Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung - Sinn und Zweck der Umstrukturierungsprivilegien im deutschen Steuerrecht
I. Negative Abgrenzungen
1. Umwandlungssteuergesetz von § 6 Abs 3 und 5 EStG und § Abs. 3 S. 2 EStG
2. § 6 Abs. 3 EStG
II. Handelsrechtliche und steuerrechtliche Bilanzierung
III. Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern durch § 6 Abs
5 EStG
1. § 6 Abs. 5 S. 1 und S. 2 EStG
2. § 6 Abs. 5 S. 3 EStG
3. Zusammenfassende Übersicht des Anwendungsbereiches des §
6 Abs. 5 EStG
IV. Realteilung von Mitunternehmerschaften
1. Voraussetzungen der Realteilung und Entstehung durch zivilrechtlichen Einfluss vor der Rechtsprechung (17.09.2015) des BFH
2. „Echte“ und „unechte“ Realteilung
a) Entstehung durch kasuistische Entwicklung
b) Übertragungsfähige Wirtschaftsgüter bei der „unechten“ Realteilung
V. Wertausgleichsmethoden
1. Kapitalanpassungsmethode
2. Spitzenausgleich
B. Rechtsproblematik durch Überschneidung durch die Umstrukturierungsprivilegien
I. Betrachtung der Konkurrenzverhältnisse im Einzelnen
1. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern und Mitunternehmeranteilen
a) Vermeintlich fehlender Aufgabetatbestand
b) Unstimmigkeiten bei der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern bei zweigliedrigen Mitunternehmerschaften
c) Annahme einer wesentlichen Betriebsgrundlage
d) Anknüpfung an den wesentlichen Gedanken der Realteilung
e) Abschließende Regelungen des § 6 Abs. 5 EStG
f) Gesetzesauslegung / Gesetzessystematik Sperrfristen
3. (Mit-) Übertragung von Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung der Einheits- und Trennungstheorie
III. Abschließende Gegenüberstellung der konkurrierenden Normen
IV. Anwendungsvorrang
C. Schlusswort
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gegenüberstellung der Ansätze der Trennungstheorie
Abbildung 2: Übersicht des § 6 Abs. 5 EStG
Abbildung 3: Kapitalanpassungsmethode
Abbildung 4 Gegenüberstellung der Umstrukturierungsprivilegien
Abbildung 5: Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern
Abbildung 6: Unterschiedliche Rechtsfolgen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung - Sinn und Zweck der Umstrukturierungsprivilegien im deutschen Steuerrecht
Um in der heutigen Gesellschaft seine Ziele erfolgreich realisieren zu können, ist nicht nur im privaten Bereich Flexibilität gefragt. Auch im unternehmerischen Bereich müssen die Gesellschafter einer Personengesellschaft in der Lage sein, ihre Unternehmensstruktur bei Bedarf zu verändern, beispielsweise dann, wenn aus betriebswirtschaftlichen Gründen eine Anpassung an konjunkturelle Veränderungen erforderlich ist oder simple zwischenmenschliche Konflikte vorliegen.
Für diese Fälle wurden durch die Gesetzgebung sog. Privilegien geschaffen, die Umstrukturierungen ermöglichen sollen. So besteht etwa die Möglichkeit, eine Mitunternehmerschaft im Rahmen einer Betriebsaufgabe vollständig zu beenden oder die Unternehmensstruktur zu verändern. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass einzelne Gesellschafter das Unternehmen verlassen (= Ausscheiden der Gesellschafter), oder durch die teilweise Entnahme von Betriebsvermögen. In beiden Fällen haben die Gesellschafter einen Abfindungsanspruch gem. § 732 BGB (i. V. m. § 738 BGB) in Höhe des Kapitalkontos am Gesamthandsvermögen (inkl. der anteilsmäßigen stillen Reserven) an der Mitunternehmerschaft. Sie haben zwar die Möglichkeit, durch die Privatautonomie im Rahmen des Gesellschaftsvertrages, die das Zivilrecht prägt, von den gesetzlichen Regelungen abzuweichen, dieser Aspekt soll jedoch in der im Folgenden durchgeführten Analyse eine untergeordnete Rolle spielen. Um einer sofortigen Besteuerung der stillen Reserven entgegenzuwirken, wurden sog. Umstrukturierungsprivilegien i. S. d. § 24 UmwStG, § 6 Abs. 5 oder § 16 Abs. 3 S. 2 EStG erlassen. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, so bleiben hierbei die entnommenen Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven behaftet (Buchwertübertragung). Unter Berücksichtigung der sog. Entstrickungsklausel („ultima ratio“1 ) müssen bei der Umstrukturierung normenübergreifend unter Verweis auf § 4 Abs. 1 S. 3 EStG die stillen Reserven sichergestellt sein (§ 6 Abs. 5 S. 1 und § 16 Abs. 3 S. 2 EStG). Wenn das Besteuerungsrecht des Fiskus durch die Übertragung entfällt oder das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.2
Die sog. „Sozialzwecknormen“3 haben im Laufe der Zeit zahlreiche Änderungen bzw. Erweiterungen ihres Anwendungsbereiches erfahren und sind bis heute in einigen Aspekten noch immer nicht eindeutig definiert.
