Die Privatisierung öffentlich-rechtlich organisierter Einrichtungen hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Instrument struktureller Reformen entwickelt, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesetzgeber die Verwaltung von der Verwirklichung öffentlicher Aufgaben entbindet und diese stattdessen in den privaten Sektor der Volkwirtschaft verlagert werden. Ein solcher „Paradigmenwechsel“ zeigt sich in nahezu allen Bereichen staatlichen Handelns, u. a. im Post- und Kommunikationssektor, bei der Flugsicherheit und Bahn, in der Energieversorgung, in der Abwasser- und Abfallentsorgung, im Sozial- und Polizeirecht, bei Kurbädern und im Bestattungswesen. Mit dem Reformvorhaben einer Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens steht nun ein öffentlicher Aufgabenbereich der Hoheitsverwaltung auf der Privatisierungsagenda. Dazu hat die am 16.10.2006 im Zuge der 74. Justizministerkonferenz des Bundes und der Länder eingesetzte Bund- Länder- Arbeitsgruppe „Organisation des Gerichtsvollzieherwesens / Privatisierung“ einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Ziel verfolgt, die Effizienz der Zwangsvollstreckung zu verbessern und zugleich für eine Entlastung der öffentlichen Haushalte zu sorgen. Dabei sollen nach Durchführung eines Systemwechsels die Aufgaben der Gerichtsvollzieher nicht mehr durch justizeigene Beamte, sondern durch beliehene Private, die auf eigene Rechung tätig werden, erfüllt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Problemstellung und Gang der Untersuchung
- A. Grundlagen der Privatisierung
- I. Terminologische und typologische Grundlagen der Privatisierungsdebatte
- 1. Die Terminologie des Privatisierungsbegriffs
- 2. Die Privatisierungstypen und ihre Klassifizierung
- 2.1 Formelle Privatisierung
- 2.2 Materielle Privatisierung
- II. Das Rechtsinstitut der Beleihung
- III. Zwischenergebnis
- I. Terminologische und typologische Grundlagen der Privatisierungsdebatte
- B. Der normative Hintergrund des Zwangsvollstreckungsrechts in Deutschland
- I. Grundlagen des Zwangsvollstreckungsrechts
- 1. Begriff und Funktion der Zwangsvollstreckung
- 2. Abgrenzung zur behördlichen Zwangsvollstreckung
- II. Organe der Zwangsvollstreckung
- 1. Das Vollstreckungsgericht
- 2. Das Prozessgericht
- 3. Das Grundbuchamt
- III. Der Gerichtsvollzieher als Organ der Zwangsvollstreckung: Aufgaben, Kompetenzen und Reformbemühungen
- 1. Die historische Entwicklung des Gerichtsvollziehersystems
- 2. Die Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers
- 3. Die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers
- 4. Das Vollstreckungsrecht in den Staaten der EU
- IV. Zwischenergebnis
- I. Grundlagen des Zwangsvollstreckungsrechts
- C. Der Gesetzentwurf zur Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens
- I. Die Konzeption des Gesetzes zur Reform des Gerichtsvollzieherwesens
- II. Verfassungsrechtliche Grenzen des Reformvorhabens
- III. Zwischenergebnis
- D. Die Folgen der Reform: Effizienzsteigerungen oder Erosion des Rechtsstaats?
- E. Zusammenfassung und Ergebnisse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit befasst sich mit der Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens in Deutschland. Sie untersucht die Hintergründe, Rahmenbedingungen und Folgen der Ausgestaltung im Beleihungsmodell. Die Arbeit analysiert die terminologischen und typologischen Grundlagen der Privatisierung, beleuchtet das Rechtsinstitut der Beleihung und untersucht den normativen Hintergrund des Zwangsvollstreckungsrechts in Deutschland.
- Die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens als Reformvorhaben
- Die rechtlichen Grundlagen der Privatisierung und Beleihung
- Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens
- Die Folgen der Privatisierung für die Effizienz und den Rechtsstaat
- Die Auswirkungen der Reform auf das Justizgewährleistungsanspruch
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Problemstellung ein und skizziert den Gang der Untersuchung. Kapitel A behandelt die Grundlagen der Privatisierung, indem es die Terminologie und Typologie des Begriffs sowie das Rechtsinstitut der Beleihung beleuchtet. In Kapitel B wird der normative Hintergrund des Zwangsvollstreckungsrechts in Deutschland dargestellt. Dabei werden die Organe der Zwangsvollstreckung, insbesondere der Gerichtsvollzieher, sowie dessen historische Entwicklung, Rechtsstellung und Zuständigkeit näher betrachtet. Kapitel C analysiert den Gesetzentwurf zur Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens und beleuchtet die verfassungsrechtlichen Grenzen des Reformvorhabens. Kapitel D setzt sich mit den Folgen der Reform auseinander und diskutiert die Frage, ob die Privatisierung zu Effizienzsteigerungen oder einer Erosion des Rechtsstaats führt. Die Zusammenfassung fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen.
Schlüsselwörter
Privatisierung, Gerichtsvollzieher, Zwangsvollstreckung, Beleihung, Rechtsstaat, Justizgewährleistungsanspruch, Funktionsvorbehalt, Effizienz, Reform, Gesetzentwurf, Verfassungsrecht.
- Arbeit zitieren
- M.A. Stefan Pilz (Autor:in), 2008, Die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91492