Gewaltprävention im schulischen Kontext. Theoretische Betrachtung und praktische Umsetzung anhand des Programms FAUSTLOS


Hausarbeit, 2019

32 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Gewaltbegriff und Mobbing

3. Sozial- und entwicklungspsychologische Theorien zum Thema Aggression
3.1 Trieb– und Instinkttheorien der Aggression
3.1.1 Nutzen für die Präventionsarbeit
3.2 Die Frustrations- Aggressions- Hypothese nach Dollard et al
3.2.1 Nutzen für die Präventionsarbeit
3.3 Lernen am Modell nach Bandura
3.3.1 Nutzen für die Präventionsarbeit
3.4 Das bio-psycho-soziale Modell
3.4.1 Nutzen für die Präventionsarbeit
3.5. Abschließende Bemerkung

4. Das Programm „Faustlos“

5. Abschließende Betrachtung

Literaturverzeichnis

Sekundärliteratur

1. Einleitung

Gewalt und Aggression sind als gesellschaftliche Phänomene allgegenwärtig. Hass im Netz, Gewalt gegen Randgruppen, Jugendgewalt, Gewalt im Sport, häusliche Gewalt, Gewalt im Schulkontext – kaum ein Bereich des Zusammenlebens scheint nicht mit Gewalt oder Aggression in Verbindung zu stehen. Vor allem jedoch sind es Gewalttaten, die von Jugendlichen ausgelöst werden, die seit jeher öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Junge Menschen zwischen 6 und 21 Jahren stellen über 30 % der Tatverdächtigen bei Gewaltdelikten, während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur rund 18 % beträgt (vgl. PKS, 2017, S.33). Gewalt im Jugendalter ist demnach ein sehr weitverbreitetes, ernstzunehmendes und gesellschaftlich brisantes Problem, mit dem wir uns als Gesellschaft, insbesondere aber die Soziale Arbeit auseinandersetzen muss.

Besonders groß ist die öffentliche Aufmerksamkeit bei extremen Vorfällen von Jugendgewalt, wie beispielsweise Meldungen über gewalttätige Fußballfans oder U-Bahn Schläger. Tagelang berichtet die Medienlandschaft dann über solche Ereignisse. Täter, Opfer und Umstände sind dann auf allen Plattformen präsent und schnell wird auch die Frage nach den Ursachen und Folgerungen daraus aufgeworfen. Solch Medienwirksames Auftreten von jugendlichen Gewalt mündet immer öfter in der Forderung nach noch härteren Sanktionen und neuen Präventionsansätzen.

Vor allem meine Arbeit im Kinder -und Jugendhilfebereich hat mir gezeigt, wie wichtig Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe sein kann und muss. Schule als eine der zentralen Sozialisationsinstanzen hat einen immensen Einfluss auf Kinder und Jugendliche und muss somit auch Teil einer gelingenden Jugendarbeit sein. Aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz des Themas sowie meines beruflichen Interesses wird sich diese Hausarbeit mit dem Themenfeld Gewalt und Gewaltprävention auseinandersetzen und diese in Bezug auf Schule beleuchten. Dazu orientiert sich die Hausarbeit an folgender Frage.

Welche Einflussfaktoren begünstigen die Entstehung von aggressivem Verhalten im Kindes- und Jugendalter und inwieweit kann das Programm „FAUSTLOS“ Abhilfe schaffen?

Gewaltpräventionskonzepte gibt es in der mittlerweile in einer unüberschaubaren Vielfalt. Um nur wenige zu nennen beispielsweise das „buddY- Programm“, „PiT“, Klarigo oder „Lions-Quest“. Jedoch sind nur wenige der Konzepte auch wissenschaftlich evaluiert wurden (vgl. Jannan, S. 22). Das Gewaltpräventionsprogram FAUSTLOS ist mir während meiner Recherchen immer wieder aufgefallen. Besonders die fortlaufend durchgeführten Evaluationsuntersuchungen, legten es nahe, die Hausarbeit an diesem Programm anzulehnen.

Weiterhin zeigte sich, dass verschiedene Schulen im Umkreis von Kassel, an denen ich bereits beruflich tätig war, Kooperationspartner dieses Projekts sind. Aus diesem Grund war bereits zu Beginn des Schreibprozesses mein persönliches Interesse geweckt.

Die nachfolgende Arbeit untergliedert sich in zwei Teile. Zunächst einmal wird sich dem Thema Aggression und Gewalt in der jugendlichen Lebenswelt von theoretischen Seite aus genähert. Der theoretische Teil orientiert sich an folgenden Fragestellungen.

- Was ist Aggression, Gewalt und Mobbing?
- Wie lässt sich Aggressives Verhalten erklären?
- Welche Entwicklungsfaktoren begünstigen aggressives Verhalten?

Dazu werde ich im Kapitel 2 zunächst versuchen, die zugrundeliegenden Begrifflichkeiten, zu definieren und voneinander abzugrenzen.

Kapitel 3 liefert eine Übersicht über die unzähligen Theorien aus Psychoanalyse, Psychologie, Sozial- und Gesellschaftswissenschaft über Auslöser und Ursprünge von Gewalt und Aggression.

