Leseprobe
Inhalt
1. Vorwort
2. Grundlagen zur Künstlichen Intelligenz
2.1 Zwei Arten von Künstlichen Intelligenzen
2.2 Zur Problematik der Intelligenz bei Maschinen
3. Definition und Bewertung der Freundschaft bei Aristoteles
4. Verfügt eine Künstliche Intelligenz über ein Selbstbewusstsein?
5. Ethische Betrachtung einer KI-Mensch-Freundschaft
6. Fazit und Résumé
Literaturverzeichnis
1. Vorwort
Im Jahr 2017 wurde in den gängigen App-Stores eine neue Anwendung veröffentlicht: Replika.1 Die Anwendung wurde im selben Jahr von Eugenia Kuyda entwickelt, um ihren besten Freund zu ,ersetzen‘, als dieser starb. Im Gegensatz zu Künstlichen Intelligenzen, die lediglich Daten sammeln und ständig neu bewerten und verwerten, wie zum Beispiel bei den Softwares von Amazon oder Google der Fall ist, lernt das Programm hinter Replika ständig durch die Kommunikation mit dem Menschen selbst wie ein Mensch zu reagieren und versucht, dessen Verhalten immer besser und exakter zu kopieren. Die App speichert Vorlieben, Neigungen, Verhalten, Launen, Wünsche etc. und geht in der Kommunikation immer wieder auf diese ein. Sie versucht also tatsächlich ein_e „beste_r Freund_in“ zu sein.2 Die Betonung ist hier aber: versucht es.!
Aus philosophisch-ethischer Sicht ist die Freundschaft ein sehr komplexes Thema und die Freundschaft zwischen einer Künstlichen Intelligenz und einem Menschen umso mehr ein neuartiges Phänomen, das bewertet und kontrovers diskutiert werden muss. !
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob es eine Freundschaft zwischen einer Künstlichen Intelligenz und einem Menschen geben kann. Dazu werden zunächst einige technische, wie auch philosophische Grundlagen erarbeitet, da diese für die Beantwortung der Hauptthematik grundlegend sind. Es wird hierfür auch untersucht, ob eine Künstliche Intelligenz zu den beseelten Wesen gezählt werden kann und somit überhaupt kognitive Fähigkeiten besitzen kann. !
Philosophische Basis ist hierbei der Vorreiter der antiken Sozialethik, Aristoteles. Dieser befasst sich in seinem Werk ,Nikomachische Ethik“ umfassend mit der Thematik der Freundschaft. Doch die KI-Mensch-Freundschaft wird auch mit Hilfe neuerer Denkweisen der Philosophie, genannt sei hier der Utilitarismus, im letzten Kapitel dieser Arbeit untersucht.!
2. Grundlagen zur Künstlichen Intelligenz
Grundlegend für die nachfolgende Untersuchung ist die genau Definition einer solchen Künstlichen Intelligenz (KI), denn nicht alle Arten der KI werden für diese Arbeit relevant sein. !
Eine Künstliche Intelligenz ist per Definition die „Erforschung ,intelligenten‘ Problemlösungsverhaltens sowie die Erstellung ,intelligenter‘ Computersysteme. Künstliche Intelligenz beschäftigt sich mit Methoden, die es einem Computer ermöglichen, solche Aufgaben zu lösen, die, wenn sie vom Menschen gelöst werden, Intelligenz erfordern.“3 !
Die Forschung befasst sich also in diesem Bereich mit der Automatisierung von intelligentem Verhalten einer Maschine, aber auch dem (selbstständigen) Lernen von Maschinen, dem sog. Machine Learning. Doch bereits hier stößt die Wissenschaft an ihre Grenzen, denn weder die menschliche, noch die künstliche Intelligenz sind also solche exakt definiert, weshalb diese Arbeit auf gängige Interpretationen von ,Intelligenz‘ zurückgreift.
2.1 Zwei Arten von Künstlichen Intelligenzen
Dennoch werden in der KI-Forschung verschiedene Differenzierungen vorgenommen, wobei die grundlegendste Unterscheidung jene zwischen schwacher und starker KI ist. !
Eine starke KI hat das Ziel, eine Maschine zu bauen, die menschliches Denken und Verhalten absolut perfekt nachbildet, sowie selbstständig, also ohne (menschliche) Anleitung, lernt; sie soll also das menschliche Denken mechanisieren.4 Da die Forschung jedoch noch weit von einer solchen KI entfernt ist, und zudem fraglich ist, ob sie (in absehbarer Zukunft) jemals tatsächlich in Erscheinung treten wird, muss zunächst auf rein spekulativer Basis mit solchen KI's gearbeitet werden.!