Der Grundgedanke der steuerfreien Übertragung von Betriebsvermögen ist seit dem VZ 2001 durch das UntStFG anzuwenden. Vorher haben die Normen jedoch durch das StEntlG 1999/2000/20024 und das StSenkG vom 23. 10. 20005 bereits einige Änderungen erfahren.6 Bereits daran wird deutlich, dass im Rahmen der Anwendung zahlreiche Konflikte bestehen. In der jüngsten Vergangenheit versuchte der BFH, diesen Konflikten durch einzelfallbezogene Rechtsprechungen entgegenzuwirken, was allerdings dazu geführt hat, dass sich neue Problematiken und Rechtsbegriffe ergeben haben, wie etwa die „echte“ und „unechte“ Realteilung. Diese Begriffe und die daraus resultierenden Folgen für die Rechtsanwendung haben zwar zahlreiche Fragestellungen geklärt, jedoch auch viele neue aufgeworfen.
Um das daraus entstehende Konkurrenzverhältnis zwischen der Realteilung und den Umstrukturierungsmöglichkeiten des § 6 Abs. 5 EStG systematisch analysieren zu können, müssen zunächst die allgemeinen Anwendungsbereiche voneinander abgegrenzt und jeweils einzeln betrachtet werden.
Zu diesem Zweck werden in Kapitel „B“ unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze die Grundlagen der Umstrukturierungsprivilegien erläutert und die jeweiligen Anwendungsbereiche einander gegenübergestellt. Unter Berücksichtigung der neuen Begriffe der „echten“ und „unechten“ Realteilung werden die daraus resultierenden Veränderungen erläutert. Kapitel „C“ widmet sich der Analyse der (teilweise) konkurrierenden Normen und begründet unter Berücksichtigung verschiedener Ansichten die daraus resultierenden Rechtsfolgen. Nachdem der Anwendungsvorrang festgelegt wurde, endet die Arbeit mit einem zusammenfassenden Schlusswort. Möglichkeiten der Umstrukturierung von Personengesell- schaften.7
Die verschiedenen Möglichkeiten, eine Personengesellschaft umzustrukturieren, ergeben sich durch das Umwandlungssteuergesetz und das Einkommenssteuergesetz. Insbesondere die Vorschriften des § 24 UmwStG, § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG sowie die Realteilung in § 16 Abs. 3 S. 2 EStG können durch die Buchwertübertragung umgesetzt werden.