In Kapitel 4 werde ich das Programm FAUSTLOS umfassen vorstellen, um im Kapitel 5 den Theorie-Praxis Abgleich vorzunehmen. Das letzte Kapitel dieser Hausarbeit versucht die eingangs formulierte Frage abschließend zu diskutieren und aus der vorliegenden Hausarbeit einen Erkenntnisgewinn zu ziehen.

2. Der Gewaltbegriff und Mobbing

Zur Einführung in das Thema und zur Abgrenzung des Themenbereichs wird, wie bereits erwähnt, zunächst eine Begriffsdefinition vorgenommen und verschiedene Arten und Ausdrucksformen aggressiven Verhaltens skizziert. So kann herausgearbeitet werden, was im Folgenden unter „Gewalt“ zu verstehen ist. Eine einheitliche Definition des Begriffs ist vor dem Hintergrund meiner Forschungsfrage notwendig, da unterschiedliche Definitionsansätze auch unterschiedliche Ansätze im Bezug auf den konkreten Umgang mit Gewalt ermöglichen.

In der wissenschaftlichen Diskussion werden die Begriffe „Gewalt“ und „Aggression“ stark diskutiert und sowohl in der Diskussion wie auch in der pädagogischen Praxis oft unterschiedlich definiert (vgl. Mücke & Korn, 2000, S.12).

Es scheint schwierig, genaue Unterscheidungskriterien anzuführen, da die Übergänge zwischen den beiden Begriffen oft fließend sind (vgl. Nolting, 1997, S.25; Hurrelmann & Bründel, 2007, S.17). Allein in der Psychologie existieren mehr als 200 unterschiedliche Definitionsansätze (vgl. Scheithauer & Hayer, 2007, S.15).

Formen von Gewalt sind ebenso vielfältig wie die der Aggression, was eine Eingrenzung erschwert. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch hat es sich weitgehend durchgesetzt mit den beiden Begriffen unterschiedlichste Arten von Destruktivität zu kennzeichnen (vgl. Schottmayer, 2011, S.54).

Das Wort Aggression gilt im alltäglichen Sprachgebrauch weniger gängig als der Begriff Gewalt. Für Schottmayer werden mit Aggression subtilere Formen, Gefühlsäußerungen und Motive asozialen und destruktiven Verhaltens bezeichnet. Vorrangig unter dem Einfluss von Massenmedien wird Gewalt als besonders brutale, grausame oder abstoßende Verhaltensweise definiert (vgl. Schottmayer, 2011, S. 43). Analog dazu definieren Zimbardo & Gerrig den Aggressionsbegriff folgendermaßen: „Gewalt ist Aggression in ihrer extremen und sozial nicht akzeptablen Form“ (Zimbardo & Gerrig, 2003, S.334).

Eine deutende Definition kann immer nur ein Versuch sein, bestimmte Verhaltensweisen und Handlungen unter einen Begriff zu subsumieren. Dabei ist die Verwendung des Gewaltbegriffs immer Teil einer „sozialen Wirklichkeitskonstruktion“ und eine Frage „sozialer Interpretationen“ (Neidhardt, 1986, S.115) von gewissen Handlungen als Gewalthandlungen. Eine allgemeingültige Zuordnung ist vor diesem Hintergrund kaum möglich, da eine Beurteilung, von akzeptablen und nicht akzeptablen Verhaltensweisen kulturellen Einflüssen, Wertvorstellungen und gesellschaftlichen Normen unterliegt, die sich ständig wandeln (vgl. WHO, 2002, S. 5). Liell fasst diesen Umstand zusammen, indem er die Wahrnehmung und Interpretation von Gewalt an den jeweiligen sozialen, kulturellen sowie historischen Kontext anknüpft (vgl. Liell, 2002, S.7). Ebenso variieren Definitionen von Gewalt interdisziplinär, was eine einheitliche Definition darüber hinaus erschwert. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Gewalt als ein äußerst diffuses und komplexes Phänomen, das sich einer exakten wissenschaftlichen Definition entzieht und eher der Interpretation des Einzelnen überlassen bleibt.

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gewalt folgendermaßen:

Der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt.“

Nicht nur konkrete physische Gewalt findet sich in dieser Definition wieder, sondern sie bezieht auch Drohungen und Einschüchterungen in die inhaltliche Reichweite des Begriffs mit ein. Wolter abstrahiert daraus folgende Maxime/Definition: Gewalt umfasst Verhaltensweisen, die die Intention in sich trägt, eine andere Person direkt oder indirekt zu schädigen (vgl. Wolter, 2014, S.8).

Analog dazu wird in der Verhaltenswissenschaft der Gewaltbegriff in Anlehnung an den Aggressionsbegriff folgendermaßen definiert: „Gewalt ist Aggression in ihrer extremen und sozial nicht akzeptablen Form“ (Zimbardo & Gerrig, 2003, S.334).

Neben der direkten physischen Gewalt, muss aber auch bewusst gemacht werden, dass auch psychische Übergriffe als Gewalt definiert werden müssen. Emotionale Schädigungen einer Person durch direkte psychisch- verbale Drohungen, Beleidigungen oder einschüchterndes Verhalten gehören genauso zum Gewaltspektrum wie beispielsweise Schubsen oder Treten.

