Leseprobe
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
1. Themenstellung
2. Allgemeine Pädagogik
2.1 Sozialpädagogik
2.2 Sozialpädagogik im schulischen Kontext
3. Schulpädagogik
3.1 Didaktik und Soziales Lernen
3.2 Neurodidaktik
4. Bildungsstandards der Kulturministerkonferenz
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Allgemeine Pädagogik und pädagogische Teildisziplinen
1. Themenstellung
Als ehemalige Schulbegleiterin fielen mir in Gesprächen mit Lehrkräften immer wieder verschiedene Ansätze zu schülergerechtem Lernen auf und den unterschiedlichen Meinungen zu schülergerechtem Lernen. Auch im Zusammenhang mit selbstorganisiertem Lernen im Rahmen meiner Vorträge zu diesem Thema, stellte sich mir die Frage, inwiefern die sozialpädagogischen Ansichten zum Schüler1 als lernendes Subjekt und die Sicht von Lehrenden divergieren.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, möchte ich die Perspektiven von Sozialpädagogik und Schulpädagogik untersuchen. Diese Gegenüberstellung soll zeigen, wie die Handlungsfelder und methodischen Mittel bzw. Ansätze beider Seiten aussehen. Dazu widme ich mich folgenden Fragen:
- Wo sind die Schnittstellen von Sozialpädagogik und Schulpädagogik?
- Ist der Frontalunterricht in Bezug auf schülergerechtes Lernen ausreichend oder bieten Erkenntnisse aus anderen Disziplinen und Methoden weiterführende Überlegungen, um dem Schüler gerechter zu werden?
- Sind ganzheitlich sozial orientierte Konzepte zur Erziehung und Bildung unumgänglich?
- Würde es sinnvoll sein, Sozialpädagogen bzw. Sozialarbeiter und Lehrkräfte auch außerhalb von inklusiven Schulkonzepten an Regelschulen im Unterricht einzusetzen?
- Welche Rolle spielt der neurologische Ansatz2 ?
Im Hauptteil wird ein kurzer Einblick in die Ausbildung von Lehrkräften geworfen, um die schulpädagogischen Anforderungen entsprechend der (praxisbezogenen) Pädagogik mit den Bildungsstandards der Kultusministeriumkonferenz zu vergleichen. Da mir Referendare an Schulen oft mitgeteilt hatten, dass sie sich nicht richtig auf die Bedürfnisse der Schüler vorbereitet fühlen.
Mein persönliches Ziel für diese Hausarbeit ist es, eigenes Wissen im genannten Bereich zu erweitern, da ich nach dem Studium eine Anstellung in der Schulsozialarbeit an einer Regelschule anstrebe. Hier erworbene Erkenntnisse werden dann zweifelsohne hilfreich sein.
2. Allgemeine Pädagogik
Unter der allgemeinen Pädagogik werden die Erziehung und Bildung von Menschen allen Alters verstanden. Sie ermöglicht durch eine wissenschaftliche Herangehensweise und Auseinandersetzung eine Differenzierung in Handlungsund Aufgabengebiete, sowie in Subdisziplinen, die eine thematische Spezialisierung innerhalb der Pädagogik darstellen (vgl. Seel/Hanke 2015: 4).
In der Abbildung 1 „Allgemeine Pädagogik und pädagogische Teildisziplinen - ein Spagat zwischen allgemeinen Erkenntnissen und Spezialisierungen“ wird die Aufgabe der allgemeinen Pädagogik veranschaulicht. Die Abbildung zeigt die allgemeine pädagogische Sicht sowie die spezifischen Teilbereiche, in denen Pädagogik ihren Handlungsspielraum sowohl in Theorie und Praxis Praxis Verwendung findet. (vgl. 2015: 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Allgemeine Pädagogik und pädagogische Teildisziplinen -ein Spagat zwischen allgemeinen Erkenntnissen und Spezialisierung (Seel/Hanke 2015: 5)
In dieser wissenschaftlichen Arbeit werden die Teildisziplinen Sozialpädagogik und Schulpädagogik in Bezug auf Schüler und schülergerechtem Lernen gegenübergestellt. Sie beinhalten erzieherische Räume, neben dem familiären Rahmen, um einen jungen Menschen in seiner Entwicklung und Bildung zu fördern. Ausgebildete Pädagogen setzen sich dabei zum Ziel, durch Methoden und Anregungen seine selbständig denkende, eigenverantwortliche und nachfragende Persönlichkeit herauszubilden (vgl. Giesecke 2013: 10).
