Der Münchner Wohnungsmarkt im internationalen Vergleich

Wohnungsnachfrage, Wohnungsangebot und internationale Vergleichsmärkte


Masterarbeit, 2020

129 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wohnungsmarktanalyse
2.1 Theoretische Grundlagen
2.1.1 Immobiliensystem
2.1.2 Einflussfaktoren auf die Mietpreisbildung
2.1.3 Preisfindung durch Angebot und Nachfrage
2.1.4 Zusammenfassung
2.2 Wohnungsnachfrage
2.2.1 Einflussfaktoren auf die Wohnungsnachfrage
2.2.2 Gründe für die Wohnungsnachfrage
2.2.3 Bevölkerungsbestand und -entwicklung
2.2.4 Haushalts- und Familientypen
2.2.5 Mikro- und Makroökonomische Faktoren
2.2.6 Nachfrageseitige Subventionen
2.2.7 Zusammenfassung
2.3 Wohnungsangebot
2.3.1 Struktur des Wohnungsmarktes
2.3.2 Wohnungsbestand und Bautätigkeit
2.3.3 Ökonomische Einflussfaktoren
2.3.4 Zusammenfassung
2.4 Internationale Vergleichsmärkte
2.4.1 Auswahl der Vergleichsmärkte
2.4.2 Wohnqualitäten im Vergleich
2.4.3 Verfügbare Fläche für 1.500 USD
2.4.4 Affordability
2.4.5 Price-Income-Ratio
2.4.6 Price-Rent-Ratio
2.4.7 Zusammenfassung

3 Limitationen

4 Präsentation der Ergebnisse

5 Diskussion der Ergebnisse

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Immobiliensystem

Abb. 2: Einflussfaktoren auf die Mietpreisbildung

Abb. 3: Wohnungsmarktzyklus

Abb. 4: Zu- und Abgänge von Wohnungen

Abb. 5: Transparency Index für Deutschland

Abb. 6: Nachfrage am Wohnungsmarkt

Abb. 7: Bevölkerungsentwicklung Deutschland

Abb. 8: Wanderungssaldo München

Abb. 9: Geburtenüberhang München

Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung München

Abb. 11: Altersstruktur Bevölkerung München

Abb. 12: Bevölkerungsquerschnitt BRD, München

Abb. 13: Durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner Münchens

Abb. 14: Durchschnittliche Wohnfläche pro Person im nationalen Vergleich

Abb. 15: Durchschnittliche Haushaltsgröße in München

Abb. 16: Haushalte und Wohnungsbestand München

Abb. 17: Haushaltszusammensetzung München

Abb. 18: Altersstruktur der Ein-Personen-Haushalte und Haushaltsgrößen

Abb. 19: Bevölkerung in Privathaushalten nach Altersgruppen und Haushaltsgröße

Abb. 20: Einwohnerzuwachs nach Alters- und Haushaltsgruppen 2014 vs. 2030

Abb. 21: Zuwachs Haushalte nach Größe bis 2030

Abb. 22: Lebenszyklus und Haushaltsgröße

Abb. 23: Münchens Eigentümerquote im Europäischen Vergleich

Abb. 24: Verfügbares Einkommen, Mietbelastung, Verbraucherpreisindex

Abb. 25: Erschwinglichkeit München

Abb. 26: Arbeitslosenquote München, Bayern, Deutschland

Abb. 27: Wohnungseigentümerstruktur in München und Deutschland

Abb. 28: Eigentümer des Gebäudes

Abb. 29: Privateigentümer nach Umfang des Eigentums

Abb. 30: Immobilienvermögen in Deutschland indirekte Vehikel

Abb. 31: Chart DAX vs. E&G - DIMAX

Abb. 32: Private Wohnungsunternehmen in München

Abb. 34: Anzahl verkaufter Wohnungen nach Verkäufertyp

Abb. 35: Anzahl verkaufter Wohnungen nach Käufertyp

Abb. 36: Anbietermotive

Abb. 37: Der Bestand an Wohnungen 1980 - 2018

Abb. 38: Haushalte und Wohnungsbestand München

Abb. 39: Wohnungsstruktur München

Abb. 40: Struktur der Haushalte und Wohnungsstruktur

Abb. 41: Struktur der Haushalte und Wohnungsstruktur

Abb. 42: Fertiggestellte Wohnungen in München

Abb. 43: Wohnungsbestand und jährlicher Reinzugang

Abb. 44: Genehmigte und Fertiggestellte Wohnungen

Abb. 45: Bauüberhang im Wohnungsbau

Abb. 46: Entwicklung Versiegelungsgrad München

Abb. 47: Versiegelung im nationalen Vergleich

Abb. 48: Flächennutzung München

Abb. 49: Aktuelle Entwicklungsflächen in München

Abb. 50: Wohnungsbaukredite und Bauaktivität

Abb. 51: Preisindizes für den Neubau von Wohngebäuden

Abb. 52: Entwicklung der Kaufpreise für Eigentumswohnungen

Abb. 53: Entwicklung der Mietpreise in München

Abb. 55: Price-Rent-Ratio, Price-Income-Ratio

Abb. 56: Bevölkerungsentwicklung Metropolen

Abb. 57: Number of households vs. Current population

Abb. 58: Verfügbare Fläche für 1.500 USD

Abb. 59: Erschwinglichkeit im internationalen Vergleich

Abb. 60: Price-Income-Ratio

Abb. 61: Price-Rent-Ratio

1 Einleitung

Bereits im Jahr 1983 betitelt die ZEIT einen Artikel über das geschichtliche Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern mit der Schlagzeile: „Die Miete ist immer zu Hoch“ (Prause, 1983). Beispiele, die bis in die Römerzeit zurückreichen, beschreiben in dieser Veröffentlichung die immerwährende Unzufriedenheit von Mietern mit der Mietpreisent­wicklung. Die Wohnungspolitik ist seit den ersten Jahren der Weimarer Republik, zu Be­ginn des 20. Jahrhunderts, ein zentraler Bestandteil der Sozialpolitik und wird meist als unzureichend mieterfreundlich empfunden (Prause, 1983).

In dieser Arbeit werden die Einflussfaktoren auf den Wohnungsmarkt am Beispiel der Bayerischen Landeshauptstadt gezeigt, die aktuelle Wohnungsmarktentwicklung in Mün­chen analysiert und die lokalen Marktverhältnisse mit jenen in anderen ausgewählten Metropolen verglichen. Die Ausarbeitung und Auswertung relevanter Kenngrößen für unterschiedliche Märkte gibt Aufschluss über die derzeitige Marktlage und zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten. Eine objektive Untersuchung der aktuellen Marktlage soll die einleitend zitierte Schlagzeile be- oder entkräftigen.

Dazu werden im ersten Schritt die Wirkmechanismen des Wohnungsmarktes untersucht und Einflussfaktoren auf Angebot und Nachfrage identifiziert. Anschließend werden die Triebkräfte und deren Entwicklung auf der Nachfrageseite analysiert. Die Prüfung der Struktur und Motivation der angebotsseitigen Gegenspieler führt im weiteren Verlauf zur Untersuchung des Münchner Wohnungsbestandes. Aktuelle Zahlen zu Baurechtschaffun­gen, Bautätigkeiten und Fertigstellungen sowie geplante Projektentwicklungen werden als Indikatoren zur mittelfristigen Angebotsentwicklung in Augenschein genommen. Die Entwicklungsrecherche zu ökonomischen Rahmenparametern wie Kaufkraft, Arbeitslo­senquote, Bau- und Baulandpreisen sowie zum Zinsniveau für Wohnbaukredite komplet­tiert die Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Wohnraumanbieter. Abschließend werden die gewonnenen Kenngrößen zur Erschwinglichkeit, zum „Price-Rent-Ratio“ und zum „Price-Income-Ratio“ mit ausgewählten Metropolen im internationalen Kontext ver­glichen und daraus Schlüsse für die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des Münchner Wohnungsmarktes abgeleitet.

