsar und nach Wallys Selbstmord liegt. So bemerkt der Erzähler im 10. Kapitel: „Wir fürchten, daß die Farben [der Liebe zwischen Wally und Cäsar] allmählich erbleichen werden. Aber noch sind sie hell und frisch […].“[10] Diese Vorahnung hat den Beigeschmack einer drohenden Gewissheit, die, um den Spannungsbogen zu wahren, dem Leser jedoch nicht vorzeitig enthüllt werden soll. Der zeitliche Abstand zwischen dem Vorgang des Erzählens und der erzählten Geschichte ist in Gutzkows Wally nicht eindeutig zu bestimmen, aber er verringert sich kontinuierlich von der ersten Begegnung im Wald bis zum Zeitpunkt nach Wallys Tod und Beerdigung.

Jeder fiktionale Text entwirft eine imaginäre Kommunikationssituation zwischen dem Erzähler auf der einen und dem Leser oder Hörer auf der anderen Seite. In der Wally wird diese Kommunikationssituation an verschiedenen Stellen expliziert, denn der fiktive Leser wird häufig direkt angesprochen und in die Reflexionen des Erzählers einbezogen. So steht bereits am Anfang des 1. Kapitels, welches die Figuren Wally und Cäsar vorstellt und einleitend charakterisiert, die Frage: „Kennt ihr diese genialen Charaktere […]?“[11] Der Erzähler richtet aber nicht nur Fragen an sein fiktives Publikum; auch Warnungen werden ausgesprochen: „Hütet euch, ihr Frauen! Die Liebe der meisten Männer ist nichts als eine Huldigung, welche sie sich selbst bringen.“[12]

[...]


[1] Norbert Otto Eke: Einführung in die Literatur des Vormärz. Darmstadt: WBG 2005. S. 75-76.

[2] Karl Gutzkow: Wally, die Zweiflerin. Stuttgart: Reclam 1998. S. 11, Z. 14.

[3] Gutzkow 1998: S. 6, Z. 23.

[4] Gutzkow 1998: S. 40, Z. 31.

[5] Alle Fachtermini zur Analyse der Darstellung sind entnommen aus: Matias Martinez, Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. 7. Auflage. München: Beck 2007.

[6] Gutzkow 1998: S. 6, Z. 23.

[7] Gutzkow 1998: S. 35, Z. 18.

[8] Gutzkow 1998: S. 34, Z. 36f.

[9] Gutzkow 1998: S. 43, Z. 22f.

[10] Gutzkow 1998: S. 35, Z. 19f.

[11] Gutzkow 1998: S. 5, Z. 33ff.

[12] Gutzkow 1998: S. 31, Z. 30ff.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Religionskritik in Karl Gutzkows "Wally, die Zweiflerin" - eine Analyse
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Germanistisches Seminar)
Veranstaltung
Literaturgeschichte in exemplarischen Beispielen - Vormärz (Hauptseminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V91327
ISBN (eBook)
9783638041317
ISBN (Buch)
9783638938761
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Religionskritik, Karl, Zweiflerin, Analyse, Literaturgeschichte, Vormärz, Wally die Zweiflerin, Gutzkow, Erzähltextanalyse
Arbeit zitieren
Inga Bones (Autor:in), 2008, Religionskritik in Karl Gutzkows "Wally, die Zweiflerin" - eine Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91327

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