Besonders im schulischen Kontext nehmen psychische Gewalthandlungen einen großen Teil ein und treten häufig in Form von Mobbing auf. Jannan (vgl. 2012, S.14) stellt sogar die These auf, dass Mobbing mit Abstand die häufigste Gewaltform an allen deutschen Schulen darstellt.

An dieser Stelle bietet es sich an, den Begriff des Mobbings kurz zu erläutern. Olweus (1995, S. 22) definiert Mobbing folgendermaßen:

„ Ein Schüler/eine Schülerin wird gemobbt, wenn er/sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer andere Schüler/Schülerinnen ausgesetzt ist.“.

Mobbing ist demnach eine spezifische Gewalt/Aggressionsform mit folgenden Merkmalen:

- Zielgerichtete Schädigung eines Einzelnen
- Wiederholt auftretendes Verhalten über einen langen Zeitraum
- Das „Opfer“ ist allein nicht in der Lage, aus der Mobbingsituation herauszukommen
- Zwischen Täter und Opfer gibt es ein Machtgefälle

Im Umgang mit Mobbing ist es besonders wichtig, nicht jeglichen Konflikt gleich als Mobbing abzustempeln. Einzelne Bosheiten, Ungerechtigkeiten oder soziale Spannungen sind im Schul- wie auch im Arbeitsalltag- oft unvermeidlich und haben mit Mobbing nichts zu tun (vgl. Huber, 1993, S. 11). Mobbing schadet nicht nur dem Einzelnen, sondern beeinträchtigt massiv das soziale Miteinander und beschädigt so die Grundlage für eine positive Persönlichkeitsentwicklung.

3. Sozial- und entwicklungspsychologische Theorien zum Thema Aggression

In der wissenschaftlichen Forschung gibt es eine Vielzahl unterschiedlichster Modelle, die den Anspruch erheben, menschliche Aggression zu erklären. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Ansätzen, die Aggression auf unterschiedlichste Art und Weise zu erklären versuchen. Jede der Theorien bietet Erklärungsansätze für aggressives Verhalten, aus denen Gewaltpräventionskonzepte abgeleitet und begründet werden können.

In der Entwicklungspsychologie werden meist Lern- und Triebtheorien zur Erklärung aggressiven Verhaltens herangezogen. Auch die Aggressions-Frustrations-Hypothese nach Dollard fällt in das Gebiet der Psychologie. Diese Theorien setzen zumeist bei der genetischen Disposition des einzelnen Menschen an und verweisen auf die Wechselwirkung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und gegebenen Umweltfaktoren, während soziologische Wissenschaftstheorien stärker Umwelteinflüsse, wie beispielsweise Familie, Schule und andere Sozialisationsinstanzen in den Fokus nehmen (vgl. Hurrelmann & Bründel, 2007, S. 33).

Die vorliegende Arbeit orientiert sich an ontogenetischen Ansätzen. Grundsätzlich versteht man unter Ontogenese die individuelle Lerngeschichte eines Menschen. Demnach wird in dem folgenden Teil untersucht, wie sich im Laufe des Lebens aggressives Verhalten entwickelt und welche Faktoren dafür maßgeblich sind. Dazu widmet sich die Arbeit im Folgenden zuerst den Triebtheorien im Allgemeinen und im Speziellen Freud sowie Konrad Lorenz. Danach werden Erkenntnisse aus der Aggressions-Frustrations-Hypothese nach Dollard dargestellt. Abschließend wird die Sozialkognitive Lerntheorie nach Bandura sowie das Bio-Psycho-Soziale Modell vorgestellt. Die einzelnen Theorien haben nicht den Anspruch, Aggression und Gewalttätigkeit in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen, sie sind jedoch richtungsweisend für die weiterführende konzeptuelle Theoriebildung und führen letztendlich zu einer wissenschaftlich fundierten Bewertung des Gewaltpräventionskonzepts „FAUSTLOS“.

3.1 Trieb– und Instinkttheorien der Aggression

Trieb- und Instinkttheorien gehen im Kern von einem angeborenen Aggressionspotential aus. Sowohl Mensch wie auch Tier verfügen über einen angeborenen und vor allem genetisch determinierten Instinkt zur Aggression. Dieser Instinkt stand ursprünglich im Sinne der Verteidigung des Lebens sowie der Arterhaltung und sicherte den Individuen einen Selektionsvorteil (vgl. Hurrelmann & Bründel, 2007, S. 34). Ursprünglicher Begründer dieser Theorien ist laut E. Fromm Darwin, da sämtliche Trieb- und Instinkttheorien auf dessen Evolutionstheorie gründen (vgl. Fromm, 1999, S.17).