2 Wohnungsmarktanalyse

In den nächsten Kapiteln wird eine deskriptive Untersuchung des Münchner Wohnungs­marktes hinsichtlich der Mietpreisentwicklung die Grundlage für eine Einordnung im in­ternationalen Vergleich schaffen. Verschiedene allgemeingültige Zusammenhänge aus der Immobilienwirtschaft werden dabei auf den Münchner Markt angewendet, Kenngrö­ßen entwickelt und in zeitliche Relation gesetzt bzw. mit denjenigen anderer Märkte ver­glichen. Durch dieses deduktive Vorgehen wird abschließend geklärt, inwieweit der Münchner Wohnungsmarkt derzeit unverhältnismäßig teuer ist. Nach einer einleitenden Theorierecherche zur Kenngrößenermittlung werden mittels quantitativer Forschung Da­tensätze gesammelt und ausgewertet. Dabei wird den Kriterien Objektivität, Reliabilität und Validität besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Datenquellen werden sorgfältig ausgewählt und evaluiert. Nachdem die Daten aufbereitet wurden und Kenngrößen her­ausgearbeitet sind, können diese miteinander verglichen werden.

2.1 Theoretische Grundlagen

Zunächst wird im Folgenden eine Einordnung des Mietwohnungsmarktes im Immobili­ensystem vorgenommen. Anschließend werden objekt- und marktspezifische Einfluss­faktoren auf die Mietpreisbildung identifiziert und dabei die Eigenheiten des Immobili­enmarktes erörtert.

2.1.1 Immobiliensystem

Ursprünglich ist ein Markt ein „Ort“, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft, 2011, S. 13). Der Immobilienmarkt be­steht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Lokalmärkte, die in Abhängigkeit zueinander stehen und in Teilen grundsätzliche Abweichungen zu einem idealen Markt aufweisen (Kurzrock, 2015, S. 18). Die vielseitigen räumlichen Teilmärkte sind eine Folge der Ei­genheiten „Standortgebundenheit“ und „Heterogenität“ des gehandelten Guts „Immobi­lie“ (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft, 2011, S. 14). Regional unterschied­liche Marktentwicklungen mit Angebots- und Nachfrageüberhängen haben differenzierte Preisentwicklungen zur Folge. Zudem ist der Immobilienmarkt in besonderem Maße von den vor- und nachgelagerten Märkten, deren Zusammenwirken und Einflussfaktoren die folgende Grafik zeigt, abhängig (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 24).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Neben den Bewegungen auf den Bau-, Flächen- Transaktions- und Kapitalmärkten be­einflussen auch die Märkte, in denen die Nachfrager bzw. Nutzer tätig sind, den Immo­bilienmarkt (Vornholz, 2015, S. 32).

Der Wohnimmobilienmarkt ist ein sachlicher Teilmarkt der Immobilienmärkte. Er unter­scheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Teilmärkten, wie beispielsweise dem Bü­romarkt. Innerhalb des Wohnimmobilienmarkts wird weiter unterschieden zwischen dem Miet- und dem Eigentumsmarkt (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft, 2011, S. 15). Der Wohnungsmietmarkt wird somit von einer Vielzahl örtlich und sachlich unter­schiedlicher Märkte beeinflusst, deren Entwicklung und Wirkmechanismen für eine Markteinschätzung untersucht werden müssen.

2.1.2 Einflussfaktoren auf die Mietpreisbildung

Im Wesentlichen wird die Mietenentwicklung vom Wohnungsangebot im Verhältnis zur Wohnungsnachfrage und der daraus resultierenden Konkurrenzsituation bestimmt. Die Interessentenanzahl und -struktur variiert jedoch in Abhängigkeit von objektspezifischen Eigenschaften stark (Iwanow, 2008, S. 103). Für jede einzelne Immobilie oder Mietwoh­nung, die gehandelt wird, bildet sich eine einmalige Interessentengruppe, deren Zahlungs­bereitschaft bei sonst unregulierten Bedingungen den zeitabhängigen Marktwert einer Mietwohnung definiert. Für die Nachfrager sind die folgenden Objekteigenschaften von prioritärer Bedeutung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Divergierende Lage- und Objekteigenschaften einer Mietwohnung sprechen unterschied­liche Interessentengruppen an. Die Wohnungsgröße beispielsweise kann für Familien­oder Single-Haushalte geeignet sein. Die Lage des Gebäudes innerhalb einer Stadt oder innerhalb eines Stadtteils zieht nachweislich unterschiedliche Bevölkerungsschichten an (Thierstein, Förster, Conventz, Erhard, & Ottmann, 2013, S. 8). Je nach lokaler Versor- gungs- und Erholungsverfügbarkeit in der Umgebung einer verfügbaren Wohnung wird die Bewerberzahl und damit der mögliche Maximalmietzins sinken oder steigen (Iwanow, 2008, S. 111).

Die Mietpreise sind zwar innerhalb eines begrenzten Rahmens objektabhängig, regional Entwicklungshorizonte hängen jedoch vielmehr von gesellschaftlichen und wirtschaftli­chen Tendenzen und deren Einfluss auf Nachfrage und Angebot ab (Kurzrock, 2015, S. 18). Diese Strömungen werden in den nächsten Kapiteln für die Stadt München einge­hender betrachtet und daraus Prognosen abgeleitet.

2.1.3 Preisfindung durch Angebot und Nachfrage

Das in Deutschland vorherrschende Wirtschaftssystem, die soziale Marktwirtschaft, schafft den Ordnungsrahmen für die Wohnungswirtschaft: „Aufgrund der Informations­und Kommunikationsfunktion des Preissystems verfügen die Marktteilnehmer über die erforderlichen Informationen, um die individuelle Angebots- und Nachfrageentscheidung treffen zu können. Hieraus resultiert die Koordinationsfunktion des Preismechanismus, die dazu führt, dass die Interaktionen der einzelnen Wirtschaftssubjekte auf dem Markt in der Summe zur Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt führen“ (Gondring & Eckard, 2001, S. 76). Wie sich später herausstellen wird, ist die Informationsverfügbar­keit in der Wohnungswirtschaft limitiert, wodurch die Interaktion der Marktteilnehmer gehemmt wird und die Erreichung des Ziels der Maximierung des gesellschaftlichen Nut­zens fraglich ist.

„Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse. Für den Ausgleich der Interessen sorgt die "unsichtbare Hand" des Marktes“ (Smith, 1852, S. 6). Mit dieser, wahrscheinlich bekanntesten Metapher der Wirtschaftswissenschaften, die Adam Smith im Jahr 1776 äußerte, wird die natürliche Regulierung des Marktes durch Angebot und Nachfrage beschrieben. Staatliche Eingriffe in dieses "offensichtliche und einfache Sys­tem der natürlichen Freiheit", schreibt er weiter, stören und führen zu schlechteren Er­gebnissen“. An diesem Grundprinzip hat sich seit dem 18. Jahrhundert nichts geändert. Die Märkte regulieren sich selbstständig, „mit dem Ergebnis, dass knappe Faktoren ihrer sozial nützlichsten und damit effizientesten Verwendung zugeführt werden“ (Gondring & Eckard, 2001, S. 76). Dabei hebt sich der Wohnungsmarkt allerding durch eine Viel­zahl an Eigenheiten von den meisten anderen Märkten ab:

2.1.3.1 Langlebigkeit

Das Gut Wohnung ist außerordentlich langlebig. Nach deutschen bzw. europäischen Nor­men errichtete Gebäude haben eine Lebenserwartung von 70 bis 100 Jahren (Piffaretti, 2017). Die Gesamtnutzungsdauer ist in vielen Fällen jedoch deutlich länger. Rund 10Pro- zent aller Münchner Wohnungen befinden sich in Gebäuden, die vor dem Jahr 1918 er­richtet wurden (Statistisches Amt München, 2019). Das älteste, noch erhaltene Wohnhaus Münchens wurde sogar Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet (Gehlert, 2015). Für den Wohnungsmietmarkt bedeutet das ein sehr vielfältiges Angebot in Bezug auf Qualität, Größe und Ausstattung des gehandelten Guts. Auf Anbieterseite müssen Bestandshalter mit neuen Projektentwicklungen konkurrieren (Bach, Ottmann, Sailer, & Uterreiner, 2011, S. 14).

