Modellgetriebene Informationsvisualisierung auf Basis einer serviceorientierten Architektur


Diplomarbeit, 2007

142 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG
1.1 Einführung in das Themengebiet
1.2 In der Arbeit behandelte Fragestellungen
1.2.1 Analyse der Bologna-Vorgaben
1.2.2 Modellierung eines Bologna-konformen Studiengangs und eines Informationsvisualisierungmodells mit der MDA
1.2.3 Visualisierung des Studienfortschritts
1.3 Beschreibung des Demonstrators
1.3.1 Formalisierung eines Studiengangs
1.3.2 Selektion einer Visualisierungsmethode
1.3.3 Entwurf und Realisierung des Visualisierungsdienstes
1.4 Gliederung der Arbeit

2 GRUNDLAGEN
2.1 Der Bologna-Prozess
2.1.1 Historie
2.1.2 Zyklen in der Hochschulbildung
2.1.3 European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS)
2.1.4 Modulare Studiumsstruktur
2.1.5 Umsetzung in Deutschland
2.1.6 Qualitätssicherung
2.2 Konstituierende Elemente eines modularen Studienganges
2.2.1 Prüfungsordnung
2.2.2 Modul
2.2.3 Modulhandbuch
2.3 Informationsvisualisierung
2.3.1 Einführung
2.3.2 Interpretation quantitativer Daten
2.3.3 Relevante Einflussfaktoren für eine Visualisierung
2.3.4 Interaktion mit Visualisierungen
2.4 Zusammenfassung

3 STAND DER TECHNIK
3.1 Serviceorientierte Architektur
3.1.1 Merkmale einer serviceorientierten Architektur
3.1.2 Integration von Anwendungen
3.1.3 Präsentationsschicht einer serviceorientierten Architektur
3.2 Modellgetriebene Entwicklung
3.2.1 Modellierung in der MDD
3.2.2 Modellgetriebene Architektur
3.3 Modellgetriebene Visualisierung
3.3.1 Verknüpfung der modellgetriebenen Entwicklung mit der Informationsvisualisierung
3.3.2 Architektur der modellgetriebenen Visualisierung
3.3.3 Einsatz der modellgetriebenen Visualisierung
3.4 Informationsvisualisierung
3.4.1 Darstellen von hierarchischen Informationen
3.4.2 Treemap
3.5 Zusammenfassung

4 Modellgetriebene Informationsvisualisierung
4.1 Anforderungen und Ziele
4.1.1 Anforderungen und Ziele für die Modellierung der Studiengangsstruktur
4.1.2 Anforderungen und Ziele für die Modellierung der Visualisierung eines Studienfortschritts
4.2 Vorgehensweise und angewandte Systematik
4.3 Konzipierte Metamodelle
4.3.1 Metamodell eines Studiengangs
4.3.2 Metamodell der Treemap
4.4 Modell-zu-Modell Transformation
4.5 Modell-zu-Text Transformation
4.6 Zusammenfassung

5 Einsatz der modellgetriebenen Informationsvisualisierung am Fallbeispiel
5.1 Modellierung eines exemplarischen Studiengangs
5.2 Konstituierende Elemente des Studienfortschritts
5.2.1 Modulhierarchie
5.2.2 Modulabhängigkeiten
5.2.3 Leistungspunkte (ECTS)
5.3 Auswahl einer geeigneten Visualisierungsform für den Studienfortschritt
5.3.1 Evaluationskriterien
5.3.2 Evaluationsergebnis
5.3.3 Informationsvisualisierung mit einer Treemap
5.4 Transformation des modellierten Studiengangs auf das Treemap-Modell
5.5 Implementierung des Studiengangfortschritts auf einer
serviceorientierten Architektur
5.5.1 Architektur
5.5.2 Visualisierung des Studienfortschritts auf der Präsentationsschicht
5.6 Zusammenfassung

6 Zusammenfassung und Ausblick

ANHÄNGE

1 EINLEITUNG

1.1 Einführung in das Themengebiet

Im Zuge der Globalisierung und des Wandels der modernen Volkswirtschaften zu Wissens- und Informationsgesellschaften spielt die Bildung eine immense Rolle [KS-UNESCO]. Die Herausforderung, Bildung im staatenübergreifenden Maßstab zu fördern, wird in Europa stark voran-
getrieben. Die am 19. Juni 1999 in Bologna unterzeichnete Deklaration von 29 Vertretern europäischer Länder hat zum Ziel, einen gemeinsamen Hochschulrahmen in Europa zu schaffen [BL-DL]. Es wird in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung der beteiligten Länder eine Konvergenz der Hochschulsysteme durch Reformen der landeseigenen Bildungsstrukturen angestrebt. Dieses Vorhaben hat nicht die Vereinheitlichung oder Standardisierung des Hochschulrahmens zum Ziel, sondern berücksichtigt die wertvolle Diversität der Länder und erhält deren Autonomie im Bildungsbereich weiterhin. Vielmehr soll eine Harmonisierung der Bildungsstrukturen erfolgen.