Theorie nach Freud: Sigmund Freud, welcher als Pionier der psychoanalytischen Wissenschaft gilt, ging von einer angeborenen Triebhaftigkeit aggressiven Verhaltens im Menschen aus. Unter Trieb versteht man in psychoanalytischer Tradition einen „dynamischen, innerseelischen Vorgang, der einen zielgerichteten Drang des Organismus zu emotionalen oder motorischen Reaktionen (oder beidem) zur Folge hat, und dessen Grundlage im somatischen Bereich zu suchen sei […].“ (vgl. ebd.). Freud vertritt einen dualistischen Ansatz. Er differenziert dabei zwischen zwei dem Menschen innewohnenden Trieben: Eros und Thanatos (vgl. ebd.). Der Todestrieb (Thanatos) bildet in seinem Erklärungsansatz einen antagonistischen Gegenpool zum sog. Lebenstrieb (Eros). Sämtliche Verhaltensweisen, wie auch der Aggressionstrieb, ist nach Freud in diesen Trieben determiniert (vgl. ebd., S.57). Der sog. Todestrieb richtet sich gegen den Organismus und würde zu dessen Zerstörung führen, wenn dieser nicht nach außen gerichtet werden würde (vgl. Fromm, 1999, S.18). Wird diese Umlenkung nach außen hin verhindert, richtet sich die Aggression gegen die eigene Person und führt zuletzt zu dessen Selbstzerstörung (vgl. Kilb 2011, S.32).

Aggression versteht sich demnach nicht als Reaktion auf bestimmte auslösende Reize, sondern bildet einen ständig fließenden Impuls. Die Intensität dieses Impulses könne zwar reduziert werden, die grundsätzliche Beherrschtheit durch diesen bliebe aber bestehen (vgl. Fromm, 1999, S.18). Aggressives Verhalten wird nur dann gezeigt, wenn die Verantwortlichen diese natürlichen, unangepassten Triebe in Handlungen umgesetzt werden. „Normalmenschen“ haben gelernt, diese sozialschädlichen Triebe in unschädlicher Weise abzuleiten (vgl. Köhler, 2006, S.46). Weidner sieht gewalttätige Handlungen vor diesem Hintergrund begründet im „Mischverhältnis“ der beiden Triebe, welches hauptsächlich durch die frühkindliche Entwicklung geprägt zu sein scheint (vgl. Weidner, 1993, S.16). Kritisiert wird diese Theorie vor allem aufgrund der Schwierigkeit, sie empirisch zu belegen (vgl. Kilb 2011, S.32). Auch legt diese Theorie eine eher pessimistische Grundlage für die pädagogische Praxis, da sie keinen Ausweg aus der Zerstörung des Selbst oder anderer zulässt.

Theorie nach Lorenz: Der Verhaltensbiologe Konrad Lorenz geht ebenfalls, wie Freud, davon aus, dass Aggressivität als biologisch verankerte Disposition vorliegt und diese notwendig zur Arterhaltung ist. So dient die intraspezifische Aggression nach Fromm dem Überleben der eigenen Art. Weiterhin führt er fort, dass sich die ursprünglich „tödliche“ Aggression heute hin zu einer Verhaltensform gewandelt habe, die eher aus symbolischen Drohungen besteht (vgl. Fromm, 1999, S.17f.). In Analogie zur Triebtheorie von Freud geht auch Lorenz von einer Art Aggressionstrieb aus, welcher von einer „ständig fließenden Energiequelle gespeist wird“ (Fromm, 1999, S.16). Durch die ständig neu erzeugten aggressiven Impulse kommt es zu einem Aufstauen des sog. Aggressionspotentials. Durch die sich so sukzessiv kumulierende aktionsspezifische Energie, wird die Wahrscheinlichkeit einer Verhaltensaktivierung stark erhöht, bis ein äußerer Reiz zur Entladung der aufgestauten Impulse führt. Hurrelmann und Bründel sprechen hier von einem inneren Dampfkessel (die sog. „Dampfkesseltheorie“), der von Zeit zu Zeit Druck abgeben muss, um nicht zu explodieren (2007, S.35). Bleibt ein solches „Druck ablassen“ aus, kommt es zu einem Aggressionsstau und in dessen Folge zu einer reflexartig, unkontrollierten aggressiven Verhaltensweise (vgl. Köhler, 2006, S. 46). Zur Vermeidung und Prävention solcher Aggressionsausbrüche wurde die Karthasishypothese aufgestellt. Sie geht davon aus, dass „das Ausleben von Aggressionen die zugrunde liegende Triebenergie vermindere, damit also zum Erlöschen der feindseligen Aktion führen müsse.“ (Straßmaier & Werbik, 2018, S.71). So schlägt Lorenz zur Reduktion des Aggressionstriebs die Übertragung auf Ersatzhandlungen vor (vgl. Lorenz, 1963 zit. n. Weidner, 1993, S.15). Von weiterem Interesse ist anhand dieser Überlegungen die Frage, ob man aggressive Gefühle einfach herausschreien könne, wie Nolting es formuliert (vgl. Nolting, 2015, S.203 f.). Die Karthasishypothese gilt in der psychologischen Forschung als widerlegt (vgl. Weidner, 1993, S.15; vgl. Nolting 2015, S. 208), womit als Folge auch das sogenannte „Kanalisieren“ von Aggressionen als widerlegt gelten muss.