2.1.3.2 Kapitalintensivität

Verglichen mit anderen Märkten binden Investoren mit dem Kauf oder der Errichtung von Immobilien relativ viel Kapital für verhältnismäßig lange Zeiträume. Um den Begrif­fen „relativ“ und „verhältnismäßig“ einen Bezug zu geben, sei hier auf die 2019 verbrei­tete Renditeerwartung von 2,0 Prozent bis 3,8 Prozent für Wohnbauinvestoren in Mün­chen hingewiesen (Bulwiengesa, 2019, S. 10). Nach 26 bis 50 Jahren ist die Investition demzufolge amortisiert. „Beim Endinvestor, der die Immobilie zum Zwecke dauerhafter Vermietung oder Eigennutzung im Bestand behält, ist die hohe Kapitalbindung entspre­chend lang. Auch er trägt das Risiko einer veränderten Marktlage in Form stagnierender oder sinkender Mietpreise, was die langfristige Werthaltigkeit der Immobilie beeinflusst“ (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft: Recht - Steuern - Marketing - Finanzierung - Bestandsmanagement - Projektentwicklung, 2013, S. 13).

2.1.3.3 Trägheit bei Nachfrage- oder Angebotsüberhang

Lange Genehmigungsdauern und lange Herstellungsphasen behindern schnelle Marktan­passungen bei Nachfrageänderungen. Dieses Elastizitätsdefizit ist typisch für den Immo­bilienmarkt und hat den sogenannten „Schweinezyklus“ zur Folge. Der „Schweinezyk­lus“ beschreibt ursprünglich die verzögerte Angebotsanpassung von Schweinefleisch auf eine steigende Nachfrage aufgrund der erforderlichen Aufzuchtzeit. Diese verzögerte Marktreaktion lässt sich ohne Weiteres auf den Wohnungsmarkt übertragen. Hohe Ge­winnerwartungen bei einem Nachfrageüberhang führen zum Anstoß neuer Immobilien­entwicklungen. Von der Investitionsentscheidung bis zur Marktzuführung vergehen 3-5 Jahre (Fabricius, 2018). Oder deutlich mehr, sobald ein Bebauungsplanverfahren vorge­lagert ist, innerhalb derer weitere Investitionsbeschlüsse in selbiges Produkt gefasst wer­den. Mit der Fertigstellung der Neubauten entsteht ein Angebotsüberhang und die Ge­winnerwartungen sinken, bis neue Investitionsentscheidungen ausbleiben. Wachsender Wohnflächenbedarf durch Bevölkerungszuwächse und Haushaltsveränderungen ver­knappen das Angebot im Laufe der Zeit wieder und steigern damit die Gewinnerwartun­gen von Investoren. „Der Wohnungsmarktzyklus in seinem zeitlichen und ursächlichen Zusammenspiel zwischen Schwankungen auf der Nachfrageseite (als Indikator: Erstbe­zugsmieten) und Investorenreaktion auf der Angebotsseite (als Indikator: Baugenehmi­gungen und -fertigstellungen) [ist] hier dargestellt“ (Piesch, 2002, S. 9):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Wohnungsmarktzyklus (Landeshauptstadt München, 2020), (Bulwiengesa AG, 2020), (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2006, S. 37), (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2011, S. 4)

Der zyklische Höhepunkt der Erstbezugsmieten war 1992, seitdem hat sich der Markt bis etwa 1996 entspannt. Seit 1997 ziehen die Erstbezugsmieten wieder an, der Anstieg hat sich seit 1999 beschleunigt. Aufgrund der langen Planungs- und Realisierungszeiten rea­gieren die Baugenehmigungen mit einer circa 2- bis 3-jährigen und die Baufertigstellun­gen mit einer circa 4-jährigen Zeitverzögerung auf diese Marktsignale. Diese Zeitverzö­gerung ist typisch für den Wohnungsmarkt. Sie trägt zum Zyklus des Marktgeschehens bei. Die Landeshauptstadt kann den freifinanzierten Wohnungsneubau hauptsächlich über kontinuierliche Bereitstellung von Baurecht beeinflussen. Seit Mitte der 90er Jahre hat sie dies verstärkt getan. Das Jahr 2003 stellte den Tiefpunkt der Baufertigstellungen im Wohnungsneubauzyklus dar, die Baugenehmigungen als Frühindikator wiesen zu die­sem Zeitpunkt trendmäßig schon wieder nach oben und erlaubten positive Marktentwick­lungsprognosen (Piesch, 2002, S. 10). Der nächste Tiefpunkt der Mietniveaus zeichnet sich im Jahr 2005, vier Jahre nach Beginn des Fertigstellungstiefs 2001, ab. Die außerge­wöhnlich hohe Fertigstellungszahl im Jahr 2006 resultiert aus Nachmeldungen zuvor nicht gemeldeter Fertigstellungen (Licha & Heinrich, 2011, S. 24). Seit diesem leichten Mietrückgang steigen die Mietpreise bis heute kontinuierlich an. Mit zwei bzw. vier Jah­ren Verzögerung folgte das letzte Genehmigungs- bzw. Fertigstellungstief. Auch diese Indikatoren wachsen seit 2010 annähernd rezessionsfrei.

2.1.3.4 Ortsgebundenheit

Namensgebend für Immobilien ist deren Immobilität, die deren wesentliches Merkmal darstellt und jedes Objekt einzigartig macht. Nutzung und Wert der Immobilie stehen in direktem Zusammenhang mit der geografischen Lage des Grundstücks und sind untrenn­bar damit verbunden. Eventuelle Einflüsse aus der Umgebung, zum Beispiel durch die Ansiedlung lärmintensiver Handwerksbetriebe, können den Wert der Immobilie beein­trächtigen. „Eine weitere direkte Folge der Immobilität ist eine Segmentierung des Im­mobilienmarktes in geografische Teilmärkte. Der Wettbewerb einzelner Immobilien fin­det somit meist innerhalb eines lokalen Submarktes statt. Eine Büroimmobilie in Frank­furt konkurriert nicht direkt mit einer vergleichbaren Büroimmobilien in New York oder Tokio“ (Rottke & Thomas, 2017, S. 144). Die Konkurrenz ausschließlich innerhalb ge­ografischer Teilmärkte gilt für den Wohnungsmarkt nur bedingt. Die fortschreitende Glo­balisierung in Verbindung mit der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung führt zu wachsender Flexibilität bei der Wahl des Wohnorts. Im Jahr 2019 pendelten über 45 Pro­zent der Erwerbstätigen aus dem Münchner Umland in die Stadt, um dort zu arbeiten (Osel, 2019). Der zu betrachtende Submarkt geht also weit über die Stadtgrenzen hinaus.

2.1.3.5 Nicht substituierbares Grundbedürfnis

Das Gut Wohnen kann nicht durch ein anderes Gut ersetzt werden und zählt zu einem existentiellen Grundbedürfnis, dass mit den allgemeinen Erklärungen Nr. 4, „Adequate Housing“ von der UN im Jahr 1991 als Grundrecht verankert wurde. Gemäß §181 Be­wertungsgesetz ist die Wohnung wie folgt definiert: „Eine Wohnung ist die Zusammen­fassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen muss eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbständigen Zugang haben. Außerdem ist erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sind. Die Wohnfläche muss mindestens 23 Quadratmeter (m2) betragen“ (Bewertungsgesetz (BewG), 2008). In Einzelfällen weichen Wohnunterkünfte von dieser Definition ab, in der Regel ist Wohnen jedoch an diese oder eine ähnliche Objektbeschaf­fenheit gebunden und nicht substituierbar.