Diese Harmonisierung wird von den Zielen der Bologna-Deklaration getragen und gemeinhin als „Bologna-Prozess“ bezeichnet. Die Ziele des Bologna-Prozesses reichen von der Vergleichbarkeit der Hochschulabschlüsse, über gestufte Studiengänge, ein Punktesystem zur Verbesserung der Mobilität, hin zu einem europaweiten Qualitätssicherungssystem. Ein Auszug der Ziele ist in Information 1 abgebildet. Aus den vorgegebenen Zielen leiten die beteiligten Länder bildungspolitische Maßnahmen ab und koordinieren das Vorgehen untereinander. So soll beispielsweise ein einheitliches Verständnis über den Aufbau eines Studiengangs dafür Sorge tragen, dass durch hochschul- und länderspezifische Vorgaben die Weiterführung eines Studiums im Ausland nicht unnötig erschwert wird. Doch auch jenseits der politischen Vorgaben sind die Hochschulen dazu angehalten, sich als Akteure der Reform zu verstehen und die Chancen zur eigenen Profilschärfung und zum Aufbau eines internationalen Netzwerkes zu nutzen. Diese verstärkte Profilbildung und die Umsetzung politischer Vorgaben führen zu neuen organisatorischen Anforderungen an den Hochschulen. Einerseits ändern sich die zu verwaltenden Daten, wie zum Beispiel die Einführung von einheitlichen Abschlüssen. Anderseits müssen die Geschäftsprozesse der Hochschulen an die Vorgaben angepasst werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 1: Ziele des Bologna-Prozesses

Die Unterstützung der Geschäftsprozesse erfolgt durch entsprechende Informationstechnologie (IT). Die IT-Systeme setzen sich dabei aus der Hard- und Softwareebene zusammen, wobei die Geschäftprozesse heutzutage hauptsächlich auf der Softwareebene abgebildet werden. Die dazu verwendete Anwendungssoftware wurde entweder von den Hochschulen selbst entwickelt oder von externen Dienstleistern eingekauft. Unabhängig davon, für welche Strategie sich die Hochschulen entschieden haben, wurden Ressourcen gebunden. Um die neuen Anforderungen, die durch den Bologna-Prozess entstehen, systemtechnisch unterstützen zu können, muss die vorhandene Anwendungssoftware entweder angepasst oder neu entwickelt werden. Durch die Bindung von Ressourcen der bereits vorhandenen IT-Systeme ist eine ökonomische Lösung wünschenswert [BB+06]. Eine logische Strukturierung der IT-Systeme erfolgt durch eine Architektur. Als eine vielversprechende Architektur hat sich die serviceorientierte Architektur (SOA) hervorgetan, mit der der Fokus von technischen Details auf die organisatorische Ebene verlagert wird. Mithilfe der serviceorientierten Architektur von Softwaresystemen ist es möglich, neue Funktionalität bereitzustellen und in die vorhandene IT-Systeme zu integrieren [CH+05]. Gleichzeitig ist dies eine Investition in die Zukunft, weil die serviceorientierte Architektur auf offenen Standards basiert und dadurch nicht nur eine Weiterentwicklung der Systeme vereinfacht, sondern auch eine flexible Zusammenschaltung der bereitgestellten Dienste (engl. Services) ermöglicht [Er04]. Im Zuge dieser Arbeit wird eine konkrete SOA-Architektur für einen zusätzlichen Dienst entworfen, um diesen mit einem aktuellen Entwicklungskonzept als einen Baustein auf der serviceorientierten Architektur zu generieren.

Bei diesem Entwicklungskonzept handelt es sich um den Ansatz der modellgetriebenen Entwicklung (engl. Model Driven (Software) Development, kurz MD(S)D). Auch wenn Modellierung bereits einen hohen Stellenwert in der konventionellen Softwareentwicklung eingenommen hat [SV06], geht der Ansatz der MDD über eine informelle Modellierung hinaus und versucht, einen Mehrwert an Produktivität und Qualität durch eine präzisere Spezifikation von Modellen zu generieren. Modelle sind in diesem Fall Abstraktionen eines Systems und der Umgebung, die letztlich auf Software abgebildet werden. In [FR07] wird Quellcode auch als ein Modell bezeichnet, weil er die Lösung für ein Problem auf dem Abstraktionsniveau einer Programmiersprache darstellt. Mit der MDD wird dieses Abstraktionsniveau auf die Ebene der Problemanalyse einer Domäne angehoben. Dadurch können Modelle nicht nur zur Dokumentation einer Anwendungssoftware verwendet werden, sondern für die konkrete Generierung von Softwareartefakten eingesetzt werden [PM06]. Die modellgetriebene Entwicklung wurde von einem

Industriekonsortium namens Object Management Group (OMG) [www-omg] durch die Spezifikation beteiligter Sprachen und Technologien ausgeprägt. Der Ansatz der OMG wird als

modellgetriebene Architektur (engl. Model Driven Architecture, kurz MDA) bezeichnet. Die Erfahrungen mit der MDA sind kontinuierlich gewachsen [GP07]. Diese Arbeit soll ein weiteres Stück zu diesem Erfahrungsgewinn beitragen, indem untersucht wird, wie sich die MDA für die Informationsvisualisierung zur Darstellung komplexer Sachverhalte einsetzen lässt. Hierzu wird die Bereitstellung eines Dienstes auf einer serviceorientierten Architektur angestrebt.

Dieser Dienst wird durch den Wunsch motiviert, Studierenden ein Leistungsangebot jenseits der Lehre bereitzustellen, um sie beim Studium zu unterstützen. Die Ziele der Bologna-Deklaration umfassen unter anderem Instrumente zur Steigerung der Qualität des Studiums. Gleichermaßen werden zur Förderung der Transparenz hinsichtlich der Dokumentation des Studiengangs, des Studienverlaufs und der Prüfungen [HRK-BR2] sowie zur Erhöhung der (internationalen)

Mobilität der Studierenden durch eine standardisierte Datenabschrift der erzielten Leistungen (engl. Transcript of Records) [HRK-BR] weitere Instrumente bereitgestellt. Diese Maßnahmen führen nicht nur dazu, dass Mobilitätsschranken aufgehoben werden, sondern dass die Hochschulen in ihrem Studienangebot und ihrer Organisation transparenter werden. Eine einfachere Vergleichbarkeit der Hochschulen führt zu einem stärkeren Wettbewerb untereinander. Dieser Trend wird sich weiterhin verstärken, womit die Hochschulen in einen Qualitätswettbewerb um die besten Studierenden treten [Le05].