2.1 Sozialpädagogik
Aus historischer Sicht entwickelte sich die Sozialpädagogik aus dem Bedarf Kinder und Jugendliche besonders in Heimen und Kindergärten außerhalb des familiären und schulischen Rahmens in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Mit Eintritt in das Industriezeitalter wurde die Notwendigkeit, junge Menschen in Obhut zu nehmen und zu versorgen, deutlich, denn der familiäre und erzieherische häusliche Rahmen verlor an Stabilität und die Schule konnte diese erzieherische Lücke nicht auffangen (vgl. Giesecke 2015: 131)
Schwerpunkte der Sozialpädagogik sind heute noch Bildung und Erziehung der jungen Heranwachsenden zu einem sozialisierten Leben zu befähigen (vgl. Kreft/Mielenz 2017: 816). Die primären Aufgaben in der Sozialpädagogik sind dem Adressaten Wissen und Kenntnisse zum Selbstverständnis an die Hand zu geben, weiterführende Lösungswege vorzuschlagen oder gemeinsam mit dem Klienten zu erarbeiten und ihn zur Umsetzung zu motivieren (vgl. Giesecke 2013: 134).
Allerdings findet sich mit Blick auf die Theorie bereits im Hochschulstudium keine klare Differenzierung zwischen sozialer Arbeit und Sozialpädagogik. Lehrende verwenden die unterschiedlichen Begriffe in gleichbedeutenden Zusammenhängen (vgl. Thole 2002: 13). Das spiegelt sich gegenwärtig auch in der beruflichen Praxis wider. Der praktische Tätigkeitsbereich hat sich über die Zeit derart ausgeweitet, dass sozialpädagogische Fachkräfte auch in Arbeitsbereichen zu finden sind, die sonst der Sozialen Arbeit zugeordnet wurden, also auch außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe. Ihre Gemeinsamkeit sind ihr Handlungsfeld in der Einzelfall-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit (vgl. Galuske 2011: 38).
2.2 Sozialpädagogik im schulischen Kontext
Um Kinder und Jugendliche in ihren Entwicklungsprozessen zu fördern, bedarf es den Blick auf schulische und außerschulische Verbindungen in ihrer sozialen Umgebung. Besonders in Bezug auf soziokulturelle Herausforderungen besteht Handlungsbedarf, d. h. Integration schaffen und gesellschaftliche Trennungen vermeiden. Daher bietet Schule einen Übungsraum, in dem Schüler Fähigkeiten im sozialen Umgang miteinander auf sozialpädagogische Art und Weise erlernen können. Die Sozialpädagogik sollte deshalb ihr Fachwissen in praktischen Angeboten für Schüler so gestalten, dass die erlernten Kompetenzen der Adressaten auf das außerschulische Leben positive Auswirkungen haben, z. B. im Erlernen von Sozialkompetenzen oder im Bewältigen herausfordernder Situationen (vgl. Holtappels 2008: 495).
Ihre Angebote finden unter anderem auf beratender Ebene statt, die nicht nur an die einzelnen Schüler, sondern auch an ihre Eltern und Lehrer3 gerichtet sind, damit diese in konkreten Fallsituationen intervenieren können (z. B. bei Konflikten im Klassengefüge oder wenn ein Leistungsabfall mit dem Status des Schülers in der Klassengemeinschaft zusammenhängt etc.). Des Weiteren bieten Sozialpädagogen Projekte an, um das Klassenklima zu stärken, sie fahren mit auf Klassenfahrt oder bilden Schüler zu Streitschlichtern aus, um den Umgang mit Konflikten zu lehren (vgl. Grad/Kammermeier 2012: 68).
Somit betrachtet Sozialpädagogik den Schüler als selbstwirksames Individuum. Durch Anleitung und gemeinsamer Erarbeitung von Lösungen in Bezug auf seine Probleme und Hindernisse wird er/sie in seiner/ihrer Entwicklung zu einem selbständigen und eigenverantwortlichen Menschen unterstützt. Die Förderung der Sozialisation - schulisch und außerschulisch - und der individuelle lebensweltliche Kontext des Adressaten werden berücksichtigt.
In Untersuchungsergebnissen wurde festgestellt, dass die Motivation zur Leistungserbringung von der Anerkennung der Eltern und Lehrer abhinge, dessen Auswirkungen sogar in das Erwachsenendasein reichen. Hier wird die Bedeutsamkeit von Bezugspersonen deutlich. Sie haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf das Lern- und Sozialverhalten von Kindern und Jugendlichen (vgl. Looser 2011: 228). Dieser Einfluss kann von der Bezugsperson ge- oder benutzt werden, um den Schüler an seine intrinsische Motivation heranzuführen bzw. diese zu entwickeln.
3. Schulpädagogik
Die Ausbildung im pädagogischen Bereich wurde bis zum 20. Jahrhundert von Kirchenträgern und philosophischen Lehrern übernommen. Erst als der Staat die Verantwortung über Schulen auf sich übertrug und die Kirche dadurch ihren Einfluss verlor, entstand Anfang des 20. Jahrhunderts die Bildungsmöglichkeit auf universitärem Niveau (vgl. Bohl et al. 2015 :15).
