Hans Urs von Balthasar als katholischer Hegelkritiker


Seminararbeit, 1999

16 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Balthasars Theologie
1.1 Die musikalischen Züge
1.2 Die philosophischen Züge

2 Kritik an Hegel
2.1 Das Verhältnis von Gott und Welt
2.2 Vorwurf des Antisemitismus und des Neins zu Kirche und Jesus Christus

Schluss

Quellenverzeichnis

0 Einleitung

Im Rahmen des Seminars „Offenbarung und Geschichte: Hegel und die neuere Theologie“ wurde der große Philosoph des deutschen Idealismus von verschiedenen Seiten betrachtet, darunter auch unter relativ aktuellen, wie hier aus der Sicht Hans Urs von Balthasars. Um die Position des Schweizer Theologen zu verstehen, ist es wichtig, zuerst einen Einblick in das theologische und philosophische Denkgerüst zu gewinnen. Natürlich ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, ins Detail zu gehen, weshalb ich auf eine genaue Biographie verzichte und lediglich einen Überblick liefern kann. Dieser ist zwar bestimmt nicht imstande, dem umfangreichen theologischen und literarischen Werk Balthasars gerecht zu werden, aber soll - wie ich hoffe - doch eine ungefähre Ahnung dessen vermitteln, was Balthasars Zugang zur Theologie und zu Hegels „Philosophie der Religion“ darstellt. Letzterer Aspekt wird hierbei vor allem im zweiten Teil dieser Arbeit behandelt.

1 Balthasars Theologie

Theologisches Denken hat immer auch eine stark individuelle Seite, was sich vielleicht wie eine „Binsenweisheit“ anhört, jedoch gerade auch für das Werk Hans Urs von Balthasars besonders zutrifft. Nicht anders lässt sich erklären, warum sich etwa seine äußerst stark ausgeprägte musikalische Ader in seinem Denken widerspiegelt, warum der Germanist und Literaturliebhaber eine Theologie entwickelt hat, die von ihm „in den Kategorien des Theaters“[2] getrieben wird. Vor allem die musikalische Seite Balthasars und der entsprechende Zugang zur Theologie als Denkgebäude sollen am Anfang dieses Kapitels stehen.[1]

1.1 Die musikalischen Züge

1925 veröffentlichte Balthasar erst zwanzigjährig einen Essay über „Die Entwicklung der musikalischen Idee“. Er studierte in Wien Germanistik, seine Leidenschaft galt jedoch dem Musikleben der österreichischen Hauptstadt. Mit großem Enthusiasmus und Interesse besuchte er Konzertsäle, Opern und Kirchen, nachdem ihm in den letzten Jahren seiner Feldkircher Gymnasialzeit die musikalische Abteilung dort zu lärmend erschienen war.

Während seiner Wiener Zeit wohnte er bei Rudolf Allers, der das Interesse des jungen Studenten zur Theologie zu wecken verstand. „Allers war Psychologe, Gegner Freuds, lehrte und praktizierte in der freien Nachfolge Alfred Adlers, übersetzte Anselm und Thomas und war überdies ein exzellenter Pianist“[3], worin ihm Balthasar allerdings kaum nachstand, denn schon in jüngsten Jahren hatte dieser Klavierunterricht bei einer Schülerin Clara Schumanns erhalten. So genoss Balthasar in Wien „die letzten Ausläufer der Romantik“[4]: Richard Strauss, der von 1919-1924 die Wiener Staatsoper leitete, Gustav Mahler, der erst ein Jahrzehnt vorher gestorben war und Richard Wagner, der zu dieser Zeit boomte. Nebenbei erwähnt setzte Balthasar Mahlers Symphonien für Klavier vierhändig und musizierte stundenlang mit Rudolf Allers. „Er konnte sich noch im hohen Alter nach einer gemeinsam gehörten Bach-Suite zu der Bemerkung hinreißen lassen, dass man doch da und da ein Intervall hätte anders setzen können.“[5] (Nach Krenskis Angaben besaß Balthasar das absolute Gehör!)