3.1.1 Nutzen für die Präventionsarbeit

Die Trieb- und Instinkttheorien zur Entstehung von aggressivem Verhalten sind in der Wissenschaft vielfältiger Kritik ausgesetzt. Besonders die schlechte Überprüfbarkeit der Aussagen, wie auch der mangelhafte erkenntnistheoretische Aspekt, werden mannigfaltig kritisiert. Unter dem Gesichtspunkt der Prävention lassen sich wenig Erkenntnisse daraus ziehen. Die weitgehende Negierung von äußeren Einflussfaktoren zur Entstehung von aggressivem Verhalten lassen wenig bis keine Ansatzpunkte für pädagogische Interventionen bzw. Präventionen zu. Einzig die Notwendigkeit, aggressives Verhalten in geordnete Bahnen zu lenken und so ein sozial angemessenes Ventil zu haben, scheint sinnvoll. Angemessene Ausdrucksmöglichkeiten können beispielsweise sportliche Wettkämpfen seien. Jedoch liegen heutzutage eine Vielzahl an Untersuchungen vor, die die Annahme der Karthasis widersprechen (vgl. Scheithauer & Hayer, 2007, S.20). Ein stellvertretendes Abreagieren von aggressiven Impulsen hat demnach keinen Nutzen für die Prävention zukünftiger Aggressionen (vgl. Nolting, 2000). Ganz im Gegenteil. Eine Vielzahl der Berichte deuten genau in die entgegengesetzte Richtung. So bringt die Ausführung aggressiver Verhaltensweisen keineswegs einen kathartischen Effekt mit sich. Vielmehr erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, sich auch in Zukunft aggressiv zu verhalten (vgl. Scheithauer & Hayer, 2007, S.20).

3.2 Die Frustrations- Aggressions- Hypothese nach Dollard et al.

Die im Jahr 1939 durch Dollard et al. veröffentlichte Frustrations-Aggressions-Hypothese verfolgt einen monokausalen, psychoanalytisch orientierten Erklärungsansatz für das Auftreten von Aggression (vgl. Weidner, 1993, S. 20). Ihr liegt, im Gegensatz zu den bereits oben vorgestellten triebtheoretischen Ansätzen, keine genetische Veranlagung im Sinne eines Triebes zu Grunde (vgl. Köhler, 2006, S.47). Vielmehr geht man davon aus, dass das Verhaltensmuster, auf Frustration mit Aggression zu reagieren, angeboren zu sein scheint (vgl. Tedschi, 2002, S.574).

In dieser Arbeit wird Frustration nach Hurrelmann & Bründel als „ein Ereignis oder Erlebnis, das dem Erreichen eines bestimmten Ziels im Wege steht, das von einem Menschen als außerordentlich bedeutsam oder wichtig angesehen wird.“ (Hurrelmann & Bründel 2007, S.37) verstanden. Diese Theorie ist vor allem deshalb für die Thematik dieser Arbeit von besonderem Interesse, da sie persönliche Alltagserfahrungen mit Aggressionen in Beziehung setzt (vgl. Wolter, 2014, S. 27). Durch diese alltagsbezogenen Umstände bietet Dollards et al. Theorie eine Vielzahl von pädagogischen Interventionsmöglichkeiten.

Nach Dollard (1993 zit. n. Weidner, 1993, S.20) lauten die vier zentralen Hypothesen:

- Frustration führt zu aggressiven Verhaltensformen und Aggression
- Die Aggressionsstärke ist proportional zur vorangegangenen Frustrationsstärke. Diese kumuliert sich solange, bis es zu einem aggressiven Akt kommt.
- Durch aggressives Verhalten wird aggressive Energie abgeführt, was zu einer Reduktion weiterer Aggressionsbereitschaften führt (Karthasishypothese).
- Wird die Aggressionsausübung gehemmt, kommt es zu einer Aggressionsverschiebung auf andere Personen, Objekte oder andere, indirekt aggressive Verhaltensweisen werden gezeigt.

Überträgt man die Erkenntnisse des Frustrations-Aggressions-Theorems auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen lassen sich viele Vorkommnisse physischer sowie psychischer Gewalt, damit erklären, dass die betroffenen Jugendlichen sich in ihren adoleszenten Entwicklungsaufgaben blockiert bzw. beeinträchtigt fühlen.

In einem erweiterten Frustrationsverständnis können auch negative Emotionen, wie sie allgegenwärtig in der Adoleszenz vorkommen, aggressives Verhalten auslösen (vgl. Hurrelmann & Bründel, 2007, S. 2007).

3.2.1 Nutzen für die Präventionsarbeit

Ähnlich wie die trieb- und instinkttheoretischen Erklärungsansätze (s. Kap. 4.1) stieß die Frustrations-Aggressions-Theorie alsbald auf massive Kritik. Besonders die Zugrundeliegende Prämisse – jede Frustration löst in deterministischer Weise irgendeine Äußerung von Aggression aus und umgekehrt ist jede Aggression auf eine Frustration zurückzuführen – steht in der Kritik. Nolting (2000) betont, dass in Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, dass auf Hindernisfrustrationen nicht immer mit aggressiven Verhaltensweisen reagiert werden müsse. Weiterhin ist aggressives Verhalten auch ohne den Ursprung einer Frustration denkbar. Beispielsweise in Form von instrumenteller Aggression, der selten ein Frustrationsereignis vorantritt.