Umso wichtiger ist es für die Hochschulen, ihre Attraktivität über die Lehre hinaus zu steigern. Dies ermöglicht eine weitere Differenzierung im internationalen Wettbewerb. Ein reichhaltiges Dienstleistungsangebot der Hochschulen kann dabei vielerlei Aspekte beinhalten. Diese umfassen beispielsweise die Studierendenverwaltung, die akademische Beratung und die den Studierenden zur Verfügung gestellte Infrastruktur [Le05]. Ein weiterer Punkt hoher Relevanz ist die Unterstützung des Studierenden während seines Studiums durch ein bedarfsgerechtes Informationsangebot zu seinem Studium. Ein Mittel, sich über seinen bisherigen Studienverlauf zu

informieren, bietet eine wichtige Basis für die Planung des Studiums. Besonders an Universitäten wird den Studierenden durch Wahlmöglichkeiten innerhalb ihres Studiengangs die Ausprägung eines individuellen Profils ermöglicht. Eine hohe Auswahl führt zu einer Erhöhung der Komplexität einer visuellen Darstellung und mindert damit die Übersichtlichtkeit. In dieser Arbeit wird eine Visualisierung ausgewählt, die es trotz der Komplexität des Studienangebots einem Studierenden ermöglicht, auf eine intuitive Art und Weise sich einen Überblick über seinen bisherigen Stand im Studium zu verschaffen. Dieses Konzept wird daraufhin dazu benutzt, um einen Softwarebaustein bereitzustellen, der in einer Hochschule eingesetzt deren Dienstleistungsangebot erweitert und somit an der Steigerung der Attraktivität des Studiums beteiligt ist.

1.2 In der Arbeit behandelte Fragestellungen

Das Ziel dieser Arbeit widmet sich der Untersuchung, wie der Ansatz der MDA dabei helfen kann, Visualisierungen von Daten durch grafische Darstellungen zu entwickeln. Grafische Darstellungen, die dem Betrachter einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Muster der zugrunde liegenden Daten vermitteln, sind dem Forschungsfeld der Informationsvisualisierung zugeordnet [Sp00]. Da die Entwicklung von Software in einigen Anwendungsgebieten damit konfrontiert ist, ihren Benutzer beim Verstehen komplexer Sachverhalte in Daten behilflich zu sein, ist es eine interessante Forschungsfrage, wie die MDA mit Informationsvisualisierung sinnvoll verknüpft werden kann [BS+06]. Hierbei sind Abbildungen zwischen den Modellen der Daten und den Modellen für die Informationsvisualisierung inhärent notwendig. Laut [FR07] steckt aber die Forschung für diese Abbildungen in den sprichwörtlichen Kinderschuhen. Deshalb wird in dieser Arbeit dieser Punkt intensiv behandelt. Während das Modell für die grafische Visualisierung als das Ziel der Abbildung fungiert, bedarf es eines Modells als Ausgangsbasis. Hierzu wird das Modell eines Studiengangs an einer Hochschule zugrunde gelegt. Dabei stützt sich das Modell des Studiengangs auf die Vorgaben von Bologna, die sich auf die Modellierung verschiedener Teilaspekte eines Studiengangs niederschlagen. Diese Vorgaben sind somit auf der organisatorischen und juristischen Ebene angesiedelt und bilden den Rahmen, innerhalb dessen die Hochschulen der beteiligten Länder die Ausgestaltung ihres Lehrangebots vornehmen können.

Durch die föderalistische Bildungsstruktur in Deutschland (Kulturhoheit der Länder) unterliegt die Umsetzung der Vorgaben von Bologna einer großen Herausforderung, da die 16 Bundesländer die Anpassung der Landeshochschulgesetze koordinieren müssen. Dazu hat der freiwillige Zusammenschluss der Minister für Bildung, Erziehung, Forschung und kulturelle Angelegenheiten, der auch als Kultusministerkonferenz (KMK) bezeichnet wird, Richtlinien herausgegeben. Da diese Richtlinien vorgeben, wie bestimmte organisatorische und inhaltliche Elemente in Hochschulen umgesetzt werden, auf denen die Visualisierung aufbaut, werden diese im ersten Schritt analysiert.

Solch ein Umgestaltungsprozess auf der Ebene der Hochschulen ist aufgrund der damit verbundenen Komplexität nicht nur eine Herausforderung an die Restrukturierung der organisatorischen Prozesse der Hochschulen, sondern auch an deren technische Infrastruktur. Schließlich ist eine Geschäftsprozessunterstützung durch IT-Systeme unerlässlich, um die Informations-bedürfnisse beteiligter Anspruchsberechtigter (engl. Stakeholder) schnell und zuverlässig zu befriedigen.

An der Universität Karlsruhe (TH) wurde mit dem Projekt "Karlsruher Integriertes InformationsManagement" (KIM) eine Initiative zur Förderung der Exzellenz in der Lehre ins Leben gerufen [www-kim]. Dieses Ziel soll durch Konsolidierung der an der Universität ablaufenden Geschäftsprozesse und der Integration von Diensten aus Lehre, Forschung, Studium, Weiterbildung und Verwaltung realisiert werden [Ma05a]. Zur Umsetzung der übergeordneten Ziel-setzung werden Anwendungsdienste aus den Kategorien Lehrveranstaltungsmanagement, Studienassistenzsystem, Prüfungsmanagement, Mediendienste und -Management bereitgestellt [KIM-MWK]. Als Paradigma zur technischen Realisierung des Vorhabens wird die SOA
verwendet. Damit wird eine äußerst flexible Architektur genutzt, mit der bestehende Altsysteme leicht angebunden und neue Dienste effizient bereitgestellt werden können [Ma05b]. Folglich genießen darauf aufbauende Prozesse eine Investitionssicherheit, weil sie an zukünftige Anforderungen leicht angepasst und erweitert werden können [PT05]. Gleichermaßen werden vergangene Investitionen an die bestehende Infrastruktur ebenfalls geschützt [AC+04].

