Goethe und die Farben. Die Bedeutung von Färbungen und die Funktion des Regenbogens im Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1) Einleitung

2) Goethes Farbenlehre

1. Bedeutung der Farbungen
3.1 Unterscheidung zwischen bunt und farbig
3.2 Farblos
3.3 Grau

3) Das atmospharische Phanomen des Regenbogens

4) Die Funktion der Regenbogenszene

5) Fazit

6) Literaturverzeichnis

1) Einleitung

Bereits im Voraus ist zu erkennen, dass Goethe Farbungen innerhalb seines Lebens und seiner Werke eine besondere Bedeutung zuschrieb. Er erkannte früh, dasssie eine Symbolik in sich tragen und erforschte in seiner Farbenlehre tiefergehend ihre Entstehung. Durch seine prazisen Beobachtungen und Wahrnehmungen erstellte er mit der Farbenlehre sein umfangreichstes Werk1, das die „Untrennbarkeit von Kunst und Natur“2 zeigt. Goethe versuchte sich „als Naturforscher“3 weiterzuentwickeln und schuf mit seinen Forschungen ein „Verhaltnis der Naturwissenschaften [und] den Geisteswissenschaften“4, um beides miteinander zu vereinen. Goethe fand sein Interesse allerdings nicht nur in den Bedeutungen der Farben. Er war ebenfalls fasziniert vom Naturphanomen des Regenbogens, das ihn seit seiner frühen Kindheit begleitete. Dabei steht die Naturerklarung im Kontrast zu dem Staunen über das „wunderbar scheinende Himmelsphanomen“5.

Die vorliegende Hausarbeit soll der Frage nachgehen, welche Bedeutung die Farbungen in Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre haben und wie Goethe diese Farbungen, anhand seines Werkes Farbenlehre, definiert. Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, inwiefern der Regenbogen für Goethe eine besondere Symbolik erfüllt und welche Funktion er innerhalb der Handlung übernimmt. Dafür werden zunachst der Aufbau und Sinn von Goethes Farbenlehre betrachtet. Im Anschluss daran folgt eine genauere Sicht auf die Farbungen farbig und bunt, grau und farblos, da sie im Roman haufiger auftreten und bedeutend sind für die Analyse im Anschluss daran. Der Fokus der Arbeit liegt auf dem Phanomen des Regenbogens. Das abschlieBende Kapitel konzentriert sich auf die Bedeutung des Regenbogens für den Protagonisten und die gesamte Handlung des Romans.

2) Goethes Farbenlehre

Mit seiner Farbenlehre schuf Goethe sein „Hauptwerk und Vermachtnis an die Nachwelt“6. Es war seine umfangreichste Arbeit und er beschaftigte sich sein gesamtes Leben mit dem Werk. Goethe versuchte immer wieder „Naturwissenschaften, Poesie und Kunst zur Einheit zu formen“7 und ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Gebieten herzustellen. Mit seinem Werk Farbenlehre stieB erjedoch bei anderen Naturwissenschaftlern auf Ablehnung und Spott, da sie als zu wenig wissenschaftlich galt. Die Kritiker waren sich einig, dass sie nur noch wegen ihres „berühmten Autors erwahnenswert“8 war. Vor allem wurde seine gegensatzliche Herangehensweise im Vergleich zu dem wissenschaftlichen Vorgehen von Newton stark kritisiert. Goethe versuchte sich die Welt selbststandig zu erklaren, indem er „ein praktisches Interesse an den Wissenschaften“9 zeigte. Allerdings setzte er, um in der Wissenschaft voranzukommen, voraus, dass „man in die Welt hinaus, mit offenen Augen konstatieren, genau hinsehen und beschreiben [musste]“10. Nach Goethes Verstandnis musste zunachst ein „klares Bild des Phanomens“11 erschaffen werden, damit danach die Klassifikation erfolgen konnte. Diesem Vorgehen nachkommend, entstand seine Farbenlehre. Ein erstmalig „nachhaltiges Interesse“12 an Farben und deren Bedeutung entwickelte Goethe wahrend seiner Italien-Reise in den Jahren 1786-1788. Danach versuchte er „Naturbeobachtung, Kunst und Wissenschaft“13 für sich zu vereinen. Er ging davon aus, dass Farben „Licht und Finsternis zur Voraussetzung haben“14.Er betrachtete die FarbeGelb als„nahe am Licht, Blau nahe an der Dunkelheit“15.

Seine Farbenlehre teilte er in drei Teile auf, den didaktischen, polemischen und historischen16. Darin werden die verschiedenen Forschungsstande zu Farbungen erlautert und ihre Wirkungen verdeutlicht. Der für diese Hausarbeit wichtigste Teil ist der didaktische Teil, da er die Beschreibungen der physiologischen, physikalischen und chemischen Erscheinungen sowie die asthetischen Aspekte von Farbungen enthalt17. Goethe beginnt mit den physiologischen Farben, die „dem Organ des Auges“18 angehören und als flüchtig oder schnell verschwindend beschrieben werden können19. Das Auge war für Goethe das „wichtigste Sinnesorgan“20, da es sich nach seiner Auffassung nicht irren konnte21. Im physischen Teil seiner Arbeit setzt sich Goethe mit dem Phanomen auseinander, wenn „Licht durch das trübe Mittel“22 fallt und „sowohl durchsichtig [als] [auch] durchscheinend[e]“23 Farbungen produziert werden. Er spricht von farbigen Schatten, die entstehen, wenn ein undurchsichtiges Objekt von zwei verschiedenfarbigen Lichtquellen beleuchtet wird24. Die dritte Abteilung beschaftigt sich mit den chemischen Farben, die durch Farberscheinungen auf Körper entstehen25.

