Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Bildungsverständnis nach John Rawls
2.1 Kennzeichnung von Bildung
2.2 Gerechtigkeit als Fairness
2.3 Bildungsgerechtigkeit
3 Bedeutung für Randgruppen
3.1 Bedeutung für Benachteiligte
3.2 Förderung von Begabten
4 Ableitung für die Soziale Arbeit
5 Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
, Die Gerechtigkeit ist die erste Tugend sozialer Institutionen, sowie die Wahrheit bei Gedankensystemen. ‘‘ (Rawls 1971, S. 19)
Mit seinem Werk,, A Theory of Justice ‘‘ 1971 brachte John Rawls eine neue Denkweise über Gerechtigkeit und die Ordnung eines Staates heraus. Dies war ein völlig anderer Denkansatz in der Diskussion über soziale Gerechtigkeit. Rawls Theorie betrachtet nämlich die Gerechtigkeit als Fairness.
Auch heute noch wird sein Ansatz aufgegriffen, wenn es um die Frage der Gerechtigkeit geht. Immer häufiger gab es in Deutschland seit den eher schlechten Ergebnissen der PISA-Studie Diskussionen um die Bildungsgerechtigkeit.
Deshalb thematisiert die folgende Hausarbeit die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland nach John Rawls Theorie der Gerechtigkeit als Fairness und die Bedeutung für die Soziale Arbeit.
Mit dieser Arbeit soll das Verständnis von Rawls von Bildungsgerechtigkeit herausgearbeitet werden. Zudem soll die daraus folgende Lage für Benachteiligte sowie Begabte aufgezeigt werden und zudem die Bedeutung von Rawls Sichtwiese für die Soziale Arbeit geklärt werden.
Die zentrale Fragestellung des Textes lautet wie folgt: Wie sieht Bildungsgerechtigkeit nach John Rawls aus und was bedeutet dies für die Soziale Arbeit?
Schwerpunktmäßig behandelt diese Arbeit Rawls Theorie der Gerechtigkeit bezogen auf die Gebiete der Bildung, Benachteiligung und der Sozialen Arbeit.
In Kapitel 1 wird der Begriff Bildungsgerechtigkeit aufgeschlüsselt und nach Rawls dargelegt. Im 2. Kapitel werden die Folgen für Benachteiligte und Begabte aufgezeigt. Im 3. Kapitel wird dann die Bedeutung von Rawls Theorie für die Soziale Arbeit dargestellt. Mit einem Fazit sowie Handlungsempfehlungen und weiterführende Problemlagen findet die vorliegende Arbeit ihren Abschluss. Beim Zitieren der Quellen wird CITAVI verwendet.
2 Bildungsverständnis nach John Rawls
2.1 Kennzeichnung von Bildung
Für Bildung gibt es auch in der Fachliteratur keine einheitliche Definition. Es beschäftigen sich die Pädagogik und die Erziehungswissenschaften umfassend mit dem Begriff. Für diese Arbeit wird Bildung im Folgenden definiert.
Grundsätzlich hat Bildung zwei Bedeutungen: Zum einen ist sie der Prozess des Erlernens von Wissen und Fähigkeiten, der mit der Geburt beginnt und meistens mit Erziehung in Verbindung steht. Zum anderen ist Bildung das Ergebnis dieses Erlernens und somit das gesamte Wissen und die Fertigkeiten über das eine Person verfügt. (vgl. Heimbach- Stein 2003, S.10)
Neben Bildung wird auch der Begriff der ,,Erziehung‘‘ häufig verwendet. Diese ist in erster Linie der Bildungsprozess von Kindern und Jugendlichen und wird somit nicht gebraucht, wenn es um Erwachsenen- und Weiterbildung geht. In dieser Arbeit wird Bildung als Begriff für alle Bildungsprozesse, die bei Menschen stattfinden.
Bildung als bewusster Prozess findet in speziellen Institutionen statt, welche im Ganzen das Bildungssystem bilden. Bestehen tut dieses aus Kindertagesstätten- je nachdem, ob deren Konzept eher auf Betreuung oder auf Frühförderung ausgelegt ist- dann folgt die Grundschule, Haupt- oder Realschule oder Gymnasium, danach eventuell die Universität, Fachhochschule oder Berufsschulen in Deutschland. Im Erwachsenenleben treten dann Institutionen wie Weiterbildungsschulen auf den Plan. Diese Systeme koordinieren und kontrollieren die Bildung im formellen Bestandteil.
Den informellen Teil der Bildung bildet das persönliche, individuelle Lebensumfeld, in das ein Mensch geboren wird. Welche Begabungen er hat, welche Talente oder auch Krankheiten, die Herkunft, Geschlecht, Sprache bilden diesen Teil. Dieser ist vor allem für Kinder und Jugendliche entscheidend für den Lernerfolg.
