Dystopie oder Realität? Das Phänomen der Transparenz im Film "The Circle" von James Ponsoldt


Hausarbeit, 2019

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Thematiken des Films
2.1 Leitfäden des Circles
2.2 Partizipation, Kontrolle, Überwachung, Transparenz
2.3 Gegenfiguren und Gegenstück Natur
2.4 Dargestellte Gefahren und Problematiken
2.6 Dystopische Momente

3. Bezug zur Realität
3.1 Der Film als Spiegel der heutigen Gesellschaft
3.2 Aktueller Realzustand und seine Entwicklungen

4. Fazit

5. Quellen

Anhang: Circle-Logo

1. Einleitung

Das Smartphone als Wecker, Terminkalender, Adressbuch, Notizblock, Kamera, Uhr, Navigations­gerät, Geldbeutel, Taschenrechner, Fernseher, Diktiergerät, Wörterbuch, Zeitung, Ta­schenlampe … und Telefon, Live-Video-Konferenzen mit Personen am anderen Ende der Welt: Der digitale Wan­del bietet unbestreitbar etliche Chancen und steht für Fortschritt und Komfort. Viele Funktionen und Auswirkungen der Digitalisierung sind in der heutigen digitalen Gesellschaft so alltäglich, normal, teilweise selbstverständlich und ein Leben ohne sie nicht beziehungsweise nur schwer vorstellbar. Erst im Vergleich mit anderen Jahrzehnten oder Kulturen fällt oft auf, welches Privileg die Digitali­sierung ist. Gleichzeitig sollte aber die Kehrseite der Digitalisierung nach optimistischer Betrach­tung ebendieser keineswegs ignoriert werden. Neben ihren Chancen und Möglichkeiten birgt die Digitalisierung auch viele Risiken und Gefahren, wie die Gefährdung der Privatsphäre und des Da­tenschutzes durch das Nutzen von digitalen Medien, vor allem von sozialen Medien, und aktiver Partizipation an ebendiesen. Während Nachrichten über geheimdienstliche Aktivitäten und über die Vermarktung der privaten Daten den Großteil der Gesellschaft un­berührt lassen, werden Informatio­nen und Daten im Netz bereitwillig mit Freude öffent­lich preisgegeben. Ein Kennzeichen der digitalen Revolution ist der schleichende Wandel des Welt­bezugs mit dem Bröckeln der Wand zwischen Privatem und Öffentlichem. „Ein Kind, das heute geboren wird, wird nie einen privaten Augenblick kennenlernen“ (bpb), prognostiziert in diesem Zusammenhang Whistleblower Edward Snowden.

Nur wenige Monate nach der Enthüllung der NSA-Affäre durch Edward Snowden erschien 2013 Dave Eggers Roman The Circle1 und traf somit den Nerv der Zeit. Trotz kon­troverser Kritiken stieß er auch beim europäischen Publikum auf große Resonanz. (vgl. Gellai 2018: 170) 2017 folgte die Verfilmung und auch heute, zwei Jahre später ist das Thema Datenschutz und Privatsphäre nach wie vor sehr populär und topaktuell.

Der Film The Circle fokussiert sich auf ein Phänomen, das unsere soziale Wirklichkeit prägt: Trans­parenz. Bereits im Roman- beziehungsweise Filmtitel klingt diese Thematik an und „spielt er doch auf die als Clo­sed Circuit (oder CCTV) von Überwachungskameras bekannte Beobachtungssituati­on an“ (Gellai 2016: 290).

Wie dieses Phänomen der Transparenz sich entwickelt und im Film dargestellt wird sowie die Fra­ge, wie sich die Thematik des Films auf die heutige Realität beziehen lässt beziehungsweise bezo­gen werden sollte, sind Thema der hier vorliegenden Arbeit. Nach einer knappen Zusam­menfassung des Geschehens wird das Unternehmen Circle2 vorgestellt und wie seine Ziele die im Film darges­tellte Welt beeinflussen und Partizipation an und in dieser Circle -Welt Kontrolle, Überwachung und Transparenz zur Folge haben. Nach dem Gegenüberstellen derer, die sich außerhalb des Einflusskreises des Circles bewe­gen und somit als Gegenstück zum diesem und der Welt des Digitalen gesehen werden können, wer­den anschließend die Gefahren und Problematiken der dargestellten digitalen Gesellschaft an der Protagonistin aufgezeigt. In Anschluss an die Verortung des Filmes im Genre der Dystopie soll der Film auf die heutige Realität übertragen werden und gezeigt werden, dass er als Spiegel der heutigen Gesellschaft gesehen werden kann mit einer Vorstellung des aktuellen Realzustandes und seiner Entwicklungen. Am Schluss wird zusammengefasst, inwieweit der Film sich auf die heutige Zeit beziehen lässt und ein Fazit, wie der Film verstanden werden kann, gezogen.