Ein wichtiges Teilziel des Projekts KIM bezieht sich auf die elektronische Bereitstellung von Studieninformation, -begleitung und -kontrolle [KIM-MWK]. Dieses Vorhaben wird innerhalb des Bausteins „Studienassistenzsystem“ verwirklicht. Damit sollen den Studierenden individuelle Informationen über die jeweilige Prüfungsordnung, über Fristen, Inhalte von Modulen sowie über ihren Leistungsstand im Rahmen des Studienplans zur Verfügung gestellt werden [Ma05a, Rü06]. Zur Ausgestaltung des Studienassistenzsystems fand eine Befragung der Studierenden statt, aus der relevante Informationsbedürfnisse extrahiert wurden [MF+06].

Als einer der wesentlichen Informationswünsche wurde der aktuelle Fortschritt eines Studierenden in seinem Studium identifiziert. Ein Studierender möchte in Echtzeit den aktuellen Stand seines Studiums abfragen können. Dabei interessiert er sich dafür, welche Leistungen er bereits erfolgreich abgeschlossen hat und welche Leistungen noch zu erbringen sind, um seinem
gewünschten Abschluss näher zu kommen. Den Rahmen für sein Studium bilden die Vorgaben aus dem Bologna-Prozess, die jeweils von den Hochschulen konkretisiert und umgesetzt werden. Die Visualisierung des Studienfortschritts muss diese Anforderungen bei der Konzeption berücksichtigen. Gleichermaßen bildet die Infrastruktur von KIM die konkrete technologische Basis für die Realisierung des Dienstes.

1.2.1 Analyse der Bologna-Vorgaben

Die Harmonisierung der heterogenen Hochschullandschaft der am Bologna-Prozess beteiligten Länder wird durch unterschiedliche Maßnahmen ermöglicht. So soll beispielsweise ein einheitliches Verständnis über den Aufbau eines Studiengangs dafür Sorge tragen, dass durch hochschul- und länderspezifische Vorgaben die Weiterführung eines Studiums im Ausland nicht unnötig erschwert wird. Die Anforderungen aus dem Bologna-Prozess stecken somit die Vor-gaben für den Aufbau und Beschreibung von Studiengängen ab und bestimmen somit auch die Prüfungsordnungen an den Hochschulen. Die Prüfungsordnung, die Modulbeschreibung sowie das Modulhandbuch sind wichtige, näher zu betrachtende Bestandteile bei der Bologna-konformen Erstellung eines Studienganges. Deshalb basiert die nächste Fragestellung auf der Begriffbildung der deskriptiven und konstitutiven Studiengangselemente im Hochschulkontext der Universität Karlsruhe (TH).

1.2.2 Modellierung eines Bologna-konformen Studiengangs und eines Informationsvisualisierungmodells mit der MDA

Frankel diskutiert in [Fr03], mit welcher Berechtigung die MDA Vorteile gegenüber konventioneller Softwareentwicklung für sich herausstellt. Beispielsweise ist es auch möglich, mit der objektorientierten Modellierung fachliche Konzepte z.B. durch Vererbung auszudrücken, ohne dabei auf den Ansatz der modellgetriebenen Entwicklung zurückzugreifen. Hierdurch stellt sich die Frage, welche Vorteile es mit sich bringt, die oben besprochenen Vorgaben durch den
Bologna-Prozess zu modellieren. Dieser Frage wird auch in dieser Arbeit nachgegangen, währenddessen [Fr03] bereits zwei Hinweise darauf liefert. Die Benutzung der Vererbung resultiert im Vergleich zur MDA in einer höheren Komplexität und verminderter Flexibilität, da sie zum exponentiellen Wachstum in der Anzahl der Klassen führen kann.

Die Flexibilität der Modellierung äußert sich beispielsweise darin, dass die Abbildung der

Modelle auf technische Konzepte wie die Vererbung zu einem späten Zeitpunkt im Softwareentwicklungsprozess erfolgt, wodurch die die fachliche Ebene nicht unnötig durch technische Aspekte eingeschränkt wird. Als Anforderung an diese Arbeit wird die modellgetriebene

Modellierung auf fachlicher Ebene eines Studiengangs, der auf den Vorgaben aus dem Bologna-Prozess beruht, sowie eines Modells für die Informationsvisualisierung, gestellt. Diese Modelle sind konzeptionell voneinander unabhängig, was die interessante Frage aufwirft, wie sie zweckdienlich verknüpft werden können, um aus einem Datenmodell eine Visualisierung zu generieren. Hierzu müssen notwendigerweise die Modelle genau spezifiziert werden.

Bei der Modellierung in der MDA spielt die Formalisierung eine große Rolle [PM06]. Diese erfolgt auf der Ebene der Syntax und Semantik. Während die Syntax Regeln definiert, welche Elemente existieren und auch ihre Struktur beschreibt, sorgt eine Formalisierung der Semantik dafür, dass die Elemente nur in sinnvoller Konstellation gemäß ihrer Bedeutung im System auftreten dürfen. Die Formalisierung in einer frühen Phase während eines Softwareentwicklungsprozesses bringt enorme Vorteile. Einerseits wird dadurch eine Diskussionsbasis für den

Abnehmer der Software geschaffen. Andererseits lässt sich im Gegensatz zur reinen Dokumentation ein formalisiertes Modell automatisch darauf überprüfen, ob es gemäß bestimmten Regeln erstellt wurde. Weiterhin genießt das Modell den außerordentlichen Vorteil, der auch durch die MDA angestrebt wird, dass eine maschinelle Verarbeitung ermöglicht wird. Modelle können hierbei in andere Modelle überführt werden oder aus ihnen kann nach mehreren Zwischenschritten Quellcode für eine Zielplattform generiert werden. Diese Abbildungen werden im Kontext der MDA als Transformationen bezeichnet [PM06]. Gemäß [FR07] sind Transformationen von Modellen ein aktuelles Forschungsfeld. In dieser Arbeit wird untersucht, welche Vorteile durch die Transformation von Modellen in Verbindung mit der Informationsvisualisierung entstehen. Hierzu werden Transformationen verschiedener Kategorien analysiert: zum einen die Transformation eines formalisierten Studiengangmodells als Abbildung in ein geeignetes Modell für die Informationsvisualisierung und zum anderen die Abbildung des Modells für Informationsvisualisierung auf eine konkrete Plattform.