2.1.3.6 Überwiegend Bestandsmarkt

Seit dem Jahr 2000 ist der Wohnungsbestand in München um circa 10 Prozent auf circa 800.000 Wohnungen gewachsen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Zu- und Abgänge von Wohnungen (Landeshauptstadt München, 2020)

Der jährliche Zuwachs in den vergangen zwanzig Jahren lag durchschnittlich bei circa 5.500 Wohnungen. Teil des Wohnungsbauprogramms „Wohnen in München VI“ ist die Steigerung der jährlichen Fertigstellung auf 8.500 Wohnungen pro Jahr (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2017, S. 8). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird dieses Förderprogramm in Sachen Wohnungspolitik noch näher erläutert.

2.1.3.7 Staatliche Eingriffe durch regulatorische Maßnahmen und Subventionen

Die staatliche Steuerung des Wohnungsmarktes beginnt bereits mit der hoheitlichen Auf­gabe der Ausweisung von Bauland. Durch dieses Instrument obliegt es den Gemeinden einen Überhang oder ein Defizit an baureifem Land zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus verfügt die öffentliche Hand über eine Vielzahl weiterer Steuerungsmechanismen: „[...] zum einen durch die Festlegung der grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingun­gen, zum anderen durch steuerliche und förderpolitische Maßnahmen, um spezifische Ziele zu erreichen. Der ordnungspolitische Rahmen der Wohnungsmärkte in Deutschland umfasst vor allem das Mietrecht, aber auch das Baurecht sowie das allgemeine Vertrags­recht. Unter den ökonomischen Instrumenten ist die Förderung der Altersvorsorge und der Eigentumsbildung durch die Eigenheimrente, des Bausparens, der Energieeinsparung und der altersgerechten Anpassung des Wohnungsbestandes zu nennen. Im Mietwoh­nungsbau werden sowohl Nachfrager als auch Anbieter von Wohnraum durch ökonomi­sche Instrumente (z.B. Wohngeld, Kosten der Unterkunft und Heizung, steuerliche Ab­schreibungsmöglichkeiten, KfW-Förderprogramme) unterstützt“ (Besecke, 2007, S. 27­28).

Aber auch vom Mietrecht gehen wirtschaftliche Auswirkungen auf die Wohnungsmärkte aus, so zum Beispiel mit der Festlegung von Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen. Ak­tuelle Untersuchungen belegen die hohe Bedeutung dieser Rahmenbedingungen für die Stabilität des in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bedeutenden und qualita­tiv hochwertigen Mietwohnungssektors. Darüber hinaus beteiligt sich der Bund seit der Umsetzung der Föderalismusreform I an der Wohnraumförderung der Länder. Diese Mit­tel werden in vielfältiger Weise sowohl für den Mietwohnungsneubau als auch für die Eigentumsbildung sowie die Anpassung der Wohnungsbestände genutzt. Ergänzt werden die wohnungspolitischen Maßnahmen durch die Instrumente der Städtebauförderung (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2020).

2.1.3.8 Heterogenität

Es gibt keine exakt identischen Immobilien. Allein die Einzigartigkeit der Grundstücke in Bezug auf Lage und Form macht den Markt heterogen. „Die Heterogenität von Immo­bilien hat zur Folge, dass diese nur schwer miteinander zu vergleichen sind. Dies wiede­rum - bei gleichzeitig hohen Transaktionskosten - hat zur Folge, dass die Fungibilität von Immobilien im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgütern eher gering ist“ (Rottke & Thomas, 2017, S. 144).

2.1.3.9 Markttransparenz

Seit einigen Jahren arbeiten große Beratungsunternehmen wie Jones Lang Lasalle, Savil­les, u.a., verstärkt daran, den deutschen Immobilienmarkt insbesondere für internationale Investoren transparenter zu machen. Im internationalen Vergleich schneidet der deutsche Immobilienmarkt bei dem im Zwei-Jahres-Rhythmus erscheinenden Global Real Estate Transparency Index 2018 von Jones Lang Lasalle mit Erreichung des achten Platzes ver­hältnismäßig gut ab (Jones Lang Lasalle IP, 2016), (Jones Lang Lasalle IP, 2018).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Transparency Index für Deutschland (Jones Lang Lasalle IP, 2018)

Die Grafik zeigt das seit Beginn der wiederkehrenden Analyse zur Immobilienmarkt­transparenz wachsende Datenaufkommen zum Immobilienmarkt, zu welchem auch der Wohnungsmarkt zählt.

2.1.3.10 Begrenzte Anbieter-/ Nachfrageranzahl

„Die Kundenzahl und -struktur sowie mögliche Ausgabenverschiebungen bestimmen maßgeblich den Erfolg eines Unternehmens [...] auch in einer schrumpfenden Bevölke­rung kann es wachsende Bevölkerungsgruppen geben. Von diesem quantitativen Wachs­tum lässt sich durch Akzentverschiebung profitieren“ (Just, 2009, S. 284). Ähnlich wie in vielen anderen Branchen gilt auch für die Immobilienbranche, dass in einer entwickel­ten Volkswirtschaft quantitatives Wachstum zunehmend durch qualitatives Wachstum abgelöst wird. Ähnlich wie der Umsatz in der Automobilbranche selbst bei stagnierenden Haushaltszahlen erhöht werden kann, indem jeder Haushalt über mehr als ein Auto ver­fügt oder berufliche Mobilität das Vorhalten von Mietfahrzeugen erfordert oder indem die Menschen größere und technisch höher gerüstete Autos nachfragen, kann auch die Immobilienwirtschaft dann wachsen, wenn die Wohnungsgrößen zunehmen, es eine Nachfrage nach Wochenendwohnungen gibt oder technisch höherwertige Wohnungen ältere Wohnungen verdrängen. Dennoch ist die Anzahl der Nachfrager aufgrund der Orts­gebundenheit des gehandelten Guts und der ortsabhängigen Zielgruppen limitiert. Auch das Angebot ist vor dem Hintergrund begrenzt nutzbarer Flächen innerhalb eines Ein­zugsradius nicht unendlich erweiterbar.

Trotz der genannten Eigenheiten des Immobilien- bzw. Wohnungsmietmarktes gilt das Prinzip der näherungsweise „freien“ Preisfindung auf Märkten: „Der freie Preis räumt den Markt“ (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 1-4).

Nicht zuletzt hat die Entwicklung webbasierter Handelsplattformen in den vergangenen 20 Jahren dazu geführt, dass der Immobilienmarkt - zumindest der Mietmarkt - an Trans­parenz und „Vollkommenheit“ gewonnen hat (Immobilien Scout GmbH, 2020).

Die Tragweite von Online-Wohnungsbörsen für Mieter und Vermieter wird erst bei ge­nauerer Betrachtung erkennbar. Bis Ende der 90er Jahre wurden Mietwohnungen über lokale Printmedien, Makler und durch mündliche Empfehlungen angeboten bzw. gesucht. Für stadtfremde Nachfrager war der Vergleich verschiedener Mietswohnungen mit un­terschiedlichen Lagen daher mit erheblichem Recherche- und Auswertungsaufwand ver­bunden. Heute können Interessierte sekundenschnell Mietmärkte in ganz Deutschland miteinander vergleichen. Auf internationaler Ebene ist dieses System noch in der Ent­wicklungsphase.