Um den Anwendungsbereich aller vorbezeichneten Normen bestimmen zu können, müssen die am Umstrukturierungsprozess beteiligten Personen betrachtet werden. Übereinstimmend gehen alle Vorschriften von der Voraussetzung aus, dass es zu Übertragungen bzw. Überführungen zwischen Mitunternehmerschaft und Mitunternehmern kommen kann, aber auch zwischen den Mitunternehmern selbst. Die Begriffe stammen aus § 15 Abs. 1 S. 1 EStG. In diesem Rahmen wird die Mitunternehmerschaft als übergeordneter Begriff der Personalgesellschaften angesehen und bezieht in ihren Anwendungsbereich das Gesamtbild aller Gesellschafter mit ein.8 Als Gesellschafter gelten Personen, welche unternehmensinitiativ an der Mitunternehmerschaft beteiligt sind und das Unternehmensrisiko mittragen.9 Als „Initiative“ werden dabei das Teilhaberecht an unternehmerischen Entscheidungen und das „Risiko“ als Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung sowie der Anspruch auf stille Reserven defi- niert.10 Dieser Definition zufolge fallen somit PersG, die ein Gesamthandsvermögen bilden (OHG, KG oder GbR), aber auch die (atypisch) stille Gesellschaft, in der regelmäßig kein gesamthänderisch gebundenes Vermögen gebildet wird, unter den Tatbestand der Mitunternehmerschaft.11 Ausgeschlossen von der Mitunternehmerschaft sind bspw. vermögensverwaltende Personengesellschaften auf Grund fehlenden gesamthänderisch gebundenen Vermö- gens.12 Auch die Kapitalgesellschaften i. S. d. § 8 Abs. 2 KStG können das Merkmal der Mitunternehmerschaft nicht erfüllen, auch wenn sie über unternehmerisches Vermögen verfügen. Dies ist auf die Trennungstheorie zurückzuführen, die für juristische Personen gilt und besagt, dass nicht die Mitunternehmer, sondern die Kapitalgesellschaft als selbstständiges Rechtssubjekt Eigentümerin des Vermögens ist. Anders verhält es sich bei den Personengesellschaften, welche durch das Transparenzprinzip geformt werden.13 Dadurch ist der Mitunternehmer im Rahmen seines Kapitalanteils am gesamthänderisch gebundenen Vermögen beteiligt. Der daraus folgende dingliche Anspruch eines Mitunternehmers kann gegenüber den anderen Mitunternehmern geltend gemacht werden, z. B. beim Ausscheiden gegen Sachwerte.14 Als Mitunternehmer kommen neben natürlichen Personen auch Körperschaften (§ 8 Abs. 1 KStG) oder andere Personengesellschaften in Betracht.15 Bei beteiligten Körperschaften, insbesondere bei den jeweiligen Rechtsfolgen, sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten.
I. Negative Abgrenzungen
1. Umwandlungssteuergesetz von § 6 Abs 3 und 5 EStG und § 16 Abs. 3 S. 2 EStG
Der für die Umstrukturierung von Mitunternehmerschaften durchaus relevante § 24 UmwStG ist unbedingt zu berücksichtigen, weil er als lex specialis gegenüber den Vorschriften des EStG anzuwenden ist.16 Die Regelungen des Um- wStG sind von denjenigen des § 16 Abs. 3 S .2 EStG und § 6 Abs. 3 u. 5 EStG abzugrenzen, weil sie jeweils verschiedene Anwendungsbereiche der einander gegenüberstehenden Normen betreffen. Der persönliche Anwendungsbereich des § 24 UmwStG erstreckt sich auf den Tatbestand der Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen (sog. Sachgesamtheiten), wodurch die leistende Person Mitunternehmerrechte erhält.17 Wie bereits die Überschrift des § 24 UmwStG verrät, handelt es sich im Regelungsbereich um Einbringungsvorgänge von Wirtschaftsgütern, die regelmäßig infolge einer Auflösung der Mitunternehmerschaft durch eine anschließende Einbringung (ähnlich der Aufgabe) entstehen.18 Somit ist ein identischer Regelungsbereich zwischen § 24 UmwStG und § 6 Abs. 3 u. 5 EStG bereits ausgeschlossen, weil Letztere von dem Fortbestehen der Mitunternehmerschaft geprägt sind. Zudem liegen Unterschiede zwischen den Übertragungsgegenständen und dem Empfänger der Leistung vor.19
Weiterhin besteht keine Konkurrenz zu den Realteilungsgrundsätzen, weil diese als der „... ihrem Wesen nach umgekehrte Fall einer Einbringung nach § 24 UmwStG ...“ zu qualifizieren sind.20 Bezugnehmend auf das Wesen der Realteilung, wurden die unterschiedlichen Richtungen der Übertragung genannt (Aufwärtsbewegung des UmwStG / „Abwärtsbewegung der Realteilung).