Das Jahr 1929, in dem Balthasar in den Jesuitenorden eintrat, kommentierte er später trocken: „Mit dem Eintritt in den Orden war es automatisch aus mit der Musik.“[6] Dennoch komponierte er kleinere Messen, die Zeugnis geben von einem inneren Zwiespalt in der Frage: „Wie künstlerische Begabung und Askese, wie die eigene musikalische Geschichte mit dem sprichwörtlich gewordenen ,Jesuita non cantat’, wie Literatur und Ordensberufung zusammenbringen?“[7] Diesen Konflikt teilte er mit dem englischen Dichter-Jesuiten Gerard Hopkins. „Als Balthasar das Konzept einer Trilogie in Angriff nahm, in der er beabsichtigte, Theologie in den Kategorien der Ästhetik und des Theaters zu treiben, rückte die in frühen Jahren gesuchte Synthese [der Musik] in greifbare Nähe.“[8] Balthasar via Hopkins: „Im letzten kann bei ihm [Hopkins] die Annahme eines Konfliktes zwischen Priester und Dichter, geistlichem und künstlerischem Beruf nicht aufrecht erhalten werden. Der Priester, der Theologe, der Dichter [sind] in der Person Hopkins’ nicht zu trennen.“[9]

Balthasars musikalische Metaphern in seinen Schriften sind unübersehbar:

Er sprach von der Wahrheit, die symphonisch ist, von der symphonischen Perfektheit des Kosmos, von der Verschiedenheit der Instrumente, die zum Akkord des Glaubens zusammenklängen, und von der Liebe, die der Orgelpunkt sei, der unter der ganzen wirren Musik der Weltzeit durchdauere. Er verglich den Charakterzug eines Menschen dem ,Manierismus im Finale der Vierten Mahler’, orchestrierte ein Thema mit den Stimmen der Tradition und sah in Christus die reine Idee der Musik inkarniert, die Gottes Gnade selbst komponiert habe.([10] )

Neben Balthasars Tätigkeit als Seelsorger in Basel trieb er hauptsächlich Kulturarbeit. Besonders Mozart hatte es ihm angetan, mit dessen Namen sich nun eine Welt öffnete, „die dem Marsch durch das Unterholz romantischer Musik ein Ende machte“[11].

Durch Adrienne von Speyr lernte Balthasar Karl Barth kennen, mit dem eine innige Freundschaft entstand, wobei gerade Mozarts eine entscheidende Rolle spielen sollte. Insgeheim hoffte Balthasar, Barth zur Konversion bewegen zu können. Was die beiden bedeutendsten Schweizer Theologen an Mozart derart faszinierte, beschreibt Krenski, indem er sich an Barth hält, folgendermaßen:

Mozarts Musik atmet eine, ,große freie Sachlichkeit’, die ,das Subjektive nie Thema’ werden läßt. Mozart war frei, von dem Krampfe, selber durchaus etwas sagen zu müssen und zu wollen. Er war selber nur Ohr für jenes Klingen und sein Vermittler für andere Ohren.’ Seine Musik hat etwas Absichtsloses. Sie will nicht gezielt verkündigen. Sie scheint reines Spiel. Dieses absichtslose Spiel begreifen beide als Gleichnis jenes Gottes, dessen hypostasierte Weisheit von Anbeginn an vor seinem Thron spielt und in Jesus von Nazaret Mensch wurde.([12] )

In der Zauberflöte erkennt Balthasar seine Vorliebe für das B-Dur und in der Jupitersymphonie ein Gleichnis der absichtslosen Schönheit Gottes selbst. „So spricht er von Mozarts Musik als einem ,Spiel angesichts der im Mysterium ruhenden, ewigkeitlichen Eucharistie’“[13].

Balthasar entwickelt nun eine Theologie, deren Sachverhalte er mittels der Musik zum Ausdruck bringen kann. Er behandelt etwa das Problem des christlichen Pluralismus im Bild der Symphonie:

Symphonie heißt Zusammenklang. Es klingt. Verschiedenes klingt. Das Verschiedene klingt ineinander. Eine Baßtrompete ist kein Piccolo, ein Cello kein Fagott. Der Gegensatz zwischen den Instrumenten muß so drastisch wie möglich sein, jedes behält sein unverwechselbares Timbre, jedem muß der Komponist den Part so schreiben, dass dieses Timbre zur bestmöglichen Geltung kommt.([14] )

Und auch hier sieht er in Mozart wiederum den vollendeten Meister. Dieser bringe in den jeweiligen Konzerten immer die Essenz des betreffenden Instrumentes zum Ertönen, in der eigentlichen Symphonie jedoch integrieren alle Instrumente zu Gesamtklang.