2. Thematiken des Films

Der 2017 erschienene Film The Circle des Regisseurs und Drehbuchautors James Ponsoldt basiert auf dem gleichnamigen dystopischen Roman Dave Eggers und spielt in der nahen Zukunft.3 Knapp zusammengefasst geht es in der Geschichte um Mae Holland, die über eine Freundin einen Job bei dem hippen und innovativen IT-Konzern Circle, dem weltweit einflussreichsten Technologieuntern­ehmen und Social Media-Giganten, anfängt. Die wichtigste Innovation des Unternehmens ist TruY­ou, die Zentralisierung aller (bekannten) Internetdienste und somit das Angebot sämtlicher Dienst­leistungen aus einer Hand: alle Benutzerprofile, E-Mail- und Online-Konten sowie Zahlungssystem­e einer Person werden in eine einzige der wahren Identität des Users4 entsprechende Online-Iden­tität, mit der sich zentral für alle Dienste angemeldet werden kann, zusammengeführt. Hier­durch er­hält der Konzern sehr viele Informationen über seine Kunden, untergräbt somit die Privat­sphäre der Bevölkerung und hat binnen weniger Jahre die Anonymität im Netz zum Verschwinden gebracht.

„Zwei Merkmale der panoptischen Anlage, wie Michel Foucault sie beschrieb, werden im Bild auf die Spitze getrieben: die totale Sichtbarkeit zum einen und der Fallencharakter dieser Sichtbarkeit zum anderen.“ (Gellai 2016: 304). Doch bedarf es in diesen im Film dargestellten Zeiten der Tech­nisierung und Digitalisierung keines Panoptikums: Dieser Zustand zum (scheinbaren) Wohle der Gemeinschaft wird vielmehr durch die digitale Vernetzung erzeugt, wie im Firmenname und deren Logo5 sowie den Leitsätzen des Unternehmens verdeutlicht wird.

2.1 Leitfäden des Circles

Denn um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, stellt der Circle hierfür besonders drei Phrasen als Leitfäden des Unternehmens dar: „Geheimnisse sind Lügen“, „Teilen ist Heilen“ und „Privat­sphäre ist Diebstahl“. Die beiden Pfeiler der sozialen Überwachung, Partizipation und Transparenz, sind in diesen Leitsätzen beschrieben. Denn Transparenz ist durch Partizipation bedingt, Transpa­renz entsteht durch die permanente Partizipation in den sozialen Medien.

Mit dem ersten Leitfaden wird umschrieben, dass alles, was verborgen bleibt, potentiell als deviant zu sehen ist; Geheimnisse führen zu antisozialem und unmoralischem Verhalten. Laut dem Circle gehören Wissen und Zugang zu Erfahrung zu den fundamentalen Menschenrechten. Die Forderung nach kompletter Transparenz wird laut, da alles andere einer Lüge gleichgestellt werden würde. Die implizit mitgeteilte Forderung nach „Teilen ist Heilen“ ist positiv konnotiert und betont den sozia­len Aspekt der Vernetztheit. Partizipation wird als gemeinschaftsfördernd dargestellt. Im Umkehr­schluss wird genauso dargestellt, dass alles Nicht-Teilen mit anti-sozialem Verhalten gleichzusetzen ist. Im letzten Leitsatz wird der Transparenzwahn auf die Spitze getrieben: Privatheit und somit Nicht-Partizipieren wird mit einer Straftat gleichgesetzt. Hierdurch wird das unausweichliche Netz gesponnen, dass Partizipation und Transparenz unumgänglich sind, wenn man nicht als antisozial, Lügner oder Straftäter gesehen werden möchte. Zusammenfassend wendet sich laut Circle das We­sen der Menschheit also durch permanente Kommunikation und allumfassende Transparenz zum Besseren und handelt durch Partizipation zum Wohle der Gemeinschaft.

In den drei Leitsätzen werden die Ansichten des Unternehmens sehr deutlich: Kommunikation und Partizipation ermöglichen Kontrolle und Überwachung, was wiederum zu Transparenz führt, was wiederum zu Kontrolle und Überwachung führt… Diese vier sich gegenseitig bedingenden und in­einander verwickelten Begriffe sollen im Folgenden unter Einbeziehung exemplarischer Beispiele aus dem Film vorgestellt und anschließend diskutiert werden.

