Haushalts-, Haus- und Reproduktionsarbeit: Über den Zusammenhang von Nicht-Erwerbstätigkeit und Arbeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsfindung
2.1. Hausarbeit
2.2. Erziehungsarbeit
2.3. Fürsorgearbeit
2.4. Reproduktionsarbeit

3. Haushaltsarbeit als eine Form von Arbeit

4. Haushaltsarbeit und Erwerbsarbeit

5. Das Missverständnis und der niedere soziale Wert der Haushaltsarbeit

6. Fazit

7. Literatur

„Wer Schweine züchtet, ist ein produktives, wer Kinder erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft (im Sinne der Nationalökonomie).“ (Friedrich List)[1]

1. Einleitung

Wie der Student der Sozialwissenschaften im fortgeschrittenen Stadium seines Studiums feststellen wird, gibt es kaum einen Bereich des sozialen Lebens eines Menschen, der nicht wenigstens in einer der zahlreichen „Bindestrichsoziologien“ thematisiert wurde. In der Regel bilden diese Themengebiete sogar Schnittmengen mit verschiedenen Forschungszweigen der Soziologie, und nicht selten auch Schnittmengen mit ganz und gar anderen Wissenschaften. Eine wesentliche Rolle spielt dabei einerseits die Relevanz des Themas für die Öffentlichkeit. Je stärker das zu untersuchende Phänomen oder das wissenschaftliche Problem das alltägliche Leben zu tangieren vermag, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass es den öffentlichen Diskurs bestimmt und die Wissenschaft sich dazu veranlasst sieht, noch stärker nach einer Lösung zu suchen[2]. Der andere Faktor, der für eine erhöhte Aufmerksamkeit sorgen könnte, ist die sich in manchen Fällen ergebende Interdisziplinarität. Wird das Themengebiet nämlich zur gleichen Zeit von Vertretern verschiedener Disziplinen erforscht, so ergibt sich nicht nur ein breiterer Erkenntnisgewinn, sondern auf Grund der verstärkten Publikation auch automatisch der Eindruck, dass es sich hierbei um einen bedeutungsvolleren Untersuchungsgegenstand handelt. Sicherlich täuscht dies oftmals über die Tatsache hinweg, dass es in manchen Fällen schlichtweg unmöglich ist, einen bestimmten Sachverhalt allein aus der Perspektive einer einzelnen wissenschaftlichen Disziplin zu untersuchen, ohne dabei automatisch den Rückschluss ziehen zu können, dass es sich dabei auch um ein in der Öffentlichkeit breit diskutiertes Thema handelt.

Nun gibt es aber auch Gegenstände der wissenschaftlichen Forschung, die zum einen im alltäglichen Leben eines jeden Individuums eine Rolle spielen und zum anderen auch interdisziplinär behandelt werden, trotz der gegebenen Situation jedoch im öffentlichen Diskurs kaum berücksichtigt werden und im wissenschaftlichen Diskurs nur sehr selektiv betrachtet werden[3]. So zum Beispiel das primär arbeitssoziologische Themenfeld der Haushaltsarbeit. Im Rahmen eines Seminars über Formen von Arbeit sollte auch dieser Bereich der Arbeit behandelt werden und in einen gemeinsamen Kontext gestellt werden. Diese Vorauswahl impliziert hierbei schon die Annahme, dass es sich bei Haushaltsarbeit ebenfalls um eine feststehende Kategorie innerhalb der Arbeitssoziologie handelt und im weiter gefassten Zusammenhang, auch um Arbeit im allgemeinen Verständnis[4]. Unabhängig davon kommen in der Regel die meisten mit Haushaltsarbeit in Kontakt. Wenn auch nicht in der ausübenden Form, so doch zumindest als Nutznießer davon. Außerdem spielt Arbeit und somit auch Haushaltsarbeit, in westlichen Gesellschaften eine große Rolle und wird beispielsweise im deutschen Sozialstaat durch das breite Feld der Sozialpolitik auch in der Öffentlichkeit zumindest thematisch tangiert.