1.2.3 Visualisierung des Studienfortschritts

Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse aus der Modellierung mit der MDA, die auf den Vorgaben des Bologna-Prozesses fußen, wird ein Konzept zur Visualisierung des Studienfortschritts eines Studierenden erstellt. Die Ausprägungen für die möglichen Studienverläufe werden aus den Vorgaben des Bologna-Prozesses abgeleitet, die sich auf die Vorgaben der durch die Bologna-Deklaration entstandenen Richtlinien stützen. Als Ausgangsbasis für die Visualisierung ist demnach ein Verständnis über den allgemeinen Verlauf eines Studiums, ausgehend von der Immatrikulation bis hin zur Exmatrikulation, notwendig. Die individuellen

Studienverläufe bewegen sich im Rahmen einer Prüfungsordnung für den jeweiligen Studiengang. Diese beschreibt die notwendigen Rahmenbedingungen zur Erlangung des gewünschten Studienziels, auf deren Grundlage Veranstaltungen mit entsprechender Leistungsüberprüfung gewählt werden können. Aufgrund der Fülle der Wahlmöglichkeiten für einen individuellen Studienverlauf wird eine Darstellungsform im Kontext des Projekts KIM gesucht, mit der sich die Visualisierung komplexer und spezifischer Studienfortschritte auf eine kompakte und leicht verständliche Art kommunizieren lässt. Mithilfe der MDA soll diese Visualisierung realisiert werden.

Bevor die Visualisierung des Studienfortschritts realisiert werden kann, ist eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Dienste zur Abfrage der Studierendendaten und der zugehörigen

Prüfungsleistungen auf Basis der technischen Systeme der Universität Karlsruhe (TH) unabdingbar. Innerhalb des KIM-Projektes [www-kim] wurden bereits Dienste für unterschiedliche Geschäftsprozesse wie z.B. Anwendungsdienste für das Prüfungsmanagement realisiert. Als weiteres technisches System zur Unterstützung der Geschäftsprozesse werden an der Universität Karlsruhe (TH) Systeme der Firma Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) [www-his] eingesetzt. Zur Pflege von Prüfungsordnungen und Lehrveranstaltungen kommen konkret die HIS-Module Prüfungs-Organisations-System (HIS-POS) und Lehre-Studium-Forschung
(HIS-LSF) zum Einsatz. Zusätzlich wird noch ein wichtiges Augenmerk auf die verwendeten Technologien von KIM gelegt, um den zu erstellenden Visualisierungsdienst reibungslos

integrieren zu können. Diese Technologien bestimmen die Zielplattform für die Transformationen aus der vorangegangenen Fragestellung.

1.3 Beschreibung des Demonstrators

Die Demonstration der Ergebnisse dieser Arbeit wird anhand eines im Szenario angesiedelten Demonstrators verdeutlicht. Dadurch kann der Mehrwert der elaborierten Ergebnisse anhand eines Beispiels illustriert werden. Dazu wird ein informell beschriebener Studiengang durch ein entsprechendes Modell formalisiert und nach einer Transformation auf ein zweites Modell für die Informationsvisualisierung der Fortschritt im Studium veranschaulicht. Die gesamten Grundlagen und das formale Fundament werden dank des praxisrelevanten Endresultats konkret greifbar gemacht. Als Endresultat wird eine Architektur für die Bereitstellung eines Dienstes, der auf einer SOA eingesetzt wird, um den Studienfortschritt zu visualisieren, konzipiert.

1.3.1 Formalisierung eines Studiengangs

Die MDA setzt für die Realisierung eines Modells zwingend ein sogenanntes Metamodell voraus. Ein Metamodell enthält die Regeln (Syntax) und die Semantik der Elemente des Modells [GP+06]. Da in dieser Arbeit sowohl ein Metamodell für einen Studiengang, der gemäß den Richtlinien des Bologna-Prozesses aufgebaut sein soll, als auch ein Metamodell für eine Anwendung der Informationsvisualisierung erstellt wird, gilt es, die Gültigkeit und Realisierbarkeit der Ergebnisse zu demonstrieren. Hierzu wird ein bereits als Bologna-konform geltender Studiengang modelliert. Für die Modellierung wird das konzipierte Metamodell eingesetzt. Damit wird aufgezeigt, dass die vormals informell beschriebene Studiengangsstruktur und -beschreibung erfolgreich durch das Metamodell realisiert werden kann. Selbstverständlich müssen alle Elemente, die durch die informelle Beschreibung festgelegt werden, mit dem Metamodell abbildbar sein.

Auch zur Demonstration des Metamodells für die Informationsvisualisierung wird ein Modell erzeugt. Hierbei wird die Verbindung des Studiengangs mit der Informationsvisualisierung über eine Transformation genutzt. Das bedeutet, dass als Ausgangsbasis ein Modell eines Studiengangs dazu verwendet wird, das Modell für die Informationsvisualisierung zu erzeugen. Da die Transformation von Modellen ein wichtiges Ziel bei der MDA ist [PM06], wird anhand des oben beschrieben Beispiels verdeutlicht, wie dieses Ziel für die Informationsvisualisierung eingesetzt wird. Anschließend wird durch eine abschließende Transformation Quellcode für eine Plattform generiert, der dazu benutzt wird, eine konkrete Visualisierung zu generieren. Wie die Visualisierung auf der endgültigen Plattform demonstriert wird, wird im folgenden Kapitel beleuchtet.