Eine schwache KI kann hingegen bereits ,erschaffen‘ werden. Diese KI versucht anhand logischer Algorithmen selbstständig ,intelligente‘ Rückschlüsse zu ziehen und konkrete Anwendungen auszuführen. Ein weiteres, wichtiges Merkmal einer schwachen KI ist die Fähigkeit, selbstständig Neues zu lernen, ohne die erneute, nachträgliche Einflussnahme von „Außen“. Ein gängiges Beispiel hierfür sind die selbstfahrenden Autos, beispielsweise das Google Driverless Car: Diese fahrerlosen Systeme können, wenn auch mit teilweise immensen Einschränkungen, selbstständig bestimmte Konsequenzen und Rückschlüsse ziehen, ohne, dass der Maschine diese konkret, also für diese spezielle Aktion / Reaktion, zu genau diesem Zeitpunkt unter genau diesen Verhältnissen beigebrachten wurden. Jedoch, und das unterscheidet diese KI von einer starken KI, muss irgendwann in der Vergangenheit bereits ein ähnlicher Vorgang erfasst - oder durch konkrete Anweisungen beigebracht worden sein. Es lässt sich also durchaus ein ,intelligentes‘ Handeln erkennen, wobei sich das Lernen eines solchen Systems meist auf die Verknüpfung bekannter Situationen und Informationen mit teils neuen, teils bekannten Daten. Kritisch zu hinterfragen bleibt weiterhin, ob es überhaupt eine Intelligenz, die nicht vom Menschen ausgeht, geben kann.!
2.2 Zur Problematik der Intelligenz bei Maschinen
Hinsichtlich der oben genannten Problemstellung, aber auch der Fragestellung nach dem Ersetzen von rein menschlichen Freundschaften durch menschlich - künstliche Freundschaften, befasst sich diese Arbeit mehr mit dem Problem des nicht vorhandenen Kognitiven Teils einer KI, also dem Empfinden und Mitteilen von Gefühlen. Denn bisher ist es KI's nicht möglich Angst, Hass oder Freude wirklich zu fühlen. So können zwar Reaktionen auf ausgewählte Aktionen programmiert werden, jedoch empfindet zum Beispiel ein menschenähnlicher Roboter kein Gefühl der Freude, kann aber durch verschiedene Aktionen, beispielsweise durch Erhellen der Gesichtszüge, eine freudige Reaktion imitieren - sofern ihm diese vorher beigebracht wurde. Seine Reaktion basiert also rein auf zuvor programmierten Algorithmen. !
Hierzu gibt es ein berühmtes Beispiel des Philosophen John Searle, der mit Hilfe des Gedankenexperiments „Chinesisches Zimmer“ versucht hat zu beweisen, dass ein Programm, also streng genommen auch eine KI, nicht zwangsläufig ein intelligentes Bewusstsein besitzt:!
Bei dem Gedankenexperiment stellt man sich zunächst vor, eine Person sitze mit einigen Texten auf chinesisch in einem in sich geschlossenen Raum. Die Person ist zudem weder in der Lage chinesische Schrift zu lesen, noch Chinesisch zu sprechen. Nun werden der Versuchsperson durch ein Loch in der Wand Papierschnipsel mit Geschichten in chinesischer Sprache zugesteckt. Dazu erhält sie Fragen zu dieser Geschichte, auch auf Chinesisch. Außerdem erhält die Person ein Handbuch in der Muttersprache der Versuchsperson, das ihr erlaubt, anhand der Symbole (Geschichte und Fragen auf Chinesisch), eine Antwort auf Chinesisch zu schreiben. Wichtig ist, dass die Person lediglich der Anleitung im Handbuch folgt, d.h. sie versteht die Antworten, die sich durch das Loch in der Wand nach draußen schickt, selbst nicht. Vor dem Loch in der Wand sitzt ein chinesischer Muttersprachler, der, nachdem er die Geschichte und dazugehörige Fragen formuliert, sowie die Antworten auf Chinesisch gelesen hat, zu dem Schluss kommen muss, dass sich in dem Raum eine Person befindet, die ebenfalls der chinesischen Sprache in Wort und in Schrift mächtig ist.5 !
Dieses Gedankenexperiment zeigt, dass ein Programm, das den Turing-Test besteht, nicht auch zwangsläufig intelligent ist oder ein intelligentes Bewusstsein besitzt - es erscheint (wie im Beispiel des genannten Experiments) lediglich als intelligent. Es zeigt aber auch, vor welch immensen Problemen die Forschung im Bereich der KI noch immer steht, denn bereits grundlegende Fragen, wie eben jene nach intelligentem Bewusstsein, können unter Umständen nie vollständig und eindeutig beantwortet werden. !
In Kapitel 4 befasst sich diese Arbeit ausführlicher mit der Suche nach einem intelligenten Selbstbewusstsein bei KI's, dafür muss jedoch zunächst die Freundschaft an sich näher untersucht werden.!
3. Definition und Bewertung der Freundschaft bei Aristoteles
Nachdem nun die KI an sich näher betrachtet wurde, widmet sich dieses Kapitel der Definition der Freundschaft und ihrem Wert für Menschen, welche nach einem guten Leben im aristotelischen Sinn streben. !