Ausgehend von den Überlegungen der Frustrations-Aggressions-Theorie haben in den letzten Jahren vermehrt Aspekte wie Ärgerregulierung, Emotionsregulation und Impulskontrolle Zugang zu den Präventionskonzepten erhalten. Des Weiteren werden Erkenntnisse aus Studien zur emotionalen Kompetenz bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen mitberücksichtigt. Besonders Maßnahmen zur Emotionsregulation und Impulskontrolle erscheinen, vor allem in sekundärpräventiven Ansätzen, bislang als sehr vielversprechend. (vgl. Scheithauer & Hayer, 2007, S.21).

3.3 Lernen am Modell nach Bandura

Banduras sozial- kognitive Lerntheorie hat wie kaum ein anderer Programme zur Gewaltprävention beeinflusst. Vom Standpunkt seiner kognitionstheoretischen Sicht wird der Mensch weder durch innere Kräfte getrieben (Triebtheorie), noch durch Umweltfaktoren hilflos herumgestoßen (Frustrations- Aggressions- Theorie). Vielmehr geht sie davon aus, dass das Verhalten nicht bloß eine Reaktion auf die Umwelt ist, sondern sich Umwelt und Verhalten reziprok beeinflussen (vgl. Bandura, 1973, S.59). Die Grundannahme Banduras Lerntheorie besteht darin, dass die Übernahme aggressiven Verhaltens zunächst vom perzipierten Erfolg von Modellpersonen bestimmt wird, um dann von den erreichten Erfolgen und den darauf aufbauenden Erfolgserwartungen reguliert zu werden (vgl. Sutterlüty, 2007, S. 79). Aggressives Verhalten leitet sich demnach von sozialen und gesellschaftlichen Modellen ab. Bandura fasst es wie folgt zusammen:

„It is evident […] that human bevior is to a large extent socially transmitted, either deliberately or inadvertently, through the behavioral examples provided by influetial models.“ (Bandura, 1973, S. 68).

Im umgangssprachlichen Gebrauch ist der Begriff Lernen für leicht erkenntliche Vorgänge reserviert. Man versteht darunter den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten. Der wissenschaftliche Begriff hingegen ist umfassender und erklärt auch komplizierte Lernvorgänge. Die Sozialwissenschaften verstehen unter Lernen „einen Vorgang, der dauerhaft zum Entstehen oder zu einer Veränderung von Verhalten und psychischen Merkmalen aufgrund von Erfahrungen führt.“ (Schottmayer, 2010, S.153). Doch beschränkt sich der Lernbegriff nicht nur auf destruktives Sozialverhalten, sondern bezieht sich auf jegliche Formen der sozialen Interaktion. Die Fähigkeit zum Lernen ist Voraussetzung menschlicher Entwicklung und ermöglicht es, Erfahrungen zu speichern und auf wechselnde Umweltbedingungen zu reagieren (vgl. Schottmayer, 2010, S.152). Lernen ereignet sich durch Erfolgs- bzw. Misserfolgserfahrungen. Erfolg führt zu einer Bestätigung des Verhaltens und initiiert einen Lernvorgang, der sich durch Wiederholung verfestigt (vgl. Nolting, 2015, S.111). Dieser Vorgang ist durch die Theorie des Erfolgslernen beschrieben. Lernen findet demnach statt, wenn ein Verhalten durch seine Konsequenzen dauerhaft beeinflusst wird. Die erfahrene Konsequenz nimmt die Funktion eines Feedbacks ein (vgl. Schottmayer, 2010, S. 156).

„The principle that behavior is strongly controlled by its consequences applies equally to aggression. Aggressive actions that are rewarded tend to be repeated, whereas those that are unrewarded or punished are generally discarded.“ (Bandura, 1973, S. 183).

Für das Entstehen eines komplexen Lernvorgangs, wie es ein Aggressions- bzw. Gewaltpotential ist, sind andauernde Bestätigungs- und Verstärkungsvorgänge vonnöten (vgl. Schottmayer, 2010, S.153). Die externe Bekräftigung umfasst materille, soziale und Statusbelohnungen (vgl. Sutterlüty, 2007, S.78). Gewaltsame Handlungen werden demnach nur deshalb wiederholt ausgeführt, weil sie als effektives Mittel dienen, um sich erwünschte Belohnungen zu sichern (vgl. Bandura, 1979, S.207). Eine stellvertretende Bekräftigung tritt ein, wenn sich durch Beobachtung positive Ergebnisse und Konsequenzen aggressiven Verhaltens anderer erkennen lassen. Ist die Reaktion auf aggressives Verhalten negativ, kann dies zur Ausbildung von Aggressionshemmungen beitragen.

Daraus darf jedoch nicht der Trugschluss gezogen werden, dass aggressives Verhalten mit aggressiven Reaktionen vergolten werden solle, da besonders harte Strafe ebenso modellhaft wirken (vgl. Nolting 2015, S.112).