1.3.2 Selektion einer Visualisierungsmethode

Für die Konzeption der visuellen Abbildung des Studienfortschritts ist ein detailliertes Wissen über den Aufbau von Studiengängen erforderlich. Im Zuge des Bologna-Prozesses wurden Richtlinien zur Beschreibung von Studiengängen erstellt, um die Mobilität von Studierenden und Vergleichbarkeit von Studienleistungen zu vereinfachen. Diese werden einer profunden Analyse unterzogen. Daraus werden deskriptive Elemente eines Studiengangs destilliert, mit denen sich eine möglichst breite Palette von unterschiedlichen Studiengängen an Hochschulen beschreiben lässt. Anhand dieser Elemente findet die Konzeption einer geeigneten Darstellungsform für den Studienfortschritt eines Studierenden statt. Mögliche Darstellungsformen aus dem Bereich der Informationsvisualisierung sind in Information 2 illustriert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 2: Illustration von Visualisierungsmöglichkeiten

Jede Darstellungsform bietet ihre Vorteile. Genauso hat jede Visualisierung ihre Nachteile, die gegen den Nutzen abgewogen werden. Für die Konzeption einer adäquaten Visualisierung werden vorhandene Darstellungsformen evaluiert und gegebenenfalls erweitert. Bei der Auswahl werden die Darstellbarkeit der gewünschten Informationen, die Vermittelbarkeit der Informationen und schließlich technische Rahmenbedingungen berücksichtigt.

1.3.3 Entwurf und Realisierung des Visualisierungsdienstes

Anschließend wird das Konzept zur Visualisierung des Studienfortschritts in einer Softwarekomponente auf der Präsentationsschicht implementiert. Um eine lose Kopplung der Komponente zu gewährleisten, werden die benötigten Datenquellen als Webdienste (engl. Web Services) realisiert. Die Komposition der Visualisierungskomponente mit allen benötigten Webdiensten wird im Folgenden als der (komponierte) Visualisierungsdienst bezeichnet. Der Visualisierungsdienst wird in eine bestehende Dienstlandschaft der Universität Karlsruhe (TH) innerhalb des Projekts KIM integriert. Information 3 stellt in einem Anwendungsfalldiagramm die
„Visualisierung des Studienfortschritts“ im Kontext des Studienassistenzsystems dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 3: Anwendungsfalldiagramm des Studienassistenzsystems

Die Bereitstellung der notwendigen Daten für die Visualisierung des Studienfortschritts wird bereits durch verschiedene Webdienste, die im Projekt KIM betrieben werden, abgewickelt. Weiterhin werden zusätzliche Dienste benötigt, die eine weitere Aufbereitung der benötigten Daten durchführen. Dadurch wird der Forderung nach Trennung der Präsentationsschicht von der Geschäftslogik Rechnung getragen. Der Entwurf der Architektur kann der Information 4 entnommen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 4: Architektur des Visualisierungsdienstes

Die beiden breit umrandeten Dienste werden im Kontext dieser Arbeit realisiert. Gleichzeitig ist aus dem Architekturbild die Einordnung des Visualisierungsdienstes in die KIM-Architektur ersichtlich. Einige Softwarekomponenten, die nicht über eine standardisierte Schnittstelle verfügen, werden mittels Webdiensten bereitgestellt. Dazu zählen insbesondere einige Softwarekomponenten der Firma HIS zur Studierenden- und Prüfungsverwaltung. Die Softwarekomponente "Qualitätssteigerung der Hochschulverwaltung im Internet durch Selbstbedienung" (HIS-QIS) [www-his] stellt Selbstbedienungsfunktionen für Studierende zur Verfügung. Diese und die Komponente zur Studierendenverwaltung werden dazu benutzt, um einen Dienst anzubieten, der überprüft, ob ein Studierender sich zu einem Modul innerhalb seines Studienganges anmelden kann, d.h. ob die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesem Modul erfüllt sind. Schließlich werden diese Informationen mit Zuhilfenahme eines weiteren Webdienstes ExaminationService [Ra06] dazu benutzt, den Studienfortschritt eines Studierenden zu visualisieren. Die Bereitstellung des Visualisierungsdienstes fungiert als der Tragfähigkeitsnachweis der erarbeiteten Lösung.

1.4 Gliederung der Arbeit

Der inhaltliche Aufbau der Arbeit führt den Leser ausgehend von einem hohen Abstraktions- niveau der Problemstellung in einem sich verfeinernden Detaillierungsgrad zu dessen Lösung. Daraus leitet sich auch die Chronologie des methodischen Vorgehens ab. Einleitend wurde im aktuellen Kapitel die Aufgabenstellung motiviert und richtet sich an der folgenden Struktur aus.

Kapitel 2: Grundlagen

In diesem Kapitel wird das Fundament für die behandelte Fragestellung gelegt und Prämissen erörtert. Dazu zählt die Auseinandersetzung mit dem Bologna-Prozess sowie den daraus folgenden Konsequenzen auf die Lösung der Fragestellung. Anschließend werden grundlegende Eigenschaften einer serviceorientierten Architektur eingeführt und in Bezug zu der Arbeit gesetzt. Schließlich wird in diesem Kapitel die Informationsvisualisierung eingeführt und es werden unterschiedliche Visualisierungstechniken von komplexen Datenmengen und Informationsbeziehungen vorgestellt.

Kapitel 3: Stand der Technik

Dieses Kapitel beleuchtet die aktuelle Forschung in den Bereichen serviceorientierte Architektur und Visualisierungstechniken. Als besonders wichtiger Bestandteil des Kapitels wird die modellgetriebene Entwicklung im Hinblick auf Visualisierungen behandelt. Die aufgezeigten Forschungsergebnisse werfen ihre Schatten auf den konzeptionellen Teil der Arbeit in den nachfolgenden Kapiteln voraus.