Beginnt man nun jedoch sich mit den Ergebnissen der Forschung zu diesem Thema zu befassen, so wird man schnell feststellen, dass es trotz der vielen Berührungspunkte kaum eine einheitliche und allgemein anerkannte wissenschaftliche Abhandlung zu diesem Bereich gibt. Es werden die Begriffe Familien-, Haus-, Haushalts- und Fürsorgearbeit, um nur die wichtigsten zu nennen, in ähnlichen Kontexten verwendet. Des Weiteren sind es sowohl Haushaltswissenschaftler und Geschlechterforscher als auch Mikro-, Familien- und Arbeitssoziologen, die sich mit unterschiedlichen Intentionen dem Sachverhalt nähern. Viele wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Haushaltsarbeit werden damit eingeleitet, diesen Missstand zumindest zu erwähnen. Inhalt dieser Arbeit kann es deswegen trotzdem nicht sein, diesen Missstand vollkommen zu beheben, weil es sicherlich auch am Umfang diesen thematischen Bereichs liegt, dass er bisher noch nicht zufriedenstellend analysiert werden konnte. Diese Feststellung soll nur verdeutlichen, wie hoch allein der Bedarf an einer grundsätzlichen Klärung von Begriffen und Abgrenzungen zu anderen Bereichen ist, bevor man mit der Analyse eines Teilaspekts beginnt.

Ein weiteres, auch damit zusammenhängendes grundsätzliches Problem jedoch, welches in dieser Arbeit noch behandelt werden soll, ist die Tatsache, dass die Haushaltsarbeit weder in der Öffentlichkeit noch in der Wissenschaft die ihr gebührende Aufmerksamkeit bekommt. Es handelt sich bei Haushaltsarbeit zum großen Teil zwar um unbezahlte, aber auch körperliche und geistige Arbeit. Von jedem, der dazu in der Lage ist, wird sie irgendwann verrichtet und nur sofern es die finanziellen Mittel ermöglichen, oder man nicht im Stande ist, Haushaltsarbeit selbst zu verrichten, wird sie von anderen erledigt. Diese simple Feststellung wirft die Frage auf, warum trotzdem so wenig über die Arbeit im Privathaushalt bekannt ist. Die meisten Autoren, die vor allem aus arbeitssoziologischer Sicht mit der Haushaltsarbeit beschäftigt sind, äußern die Annahme, dass es vor allem die Nichtbezahlung ist, welche die Hausarbeit zu einem „blinden Fleck“ in der Forschung macht. Durch die Nicht-Erwerbstätigkeit von im eigenen Haushalt arbeitenden, zumeist weiblichen Individuen, verliere diese Form von Arbeit in einer auf Erwerbstätigkeit konzentrierten Gesellschaft an Bedeutung. Ob vor allem diese These ihre Berechtigung hat, möchte ich in dieser Arbeit untersuchen. Es geht mir zum einen darum, Haushaltsarbeit zumindest in groben Zügen zu definieren und vereinheitlichen zu können und dies vor allem in einem arbeitssoziologischen Kontext. Des Weiteren möchte ich dann versuchen mit den erworbenen Kenntnissen die Frage zu beantworten, ob sich tatsächlich ein Zusammenhang herstellen lässt, zwischen der Nicht-Erwerbstätigkeit von Haushaltsarbeiter/innen und der fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung für Haushaltsarbeit an sich.

Ich werde jedoch im Verlauf dieser Arbeit nicht nur bei der Definitionsdichotomie von Erwerbstätigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit verbleiben, sondern vereinzelt auch auf andere Charakteristika der Haushaltsarbeit eingehen. Eventuell ließe sich diese dann im Fazit noch erweitern.

Grundsätzlich geht es mir darum, auf die eigentlich hohe sozialpolitische Bedeutung der Haushaltsarbeit hinzuweisen und dabei aufzuzeigen, wenn möglich, inwiefern ein Umdenken bezüglich der Haushaltsarbeit nötig wäre. In Deutschland wird schon seit einigen Jahren darüber debattiert, wie man Familien stärker fördern kann, nach dem man erkannt hat, dass sie eine sehr wichtige, wenn nicht die wichtigste Rolle für das Wohlergehen der ganzen Gesellschaft spielt. Eine zeitgemäßere Rollenverteilung zwischen Mann und Frau auf dem Arbeitsmarkt, aber eben auch im Privathaushalt gilt es noch weiter voranzubringen, um Familien optimal zu fördern.