Seel und Hanke beschreiben die Schulpädagogik in seiner Teildisziplin folgendermaßen:
„Die Schulpädagogik ist eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaft und gleichzeitig die Bezugswissenschaft für das praktische Handeln von Lehrenden. Sie wird deshalb auch als Professionswissenschaft von Lehrenden bezeichnet und zum Teil sogar als die Technologie des Lehrberufes aufgefasst.“ (2015: 868)
Sie zählen die Handlungsfelder der Schulpädagogik in den Bereichen der Theorieentwicklung und Methodik auf, z. B. die Sicht auf Schule als Einrichtung und System, die Entwicklung des Lernmaterials und dessen Planung sowie die Vermittlung dessen.
Weiterhin finden sich in dieser Subdisziplin die Beurteilung und Wirksamkeit der Lehrer wieder. So wird demgemäß die Umsetzung des Unterrichtens kritisch betrachtet, um Verbesserungen zu ermöglichen (vgl. 2015: 868).
Die Schulpädagogik spielt demnach neben anderen Disziplinen eine wichtige Rolle, um die Entwicklung der „Bildungsprozesse“ in der Forschung und in der Praxis für Lehrende und Lernende mitzugestalten (vgl. Merkens 2006: 15). Somit ist die Schulpädagogik in ihrem Umfang und den Forschungserkenntnissen im Kontext Schule eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaft, die zum Entwicklungsprozess in der Schule auf theoretischer und praktischer Ebene beiträgt. Ihre Erkenntnisse werden von Lehrern im Unterricht und in der Planung berücksichtigt, um ein schülergerechtes Lernen zu ermöglichen.
Giesecke sieht im Schullalltag eine wachsende Zahl von Problemen wegen der zunehmenden psychosozialen Auffälligkeiten von Schülern. Daraus ergebe sich im Schulleben ein größerer Fokus auf das Lehren von Sozialkompetenzen und Erlernen von Bewältigungsstrategien der Schüler, womit die kulturelle Komponente im Unterricht eine untergeordnete Bedeutung annehmme (vgl. 2015: 124). Ferner deutet Giesecke eine Schwierigkeit in der Umsetzung an, den Unterricht auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler - an Regelschulen - auszurichten, sozusagen als Art der „Individualisierung“ im Rahmen einer möglichen Unterrichtsform, die im Inklusionsgeschehen bereits Anwendung findet. Dabei sieht er die aktuelle Individualisierung darin, dass sich das Subjekt an die Bearbeitung eines vorgegebenen Lernmaterials einer homogenen Klasse anpassen muss. Dennoch finde sich ein Konsens in der Wichtigkeit, dass ein Gleichgewicht zwischen Fördern und Fordern durch Lehrkräfte wünschenswert wäre (vgl. 2015: 125).
Diese Balance im Schulalltag zufriedenstellend für Lehrende und Lernende umzusetzen, stellt eine Herausforderung dar. Mögliche Lösungswege werden in Methoden und Ansätzen zum Ziel der Vereinbarkeit von pädagogischem und kulturellem Lernen diskutiert.
3.1 Didaktik und Soziales Lernen
Die häufig verwendete Unterscheidung, dass Didaktik den Inhalt des Unterrichts darstellt und Methodik die konkreten Handlungsoptionen beschreibt, sieht Meyer kritisch (vgl. Meyer 1987: 23). Seine Ansicht lehnt sich an die von Klafki an, dass Didaktik die „Theorie des Lehrens und Lernens“ (Klafki 1970a: 64) bedeutet. Er unterstützt diese Ansicht und bezieht sich dabei nicht nur auf die schulische Situation, sondern weitet die Auswirkungen des Herausbildens und Förderns von Sozialkompetenzen auf das alltägliche Geschehen aus. Dies fällt dem Erziehungsauftrag der Lehrenden zu (vgl. 1987: 23).
Um Didaktik begreifen zu können, ist es laut Porsch hilfreich die Aufgaben der Didaktik zu beschreiben. Porsch versteht darunter den Beitrag zur Formung der Lernsituationen mitsamt den Methoden, Medien und der Klärung der Ziele. Wobei eine eigenständige Herangehensweise der Schüler mit dem Lernmaterial gefördert wird. Die entsprechenden Peers sollen in der Lage sein ihre Lernstrategien zu entwickeln, sie zu reflektieren und anzupassen (vgl. 2016: 45).
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1 Der Begriff Schüler wird aus Gründen der Platzökonomie geschlechtsneutral verwandt.
2 Dieser Ansatz scheint mir wichtig als interdisziplinäre Ergänzung zu schülergerechtem Lernen, weil diese Erkenntnisse womöglich zu Erleichterungen oder wiederum neuen Lernansätzen führen könnten. Besonders die Arbeiten von Prof. Gerald Hüther, Neurobiologe und ehemaliger Dozent an der Universität Göttingen, klingen plausibel und sind mir bei den Recherchen zu meinen Vorträgen zum Thema Selbstorganisation für Schüler immer wieder begegnet.
3 Der Begriff Lehrer wird aus Gründen der Platzökonomie geschlechtsneutral verwandt.