„An einem freien Wohnungsmarkt bestimmen nicht die Kosten die am Markt erzielbare Miete, sondern Angebot und Nachfrage in der jeweiligen Marktsituation. Der Preis bildet sich im Spannungsverhältnis von Angebot und Nachfrage. Je knapper das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage ausfällt, desto höher steigt der Preis und umgekehrt. Für den einzelnen Wohnungsanbieter heißt das: Finden sich - bei einem allgemeinen Überange­bot an Wohnraum - zu der von ihm auf der Grundlage seiner laufenden Aufwendungen (Kapital- und Bewirtschaftungskosten) kalkulierten Miete keine Mietbewerber, dann wird er seine Mietpreisforderung zurücknehmen müssen, um die Wohnung vermieten zu können. Die volle Deckung seiner Kosten durch die Mieteinnahmen ist dann nicht mehr gewährleistet. Auf der anderen Seite hat der Vermieter die Chance, mehr als seine lau­fenden Kosten am Markt zu verdienen, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt und die Wohnungsmieten steigen“ (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 20).

Die beschriebenen Einflussgrößen auf Angebot und Nachfrage zeigen, dass der Woh­nungsmarkt nicht mit den üblichen Gütermärkten gleichzusetzen ist. Die Einzigartigkeit des gehandelten Guts „Wohnen“ durch deren Langlebigkeit, Kapitalintensivität und Orts­gebundenheit einerseits und die gesellschaftliche Rolle als nicht substituierbares Grund­bedürfnis auf der anderen Seite begründen staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Preisbildung auf dem Mietwohnungsmarkt, wie in allen Märkten, von Angebot und Nachfrage abhängig ist. Der Einfluss von öffentlichen Eingriffen auf beiden Seiten kann nur bedingt quantifiziert werden. Steuerungswerkzeuge der öffentlichen Hand werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgestellt.

2.1.4 Zusammenfassung

Der Wohnungsmietmarkt ist von einer Vielzahl vorgelagerter Märkte abhängig, die Preise werde jedoch schlussendlich vom Schnittpunkt zwischen Angebot und Nachfrage bestimmt. Allerdings weist der Mietmarkt für Wohnungen wie der gesamte Immobilien­markt starke Abweichungen vom idealen Markt auf. Die Langlebigkeit des gehandelten Guts, die Kapitalintensität, die Reaktionsträgheit des Marktes, die Immobilität von Wohnraum sowie die Einzigartigkeit der Immobilien selbst und die Intransparenz des Marktes sind einige der Eigenheiten des Immobilienmarkts.

2.2 Wohnungsnachfrage

„Für die Wohnungsnachfrager ist das Wohnen ein Grundbedürfnis, dessen Befriedigung zur Sicherung ihrer geistigen und biologischen Existenz unerlässlich ist. Hieraus resultiert die Dringlichkeit, die das Wohnen innerhalb der Bedürfnisstruktur eines Haushaltes be­sitzt. Die Nachfrager haben praktisch keine Möglichkeit der Substitution. Zwar bestehen Unterschiede in Bezug auf Zeitpunkt und Qualität der Bedürfnisbefriedigung, doch exis­tieren weder Ersatzgüter noch ist auf Dauer eine zeitliche Aussetzung des Bedarfs denk­bar. Die Wohnung gehört zu dem starren Bedarf eines Haushaltes“ (Prause, 1983). Vor diesem Hintergrund ist die Nachfrage von Wohnraum durch jeden Menschen stets gege­ben. Ort, Zeitpunkt und Umfang der Nachfrageäußerung sind jedoch variable, deren Vor­hersage durch die Analyse von Einflussfaktoren teilweise möglich wird.

2.2.1 Einflussfaktoren auf die Wohnungsnachfrage

Die folgende Grafik zeigt die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Nachfrage nach Wohn­raum. Die dargestellten Wirkkräfte sind wiederum selbst mit einer Vielzahl weiterer Pa­rameter verbunden. Das verfügbare Einkommen pro Kopf beispielsweise ist von regio­nalen, nationalen und internationalen ökonomischen und politischen Kenngrößen abhän­gig. Die Eigenheimquote steht in engem Zusammenhang mit Zinsniveau und staatlichen Förderprogrammen, die wiederum politischen Ausrichtungen unterworfen sind. Indirekt wirken auch Baukosten auf die Mietpreise. Die Höhe der Baukosten und Baulandpreise in Verbindung mit der Renditeerwartung bestimmen den erforderlichen Mietzins bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Investoren. Remanenz beschreibt im Zusammenhang mit Mietwohnungen das Phänomen, dass Mieter auch bei veränderten Lebensbedingun­gen und Platzbedürfnisse ihre Wohnung nicht wechseln. Stirbt beispielsweise ein Ehe­partner, verdoppelt sich der Wohnflächenverbrauch des Hinterbliebenen. Zuletzt sind die Anzahl und Struktur der Haushalte, welche schlussendlich von der demografischen Ent­wicklung einer Region abhängen, wichtige Einflussfaktoren auf die Wohnraumnach-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Nachfrage am Wohnungsmarkt, adaptiert aus (Koop, 2006, S. 14)

Die Abbildung zeigt den Untersuchungshorizont, den diese Arbeit auf der Nachfrageseite behandelt. Die genaue Beeinflussung der Nachfrage durch die dargestellten äußeren Fak­toren wird im nächsten Kapitel analysiert.

2.2.2 Gründe für die Wohnungsnachfrage

Die demographische Entwicklung unter Berücksichtigung der Zu- und Abwanderungs­quoten und die Entwicklung der Haushaltsgröße werden in der Regel als Nachfrageindi­katoren genannt (Tilleczek, 2009, S. 13ff). Auf persönlicher Ebene führen Eheschließun­gen, Partnerschaften, berufliche Entwicklungen oder Fluchtzwänge zu Zu- oder Abwan­derungen. Das Verhältnis von Geburten zu Sterbefällen beschreibt das natürliche Wachs­tum und führt zu Wohnungsauflösungen bzw. zusätzlichem Wohnraumbedarf. Die Ver­änderung der Haushaltsstruktur bzw. Haushaltsgröße hängt von den Lebenszyklen und den Lebensentwürfen der Individuen einer Gesellschaft ab. Grundsätzlich gehen Sozial­wissenschaftler davon aus, dass mit steigendem Wohlstand die Individualität zunimmt und damit die Haushaltsgröße abnimmt. Gleichzeitig wächst der Flächenverbrauch je In­dividuum bei steigendem Einkommen (Kohli & Künemund, 2019, S. 157). Auch die Wahl des Wohnorts, ein weiteres Nachfragemotiv, hängt mit dem individuellen Lebens­zyklus zusammen. Während jüngere Paare und Singles zentrumsnahe Wohnlagen vorzie­hen, streben Familien in Stadtrand- und ländlichere Lagen (Thierstein, Förster, Conventz, Erhard, & Ottmann, 2013, S. 86ff). Zuletzt kann die vermieterseitige Vertragsauflösung wegen Anmeldung des Eigenbedarfs, Abbruch oder Umwidmung ein Beweggrund Woh­nungssuchender sein.