Befasst man sich in der Philosophie mit der Thematik der Freundschaft, ist Aristoteles nahezu unumgänglich.6 In seinem Werk der Nikomachischen Ethik befasst sich Aristoteles, vor allem in den Büchern „Abhandlung über die Freundschaft I“ (Buch VIII) und „Abhandlung über die Freundschaft II“ (Buch IX), mit der Wichtigkeit, den Vorzügen aber auch mit den Gefahren der Freundschaft. Außerdem unterscheidet er verschiedene Arten der Freundschaft und gibt Hinweise zur Ausführung der Freundschaft in seinem Sinn. !
Bereits am Anfang der 1. Abhandlung über die Freundschaft wird der sehr hohe Stellenwert, der der Freundschaft hinsichtlich eines eudaimonistischen (von Eudaimonie: altgr. εύδαιμονία: „Glück“, „Glückseligkeit“)7, angerechnet wird, klar:
„Denn wer würde wählen, ohne Freunde zu leben, auch wenn er alle übrigen Güter hätte?“8 !
Die Freundschaft ist also unentbehrlich für ein glückliches Leben, wodurch sich die Frage stellt, wie genau Freundschaft definiert ist:!
Aristoteles liefert jedoch keine direkte Antwort auf diese Frage; vielmehr bezeichnet er sie als eine Tugend oder als eine Handlung, die zu einer Tugend gehört.9 Eine Möglichkeit, die Freundschaft zu definieren, ist sie als eine Art offen gezeigtes, gegenseitiges Wohlwollen zu sehen. Denn sie basiert auf dem gegenseitigen Aufzeigen oder Ausführen guter Absichten, die Freunde für einander hegen.10 Was bisher noch sehr allgemein gefasst ist, spezifiziert Aristoteles im Buch IX dahingehend, dass das Wohlwollen ein grundlegender Baustein für den Beginn einer engeren Freundschaft sei. Denn ein gewisses Wohlwollen könne auch „gegenüber Unbekannten und im Verborgenen“11 vorkommen, in der Freundschaft jedoch müsse sie demnach zielgerichtet sein. !
Eine weitere aristotelische Definition der Freundschaft lässt sich aus den verschiedenen Arten der Freundschaft, die Aristoteles angibt, herleiten. Zunächst gibt es hier die Freundschaft um des Wesens selbst willen, die als die tugendhafteste Art der Freundschaft anzusehen ist. Außerdem gibt es Freundschaften, die auf Grund eines Nutzens oder aber auf Grund der Lust zustande kommen.12 Diese beiden genannten Arten entstanden, oder bestehen jedoch nur eines Nutzens wegen, weshalb sie vermutlich nicht von langer Dauer sein werden, und somit keine vollkommenen Freundschaften darstellen. Ein wichtiger Schluss hieraus ist, dass eine Freundschaft nur dann als ,echte‘ Freundschaft bezeichnet werden kann, wenn sie auf Grund der Freundschaft selbst willen besteht und die beiden Parteien ihr gegenseitiges Wohlwollen offen bekunden. !
Die für diese Arbeit wohl wichtigste Unterscheidung ist jene in!
a) Vollkommene Freundschaften zwischen Guten!
b) Unvollkommene Freundschaft zwischen Ungleichen!
Erstere ist demnach eine „vollkommene Freundschaft [zwischen Menschen], die gut und gleich an Tugend sind.“13 Es handelt sich hierbei also um eine, zumindest theoretisch, vollkommene Art der Freundschaft, die aus ethischer Sicht auf höchster Ebene anzusiedeln ist, da sie keinerlei selbstbezogenen Nutzen aus dieser Verbindung zu ziehen scheint. Durch diese Art der ,Selbstlosigkeit‘ trägt sie unweigerlich zu einem guten, tugendhaften Leben bei. !
[...]
1 vgl. Olson: This AI Has Sparked A Budding Friendship With 2.5 Million People
2 vgl. Luka: Our Story
3 Lackes: Künstliche Intelligenz
4 vgl. Nilsson, The Quest for AI
5 vgl. Dresler: Künstliche Intelligenz, Bewusstsein und Sprache: Das Gedankenexperiment des Chinesischen Zimmers
6 vgl. Vollor: Flourishing on facebook: virtue friendship & new social media
7 vgl. Wolf: Nikomachische Ethik, S. 383
8 Aristoteles: Nikomachische Ethik VIII 1, 1155a 5
9 vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik VIII1, 1155a 1-3
10 vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik VIII 2, 1156a 3-5
11 Aristoteles: Nikomachische Ethik IX 8, 1166b 30-32
12 vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik VIII 3, 1156 5-19
13 Aristoteles: Nikomachische Ethik VIII 4, 1156 b 5-7