Im ersten Abschnitt werde ich mich um eine grundlegende Begriffsfindung für die Haushaltsarbeit bemühen. Dabei werde ich versuchen eventuelle Missverständnisse zu beheben, die durch die unterschiedliche Verwendung von Begriffen entstehen, welche die Arbeit im Privathaushalt betreffen. Außerdem soll herausgestellt werden, was Haushaltsarbeit im Kontext dieser Arbeit bedeutet und wo gegebenenfalls zu anderen Bereichen abgegrenzt werden muss. Daran anschließend möchte ich mich mit der Frage auseinander setzen, wie es zu den Schwierigkeiten kommen konnte, dass Haushaltsarbeit nicht oder nur schwer als Arbeit anerkannt wird. Daraus resultiert automatisch die Klärung der Erwerbs- bzw. Nicht-Erwerbsdichotomie derselben. Die Folgen, die diese fehlende Anerkennung für die Familien und somit auch für die Gesellschaft hat, möchte ich schließlich in einem dritten Abschnitt zusammenfassen. Es müsste dann möglich sein, in einem Resümee Stellung zu nehmen und eventuell Handlungsstrategien für eine Verbesserung der bisherigen Situation zu entwickeln.

2. Begriffsfindung

So vielfältig wie auch die Aufgabenbereiche innerhalb eines Haushalts sind, genauso vielfältig sind auch die Begriffe, die eben diese Arbeit beschreiben. Das würde sicherlich für keine größeren Definitionsprobleme sorgen, wenn denn auch jeder Begriff klar vom anderen zu trennen ist. Leider ist dies selten der Fall und so wird das eine Mal von Care gesprochen, das andere Mal von Fürsorge- oder Sorgearbeit und dies jeweils unter Hinzunahme oder Weglassen von bestimmten Aspekten. Oftmals wird bei der Verwendung der unterschiedlichen Begriff die Intention des Autors deutlich und somit der Schwerpunkt, auf den sich der jeweilige Begriff und Ansatz bezogen hat. So gibt es beispielsweise wesentliche Unterschiede zwischen dem hauswissenschaftlichen und dem ökonomischen Vokabular für ein und dieselbe Sache. Schwierig wird es dann, wenn es darum geht Überbegriffe oder eine einheitliche Sammlung von verschiedenen Begriffen zu finden, welche von allen gleichwertig verwendet werden. Doch schon der allgemeine Sprachgebrauch beispielsweise, zeichnet mit dem Wort Hausarbeit ein nur unvollständiges Bild des gesamten Themenbereichs. Auch wenn die im Folgenden aufgeführten Begriffe in bestimmten Bereichen zahlreiche Parallelen aufweisen, dann liegt es nicht daran, dass dies übersehen wurde, sondern dient einfach nur dem übergeordneten Zweck, eine Darstellung sämtlicher gebräuchlicher Begriffe zu ermöglichen. Die thematische Trennung der verschiedenen Arbeitsbegriffe erfolgt später.

Im weiteren Verlauf wird schon in der Aufstellung der unterschiedlichen Begriffsdimensionen häufiger der Begriff Haushaltsarbeit überordnend verwendet. Ich beziehe mich dabei auf Birgit Geissler[5], für die dieser Begriff die neutralste Zusammenfassung der verschiedenen Bedeutungsdimensionen und Tätigkeitsfelder darstellt. Eine weiterführende Begriffsklärung dazu wird auch aus diesem Grund nicht stattfinden. Trotz dem sei aus Gründen der Übersichtlichkeit erwähnt, dass dieser Begriff nur als wertfreie Bezeichnung für sämtliche Tätigkeiten im Haushalt verwendet wird.