2.2 Partizipation, Kontrolle, Überwachung, Transparenz

Mittels verschiedener Projekte, Werkzeuge oder Technologien in den verschiedensten Bereichen des Lebens und Teilen der Gesellschaft erweitert der IT-Konzern seine Reichweite und Durchsetzungs­kraft permanent und unaufhaltsam, indem durch (gezwungene) Partizipation Kontrolle, Überwa­chung und schließlich Transparenz erreicht werden.

Bei einem Vortrag wird die neueste Technologie des Konzerns vorgestellt: SeeChange. Diese um­weltresistenten, murmelgroßen Kameras können an jeder Oberfläche befestigt werden, um aus öf­fentlichen und privaten Räumen mittels hochauflösender Kameratechnik Videos in Echtzeit von je­dem beliebigen Ort der Welt zu übertragen, um Partizipation (zum Beispiel Betrachten von Sehens­würdigkeiten), Kontrolle (zum Beispiel in Form von Überwachung von Personen/Gebäuden) und Transparenz (jeder kann alles sehen) zu gewähren und weiter auszubauen. Alles was passiert, kann gesehen und gehört werden und ist der breiten Öffentlichkeit zugänglich nach der vom Ge­schäftsführer propagierten Devise: „Etwas zu wissen ist gut. Aber alles zu wissen, ist besser.“ Die Möglich­keit, dass Tyrannen und Terroristen keine Chancen mehr hätten, wird angepriesen und aus diesem Grund die totale Transparenz gefordert.

Aus dem Bereich des Gesundheitssystems wird eine weitere Technologie vorgestellt: mittels eines Armbands, welches mit einem vorher geschluckten Sensor im Körper synchronisiert ist, können Echtzeitdaten wie Herzfrequenz, Cholesterinwerte und Schlafqualität der Nutzer gesammelt wer­den, um durch Vergleichen einer Vielzahl an Daten Muster zu erkennen und somit das frühzeitige Diagnostizieren von Krankheiten zu erlauben.

Auch im Bereich der Politik möchte der Circle für Transparenz sorgen, da laut ihm die Regierung und verschiedene Politiker oft heucheln und lügen oder heimliche Vereinbarungen treffen. Sie for­dern eine Rechenschaftspflicht, welche durch Transparenz erreicht werden kann. In einem öffentli­chen Vortrag vor vielen der Circle -Mitarbeiter möchte eine Abgeordnete mit gutem Beispiel voran­gehen und zeigen, wie echte Demokratie aussieht. Sie willigt ein, ab sofort rund um die Uhr eine SeeChange -Kamera um den Hals zu tragen. Jede Tätigkeit der Politikerin kann aus ihrem Blickwin­kel wahrgenommen und somit kontrolliert werden, was einer hundertprozentigen Transparenz und Nachvollziehbarkeit in Echtzeit entspricht.

„Doch das ist nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zur völligen Ausschaltung einer erwägenden und debattierenden Öffentlichkeit im Namen der totalen Transparenz“ (Steffens 337). Maßgeblich initiiert von Mae, womit sie die Protagonistin der Eskalation ist, geht der Circle später in der Erzäh­lung den Überlegungen nach, jeden Amerikaner (oder später jeden Bürger weltweit) dazu zu ver­pflichten, einen Circle -Account zu nutzen. Über diesen sollen dann auch in Form eines direktdemo­kratischen Onlinewahlprogramms die Wahlen durch den Circle anstelle durch den Staat durchgeführt werden. Bereits vorhandene Infrastrukturen könnten hierfür genutzt werden und so seien alle Syste­me in einem vereint, was den Bürgern Zeit und dem Staat viel Geld sparen würde. Durch den Zwangsaccount beim Circle kann so eine hundertprozentige Wahlbeteiligung der Bevölkerung er­reicht beziehungsweise erzwungen werden. Es werden alle Stimmen gehört und so können – laut Mae – bessere Dienste gewährt werden. Denn so könne der Circle in Echtzeit erfahren, was das Volk wirklich will: das Glücksversprechen des Circle an dieser Stelle ist „100 % Demokratie“.