Die bis zum VZ 1999 „reziproke“ Anwendung des § 24 UmwStG wurde aufgrund des „neuen“ § 16 Abs. 3 S. 2 EStG (VZ 2001) nicht mehr durchgeführt.21 Zudem wurde auch eine analoge Anwendung des § 24 UmwStG nicht zugelassen, mit dem Argument, es fehle bei den Umstrukturierungsprivilegen an einer entsprechenden Regelungslücke.22
2. § 6 Abs. 3 EStG
Eine weitere Abgrenzung muss zum § 6 Abs. 3 EStG vorgenommen werden. Wie § 16 Abs. 3 S. 2 EStG und § 6 Abs. 5 EstG regelt zwar auch diese Norm Übertragungsmöglichkeiten zum Buchwert zwischen verschiedenen natürlichen und juristischen Personen, jedoch dürfen diese Übertragungen nicht entgeltlich erfolgen.23 Die Voraussetzung der Unentgeltlichkeit ist bereits dann nicht mehr erfüllt, wenn der Übertragende eine Gegenleistung erhält. In der vorliegenden Problematik wird jedoch davon ausgegangen, dass eine Gegenleistung gewährt wird, so dass keine Überschneidung mit der Realteilung auftreten kann. Daher ist § 6 Abs. 3 EStG eher für Umstrukturierungen interessant, welche nicht unter die folgende Analyse fallen, bspw. für eine vorweggenommene Erbfolge oder Schenkung.24
II. Handelsrechtliche und steuerrechtliche Bilanzierung
Die Absichten der handelsrechtlichen Auseinandersetzungsbilanz und der steuerrechtlichen Schlussbilanz verfolgen teilweise unterschiedliche Intentionen. Die Erstere setzt für die Vermögensgegenstände zum Stichtag den gemeinen Wert an und regelt den Ausgleich der Gesellschafter untereinander. Die steuerrechtliche Schlussbilanz wendet dagegen die Buchwerte an.25 Das im EStG verankerte Maßgeblichkeitsprinzip gem. § 5 Abs. 1 S. 1 EstG schreibt vor, dass die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GOB) zu beachten sind. Dabei kann es zwischen dem Anspruch des Ausscheidenden und der für die Umstrukturierungsprivilegien maßgeblichen Steuerbilanz / Schlussbilanz zu Differenzen kommen, die sich durch Wertausgleiche berichtigen lassen.26
Weiterhin sind in Bezug auf die Mitunternehmerschaft nach dem Ausscheiden eines Mitunternehmers bei der Übertragung zu Buchwerten bestimmte Grundsätze zu beachten. Aus dem handelsrechtlich geprägten Begriff des „formellen Bilanzzusammenhangs“ ergibt sich in Anknüpfung an den Grundsatz der Bilanzkontinuität die Verpflichtung, in der Eröffnungsbilanz des Folgejahres denjenigen Wert anzusetzen, zu dem das Wirtschaftsgut übertragen wurde.27
Diese Verpflichtung wird dadurch erfüllt, dass eine Schlussbilanz eines Jahres zugleich die Eröffnungsbilanz des Folgejahres darstellt und die entsprechenden Bewertungs- bzw. Abschreibungsmethoden beibehält.28 In Anbetracht der Umstrukturierungsprivilegien ist zu beachten, dass somit die zu Buchwerten übertragenen Wirtschaftsgüter eines ausgeschiedenen Mitunternehmers der Eröffnungsbilanz entsprechen, bspw. derjenigen in einer neuen Mitunternehmerschaft oder einem neu gegründeten Einzelunternehmen. Der Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs bezieht sich neben dem (Einzel-) Betriebsvermögen eines Mitunternehmers auch auf dessen Sonderbetriebsvermögen (sog. „interpersonelle Anwendung“29 des formellen Bilanzzusammen- hangs).30 Damit muss im Rahmen der Realteilung der Buchwert zwingend auch in der Eröffnungsbilanz angegeben werden.
Das bedeutet, dass im Anschluss einer Übertragung die jeweiligen Bilanzen um die Werte berichtigt werden müssen, die sich auf Grund von Übertragungsvorgänge ergeben haben.
III. Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern durch § 6 Abs. 5 EStG
Die zentrale Vorschrift der Umstrukturierungen bildet der § 6 Abs. 5 EStG. Ziel der Norm ist es, durch die Überführungen bzw. Übertragungen zum Buchwert mögliche Hindernisse für einen Prozess zu beseitigen, indem die stillen Reserven nicht aufgedeckt werden. Die in § 6 Abs. 5 EStG genannten Umstrukturierungsmöglichkeiten können entweder unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgen. Wird ein Entgelt gezahlt, so führt dies grundsätzlich dazu, dass der Veräußerungstatbestand i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EstG erfüllt ist. Dieser Gewinn wird als begünstigter Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 4, § 34 EStG) angesehen und ist vom Zahlungsempfänger zu versteuern bzw. von dem Leistenden als Aufwand anzusetzen. Mit der Begründung der stetigen Verselbstständigung der Mitunternehmerschaft gilt dies auch für Übertragungen zwischen Mitunternehmerschaft und Mitunternehmer.31
Demnach kann der Mitunternehmer seinen Abfindungsanspruch gegenüber der Mitunternehmerschaft im Rahmen einer Bar- oder Sachwertabfindung geltend machen. Erstere spielt im Weiteren eine untergeordnete Rolle, da die Barabfindung regelmäßig in Form eines Entgelts erfolgt und dieses nicht als Sachwert anerkannt wird.32 Dadurch erfüllt die Barabfindung entweder den Tatbestand der Veräußerung, § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, oder der Aufgabe, § 16 Abs. 3 S. 1 EStG, eines Mitunternehmeranteils und führt dadurch zur (begünstigten) Gewinnrealisierung (§ 16 Abs. 4, § 34 EStG). Auf Ebene der Mitunternehmerschaft führt die Barabfindung hingegen zu einem Abschaffungsvorgang, wenn die Abfindung durch das GHV entrichtet wurde und die Kapitalanteile der einzelnen Mitunternehmer proportional anwachsen.33
Anders ist hingegen die Sachwertabfindung zu beurteilen. Hierbei scheidet der Mitunternehmer als Gegenleistung für den von ihm eingebrachten Kapitalanteil mit einem Wirtschaftsgut aus der Mitunternehmerschaft aus. Zivilrechtlich spricht man hierbei von der unentgeltlichen Anwachsung der Anteile gegenüber den verbleibenden Mitunternehmern am Gesamthandsvermögen bzw. von der entgeltlichen Anwachsung einzelner Mitunternehmerschaften, wenn der Tatbestand der (Teil-)Entgeltlichkeit erfüllt ist.34 Auf Grund einiger Unterschiede im Anwendungsbereich und in den Rechtsfolgen müssen die Anwendungsbereiche des § 6 Abs. 5 S.1 u. 2 EStG und des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG getrennt voneinander betrachtet werden. Eine (allgemeine) Sicherungsklausel ergibt sich über § 6 Abs. 5 S. 3 EStG, indem die Sicherstellung der StR. vorausgesetzt wird.35
1. § 6 Abs. 5 S. 1 und S. 2 EStG
Der sachliche Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 S. 1 u. S. 2 EStG erstreckt sich auf Überführungen von Einzelwirtschaftsgütern und Sachgesamtheiten innerhalb der Sphäre desselben Steuerpflichtigen.36 Dabei eröffnet § 6 Abs. 5 S. 1 EStG die Überführung zwischen dem Betriebsvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften, und § 6 Abs. 5 S. 2 EStG bezieht das Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers mit ein, wobei es sich entweder um dieselbe oder um verschiedene Mitunternehmerschaften handeln kann. Festzuhalten bleibt damit, dass sich § 6 Abs. 5 S. 1 u. S. 2 EStG mit dem individuell steuerrechtlichen Regelungskomplex des Mitunternehmers beschäftigt und ausschließlich an das (Einzel-)Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen anknüpft.37 Überführungen sind in diesem Rahmen von Übertragungen nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG abzugrenzen, weil es hierbei nicht zu einem Rechtsträgerwechsel und der damit verbundenen Verschiebung zivilrechtlichen (wirtschaftlichen) Eigentums (§ 39 AO) kommt.38 Stattdessen findet bei der Übertragung ein Rechtsträgerwechsel statt, indem das Wirtschaftsgut von einem (Sonder-)Betriebsvermögen in ein Gesamthandsvermögen umgewandelt wird oder umgekehrt (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr.3 EStG).
