Nach dem Versagen des Steuerungsstaates und dem Erkennen des Steuerungsproblems des Staates in den 70er Jahren setzte sich in Theorie und Praxis das Konzept des kooperativen Staates durch. Hierbei handelt es sich um ein von Verhandlungen geprägtes System, in dem politische Entscheidungen nicht alleine parlamentarisch, d.h. hierarchisch, getroffen werden, sondern auch innerhalb von Verhandlungen, wobei nicht-staatliche Akteure miteinbezogen werden. Der Staat tritt in Kooperation und delegiert, um seine Handlungs- und Steuerungsfähigkeit zurückzuerlangen. Bereits in den 70er Jahren beobachteten Scharpf (1978, zit. nach Rabe 2000: 18) und andere Autoren eine zunehmende horizontale Interaktion zwischen privaten nicht-staatlichen Akteuren auf der einen, sowie eine zunehmende vertikale Interaktion zwischen verschiedenen Regierungsebenen auf der anderen Seite.
Bei dieser Thematik drängen sich unterschiedlichste Fragen auf. Wenn im modernen demokratischen Staat verbindliche politische Entscheidungen immer häufiger im Rahmen von Verhandlungen getroffen werden, bei denen sowohl private als auch staatliche Akteure beteiligt sind, ist die Frage nach der Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen höchst interessant und wichtig, in erster Linie um es möglich zu machen, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen eine problemadäquate Lösung mittels Verhandlungen realisierbar wird. Ist es überhaupt möglich, in Verhandlungssystemen – im konsensuellen Modus – genauso system- und gemeinwohlorientierte Lösungen hoher Qualität zu erzielen, die eine ideale zentrale hierarchische Instanz anstreben würde? Wenn dies der Fall ist, bleibt die Frage, welche Bedingungen gegeben sein müssen, um genau dies zu erreichen. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig die Gefahr von Minimallösungen, also die Gefahr von suboptimalen Kompromisslösungen (eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der an der Verhandlung beteiligten Akteure) angesprochen (Mayntz 2004: 73; Benz 2000: 106; Eberlein/Grande 2003: 196). Hierauf möchte ich mich im Folgenden konzentrieren. Genauer auf die Frage: unter welchen Umständen führen Verhandlungen zu suboptimalen Kompromisslösungen?
Zuallererst erörtere ich dabei einen Maßstab, an dem ich die Qualität eines Verhandlungsergebnis messen werde (2.1 Der Maßstab), lege dann den aktuellen Forschungsstand zum Thema dar und stelle anhand diesem eigene Überlegungen an (2.2 Forschungsstand und Schlussfolgerungen), kristallisiere dabei die zentralen Hypothesen heraus (2.3 Zentrale Hypothesen) und wende diese exemplarisch und vergleichend an zwei Fallbeispielen an (3. Fallbeispiele), um die aufgeführten Hypothesen empirisch zu testen. Bei diesem Schritt erscheint es mir zunächst als wichtig, die anfänglichen Interessen, Motivationen, Handlungsorientierungen und Ziele der einzelnen Akteure zu erkennen und zu benennen, um daraufhin zu beurteilen, ob und inwieweit sich diese Akteure zu Gunsten einer systemrationalen, also einer gemeinwohl- und problemorientierten Lösung von ihren ursprünglichen Zielen entfernen oder ob sie lediglich darauf bedacht sind, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Schlussendlich werde ich meine Ergebnisse in einer Schlussbemerkung (4. Schlussbemerkung) zusammenfassen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung - Problemaufriss
- 2. Zur Theorie von Verhandlungssystemen
- 2.1 Der Maßstab
- 2.2 Forschungsstand und Schlussfolgerungen
- 2.3 Zentrale Hypothesen
- 3. Fallbeispiele
- 3.1 Das Fallbeispiel Gesundheitswesen
- 3.1.2 Zwischenfazit Gesundheitswesen
- 3.2 Das Fallbeispiel Verbundforschung
- 3.2.2 Zwischenfazit Verbundforschung
- 3.1 Das Fallbeispiel Gesundheitswesen
- 4. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen im modernen demokratischen Staat. Der Fokus liegt auf der Frage, unter welchen Umständen Verhandlungen zu suboptimalen Kompromisslösungen führen. Die Arbeit analysiert, wie die Qualität von Verhandlungsergebnissen gemessen werden kann und welche Faktoren die Effizienz von Verhandlungen beeinflussen.
- Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen
- Suboptimale Kompromisslösungen
- Messbarkeit der Qualität von Verhandlungsergebnissen
- Einflussfaktoren auf die Effizienz von Verhandlungen
- Vergleich von freiwilligen und unfreiwilligen Verhandlungen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung - Problemaufriss: Die Einleitung beschreibt den Wandel vom Steuerungsstaat zum kooperativen Staat, der durch Verhandlungen geprägt ist. Die zunehmende horizontale und vertikale Interaktion zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren wirft die Frage nach der Problemlösungsfähigkeit solcher Verhandlungssysteme auf. Der Fokus liegt auf der Gefahr suboptimaler Kompromisslösungen und der Untersuchung der Bedingungen, unter denen diese entstehen.
2. Zur Theorie von Verhandlungssystemen: Dieses Kapitel legt den theoretischen Rahmen der Arbeit fest. Es definiert zunächst einen Maßstab zur Bewertung der Qualität von Verhandlungsergebnissen, das Kaldor-Kriterium, das den aggregierten Netto-Nutzen aller Beteiligten betrachtet. Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand zu Verhandlungssystemen in modernen Demokratien dargestellt, mit besonderer Berücksichtigung der Unterschiede zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Verhandlungen und deren Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit suboptimaler Ergebnisse. Das Coase-Theorem wird als theoretische Grundlage diskutiert, wobei die Bedeutung von Transaktionskosten hervorgehoben wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse von Verhandlungssystemen im modernen demokratischen Staat
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen im modernen demokratischen Staat. Im Fokus steht die Frage, unter welchen Umständen Verhandlungen zu suboptimalen Kompromissen führen und wie die Qualität von Verhandlungsergebnissen gemessen werden kann. Es werden Einflussfaktoren auf die Effizienz von Verhandlungen analysiert und freiwillige mit unfreiwilligen Verhandlungen verglichen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Eine Einleitung mit Problemaufriss, ein Kapitel zur Theorie von Verhandlungssystemen, ein Kapitel mit Fallbeispielen (Gesundheitswesen und Verbundforschung) und eine Schlussbemerkung. Das Kapitel zur Theorie beinhaltet die Definition eines Maßstabs zur Bewertung der Verhandlungsergebnisse (Kaldor-Kriterium), eine Darstellung des Forschungsstands und die Diskussion zentraler Hypothesen. Die Fallbeispiele analysieren konkrete Situationen und liefern Zwischenfazits.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Zentrale Themen sind die Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen, die Entstehung suboptimaler Kompromisslösungen, die Messbarkeit der Qualität von Verhandlungsergebnissen, die Einflussfaktoren auf die Effizienz von Verhandlungen und der Vergleich zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Verhandlungen. Das Coase-Theorem und die Bedeutung von Transaktionskosten werden ebenfalls diskutiert.
Wie wird die Qualität von Verhandlungsergebnissen gemessen?
Die Arbeit verwendet das Kaldor-Kriterium als Maßstab zur Bewertung der Qualität von Verhandlungsergebnissen. Dieses Kriterium betrachtet den aggregierten Netto-Nutzen aller Beteiligten.
Welche Rolle spielen freiwillige und unfreiwillige Verhandlungen?
Die Arbeit untersucht die Unterschiede zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Verhandlungen und deren Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit suboptimaler Ergebnisse. Der Forschungsstand zu diesem Aspekt wird dargestellt und analysiert.
Welche Fallbeispiele werden untersucht?
Die Arbeit präsentiert Fallbeispiele aus dem Gesundheitswesen und der Verbundforschung. Jedes Fallbeispiel wird separat analysiert und mit einem Zwischenfazit abgeschlossen.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
(Die konkreten Schlussfolgerungen sind nicht im Inhaltsverzeichnis detailliert aufgeführt und müssen der vollständigen Arbeit entnommen werden.) Die Schlussbemerkung fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen und bietet möglicherweise Ausblicke auf zukünftige Forschungsfragen.
- Arbeit zitieren
- Antonio Arcudi (Autor:in), 2008, Problemlösungsfähigkeit von Verhandlungssystemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91587