Die Familie ist beispielsweise der erste und wichtigste Lern- und Bildungsort den ein Mensch hat. Hier werden alle Grundfertigkeiten erlernt wie die Sprache, Werte, Normen, kulturelle Sitten und Gebräuche. In dieser ersten Phase unseres Lebens in den Kreisen der Familie bildet sich auch die persönliche Identität heraus. Später im Jugendalter werden andere Faktoren, wie zum Beispiel Freunde, die sogenannten peer-groups, Freizeitaktivitäten oder Vereine wichtig für den informellen Teil der Bildung. Im Erwachsenenalter kommen dann Berufsleben, Partnerschaften und die eigene Familie hinzu.
Dieser Teil, der individuell und bei jedem verschieden ist, hat großen Einfluss darauf, wie hoch der Lernerfolg im formellen Bildungssystem ist. Deshalb ist der Teil der informellen Bildung von großem Gewicht bei der Diskussion der Bildungsgerechtigkeit. Er lässt sich nicht durch Institutionen steuern und regulieren und ist bei jedem durch die Geburt gegeben. Somit herrscht hier keine Chancengleichheit. Je nach Herkunft ist dieses Lebensumfeld für Bildungserfolge entweder förderlich oder eher behindernd. Beispielsweise hat ein Kind mit bildungsfernen Eltern eine geringere Chance auf Förderung durch die Eltern, als ein Kind von Akademikern. (vgl. Rauschenbach 2005, S 3 ff)
Je nachdem wie ein Bildungssystem organisiert ist werden diese informellen Prozesse gefördert oder gehemmt. Beispielsweise ist in Ganztagesschulen mit Nachhilfe- und Förderangeboten der Einfluss des informellen Lebensumfeldes geringer als bei Schulen ohne Nachmittagsbetreuung.
Des Weiteren spielen andere Faktoren wie die Klassenzusammensetzung und Freizeitangebote eine entscheidende Rolle für den Bildungserfolg. Somit sind diese Außenwirkungen relevant bei der Diskussion um die Bildungsgerechtigkeit. (vgl. Mandry 2006, S. 3)
Um Bildung in Rawls Sinne zu beschreiben muss man bedenken, dass er in seiner Theorie der Gerechtigkeit als Fairness den Urzustand so beschreibt, dass dabei gebildete, vernünftige Menschen über die Ordnung der Gesellschaft unter dem ,,Schleier des Nichtwissens‘‘ nachdenken.
Diese Menschen verfügen über alles Wissen, nur eben nicht über ihren eigenen Stand in der Gesellschaft. Also wird in Rawls Gedankenexperiment Bildung vorausgesetzt. Zudem können ungebildete Kinder keine Lebensziele festlegen und keine Lebenspläne machen, die sie dann autonom und frei verfolgen könnten. Diese könnten somit auch nicht vernünftig über eine gerechte Gesellschaftsordnung entscheiden.
Das bedeutet, dass das Ziel von Bildung für John Rawls ist autonome, gebildete und vernünftige Individuen hervorzubringen. Diese müssten durch ein Bildungssystem geformt werden, dass dieser formelle Teil den Einfluss der informellen Lebensumstände so minimiert, dass der Lernerfolg dadurch nicht eingeschränkt wird.
2.2 Gerechtigkeit als Fairness
Um John Rawls Verständnis von Bildungsgerechtigkeit herausarbeiten zu können muss man als nächstes seine Theorie der Gerechtigkeit als Fairness dargestellt werden. Rawls Gerechtigkeitsbegriff gehört zu den distributiven Gerechtigkeitstheorien wonach Gerechtigkeit ,,die Beseitigung willkürlicher Unterschiede und die Herstellung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen konkurrierenden Ansprüchen‘‘(Rawls 1991, S. 36) ist.
Nach Rawls Begriff von Gerechtigkeit gibt es drei Grundideen aus der sich seine Theorie zusammensetzt. Das ist zum einen die Freiheit, dann die Gleichheit und dann Belohnung von Leistungen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen.
Seine Theorie basiert auf der Idee des Urzustandes, einem Gedankenexperiment eines möglichen Gesellschaftsvertrags. Dabei sitzen Menschen zusammen, die über die zukünftige gerechte Gestaltung einer Gesellschaft nachdenken. Alle stehen unter dem Einfluss des ,,Schleiers des Nichtwissens‘‘. Das Bedeutet sie verfügen zwar über alles Wissen jedoch wissen sie nicht in welche Rolle der Gesellschaft sie später einmal hineingeboren werden. Diese Menschen legen nun gemeinsam Grundsätze fest ,, die freie und vernünftige Menschen in ihrem eigenen Interesse in einer anfänglichen Situation der Gleichheit zur Bestimmung der Grundverhältnisse ihrer Verbindung annehmen würden. ‘‘ (Rawls 1991, S.28 )
Er kommt zu dem Schluss, dass in solch einer Gesellschaft ererbte Fähigkeiten und Ressourcen nicht zum Vorteil führen, sondern eher durch Umverteilung ausgeglichen werden sollen. Dies bildet den Ansatz der Chancengleichheit: Für alle Menschen soll es dir gleichen Startbedingungen geben.