„Inhibitory and disinhibitory effects are largely determined by observation of rewarding and punishing consequences accompanying models responses.“ (Bandura 1973, S.68).

Das Lernen durch Beobachtungen ist essenzieller Teil der frühkindlichen Entwicklung. So kommt es, dass Lernvorgänge, die in einem frühen Stadium erlangt werden, grundlegender zu seien scheinen als spätere (vgl. Schottmayer 2010, S.153). Sichtbare Aggressionshandlungen innerhalb der Familie verfestigen sich so sehr schnell und werden in sozialen Interaktionen eingeübt und gelernt (vgl. Hurrelmann & Bründel, 2007, S.40). Das sich so entwickelnde Verhalten, basiert Bandura zufolge, auf den von den Kindern verinnerlichten Normen der Eltern und anderer an der primären Sozialisation beteiligten Personen. Kinder erfahren es als Belohnung ihrer Selbst, wenn es ihnen gelingt, ihre internalisierten Ziele zu erreichen. So führt Bandura aus, es gebe „Individuen, die ein Selbstbekräftigungssystem übernommen haben, in dem aggressive Verhaltensweisen eine Quelle persönlichen Stolzes darstellen“ (Bandura, 1979, S. 232). Dies verdeutlicht die Relevanz der primären Sozialisation für ein gelingendes Lernen von prosozialen Normen und Verhaltensweisen. Gestörte Bindungsmuster, antisoziale Verhaltensweisen sowie eine grundlegend negative Lebensumwelt können bereits den Grundstein für späteres delinquentes Verhalten legen und so nachhaltig die Entwicklung der Persönlichkeit beeinflussen.

Für die vorliegende Arbeit lassen sich aus dem lerntheoretischen Ansatz folgende wichtige Erkenntnisse gewinnen:

- Was man erlernen kann, kann man auch wieder verlernen.
- Ebenso wie man destruktive Verhaltensweisen lernen kann, kann man auch prosoziales Verhalten lernen.

Somit haben die Befunde der sozial kognitiven Lerntheorie besonders für den Bereich der Kinder und Jugendhilfe eine große Relevanz. Wolter (2014, S. 28) legt den Fokus auf den Bereich der Schulgewalt und formuliert die Forderung negative Vorbilder weitestgehend zu reduzieren und prosoziale Verhaltensweisen zu fördern. Doch nicht nur im schulischen Kontext, sondern bei grundsätzlicher Konzeption von Gewaltpräventionsmaßnahmen, sollten die Erkenntnisse berücksichtigt werden. Aggressive Modelle begegnen uns im Leben täglich. In der Familie, Schule oder den Medien.

Aus den vorgestellten Ergebnissen lässt sich ableiten, dass Menschen, die in ihrem Leben häufig aggressiven Modellen ausgesetzt sind, mit höherer Wahrscheinlichkeit auch aggressive Verhaltensweisen entwickeln. Es gilt also negative Vorbilder soweit es geht zu begrenzen.

3.3.1 Nutzen für die Präventionsarbeit

Im Hinblick auf den Nutzen für die Präventionsarbeit, lassen sich viele Ansätze finden, die auf genau diesen lerntheoretischen Erkenntnissen fußen. Beispielsweise beschreibt die von Patterson und Dishion entwickelte Coercion- Theorie die Entstehung von aggressiven Verhaltens im Zusammenspiel zwischen kindlichem Verhalten und der Verstärkung des Verhaltens durch Eltern und Geschwister (vgl. Scheithauer & Hayer, 2007, S.22). Die Verstärkung des Verhaltens geschieht über Rückkopplungsprozesse. So ist zu beobachten, dass auf der einen Seite, die Reaktionen der Eltern auf herausforderndes Verhalten immer massiver und aggressiver werden und in einer Eskalation von Familienkonflikten münden. Der sich so entwickelnde Kreislauf – aggressives Verhalten wird mit aggressivem Verhalten bestraft, welches über Beobachtung in das Handlunsgrepertoire des Kindes aufgenommen wird – beginnt im Kleinen und kann sowohl durch positive Verstärkungen (Kind erreicht durch aggressives Verhalten sein Ziel) wie auch durch negative Verstärkung (Kind kann einen unangenehmen Zustand erfolgreich durch aggressives Verhalten verringern oder sogar beseitigen) entstehen. Die Fortsetzung des einmal gelernten und immer wieder belohnte Verhalten, erfährt erst dann eine Veränderung, wenn die Belohnungen inkonsistent, das Erreichen des angestrebten Ziels fraglich, oder die „Bestrafungsrisiken“ hoch sind. Gewaltpräventionsprograme sollten meiner Meinung nach versuchen diesen Kreislauf zu durchbrechen. Bandura legte nahe, dass Kinder, deren gewaltsames Verhalten inkonsistent behandelt wurde, später viel eher dazu neigen, dieses Verhalten beizubehalten, auch wenn es keinen unmittelbaren Erfolgt bringt (Vgl. Bandura, 1979, S.250). Er zieht daraus den Schluss:

„Ein Vergleich der langfristigen Wirkungen der beiden gemischten Verstärkungsmuster zeigt, dass die Fortdauer der aggressiven Reaktionsbereitschaft unter ungünstigen Bekräftigungsbedingungen hauptsächlich auf die frühe Belohnungsgeschichte zurückzuführen war. Kinder, die dazu gekommen waren zu erwarten, dass ihr aggressives Verhalten immer belohnt werden würde, gaben derartige Verhaltensweisen sehr schnell auf, wenn sie sich nicht länger auszahlten. Im Vergleich dazu wurden Kinder, die gelernt hatten, dass man die Verteile der Aggression nur erreicht, wenn man einige Risiken eingeht, durch Nichtbelohnung oder Kritik nicht so leicht entmutigt.“ (Bandura, 1979, S.250).