Kapitel 4: Modellgetriebene Informationsvisualisierung

Die Vorarbeiten in den vorhergehenden Kapiteln werden dazu benutzt, Metamodelle für einen Bologna-konformen Studiengang sowie eine Visualisierungsform aus dem Bereich der Informationsvisualisierung zu konzipieren. Dazu werden Attribute eines Studiengangs analysiert, die sich zur Darstellung des Fortschritts eines Studierenden in seinem Studiengang eignen. Anschließend wird die Verknüpfung der beiden Metamodelle über eine Transformation spezifiziert und eine weitere Transformation auf eine Plattform (hier: Präsentationsschicht einer SOA) erläutert.

Kapitel 5: Einsatz der modellgetriebenen Informationsvisualisierung am Fallbeispiel

Die Konzepte aus dem vorherigen Kapitel werden dazu benutzt, um anhand eines realistischen Beispiels deren Einsatz zu verdeutlichen. Hierzu wird ein Bologna-konformer Studiengang über den Weg eines plattformenunabhängigen Modells der Visualisierung hin zu einer konkreten Visualisierung realisiert. Abschließend wird die Architektur für den Einsatz auf einer SOA aufgezeigt.

Kapitel 6: Zusammenfassung und Ausblick

Das letzte Kapitel fasst die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf weitere Forschungsfragen.

2 GRUNDLAGEN

Dieses Kapitel beinhaltet wichtige Grundlagen, die zum Verständnis dieser Arbeit benötigt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit fußen auf der Basis des Bologna-Prozesses, weshalb dieser in den relevanten Teilen eingeführt wird. Anschließend werden Grundlagen zur Informationsvisualisierung vorgestellt, die für das Verständnis der Softwareentwicklung in diesen
Bereich förderlich sind.

2.1 Der Bologna-Prozess

2.1.1 Historie

Der Grundstein für die größte Harmonisierung des Hochschulwesens in Europa wurde durch die Bologna-Deklaration, an der 29 Bildungsminister europäischer Staaten teilnahmen, im Jahre 1999 gelegt. Diesem Ereignis gingen selbstverständlich eine Menge politischer und struktureller Vorarbeiten voraus, auf der die Bologna-Deklaration aufbaut. Darunter waren die Gründung des ERASMUS-Programms 1987, die Deklaration Magna Charta Universitatum von 326 Universitäten im Jahre 1988 [MCU88] und die Sorbonne-Erklärung [SB-DL] der vier Bildungsminister aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien [HRK-BR]. Jedoch wurde erstmals im Juni 1999 der Begriff „europäischer Hochschulraum“, der die tiefgreifende Reform der Hochschullandschaft einleitete, benutzt. Zugleich wurde ein Zeitrahmen für die Umsetzung der dort beschlossenen Ziele auf das Jahr 2010 festgelegt.

Das übergeordnete Ziel, das in der Sorbonne-Erklärung herausgestellt wird, ist, Europa nicht nur als einen Wirtschaftsraum zu betrachten, der spätestens seit der Einführung des Euro für alle Bürger Europas sichtbar geworden ist, sondern die intellektuelle, soziale und kulturelle Dimension in Europa zu fördern [SB-DL].

Darauf baut die Bologna-Deklaration auf, indem dieses Ziel konkretisiert und mit einem festen Zeitplan versehen wird. Es wird betont, dass die Kompatibilität und Vergleichbarkeit der Hochschulen eine wichtige Schlüsselrolle für die Mobilität der Bürger Europas und für die Entwicklung des europäischen Kontinents darstellt. Mit den sechs Zielen in der freiwillig selbstverpflichtenden Absichtserklärung, die sich von vergleichbaren Abschlüssen über die Steigerung der Mobilität hin zur Sicherung der Qualität erstrecken, wird ein Rahmen zur Harmonisierung der Hochschullandschaft in Europa geschaffen. Die Umsetzung der Ziele sowie die damit verbunden Maßnahmen auf nationaler Ebene werden als der „Bologna-Prozess“bezeichnet. Um die Koordination bei der Durchführung sicherzustellen und um einen Austausch bei den Erfahrungen im Umsetzungsprozess zu fördern, finden zwei-jährliche Treffen der Hochschulminister der beteiligten Länder statt. Mittlerweile hat sich die Gesamtzahl der teilnehmenden Staaten auf 45 erhöht [www-hrk].

2.1.2 Zyklen in der Hochschulbildung

Mit der Bologna-Deklaration wird der Begriff Zyklus für mehrere Stufen in der Hochschulbildung eingeführt. In der ursprünglichen Form wurden zwei Zyklen beschrieben, die mit unterschiedlichen Hochschulabschlüssen beendet werden. Der erste Zyklus mit dem entsprechenden Abschluss wird als undergraduate und der zweite als graduate bezeichnet. Dabei sollte der erste Zyklus eine mögliche Voraussetzung für den zweiten sein. Der zweite Zyklus schloss die Promotion mit ein. Beide Zyklen sollten zu einem berufsqualifiziernden Abschluss führen und gleichermaßen akademischen Anforderungen genügen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 5: Zyklen in der Hochschulbildung

In dem Berliner Kommuniqué von 2003 wird die Einführung eines dritten Zyklus nahegelegt, der die Promotion aus dem zweiten Zyklus herauslöst und somit explizit den dritten Zyklus in der Hochschulbildung repräsentiert [BL-KM]. Dieser Sachverhalt wird in Information 5
grafisch dargestellt. In dem Zusammenhang werden die aufeinander aufbauenden Zyklen auch als gestufte oder konsekutive Studiengängebezeichnet. Die teilnehmenden Länder haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2005 mit der Einführung der konsekutiven Studiengänge begonnen zu haben.