Des Weiteren wird Leistung mit Ämtern belohnt, die aber allen offen stehen. Somit herrscht auch eine gewisse Leistungsgerechtigkeit.
In einer solchen Gesellschaft würde es auch eine universelle Mindestsicherung geben, da jeder erwerbsunfähig geboren werden könnte. Dies wäre dann die Bedarfsgerechtigkeit.
In welcher Form und wie genau im Detail diese Festlegungen umgesetzt werden sollen legt Rawls nicht fest. Das würde dann die Gesellschaft je nach Gegebenheiten und Entwicklungen selbst tun. Er fordert zwar die größtmögliche Freiheit für alle, jedoch nicht, dass sie unbegrenzt ist (vgl. Mau, Schöneck 2015, S.48)
Da dieses Gedankenexperiment nur rein hypothetisch ablaufen kann sind Rawls Theorie und seine Schlussfolgerungen aus diesem gedachten Urzustand heraus stark kritisiert, diskutiert und umstritten.
Er leitet daraus seine Prinzipien ab, die die Menschen in so einer Situation des Gedankenexperiments festlegen würden, um ihre Lebenspläne verwirklichen zu können. Sie basieren auf seinen drei Grundideen.
Das erste Prinzip ist für Rawls das ein Individuum das höchste Maß an Freiheit besitzen soll, solang es dabei nicht dir Freiheit anderer verletzt. Somit hat jede Person dieser Gesellschaft eine unantastbare Grundfreiheit, die im Gesetz verankert ist.
Dem zweiten Prinzip liegt die Grundidee der der Gleichheit zugrunde. Es müssen Benachteiligte die durch ,,natürliche Gaben‘‘ Nachteile haben durch Umverteilung von Ressourcen bessergestellt werden. (vgl. Stojanov 2011, S.21)
Es folgt danach die leistungsbezogene Chancengleichheit nach der Grundidee, dass Leistungen belohnt werden, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Das bedeutet, dass Ämter allen gemäß ihrer Leistung offenstehen.
Der Kritikpunkt dabei ist allerdings der Umstand, dass diese Prinzipien aus dem ,,Schleier des Nichtwissens‘‘ abgeleitet werden, welche die individuelle Freiheit und Bildung voraussetzen
2.3 Bildungsgerechtigkeit
Beide Begriffe nun zusammengebracht bilden die Bildungsgerechtigkeit. Wie würde sie nun nach John Rawls aussehen?
Zum einen muss Bildungsgerechtigkeit die Entwicklung zu individuellen, autonomen und vernünftigen Menschen ermöglichen.
Nach Rawls erstem Prinzip steht allen Menschen das höchste Maß an Freiheit zu, welche mit der Freiheit von anderen vereinbar ist. Sodass alle Menschenihre individuellen Lebenspläne frei wählen und auch verfolgen können. (vgl. Stojanov 2011, S. 21)
Das würde bedeuten, dass zuerst eine Grundausbildung hergestellt werden muss, die es ermöglicht sich Lebensziele zu wählen und Lebenspläne zu erstellen. Zudem muss gelehrt werden, wie man vorhandene Ressourcen nutzt und Fähigkeiten, Wissen und Fertigkeiten umsetzt.
Dem zweiten Prinzip zufolge müssen ererbte Vorteile wie Ressourcen und Fähigkeiten durch eine Umverteilung dieser die Benachteiligten besserstellen. (vgl. Stojanov 2011, S.21)
Das bedeutet Reiche würden höher besteuert werden und das Geld wird zu Förderung der Ärmeren verwendet, Begabte müssten mit ihren Fähigkeiten andere unterstützen, denen dies nicht so leichtfällt.
Erst danach steht die leistungsbezogene Chancengleichheit, wonach jedem Ämter gemäß der Leistung offen stehen.
Nach Rawls Gedankenexperiment kann aus dem ,,Schleier des Unwissens‘‘ nicht die Autonomie und Freiheit hergestellt werden, sie wird dabei vorausgesetzt.
Diese zu entwickeln ist Aufgabe der Bildungsinstitutionen.
Da unmündige Erwachsene nicht die verteilten Ressourcen nutzen könnten, die sie erhalten, um ihre Lebenspläne zu verwirklichen. Deshalb müssen sie mit Bildung und Erziehung Lebensziele finden und zu lernen wie man Ressourcen benutzt. (vgl. Stojanov 2011, S.23)
Um ein mögliches Bildungssystem nach der Theorie Rawls zu entwickeln wird erst ein kurzer Blick auf das deutsche Bildungssystem geworfen.
In Deutschland besteht eine neunjährige Schulpflicht für alle Kinder. Nach dem Kindergarten besuchen alle gemeinsam die Grundschule. Nach der vierten Klasse erfolgt eine Trennung der Schüler in Haupt- oder Realschule oder Gymnasium. Danach besteht die Möglichkeit eine Universität oder Fachhochschule zu besuchen oder in einer Berufsschule einen Beruf zu erlernen.
[...]