Der Bedarf von Wohnraum allein stellt noch keine Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt dar. Verfügen die betroffenen Haushalte über die entsprechende Kaufkraft, besteht eine tatsächliche Nachfrage. „Das bedeutet aber, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Haushaltes darüber entscheiden, ob und in welchem Ausmaß er am Wohnungsmarkt teil­nehmen kann. Unterschiede im Einkommen und in den sozialen Verhältnissen führen dazu, dass nicht alle Haushalte als gleichberechtigte Nachfrager am Wohnungsmarkt auf­treten können“ (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 19-20). Die Wohnungsnachfrage ist daher nicht ausschließlich von den oben genannten soziologi­schen Faktoren abhängig, sie wird darüber hinaus auch durch ökonomische Einflussgrö­ßen bestimmt. Die häufig kritisierte Gentrifizierung innerstädtischer Lagen verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Nachfrage und Einkommen. „Gentrifizierung bezeichnet die Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte durch finanziell besser gestellte Haushalte in den Innenstädten“ (Kronauer, 2019, S. 129). Arme und einkommensschwä­chere Haushalte werden zunächst von wohlhabenderen und schließlich von ausgespro­chen einkommensstarken Haushalten verdrängt. „Die ökonomische Hauptursache dieser Verdrängung ergibt sich aus den sogenannten Rentenlücken, d.h. der Diskrepanz zwi­schen den aktuell gegebenen und den möglichen Erträgen eines Grundstücks bzw. einer Immobilie. Dadurch eröffnen sich neue Gewinnmöglichkeiten, deren Realisierung letzt­lich die soziale Ausgrenzung bestimmter Milieus und die soziale Spaltung der Städte be­fördern“ (Kronauer, 2019, S. 129).

Um diese Gesellschaftsspaltung zu unterbinden und auch eine Mindestversorgung derje­nigen Haushalte sicherzustellen, die über keine ausreichende Kaufkraft zur Teilnahme am Mietmarkt verfügen, stehen den Städten, Kommunen und Ländern angebots- und nachfrageseitige Marktsteuerungsinstrumente zur Verfügung (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 19-20). Nachfrageseitig wird der Mietmarkt durch Wohngeldsubventionen, Mietpreisbremsen und Mietpreiskappungen staatlich beeinflusst (Thomsen, Vogt, & Brausewetter, 2019, S. 26).

Die einzelnen Einflussgrößen auf die Nachfrageseite des Mietmarktes werden in den fol­genden Abschnitten für die Stadt München näher betrachtet. Die Angebotsseite wird an­schließend, in Kapitel 2.3, behandelt.

2.2.3 Bevölkerungsbestand und -entwicklung

„Bevölkerungsentwicklung umfasst immer eine langfristige zeitliche Entwicklung, die von gesellschaftlichen Umbrüchen, Transformationsprozessen und der jeweiligen Pros­perität bzw. dem Wohlstand einer Gesellschaft beeinflusst wird“ (Herzog, 2015, S. 13). Der jährliche Zuwachs setzt sich aus der natürlichen Bevölkerungsentwicklung - Gebur­tenzahl zu Sterbezahl - und dem Wanderungssaldo - Zu- zu Abwanderungszahl - zusam­men. Für den Wohnungsmarkt bedeutet jeder zusätzliche Einwohner, zusätzlicher Wohn­raumbedarf und, bei ausreichender Kaufkraft, Nachfragewachstum.

„Sind die Deutschen in 400 Jahren ausgestorben?“ (Meyer, 2015), fragt Focus-Online in einer Publikation aus dem Jahr 2015. Tatsächlich stagniert die Bevölkerung Deutschlands mehr oder weniger seit über 20 Jahren bei rund 82 Mio. Einwohnern. Das Statistische Bundesamt prognostizierte einen Bevölkerungsrückgang auf rund 76 Mio. Einwohner bis zum Jahr 2060, resultierend aus der sinkenden Geburtenrate, die nach derzeitiger Ein­schätzung weder durch die steigende Lebenserwartung noch durch hohe Zuwanderungs­zahlen ausgeglichen werden kann (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2020).

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Abb. 7: Bevölkerungsentwicklung Deutschland (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2020)

Für die Großstädte der Bundesrepublik stellt sich jedoch ein anderes Bild dar. München, die drittgrößte Stadt des Landes, verzeichnet seit circa 15 Jahren einen jährlichen Bevöl-

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Abb. 8: Wanderungssaldo München (Landeshauptstadt München, 2020)

Das Bevölkerungswachstum ist zu einem Großteil auf die Wanderungsüberschüsse (Zu­züge minus Fortzüge) zurückzuführen. Insbesondere in den Jahren 2007 bis 2017 wuchs die Einwohnerzahl Münchens durch im Mittel 1.500 Mehrzugänge pro Jahr gegenüber Fortzügen.

Allerdings ist das Bevölkerungswachstum auch durch einen Geburtenüberschuss zu be­gründen - und das ist in der Region München anders als in Bayern oder deutschlandweit, wo der natürliche Saldo seit Jahren negativ ist.

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Abb. 9: Geburtenüberhang München (Landeshauptstadt München, 2020)

Insbesondere in der Landeshauptstadt München übersteigt die Zahl der Geburten die der Sterbefälle deutlich. Seit dem Jahr 2006 ist die Stadtbevölkerung durch dieses natürliche Wachstum um 4.300 Neuzugänge reicher geworden.

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Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung München (Landeshauptstadt München, 2020)

Seit 1900 ist die Region München eine Wachstumsregion. In den vergangenen 20 Jahren hat die Einwohnerzahl der Stadt München um etwa 250.000 Einwohner zugelegt - 1998 lebten rund 1,30 Mio. Menschen hier, 2018 waren es 1,55 Mio. Im Vergleich zum Vorjahr sind rund 15.000 Menschen hinzugekommen.

Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes wächst die Region wei­ter, für 2040 werden 1,85 Mio. Einwohner erwartet (Landeshauptstadt München, 2020). Das entspricht einem Zuwachs von rund 300.000 Einwohnern gegenüber 2018 in den nächsten 20 Jahren. Gezählt werden dabei alle, die ihren alleinigen oder Hauptwohnsitz in der Landeshauptstadt haben.

Trotzdem findet natürlich auch in der Region München ein demografischer Wandel statt. Während sich der Anteil der Altersgruppe zwischen 0 und 17 Jahre relativ stabil entwi­ckelt - um die 17 Prozent - verkleinerte sich der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung (18-64 Jahre) von 65,2 auf 64,6 Prozent seit 2008 und soll sich bis 2038 noch weiter verringern (60,8 Prozent). Dagegen wächst der Anteil der über 65-jährigen von 18,0 auf 18,5 Prozent seit 2008 und soll bis 2038 auf 22,1 Prozent ansteigen (Landeshauptstadt München, 2020).

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Abb. 11: Altersstruktur Bevölkerung München (Landeshauptstadt München, 2020)

Der aktuelle Bevölkerungsquerschnitt Münchens dem bundesweiten Bevölkerungsquer­schnitt gegenübergestellt verdeutlicht die Anziehungskraft Münchens auf Erwerbstätige.

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Abb. 12: Bevölkerungsquerschnitt BRD, München (Landeshauptstadt München, 2020) (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2020)

Verglichen mit dem bundesdeutschen Durchschnitt ist die Stadt München relativ jung. Insbesondere die Altersgruppe der 25- bis 29-jährigen ist in München verhältnismäßig stark vertreten. Die über 75-jährigen sind in der bayerischen Landeshauptstadt eher in geringer Zahl ansäßig.

2.2.4 Haushalts- und Familientypen

„Die Wohnungsnachfrage wird neben der Bevölkerungsentwicklung maßgeblich von der Haushaltsentwicklung beeinflusst und determiniert“ (Koch, Ehrentraut, Neumann, & Pivac, 2017, S. 3). Dabei sind hinsichtlich der Haushaltsstruktur insbesondere die Größe der Haushalte und das Alter der Haushaltsmitglieder, vorrangig bei Ein-Personen-Haus- halten, für eine Nachfrageprognose relevant. Grund dafür ist der Unterschied zwischen der Nachfrage älterer Haushalte und jener jüngerer oder derer von Familienhaushalten (Iwanow, 2008, S. 12). Weiterhin gibt eine Analyse des Flächenbedarfs je Einwohner Aufschluss über den Wohnraumbedarf einer Gesellschaft. Die Eigenheimquote lässt ab­schließend Rückschlüsse auf den Mietmarkt zu.