Gewalttätiges Handeln von Kindern und Jugendlichen entwickelt sich, nach Banduras lerntheoretischen Ansatz, in einem Lernprozess, in dem die Familie als Lernkontext, eine entscheidende Rolle spielt. Damit rückt das elterliche Erziehungsverhalten in das Zentrum der Aufmerksamkeit. So gibt es eine enge Korrelation zwischen Erziehungsverhalten und aggressivem Verhalten. Je weniger umsorgend, kümmernd und an den Aktivitäten des Kindes interessiert die Eltern sind, je geringer die Identifikation der Kinder mit den Eltern ausfällt und je mehr Bestrafung als Sanktionsmittel eingesetzt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens (Scheithauer & Petermann, 2004). Näheres dazu im Folgenden Kapitel.

Dennoch lässt sich kritisch anführen, dass Lernen nicht nur als Einfluss von Umwelt verstanden werden kann. Vielmehr kann das Individuum als ein aktiver Organismus angesehen werden, der Lernprozesse selbst initiiert oder eben nicht. Schließlich legen weitere entwicklungspsychologische Untersuchungen nahe, dass es sich bei Aggression nicht allein um ein erlerntes Verhalten handelt, sondern auch der Prozess des „Nicht-Verlernens“ eine Rolle spielt (vgl. Tremblay, 2000).

3.4 Das bio-psycho-soziale Modell

Die vielen verschiedenen theoretischen Erklärungsansätze verdeutlichen, dass sich aggressives Verhalten von jungen Menschen sicherlich nicht nur auf einzelne, isolierte Wirkungsfaktoren zurückführen lässt. Vielmehr stellen sie das Resultat langfristiger Entwicklungsprozesse dar. Häufig bedingen sich vielfältige Faktoren gegenseitig. Am Ende dieses Entwicklungsverlaufs steht aggressives Verhalten. Für die Umgang mit aggressivem Verhalten ist es deshalb von großer Bedeutung, Wirkzusammenhänge zu verstehen. Außerdem kann es im Sinne einer gelingenden Prävention von Gewaltverhalten sinnvoll sein, sich vorangegangene Problemfelder zu vergegenwärtigen, da bereits aus diesen eine relativ zuverlässige Prognose zur Dissozialitätsentwicklung abgeleitet werden kann. Präventive Interventionen an diesen Problemlagen liegen nahe (vgl. Raabe & Beelmann, 2011, S. 88). Bannenberg bezeichnet vor diesem Hintergrund Aggressivität als „ein biopsychosoziales Phänomen“ (Bannenberg, 2009, S. 6). Das biopsychosoziale Modell der Verhaltensentwicklung bietet einen Ansatz zur Erklärung der Entstehung von aggressivem Verhalten und beschreibt die wechselseitigen Verbindungen zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Risikofaktoren für die Entstehung von Gewalt. Anhand dieses Modells lassen sich Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsprozess identifizieren. Es liefert eine umfassende Darstellung der Entstehungsbedingungen aggressiven Verhaltens. Da die vorliegende Arbeit eher einen lerntheoretischen Ansatz zur Erklärung von aggressivem Verhalten verfolgt, wird das Hauptaugenmerk auf dem Bereich der sozialen Risikofaktoren liegen.

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Details

Titel
Gewaltprävention im schulischen Kontext. Theoretische Betrachtung und praktische Umsetzung anhand des Programms FAUSTLOS
Hochschule
Universität Kassel
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
32
Katalognummer
V918495
ISBN (eBook)
9783346233202
ISBN (Buch)
9783346233219
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontext, schulischen, Gewaltprävention, Theoretische, Betrachtung, praktische, Umsetzung, Gewaltbegriff, Mobbing, Sozial, entwicklungspsychologische, Theorien, Aggression, Präventionsarbeit, Instinkttheorien, Freud, Bandura, Frustrations- Aggressions- Hypothese, Dollard, Lernen am Modell, bio-psycho-soziale Modell, Frustration, Aggressivität, Jugendhilfe, Kinderhilfe, Schule
Arbeit zitieren
Luka Löwe-Stura (Autor:in), 2019, Gewaltprävention im schulischen Kontext. Theoretische Betrachtung und praktische Umsetzung anhand des Programms FAUSTLOS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/918495

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Titel: Gewaltprävention im schulischen Kontext. Theoretische Betrachtung und praktische Umsetzung anhand des Programms FAUSTLOS



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