Mae wohnt zu Beginn der Geschichte bei ihren Eltern und verbringt ihre ersten Wochenenden dort. Nach ihrer Rückkehr in die Firma wird sie in einem Feedback-Gespräch freundlich darauf hinge­wiesen, dass sie doch am Veranstaltungsangebot des Campus teilnehmen solle und keineswegs Pri­vates und Geschäftliches trennen solle. Denn in dem Unternehmen, welches durch Social-Media-An­wendungen groß geworden ist, werden alle Mitarbeiter zur Teilnahme am vielfältigen Gemein­schaftsleben und zum intensiven Austausch untereinander angehalten, was zeigt, dass dieses Ange­bot keineswegs fakultativ ist. Ihr TruYou -Profil gehöre entscheidend zur Beteiligung an ihrer Arbeit dazu: Sie, als ebenso wichtiges Mitglied der Community, solle über die sozialen Medien kommuni­zieren und teilnehmen, um damit anderen Mitarbeitern die Chance zu geben, sie kennenzulernen, womit das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden soll. Durch die Schuldgefühel für die anfangs spärliche Ver­wendung von Social Media wurden in ihr das Bedürfnis und der Wunsch nach Partizipation ge­weckt. Immer aktiver nutzt sie die sozialen Medien, zieht an den Campus und nimmt an dortigen Aktivitäten teil, bis sie schließlich SeeChange -Kameras bei sich und ihren Eltern installiert und spä­ter eine um den Hals trägt.

Das Phänomen und System der sozialen Kontrolle findet (schleichend und unbewusst) durch die so­zialen Medien statt. Der Meinung des Circles nach, hat alles, was nicht online zu sehen ist, nie statt­gefunden. Dabei sehen die Mitarbeiter das Teilen aller Informationen nicht gar als Überwachung oder Kontrolle, sondern als erstrebenswerte Aufmerksamkeit und wünschenswerte Transparenz al­ler. Sie begeben sich freiwillig in diese Situation und nehmen selbst aktiv an der permanenten Be­obachtung teil, was eher mit einer Form von Exhibitionismus verglichen werden kann.

Besonders die eingangs des Kapitels erwähnte Präsentation der SeeChange -Kameras markiert den Beginn eines unausweichlichen, rasend schnellen Prozesses hin zur totalen Transparenz und gleich­zeitigen Kontrolle staatlicher Belange durch ein Privatunternehmen, das laut eigener Argumentation zum Wohle des Fortschritts und aus ökonomischer Rentabilität handelt und „eben unter der Parole der Transparenz die reale Weltherrschaft“ (Steffens 335) übernehmen will. In diesem Unternehmen gelingt Mae ein unaufhaltsamer Aufstieg, im Laufe der Erzählung wird sie schließlich als transpa­rente Repräsentantin des Unternehmens zum perfekten öffentlichen Ausdruck und dem Gesicht des Unternehmens. Denn durch das Tragen einer SeeChange -Kamera rund um die Uhr teilt sie ihr kom­plettes Privat- und Berufsleben und wird von jedem beobachtet.

Der Höhepunkt der Transparenzforderungen findet gegen Ende des Filmes statt, bei dem Mae bei ei­nem Vortrag radikale Transparenz sowie ständigen Kontakt fordert, wodurch nie wieder der Draht zueinander verloren werden kann. Sie spricht von der Doppelmoral, dass alles in der Cloud gespeichert werden soll, die beiden Geschäftsführer jedoch über den Wolken leben. Sie fordert die beiden auf, Vorbilder für den Circle und die Welt zu werden und transparent zu werden. Nach dem Veröffentlichen all der privaten Daten und Dokumente der beiden kündigt sie an, dass Geheimnisse der Vergangenheit angehören, Privatsphäre nur eine Phase war, zwischen Privatem und Öffentli­chem nicht unterschieden werden sollte und die absolute Transparenz aller Menschen folgen werde.

2.3 Gegenfiguren und Gegenstück Natur

Für ihr Handeln sowie für ihre Ansichten erntet Mae auf dem Campus sehr viel Zuspruch. Das Le­ben dort findet in einer Art Blase statt: Durch gegenseitiges Bestätigen und der Gesellschaft Gleich­gesinnter festigen sich eigene Ansichten und entwickeln sich in diesem Kreis immer weiter, wie in den immer extremeren Forderungen von Mae schon gezeigt wurde.

Doch gibt es in ihrem Leben auch Menschen, die ihre Ansichten bezüglich des Circle s nicht bezie­hungsweise weniger teilen. Außerhalb des Circles sind Maes soziale Kontakte weitestgehend auf ihre Eltern und ihren Exfreund Mercer beschränkt.

Während die Eltern anfangs überzeugt sind, dass ihre Tochter für „die beste Firma der Welt“ arbei­tet, stehen sie im späteren Verlauf der Geschichte dem Circle und der generellen Vernetzung und Transparenz sehr kritisch gegenüber und sorgen sich um ihre Tochter. Die Verbindung der SeeChange -Kameras in ihrem Haus haben sie getrennt, da sie sich nach mehr Privatsphäre sehnten.