2.1. Hausarbeit

Hausarbeit umfasst als Sammelbegriff nur all jene klassischen Tätigkeiten, wie Kochen, Putzen und Wäsche waschen. Jene sachbezogenen oder materiellen Arbeiten also, die in ihrer allgemeinsten Form in jedem Haushalt verrichtet werden. Daraus kann man schließen, dass dieser Bereich der Arbeit im Privathaushalt keine feste Bindung an eine bestimmte Person hat. Sie kann von beiderlei Geschlecht ausgeübt werden und ebenso von „Dritten“, also nicht im Haushalt lebenden Personen, die gegebenenfalls dafür bezahlt werden. Es ist verständlich und symptomatisch für das ganze Problem, dass ausgerechnet der geläufigste Begriff nur einen kleinen Teil des gesamten Aufgabenbereichs der im Haushalt anfallenden Tätigkeiten abdeckt. Man könnte schon hier den Schluss ziehen, dass bei dieser von den meisten Menschen gewählten Bezeichnung für eine Form von Arbeit offenbar wird, dass sie entweder nicht als solche vollständig anerkannt wird, oder man sich nicht wirklich bewusst ist, was noch alles damit verbunden ist.

Oft wird dabei auch übersehen, dass zum Beispiel jene scheinbar einfachen Arbeiten, welche Kochen, Ernährung und Essen umfassen, bedeutende kulturelle Leistungen sind[6]. Gesundes Essen, welches zusammen mit der ganzen Familie eingenommen wird, ist mehr nur als die schlichte Nahrungsaufnahme. Hier wird Kommunikation betrieben, Informationen ausgetauscht, Erziehungsarbeit geleistet und Kulturtechniken vermittelt. Trotzdem ist die Hausarbeit derjenige Bereich, der im Haushalt anfallenden Tätigkeiten, der jetzt und in Zukunft wahrscheinlich immer besser, auszulagern sein wird und aufgrund dessen weiter an Bedeutung verlieren wird[7]. Festzuhalten bleibt, dass diese Form von zumeist körperlicher Arbeit messbare Werte erzeugt und auch auf dem Markt zu erhalten ist.

Grundsätzlich werden mit dem Begriff der Hausarbeit eher die Ansätze besprochen, die aus dem Bereich der Arbeitssoziologie oder Hauswissenschaften stammen. Problemlos lassen sich damit beispielsweise Beschreibungen von Arbeit im Privathaushalt vornehmen, das heißt zeitliche Abläufe, Verteilungen der Arbeit zwischen den Haushaltsmitgliedern und die Zeitintensität der verschiedenen Tätigkeiten. Dabei wird die marktwirtschaftliche Dimension von Haushaltsarbeit noch außer Acht gelassen, weil auch der komplette Umfang aller im Haushalt anfallenden Tätigkeiten durch Hausarbeit nicht erfasst wird. Der geläufigste, die Haushaltsarbeit beschreibende Begriff ist somit auch der rudimentärste.

[...]


[1] Dierks, Marianne (2005): Karriere! - Kinder, Küche? S. 55.

[2] Grieswelle (2000) nach Foucault. S. 1.

[3] vgl. Forum der Bundesstatistik (2000): Familien und Haushalte in Deutschland. S. 23.

[4] Für Eichler und Matthews (2005) ist Arbeit sogar einer der wichtigste Topoi der Soziologie überhaupt. S.17.

[5] Geissler, Birgitt (2002): Die Dienstleistungslücke im Haushalt. S. 31.

[6] Dierks, Marianne (2005): Karriere! - Kinder, Küche? S. 71f.

[7] Himmelweit, Susan (2000): The Discovery of Unpaid Work: the Social Consequences of the Expansion of Work. S. 111.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Haushalts-, Haus- und Reproduktionsarbeit: Über den Zusammenhang von Nicht-Erwerbstätigkeit und Arbeit
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Formen von Arbeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V91590
ISBN (eBook)
9783638050487
ISBN (Buch)
9783656205098
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haushalts-, Haus-, Reproduktionsarbeit, Zusammenhang, Nicht-Erwerbstätigkeit, Arbeit, Formen, Arbeit
Arbeit zitieren
BA Christian Wenske (Autor:in), 2007, Haushalts-, Haus- und Reproduktionsarbeit: Über den Zusammenhang von Nicht-Erwerbstätigkeit und Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91590

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