Daher ist es in diesem Fall nicht erforderlich, zu beurteilen, ob eine Entgeltlichkeit vorliegt, weil die stillen Reserven im Anschluss noch immer demselben Steuersubjekt zugerechnet werden.39
Somit hat der Gesetzgeber sämtliche Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern und deren Buchwertfortführung im Kreise eines Mitunternehmers gere- gelt.40
2. § 6 Abs. 5 S. 3 EStG
Buchwertübertragungen von Einzelwirtschaftsgütern sind hingegen komplexer, wobei insbesondere auf die Gegenleistung und die an der Übertragung beteiligten Personen zu achten ist. Übertragungen werden grundsätzlich als tauschähnlicher Vorgang qualifiziert, welcher gem. § 6 Abs. 6 EStG zu einem Teilwertansatz und damit zur Gewinnrealisierung führt. Gem. § 6 Abs. 6 S. 4 EStG ist jedoch den Vorschriften des § 6 Abs. 5 EstG Vorrang einzuräumen. Aufgrund der sog. „intersubjektiven Übertragungen“ wird das Wirtschaftsgut im Anschluss des Rechtsträgerwechsels einem anderen Steuersubjekt zuge- rechnet.41 Die Mitunternehmer können im Anschluss der Übertragung entweder in der Mitunternehmerschaft verbleiben bzw. sich einbringen oder aus der Mitunternehmerschaft ausscheiden. Erhält der Ausscheidende ein Wirtschaftsgut als Abfindung (Sachwertabfindung), so kann sich die Problematik ergeben, dass das Kapitalkonto nicht dem jeweiligen Wirtschaftsgut ent- spricht.42 Um diesem Fall, der in der Praxis die Regel darstellt, zu entgehen, werden die beteiligten Kapitalkonten angeglichen.43
Während § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 u. Nr.2 EStG die Übertragungen zwischen dem Einzel- bzw. Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers und dem Gesamthandsvermögen eine Mitunternehmerschaft regelt, grenzt § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 EStG den Regelungsbereich auf der Mitunternehmerebene ein. Um dies sicherzustellen, können die Übertragungen i. S. d. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 EStG ausschließlich unentgeltlich erfolgen, während § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 u. 2 EStG außerdem die Gewährung / Minderung von Gesellschaftsrechten mit einbezieht. Letztere sind nur gegeben, wenn durch die Entnahme oder Einlage die Mitbestimmungsrechte an der Mitunternehmerschaft erhöht bzw. gemindert werden. Dabei spielt das jeweilige betroffene Kapitalkonto eine wichtige Rolle. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Beteiligung an der Mitunternehmerschaft und damit auch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 u. 2 EStG nur begründet wird, wenn die Gegenbuchung auf einem gesamthänderischen Kapitalkonto (zumeist Kapitalkonto II bzw. Gewinnverteilungskonto) vorgenommen wird.44 Ob dies auch gilt, wenn eine beteiligungsidentische Personengesellschaft als Mitunternehmer beteiligt ist, ist noch nicht geklärt und liegt unter der Fragestellung, ob ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot gem. Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist, dem Bundesverfassungsgericht vor.45
Würde die Gegenbuchung auf einem anderen Kapitalkonto erfolgen, so hätte dies eine asymmetrische Verteilung der Stimmrechtsgewährung zur Folge und würde dementsprechend als tauschähnlicher Umsatz gem. § 6 Abs. 6 EStG gegenüber Dritten gewertet werden und zu einer Aufdeckung der stillen Reserven führen.46 Unabhängig davon, ob die Gesellschaftsrechte sich erhöhen oder mindern, kann in beiden Fällen eine unentgeltliche Buchwertübertragung vorgenommen werden. Die Bedingung der Unentgeltlichkeit ist erfüllt, wenn keine Stimmrechtsgewährung / -minderung entsteht. Dies trifft zu, wenn die Gutschrift oder Entnahme auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto oder eine einheitliche Gegenbuchung auf den Kapitalkonten der einzelnen Mitunternehmer erfolgen. In diesem Zusammenhang ist darauf zu ach- A. Einleitung - Sinn und Zweck der Umstrukturierungsprivilegien im deutschen Steuerrecht ten, dass die Gesellschaftsrechte des eintretenden bzw. austretenden Mitunternehmers nicht gemehrt oder gemindert werden.47 Die Unentgeltlichkeit ist durchbrochen, wenn es bei der Übertragung zu einer weiteren entgeltlichen Zahlung kommt (sog. gemischte Schenkung).48 Dies kann beispielsweise bei Übernahme von Verbindlichkeiten oder Abstandszahlungen auftreten. Hinsichtlich der Frage, wie ein solcher Fall rechtlich zu behandeln ist, ist umstritten, wie ein Veräußerungsgewinn berechnet werden kann. Während das BMF und der X. Senat des BFH die sog. „strenge Trennungstheorie“49 präferieren, die durch die Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil geprägt wird, sieht der IV. Senat des BFH die „modifizierte Trennungstheorie“50 als geeigneteres Mittel an. Dabei kommt es erst dann zu einer Gewinnrealisierung, wenn das Entgelt den Buchwert überschreitet.51 Eine Einigung darüber, welcher Theorie zu folgen ist, steht im anhängigen Revisions- verfahren52 beim Großen Senat des BFH noch aus.53 Wird der Sichtweise des BMF gefolgt, so führt dies zu einer größeren Steuerlast des Stpfl., wobei zugleich der Absicht, Umstrukturierungen zu fördern, nicht entsprochen wird.54 Zum Verständnis der beiden Theorien und ihrer jeweiligen Folgen wird im Folgenden ein Beispielfall vorgestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gegenüberstellung der Ansätze der Trennungstheorie55
Fall: Einzelunternehmer A bringt ein Wirtschaftsgut mit einem Buchwert (BW) i. H. v. 400 GE und einem Verkehrswert / Teilwert (TW) i. H. v. 600 GE in eine OHG ein. Die OHG gewährt A hingegen ein Darlehen (Verb.) i. H. v. 150 GE.