Als eine weitere Gegenfigur von Mae kann ihr Exfreund Mercer Madeiros – unprätentiöser Indivi­dualist, Freigeist, naturinteressiert, handwerklich begabt – angeführt werden. Er steht sozialen Me­dien und somit auch dem Circle sowie dessen Aktivitäten sehr kritisch gegenüber und verweigert sich der digitalen Allgegenwart. Seine Kritik an der Übermacht des Kollektivs erinnert an Jaron La­niers Argumente gegen die Schwarmintelligenz (vgl. Gellai 2016: 301, Lanier 2010). Umso mehr Mae im Circle verankert ist und sich ihr Handlungsspektrum auf die digitale Sphäre reduziert, desto distanzierter steht er ihr gegenüber, bis sie schließlich keinen Kontakt mehr haben, da er sich als Zivilisa­tionsflüchtiger im späteren Verlauf der Geschichte in eine abgelegene Waldregion zurückzieht. Doch ist durch das von Mae dirigierte SoulSearch ein Projekt entstanden, durch das dank komplet­ter Vernetzung jede beliebige Person in unter 20 Minuten gefunden werden kann, auch diese, die sich dem wachsenden Kreis der Sichtbarkeit bislang entzogen haben, denn generell gilt für den Circle jeder, der sich entzieht, als verdächtig. In einer regelrechten öffentlichen Hetzjagd auf Mer­cer will Mae die Effizienz des Transparenz-Projekts beweisen und zeigen, dass „die Welt mit der Circle -Technologie und der Folgebereitschaft seiner Anhänger so durchsichtig und für jeden Zugriff offen geworden ist, dass soziale Abweichler und Verbrecher selbst in entlegenen Verstecken in kür­zester Zeit aufgespürt werden können“ (Steffens 338). Bei dieser Jagd stürzt Mercers Auto in den Ab­grund am Wegesrand und er stirbt.

Zwar wird Mercer als Gegenfigur zu Mae dargestellt, doch kann er nicht als Gegenspieler bezeich­net werden, da er weiß, dass das Spiel gegen den Circle und seine lawinenartig anwachsende Ge­folgschaft schon verloren hat. Doch ist er die Figur in der Erzählung, die von außen in die Welt des Circle blickt und somit eine Perspektive hat, aus der die enorme Erweiterung der technischen Kom­munikationsmittel als eine radikale Verarmung menschlicher Kommunikation erkennbar ist.

Als ein weiteres Gegenstück in der Erzählung kann das Meer, die nicht zähmbare Natur, gesehen werden. Vor ihrem Job beim Circle ist Mae sehr oft mit dem Kajak allein auf dem Wasser, was in der Eingangsszene des Films auch gezeigt wird. Eines der ersten Wochenenden nach Beginn beim Circle verbringt sie bei ihren Eltern und geht nachts paddeln, wobei sie kentert und ein Hub­schrauber sie schließlich rettet. Während sie bei der Anwesenheit des Rettungs­teams zuerst an einen Zufall glaubt, wird klar, dass diese sie dank SeeChange beobachten, orten und retten konnten.

[...]


1 Die deutsche Übersetzung: Eggers, Dave (2014): Der Circle. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Köln: Kiepenheuer & Witsch.

2 Im Folgenden ist unter Circle dieses im Film dargestellte Unternehmen zu verstehen, mit The Circle ist der Film be­ziehungsweise der gleichnamige Roman gemeint.

3 Aufgrund der Länge dieser Arbeit soll an dieser Stelle auf eine ausführliche Inhaltsangabe des Films verzichtet wer­den, das Wissen um den Plot der Geschichte wird für folgende Ausarbeitungen als gegeben vorausgesetzt..

4 Hier und im Folgenden werden der Lesbarkeit halber bei derartigen Sammelbegriffen das grammatische Maskuli­num, im Bewusstsein dessen, dass jeweils alle Geschlechter gemeint sind, verwendet.

5 Es handelt sich beim Logo um ein engmaschiges Gitter mit einem kleinen c in der Mitte, wobei c wohl für Circle steht. Eine Kopie des Logos ist im Anhang zu finden.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Dystopie oder Realität? Das Phänomen der Transparenz im Film "The Circle" von James Ponsoldt
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Seminar Dark Ages - Zukunftsvisionen im Film
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
17
Katalognummer
V913329
ISBN (eBook)
9783346223494
ISBN (Buch)
9783346223500
Sprache
Deutsch
Schlagworte
The Circle, Dystopie, Zukunftsvision, Digitalisierung, Überwachung, Transparenz, Dave Eggers
Arbeit zitieren
Nina Langbein (Autor:in), 2019, Dystopie oder Realität? Das Phänomen der Transparenz im Film "The Circle" von James Ponsoldt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/913329

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