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Abb. 13: Durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner Münchens (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, 2020)

Der steigende durchschnittliche Wohnflächenverbrauch je Einwohner von circa 0,2 m2 pro Jahr ist nach einer Theorie von Gabathuler, die den Wohnflächenverbrauch dem Ein­kommen pro Kopf gegenüberstellt, auf den zunehmenden Wohlstand zurückzuführen (Gabathuler, 1988, S. 33ff). Die daraus resultierende geringere Haushaltsdichte ist ein wichtiger Grund für die Angebotsverknappung und damit für die zu beobachtenden Preis­steigerungen in aufstrebenden Großstädten.

In den neunziger Jahren betrug der jährliche Wohnflächenzuwachs pro Einwohner im Mittel circa 0,3 m2. Ab 1998 ist ein Rückgang des mittleren Wohnflächenverbrauchs je Person infolge des Einwohnerzuwachses zu verzeichnen. Zwischen 1998 und 2010 betrug der jährliche Zusatzbedarf circa 0,1 m2 pro Person. Der sprunghafte Anstieg um rund 2,8 m2 im Jahr 2011 ist auf den durchgeführten Zensus in jenem Jahr zurückzuführen. Seit der Volkszählung liegt der Wohnflächenverbrauch relativ konstant bei circa 43 m2 pro Person. „Für die Zukunft wird mit einem weiteren, wenn auch nur moderaten Anstieg des Wohnflächenkonsums je Person gerechnet. Es sei auf die Situation in anderen prosperie­renden europäischen Großstädten wie z. B. in der Schweiz mit deutlich höherer durch­schnittlicher Wohnfläche je Person (Zürich, Bern: je über 50 m2/ Person) hingewiesen“ (Piesch, 2002, S. 6).

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Abb. 14: Durchschnittliche Wohnfläche pro Person im nationalen Vergleich (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, 2020), (Statistisches Amt Hamburg und Schleswig-Holstein, 2019), (Statistik Berlin Brandenburg, 2020)

Im bayerischen Vergleich steht den Münchner Einwohnern die geringste Wohnfläche zur Verfügung. Der bundesweite Durchschnitt liegt mit 46,7 m2 pro Person circa 4 m2 über dem Münchner Durchschnitt. Die Bewohner anderer deutscher Großstädte wie Berlin und Hamburg müssen sich jedoch mit noch weniger Fläche zufriedengeben. Hier stehen 39,2 m2 (Berlin) bzw. 38,5 m2 (Hamburg) pro Person zur Verfügung.

Laut Definition des Statistischen Bundesamtes zählt als Haushalt: „jede zusammenwoh­nende und eine wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft sowie Personen, die allein wohnen und wirtschaften“ (Statistisches Bundesamt, 2020). Der nachfragebe­stimmende Faktor dieses Bereichs ist die Anzahl der Haushalte insgesamt. Beeinflusst wird die Anzahl der Haushalte durch die zwei Parameter: Bevölkerungsentwicklung und Belegungsdichte. Die Bevölkerungsentwicklung wurde bereits im vorangehenden Kapi­tel analysiert. Die Entwicklung der Belegungsdichte in den vergangenen 20 Jahren zeigt die nachfolgende Grafik.

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Abb. 15: Durchschnittliche Haushaltsgröße in München (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2020)

Die Belegungsdichte ist zwar gegenüber dem Jahr 2000 annähernd unverändert, seit dem Höchstwert von 1,81 Personen je Haushalt im Jahr 2010 ist sie jedoch wieder leicht rück­läufig. Die Stadt München rechnet mit einem Rückgang dieses Wertes auf 1,77 Personen je Haushalt bis 2030 (Hanke, 2015, S. 16).

Eine Gegenüberstellung des Bevölkerungswachstums mit der Entwicklung der Woh­nungsanzahl bestätigt die Annahme, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt.

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Abb. 16: Haushalte und Wohnungsbestand München (Landeshauptstadt München, 2020)

Der Vergleich der Entwicklung der Gesamthaushalte mit der Bevölkerungsentwicklung zeigt ein deutliches Auseinanderdriften der Trendlinien. Die Einführung der Zweitwoh­nungssteuer im Jahr 2006, die Registerbereinigungen in den Jahren 2009 und 2017 be­rücksichtigt, liegt der Wohnungszuwachs bei rund 5.500 Wohneinheiten pro Jahr. Bei einer Belegungsdichte von 1,8 Personen je Haushalt und einem Bevölkerungszuwachs von durchschnittlich 16.400 Personen pro Jahr, in den vergangenen 20 Jahren müsste der Wohnungsbestand jährlich um rund 9.200 Wohnungen wachsen. Das jährliche Defizit an Neubauwohnungen liegt demnach bei circa 3.700 Wohnungen.

Die aktuelle Leerstandsquote von 0,2 Prozent ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Woh­nungsbedarf nicht gedeckt ist (Statistisches Bundesamt, 2020). In den vergangenen 20 Jahren wurden jährlich durchschnittlich circa 3.700 WE zu wenig geschaffen.

Besonders nachgefragt sind kleinere Wohnungen für ein bis zwei Personen, wie die Ent­wicklung der Haushaltszusammensetzung zeigt.

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Abb. 17: Haushaltszusammensetzung München (Landeshauptstadt München, 2020)

Insbesondere die Ein- und Zwei-Personen-Haushalte verzeichnen ein markantes Wachs­tum. Der durchschnittliche jährliche Zuwachs an Ein-Personen-Haushalten seit 2007 liegt bei circa 4.000 Wohneinheiten. Im gleichen Zeitraum legten die Zwei-Personen-Haus- halte jährlich um rund 1.900 Wohneinheiten zu, während größere Familienhaushalte mit durchschnittlich -190 WE (Drei-Personen-Haushalte), 627 WE (Vier-Personen-Haus- halte) und 271 WE (Fünf- und Mehr-Personen-Haushalte) Zuwachs rückläufig sind bzw. mehr oder weniger stagnieren. Diese Beobachtung lässt den Schluss zu, dass neben dem Bevölkerungswachstum die fortschreitende Individualisierung mit dem Trend zum Ein- Personen-Haushalt auch zukünftig für zusätzlichen Wohnraumbedarf sorgen wird (Hanke, 2015, S. 18). Teilen sich heute noch durchschnittlich rund 1,8 Personen einen Haushalt, werden es nach einer Hochrechnung der Planet Home Group im Jahr 2035 nur noch rund 1,7 Personen sein (Breyer, 2018, S. 2). Interessant und aufschlussreich ist die Untersuchung der Altersstruktur der Ein-Personen-Haushalte.

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Abb. 18: Altersstruktur der Ein-Personen-Haushalte und Haushaltsgrößen (Landeshauptstadt München, 2020)

Bei kleineren Haushalten mit einer oder zwei Personen erscheint insbesondere die Entwicklung der Zahl der Hochbetagten beachtenswert. In der Altersgruppe der ab 80­jährigen ist sowohl für die Ein-Personen-Haushalte als auch für die Zwei-Personen­Haushalte jeweils ein Zuwachs um rund 12.000 Wohnberechtigte bis 2030 zu erwarten. Da Personen dieser Altersgruppe häufig besondere Ansprüche an Wohnraum, z.B. hinsichtlich Barrierefreiheit haben, wird dies zukünftig im Wohnungsbau verstärkt zu berücksichtigen sein (Hanke, 2015, S. 21).

Bundesweit veranschaulichen die folgenden Graphen auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes den steigenden Bedarf von kleinen, barrierefreien Wohnungen in den nächsten 20 Jahren. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Anzahl der Drei- und Mehr-Personen-Haushalte zurückgehen wird.