Ergebnis der „strengen“ Trennungstheorie
Die Entgeltlichkeitsquote wird von dem Entgelt in Bezug zum TW ermittelt und ergibt (150 x 600 / 100) 25%. Dies führt dazu, dass der Übernehmer gem. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG einen anteiligen Buchwert i. H. v. (75% v. 400) 300 GE anzusetzen hat. Bei A würde es zu einer anteiligen Aufdeckung der StR in Höhe des gesamten Teilentgeltes (150 GE) gegenüber dem anteiligen Buchwert (25 % v. 400 GE) 100 GE kommen, was wiederum zu einem Veräußerungsgewinn i. H. v. (400 GE - 150 GE) 50 GE führen würde.
Ergebnis der „modifizierten“ Trennungstheorie
Nach dieser Auffassung wird das Teilentgelt i. H. v. 150 GE dem Buchwert i. H. v. 400 GE gegenübergestellt. Weil der Buchwert nicht überschritten wird, wird die Übertragung insgesamt als unentgeltlicher Vorgang i. S. d. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. EStG qualifiziert.
Um Missbräuchen vorzubeugen, ist der § 6 Abs. 5 S. 3 EStG mit einer Sperrfristklausel (§ 6 Abs. 5 S. 4 EStG) und einer Körperschaftsklausel (§ 6 Abs. 5 S. 5 u. 6 EStG) behaftet. Diese schreiben einen rückwirkenden Teilwertansatz (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO) zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung vor, wenn das WG innerhalb von 3 Jahren veräußert oder entnommen wird (S. 4). Eine Ausnahme liegt dann vor, wenn die stillen Reserven durch die Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Mitunternehmer zugeordnet wurden. Wird das WG wiederholt und nach § 6 Abs. 5 EStG übertragen, so kommt es nicht zu einer Sperrfristverletzung, sondern lediglich zu einer erneuten Fristsetzung.56 Ist der Mitunternehmer als KapG. i. S. d. § 8 Abs. 1 KStG zu qualifizieren, so ist eine Frist von 7 Jahren maßgebend. Auf diese Weise sollen Missbrauchsabsichten unterbunden werden, die sich beispielsweise durch die Übertragung auf eine KapG (i. S. d. § 8 Abs. 2 KStG) mit der anschließenden Veräußerung durch Gewinnausschüttung auf eine natürliche Person ergeben könnten, welche durch das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) begünstigt ist. Eine andere Möglichkeit ergäbe sich im Rahmen der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 2 EStG.57 Demnach dient die Körperschaftsklausel, wie auch die dreijährige Sperrfrist, dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, das unternehmerische Engagement zu fördern.
[...]