Goethe ignorierte die Forschungsstande seiner Zeit und kritisierte zusatzlich die wissenschaftliche Arbeit Isaac Newtons. Er erklarte diese als „simplen Hokuspokus“26. Das führte dazu, dass Goethes Farbenlehre „international [...] weitgehend folgenlos“27 blieb. Newton stellte einen Farbkreis auf, bei dem WeiB das Zentrum darstellte, da WeiB aus allen Farben innerhalb des Kreises zusammengesetzt wird. Um das Zentrum herum platzierte er die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Hellblau, Blau und Violett28. Goethe stimmte dieser Annahme nicht zu und schrieb, dass Farben „nicht im Licht enthalten sind, sondern erst da, wo Licht und Finsternis in einen Zusammenhang treten“29. Farben entstehen, nach Goethes Annahme, aus der Vermischung von Helligkeit und Finsternis. Dieses Phanomen benannte er als das „Grundgesetz der Polaritat“30. Goethe geht in seiner Farbenlehre von den drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb aus. Er war davon überzeugt, dass zum Malen „drei Grundfarben genügen“31. „Dem Gelben ordnet er Rot zu, dem Blauen Violett. Eine Mischung aus Blau und Gelb ergibt Grün“32. Zu dieser Anordnung nimmt er eine weitere Farbe hinzu, die er als „Pfirschblüt“33 benennt. Dieser Farbe schreibt Goethe die höchste Stelle in seinem Farbenkreis zu34. Goethe teilte Farben ebenfalls nach ihrem „asthetischen Charakter“35, weil er den mathematischen und naturwissenschaftlichen Ansatz Newtons überwinden wollte. Nach der Veröffentlichung seines Farbkreises wurde ihm als Kritikpunkt vorgeworfen, dass er „weitere Farben nicht anerkennt“36.

In den darauffolgenden Jahren seines Lebens arbeitete er weiterhin an seiner Forschung zur Farbenlehre und veröffentlichte seine Ideen dazu in seinen Lyrik- und Prosawerken. Das folgende Kapitel konzentriert sich auf verschiedene Farbungen, die sich haufig im Roman wiederfinden lassen. Es wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung sie tragen und inwiefern sie wichtig sind für die Handlung.

1. Bedeutung der Farbungen

In Wilhelm Meisters Lehrjahren wird der Leser haufig mit Farbungen konfrontiert, die eine tiefergehende Bedeutung aufweisen. Sie stehen nicht in einem physischen Zusammenhang, sondern erfüllen eine symbolische Bedeutung37.

3.1 Unterscheidung zwischen bunt und farbig

Im Roman lasst sich haufig die Farbung bunt wiederfinden. Nach Goethe ist das Adjektiv nicht gleichzusetzen mit farbig und muss differenziert betrachtet werden. Bunt stellt eine „Zusammensetzung mehrerer Farben“38 dar, hingegen farbig nur als eine „einheitliche Farbung“39 angesehen werden darf. Innerhalb der Farbenlehre wird „das Bunte ausschlieBlich von der negativen Seite“40 betrachtet. Goethe betrachtet diese Farbung als „das Unharmonische“41, das zur „Unruhe, zur Rastlosigkeit“42 führt und gegen die Harmonie des Objekts arbeitet.

Das Farbige beschreibt oft Höhepunkte des Geschehens oder wesentliche Zeitmomente43, „die ihren besonderen Wert vom farbigen Glanz erhalten“44. Als Beispiel dafür nimmt Wilhelm im Turm das Sonnenlicht wahr, das durch die „farbigen Fenster“45 in den Saal fallt, als er den Lehrbrief ausgehandigt bekommt. Das zeugt von einem hohen Grad an Farbe, der auf den Höhepunkt der Handlung hinzudeuten scheint. Laut Goethe kann das Farbige somit dem Harmonischen zugeschrieben werden. Diese Farbung symbolisiert eine Veranderung innerhalb der Handlung und deutet gleichzeitig auf etwas Positives hin. Hingegen reprasentiert das Bunte das Durcheinander in Wilhelm Meisters Lehrjahren. Die Farbung beinhaltet Farben, die nicht zueinanderpassen müssen. Ahnlich verhalten sich die Charaktere im Roman, die sich alle stark voneinander unterscheiden und deren Konstellation nicht zueinanderzupassen scheint. Wilhelm Meister beschreibt sie mehrfach als „bunte Gesellschaft“46.

[...]


1 Berger, Christoph: Goethe als Farbenlehrer und Experimentator. In: Gothe Jahrbuch 2015. Hrsg. v. Jochen Golz und Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, 2016, S. 162.