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Abb. 19: Bevölkerung in Privathaushalten nach Altersgruppen und Haushaltsgröße (Statistisches Bundesamt, 2020)

Die Säulendiagramme zeigen Prognosewerte zur Altersstruktur der deutschen Bevölke­rung in den nächsten 20 Jahren. Oben links ist die Entwicklung der Altersverteilung der Gesamtbevölkerung abgebildet. Die übrigen fünf Diagramme zeigen die Altersstruktur der einzelnen Haushalte in Abhängigkeit der darin lebenden Personenzahl. Die Anzahl der in Ein-Personen-Haushalten Lebenden (unten links) wird in den nächsten 20 Jahren um circa 2 Mio. wachsen. Dieses Wachstum wird in erster Linie durch Personen mit ei­nem Alter über 60 Jahre verursacht.

Für die Stadt München untersuchte das Statistische Amt der Landeshauptstadt München im Jahr 2014 die zu erwartende Entwicklung der Haushaltsstruktur. Die zu diesem Zeit­punkt erhobenen Haushaltsgrößen in Abhängigkeit vom Alter der Bewohner werden in der nachfolgenden Grafik auf Grundlage von Prognosen des Referats für Stadtplanung und Bauordnung mit der zu erwartenden Haushaltszusammensetzung im Jahr 2030 ver­glichen.

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Abb. 20: Einwohnerzuwachs nach Alters- und Haushaltsgruppen 2014 vs. 2030 (Hanke, 2015), (Landeshauptstadt München, 2020)

In Folge der Bevölkerungsentwicklung ist über alle Altersgruppen, ausgenommen die ge­burtenschwachen Jahrgänge nach Ende des Zweiten Weltkriegs, für München mit einer größeren Personenzahl in Privathaushalten zu rechnen. Dabei zeichnet sich eine Verän­derung der Haushaltszusammensetzung in Bezug auf das Alter der Bewohner ab. Zwi­schen 2014 und 2030 rechnet das Statistische Amt mit einem Zusatzbedarf von circa 75.000 Ein-Personen-Haushalten. Besonders die Gruppen der 30- bis 39-jährigen und der über 80-jährigen verursachen diesen Zusatzbedarf. Die fortschreitende Individualisierung - besonders bei Männern in den Dreißigern - sowie die Alterung der ersten Generation der Unverheirateten und Geschiedenen sieht das Statistische Amt als Gründe für diese Entwicklung. Die Zahl der Hochbetagten wird bis 2030 sowohl bei Frauen als auch bei Männern vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung weiter anwachsen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in höherem Alter noch in einem Zwei-Perso- nen-Haushalt leben, während Personen im Alter von 40 bis 64 Jahren dagegen seltener in Zwei-Personen-Haushalten leben werden. „Dies korrespondiert einerseits mit der bereits beschriebenen Zunahme der Ein-Personen-Haushalte bei den über 50-jährigen. Gleich­zeitig steigt jedoch der Anteil der 50- bis 64-jährigen in größeren Haushalten ab 4 Perso­nen, was wahrscheinlich Folge eines höheren Alters bei der Geburt der Kinder und einer daraus resultierenden Verschiebung der Familienphase ist“ (Hanke, 2015, S. 18). Die Verschiebung der Familienphase ist auch im Verhalten der 20- bis 29-jährigen zu erken­nen. Ihr Anteil in Haushalten ab drei Personen ist seit Mitte der 90er Jahre zu Gunsten der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte deutlich zurückgegangen. Das steigende Alter von Müttern spiegelt sich auch im Altersdurchschnitt der Drei-Personen-Haushalte wider. Der stärkste Zuwachs wird bis 2030 von den 30 bis 39-jährigen verursacht. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre leben vor allem in größeren Haushalten mit vier und mehr Per­sonen. Eher selten leben Kinder in alleinerziehenden Haushalten mit lediglich zwei Per­sonen. Im Jahr 2014 wurden rund 5 Prozent der Kinde bis vier Jahre in Zwei-Personen­Haushalten großgezogen, bis zum 14. Lebensjahr stieg dieser Anteil auf circa 9 Prozent. Nach der vorliegenden Prognose wird sich an diesen Zahlen in den nächsten Jahren nichts ändern. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird jedoch mit einer deutlichen Zu­nahme der Drei-, Vier- und Fünf-Personen-Haushalte gerechnet. Insgesamt wird der Zu­satzbedarf für diese Haushalte bis 2030 auf rund 80.000 Nutzer geschätzt. Die meisten Erwachsenen in den größeren Haushalten ab vier Personen sind derzeit und voraussicht­lich auch zukünftig zwischen 40 und 49 Jahre alt, gefolgt von den 30- bis 39-jährigen. Die Altersgruppe der 50- bis 59-jährigen ist bereits wesentlich seltener in diesen Haus­halten anzutreffen, da in diesem Alter häufig zumindest die ältesten Kinder bereits aus­gezogen sind. Infolge der immer späteren Familiengründung steigt jedoch auch in diesem Alter die Wahrscheinlichkeit, noch in einem Haushalt mit vier und mehr Personen zu leben (Hanke, 2015, S. 19). Für über 80-jährige Münchner wird bis 2030 gegenüber 2014 zusätzlicher Wohnbedarf für 26.000 Personen entstehen. Davon werden rund 12.000 Se­nioren in Ein-Personen-Haushalten leben und weitere 12.000 in Zwei-Personen-Haushal- ten. Die Altersgruppe der 70- bis 79-jährigen wird in München insgesamt zurückgehen. Zusammengefasst ist der zusätzliche Wohnungsbedarf für München bis 2030 gegenüber 2014 im nachfolgenden Diagramm dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 21: Zuwachs Haushalte nach Größe bis 2030 (Hanke, 2015), (Landeshauptstadt München, 2020)

Die seit der Erhebung der Daten im Jahr 2014 errichteten und abgerissenen Wohnungen sind bei obigem Diagramm bereits berücksichtigt. In den kommenden 10 Jahren werden also zusätzlich rund 50.000 Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte, 12.000 Wohnungen für Zwei-Personen-Haushalte und circa 5.000 Wohnungen für Drei- und Mehr-Personen­Haushalte benötigt. Den oben bereits erwähnten Zusammenhang zwischen individuellem Lebenszyklus und Haushaltsgestaltung zeigt das folgende Diagramm.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 22: Lebenszyklus und Haushaltsgröße (eigene Darstellung)

Meist beginnt das eigenständige Leben in einem Ein-Personen-Haushalt. Die Familien­gründung begann bis circa 1990 mit Mitte 20. Heute liegt das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes in München bereits bei fast 32 Jahren (Wenzlaff, Trend zur späten ersten Mutterschaft, 2015, S. 10). Väter sind zu diesem Zeitpunkt im Durchschnitt 35 Jahre alt. Gegenüber dem 20. Jahrhundert ist daher der Lebensabschnitt als Familienhaushalt nach hinten verschoben. Die bereits erwähnte längere Lebenserwar­tung führt mitunter zu einem langen Lebensabschnitt von Paaren in Zwei-Personen-Haus- halten nach dem Auszug der Kinder.

[...]

Ende der Leseprobe aus 129 Seiten

Details

Titel
Der Münchner Wohnungsmarkt im internationalen Vergleich
Untertitel
Wohnungsnachfrage, Wohnungsangebot und internationale Vergleichsmärkte
Hochschule
European Business School - Internationale Universität Schloß Reichartshausen Oestrich-Winkel
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
129
Katalognummer
V914354
ISBN (eBook)
9783346234988
ISBN (Buch)
9783346234995
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mietmarkt, Wohnen München, Deutschland Mieten, Wohnungsmarkt, Real Estate Housing, Housing market, Immobilienmarkt, Bubble, Wohnungsblase, Wohnraum München, Blase, Immobilienblase, rental market, Mietangebot, Real estate, Wohnmarkt, Wohnungsnot, Wohnraummangel, Wohnungsmarkt München, Mietmarkt München
Arbeit zitieren
Lukas Eckhardt (Autor:in), 2020, Der Münchner Wohnungsmarkt im internationalen Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/914354

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