1 Hänsch, F., NWB v. 08.03.2017, Rz. 123
2 Vgl. Heinrichs, J. (2015), S. 594, Rz. 406, S. 603, Rz. 450
3 Vgl. Preißer, M. (2013), S. 454
4 BGBl I 1998, 3779; BGBl I 1999 847; BstBl. I 1999, 81, 488
5 BGBl I 2000, 1433; BStBl I 2000, 1428
6 Vgl. Rasche, R. (2016), S. 657
7 Redaktioneller Schluss dieser Arbeit ist der 28.02.2018
8 Vgl. Schustek, H. (2017), S. 69, Rz. 6
9 H 15.8 (1) EStH
10 Vgl. Reiß, W. (2016), § 15, Rz. 208 - 212
11 Vgl. Schustek, H. (2017), S. 67 - 69, Rz. 1 - 5
12 Vgl. Heinrichs, J. (2013), S. 575, Rz. 26
13 Vgl. Kraft, C./Kraft, G. (2018), S. 225 - 226; Heinrichs, J. (2013), S. 572, Rz. 10
14 Vgl. Heinrichs, J. (2013), S. 575, Rz. 25 - 26
15 Vgl. Schütz, M., SteuK 2012, S. 52 (S. 53)
16 Vgl. Patt, J. (2016), S. 583; BMF, BStBl I 2011, S. 1279, Rz. 12
17 Vgl. Patt, J. (2012), S. 1297, Rz. 86
18 Vgl. Steiner, N./Ullmann, R., DStR 2017, S. 912 (S. 917)
19 Vgl. Schlößer, R. (2015), Rz. 12
20 BMF, BStBl. I 1995, S. 374, Tz. 2
21 Vgl. Schmidt, T./Siegmund, O., NWB Nr. 51 v. 18.12.2017, S. 3926 (S. 3927)
22 BFH, NJW 2016, S. 1611 (S. 1613), Rz. 42
23 Vgl. Fränznick, S. (2015), S. 267 u. S. 269
24 Vgl. Reiß, W. (2016), § 6, Rz. 195
25 Vgl. Zantopp, M., NWB v. 27.01.2018, Rz. 115
26 Vgl. zu Wertausgleichsmethoden B V
27 Vgl. Dißars, U., StuB Nr. 16 v. 26.08.2016, S. 625
28 Vgl. Freidank, C./Velte, P./Weber, S. (2016), S. 151 - 154, Rz. 647 ff.
29 BFH, DStR 2016, 904, Rz. 15
30 Vgl. Dißars, U., StuB Nr. 16 v. 26.08.2016, S. 624 (S. 626)
31 Vgl. Nihus, U./Wilke, H. (2015), S. 198
32 Vgl. Zantopp, M., NWB vom 27.01.2018, S. 8, Rz. 20
33 Vgl. Rogall, M., DStR 2006, S. 731 (S. 731)
34 Vgl. Schneider, N./Roderburg, G. (2008), § 12, S. 601 - 606, Rz. 89 - 108
35 Vgl. Rasche, R. (2016), S. 682
36 Vgl. Preißer, M. (2013), S. 456
37 Vgl. Preißer, M. (2013), S. 412
38 Vgl. Hänsch, F., NWB v. 08.03.2017, Rz. 34
39 Vgl. Ehmcke, T. (2018), § 6, Rz. 1288
40 Vgl. Preißer, M. (2013), S. 456
41 Vgl. Preißer, M. (2017), S. 482
42 Vgl. Niehus, U./Wilke, H., (2015), S. 281
43 Vgl. Kapitalkontoanpassungsmethode B V
44 Vgl. Hänsch, F., NWB v. 08.03.2017, Rz. 169; BFH,NZG 2016, 393, Rz. 24 - 27
45 Vgl. Niehus, U., Wilke, H. (2015), S.227-229
46 Vgl. Bilitewski, A. (2015), S. 224, Rz. 1261; BMF, BStBl. I 2011, S. 1279, Rz. 16
47 Vgl. Niehus, U./Wilke, H. (2015), S. 222
48 Vgl. Maier, W. (2017), S. 166
49 Vgl. Hänsch, F., NWB v. 08.03.2017, Rz. 48; BMF, BStBl. I, 2011, S. 1279, Rz. 15
50 BFH, DStR 2012, 2051, Rz. 17
51 Vgl. Hänsch, F., NWB v. 08.03.2017, Rz. 34
52 AZ. X R 28/12
53 Vgl. Hänsch, F., NWB v. 08.03.2017, Rz. 176; Rasche R. (2016), S. 680
54 Vgl. Hoheisel, M./Tippelhofer, M., StuB Nr. 4 v. 26.02.2016, S. 127 (S. 130)
55 Vgl. Hanning, T., Steuer und Studium, 4/2017, S.236 - 237
56 BMF, BStBl. I 2011, S. 1279, Rz. 23
57 Vgl. Schallmoser, U. (2018), § 16 Rz. 416; Heinrichs, J. (2013), § 10, S. 605, Rz. 157