2 Schmidt, Peter: Goethes Farbensymbolik. Untersuchungen zur Verwendung und Bedeutung der Farben in den Dichtungen und Schriften Goethes. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1965, S. 45.

3 Fuchs, Albert: Goethe-Handbuch Supplemente: Band 2: Naturwissenschaften. Berlin: Springer-Verlag, 2016, S. 224.

4 Engelhardt von, Dietrich: Goethes Farbenlehre und Morphologie in den Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts. In: Goethe Jahrbuch 2008. Hrsg. v. Werner Frick, Jochen Golz, Albert Meier, Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, S. 224.

5 Kosenina, Alexander: Naturkundlich entzaubert, poëtisch verzaubert: Der Regenbogen in Kunst und Literatur (von Brockes bis Goethe), in: Zeitschrift der Germanistik 2014, S. 245.

6 Fuchs, Albert: Goethe-Handbuch Supplemente: Band 2: Naturwissenschaften. Berlin: Springer-Verlag, 2016, S. 81.

7 Ebd., S. 98.

8 Ebd., S. 81.

9 Schawelka, Karla: Goethes erwanderte Farben. In: Goethe Jahrbuch 2008. Hrsg. v. Werner Frick, Jochen Golz, Albert Meier, Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, S. 157.

10 Ebd., S. 158.

11 Ebd., S. 159.

12 Fuchs, Albert: Goethe-Handbuch Supplemente: Band 2: Naturwissenschaften. Berlin: Springer-Verlag, 2016, S. 81

13 Schawelka, Karla: Goethes erwanderte Farben. In: Goethe Jahrbuch 2008. Hrsg. v. Werner Frick, Jochen Golz, Albert Meier, Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, S. 157.

14 Fuchs, Albert: Goethe-Handbuch Supplemente: Band 2: Naturwissenschaften. Berlin: Springer-Verlag, 2016, S. 82.

15 Berger, Christoph: Goethe als Farbenlehrer und Experimentator. In: Gothe Jahrbuch 2015. Hrsg. v. Jochen Golz und Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, 2016, S. 164.

16 Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Altenmünster: Jazzybee Verlag, 2015, S. 1.

17 Vgl. Ebd., 1.

18 Ebd., S. 2.

19 Vgl. Ebd., S. 2.

20 Fuchs, Albert: Goethe-Handbuch Supplemente: Band 2: Naturwissenschaften. Berlin: Springer-Verlag, 2016, S. 111.

21 Vgl. Ebd., S. 111.

22 Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Altenmünster: Jazzybee Verlag, 2015, S. 2

23 Ebd., S. 2.

24 Vgl. Ebd., S. 2.

25 Vgl. Ebd., S. 3.

26 Berger, Christoph: Goethe als Farbenlehrer und Experimentator. In: Gothe Jahrbuch 2015. Hrsg. v. Jochen Golz und Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, 2016, S. 163.

27 Ebd., S. 166.

28 Fuchs, Albert: Goethe-Handbuch Supplemente: Band 2: Naturwissenschaften. Berlin: Springer-Verlag, 2016, S. 124.

29 Schmidt, Peter: Goethes Farbensymbolik. Untersuchungen zur Verwendung und Bedeutung der Farben in den Dichtungen und Schriften Goethes. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1965, S. 57.

30 Ebd., S. 57.

31 Schawelka, Karla: Goethes erwanderte Farben. In: Goethe Jahrbuch 2008. Hrsg. v. Werner Frick, Jochen Golz, Albert Meier, Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, S. 157.

32 Schmidt, Peter: Goethes Farbensymbolik. Untersuchungen zur Verwendung und Bedeutung der Farben in den Dichtungen und Schriften Goethes. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1965, S. 58.

33 Ebd., S. 58.

34 Vgl. Ebd., S. 58.

35 Ebd., S. 59.

36 Ebd., S. 58.

37 Fuchs, Albert: Goethe-Handbuch Supplemente: Band 2: Naturwissenschaften. Berlin: Springer-Verlag, 2016, S. 140.

38 Schmidt, Peter: Goethes Farbensymbolik. Untersuchungen zur Verwendung und Bedeutung der Farben in den Dichtungen und Schriften Goethes. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1965, S. 131.

39 Ebd., S. 131.

40 Ebd., S. 131.

41 Ebd., S. 131.

42 Ebd., S. 133.

43 Vgl. ebd., S. 129.

44 Ebd., S. 129.

45 Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Stuttgart: Reclam, 1982, S. 517.

46 Ebd., S. 92.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Goethe und die Farben. Die Bedeutung von Färbungen und die Funktion des Regenbogens im Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre"
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Germanistik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
17
Katalognummer
V913559
ISBN (eBook)
9783346230522
ISBN (Buch)
9783346230539
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Goethe Wilhelm Meisters Lehrjahre Färbungen Regenbogen Farben Farbenlehre
Arbeit zitieren
Charlotte Pfeifer (Autor:in), 2019, Goethe und die Farben. Die Bedeutung von Färbungen und die Funktion des Regenbogens im Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/913559

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