Theologisch gesprochen heißt dies: „Die Wahrheit selbst ist symphonisch. Die Liebe, die der Vater als Vater ist, der Sohn als Sohn und der Geist als Geist, schlägt ineinander und ist eines Wesens. Ihr Einklang löst aber nicht das Eigen- und Verschiedensein des Vaters, der eben nur und nicht anders als der Vater die Liebe ist, des Sohnes, der eben nur und nicht anders als der Sohn die Liebe ist, und der Geist, der eben nur und nicht anders als der Geist die Liebe ist, nicht auf.“[15]

Demzufolge vermittle die Symphonie der dreifaltigen Liebe Einheit in Vielfalt und Vielfalt in Einheit, wobei die Offenbarung plurale Motive enthalte, „die die eine Wirklichkeit je anders ins Wort bringen und sich eben doch in einer übergegenständlichen Einheit finden“[16].

Für das kirchliche Leben hat es die Konsequenz, dass Balthasar scharf gegen Parolen polemisiert, die das totalitäre Unisono der polyphonen Symphonie vorziehen: „Indem diese Parolen auf Notwendiges aufmerksam machen, diskriminieren sie mit eintöniger Regelmäßig-keit Anderes, Entgegengesetztes, das christlich gesehen ebenso notwendig ist.“[17]

Er fragt danach, ob man etwa die Ehe nicht anders aufwerten könne, als durch die Abwertung der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, oder ob man tatsächlich durch Behauptung eventueller Nutzlosigkeit und Veraltetheit des Bußlebens den politischen Einsatz der Kirche anpreisen solle. „Muß man, wenn die Mitmenschlichkeit als das zentrale christliche Gebot neu entdeckt wird, Krämpfe bekommen, wenn das Wort Innerlichkeit ertönt, und jede unmittelbare Beziehung des Menschen zu Gott als Evasion oder Entfremdung abtun?[...]“[18] Seiner Meinung nach versenke man die Einheit aus dem Ganzen in den Teil und fordere statt der Symphonie das Unisono. Theologisch gesprochen heißt dies: „Gott führt in seiner Offenbarung eine Symphonie auf“ und ist frei genug, „sein höchst bestimmtes Wort in vielen Zungen“[19] singen zu lassen. Dabei versteht sich von selbst, dass die Stimmen nicht in spannungsloser Harmonie stehen. Symphonie heißt keineswegs süßliche, spannungslose Harmonie. Große Musik ist stets dramatisch.

[...]


[1] Zu diesem Kapitel vgl. v.a. auch die Ausführungen in: Thomas Krenski: Hans Urs von Balthasar. Das Gottesdrama. Mainz: Matthias-Grünewald 1995. (= Theologische Profile.)

[2] Ebd., S. 7.

[3] Ebd., S. 14.

[4] Ebd., S. 15.

[5] Ebd.

[6] Ebd., S. 16, zit. nach Hans Urs von Balthasar.: Unser Auftrag. Bericht und Entwurf, Einsiedeln: Johannes 1984, S. 31.

[7] T. Krenski: Balthasar S. 17.

[8] Ebd., S. 18.

[9] H. U. v. Balthasar: Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik II. Bd. 2: Fächer der Stille. Tl. 2: Laikale Einsicht. Einsiedeln: Johannes 1969, S. 724.

[10] T. Krenski: Balthasar, S. 18.

[11] Ebd., S. 19

[12] Ebd., S. 21, z.T. zitiert nach Karl Barth: Kirchliche Dogmatik III. Bd. 3: Die Lehre von der Schöpfung. Zürich: 1950, S. 338.

[13] T. Krenski: Balthasar, S. 22.

[14] H. U. v. Balthasar: Die Wahrheit ist symphonisch. Aspekte des christlichen Pluralismus. Einsiedeln: Johannes 1972.

[15] T. Krenski: Balthasar; S. 25.

[16] Ebd.

[17] H. U. v. Balthasar: Wahrheit, S 12.

[18] Ebd.

[19] Ebd., S. 8f.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Hans Urs von Balthasar als katholischer Hegelkritiker
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz  (Institut für Fundamentaltheologie)
Veranstaltung
Offenbarung und Geschichte: Hegel und die neuere Theologie
Note
2
Autor
Jahr
1999
Seiten
16
Katalognummer
V91661
ISBN (eBook)
9783638052184
ISBN (Buch)
9783638945141
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hans, Balthasar, Hegelkritiker, Offenbarung, Geschichte, Hegel, Theologie
Arbeit zitieren
Mag. Alfons Wrann (Autor:in), 1999, Hans Urs von Balthasar als katholischer Hegelkritiker, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91661

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