Jede Stufe der der konsekutiven Studienstruktur soll zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führen und dadurch ein flexibles System schaffen [HRK-BR2]. Mit Bachelorwird der erste akademische Abschluss bezeichnet, dem ein drei- bis vierjähriges Studium vorgeschaltet ist. Für die deutschen Bachelor-Studiengänge sind die Abschlussbezeichnungen einheitlich festgelegt. Der Bachelor-Abschluss soll zudem eine grundsätzliche Berechtigung zum Master-Studium verleihen. In einem folgenden Vollzeitstudium von ca. ein bis zwei Jahren bekommt ein Studierender im Falle eines erfolgreichen Abschlusses den akademischen Grad Masterverliehen. Dieser bildet gleichzeitig auch die Voraussetzung für den Eintritt in den dritten Zyklus der Hochschulbildung – die Promotion. In Deutschland wird die Promotion als die erste Phase einer wissenschaftlichen Tätigkeit verstanden [HRK-GL].

Als Hauptgründe für die Einführung von gestuften Studiengängen werden die verkürzte Studiendauer, die sich aus konkreten Vorgaben zu der Arbeitsbelastung bis zum angestrebten Abschluss ergibt, sowie die gesteigerte Mobilität innerhalb Europas angegeben. Durch eine gegenseitige Akzeptanz der Abschlüsse der beteiligten Länder wird somit eine Internationalität eines Studiums begünstigt. Wichtige Instrumente für die Umsetzung dieses Vorhabens sind die Konstituierung eines gemeinsamen Bewertungsschemas und einheitliche Leistungseinheiten.

2.1.3 European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS)

Das anvisierte Ziel der Transparenz für die im Studium erbrachten Leistungen benötigt ein System, um deren Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Dieses System wird in der Bologna-Terminologie als „Europäisches System zur Übertragung und Akkumulierung von Leistungspunkten“ mit der gängigen englischen Abkürzung ECTS (engl. European Credit Transfer and Accumulation System) bezeichnet [HRK-GL]. Hierbei ist es wichtig, den Unterschied zu der ursprünglichen Bedeutung von ECTS (engl. European Credit Transfer System) herauszustellen. Die ältere Semantik steht im Zusammenhang mit dem ERASMUS Studentenaustauschprogramm und wurde zur leichteren Annerkennung von Studienaufenthalten im Ausland benutzt. Es ist das einzige Leistungspunktesystem, das in Europa erfolgreich getestet wurde und wirksam zum Einsatz kommt. Im Zuge des Bologna-Prozesses fand eine Bedeutungsverschiebung hin zur Messung der Arbeitsbelastung statt.

Als Basis für ECTS wird das durchschnittliche Arbeitspensum, das die Studierenden für die Qualifikation in vorgegebenen Bereichen absolvieren müssen, angenommen. Als Abgrenzung zu den in Deutschland üblichen Semesterwochenstunden als Maßeinheit für die Arbeitsbelastung eines Studierenden innerhalb eines Semesters sind die ECTS-Leistungspunkte, die auch allgemein als Leistungspunkte oder Anrechnungspunkte bezeichnet werden, umfassender. Sie beinhalten nicht nur die Zeit, die für den Besuch von Lehrveranstaltungen benötigt wird (Präsenzzeit), sondern versuchen den gesamten anfallenden Aufwand, der für das Studium aufgebracht wird (Selbststudium), zu erfassen. Dazu zählt insbesondere die Vorbereitung für und die Teilnahme an Prüfungen, Praktika, Übungen, Hausarbeiten und die Abschlussarbeit.

Für ein akademisches Jahr wird eine Bemessung mit 60 Leistungspunkten angesetzt [ECTS-GD]. Sie stützt sich dabei auf den Arbeitsaufwand eines Vollzeitstudenten mit ca. 1500 - 1800 Arbeitstunden pro Jahr. Unter Zugrundelegung von 45 Arbeitswochen pro Jahr mit einer
durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zählt somit ein ECTS-Punkt als 25 – 30 Arbeitsstunden.

Als Voraussetzung zur Vergabe von Leistungspunkten gilt ein Nachweis über eine erfolgreich absolvierte Leistungsüberprüfung gemäß den vorher definierten Lernzielen. Zusätzlich zur lokalen Note (in Deutschland „sehr gut“ bis „nicht bestanden“) wird eine ECTS-Note nach dem ECTS-Bewertungsystem gebildet. Das Bewertungssystem basiert auf einer Rangliste durch relativen Bezug der Leistungen eines Studierenden zu einer Gruppe [HRK-BR]. Dieser Sachverhalt wird in Kapitel 2.2.3 genauer erläutert. Um verlässliche Aussagen über die prozentualen Verteilungen zu treffen, wird der Einbezug der vorhergehenden Jahrgänge in die Berechnung empfohlen.

2.1.4 Modulare Studiumsstruktur

Wenn man die konsekutiven Studiengänge als abstrakte Bausteine zur Steigerung der Flexibilität betrachtet, so sind Moduledie konsequente Fortführung dieser Strategie mit kleinerer Granularität. Als Modularisierung wird die Einführung von Modulen bzw. die Umstellung der bisherigen, fächerorientierten Studiumsstruktur auf eine modulare bezeichnet.

Eine Modularisierung der Studienstruktur ist eine Neustrukturierung des bisherigen input-orientierten Ansatzes „Welche Lehrinhalte will ich vermitteln“ hin zu einer output-orientierten Perspektive „Welche Kompetenzen sollen das Ergebnis von Lern- und Bildungsprozessen sein?“ [Ma04]. Der Wandel der Studienstruktur zur serviceorientierten Betrachtungsweise des Lehrangebots ermöglicht den Hochschulen eine Profilierung mithilfe derer sie sich von anderen, in dem stärker werdenden Wettbewerb durch ein fokussiertes Angebot auf ihre Stärken, abgrenzen können. Gleichzeitig kann die Kooperation mit anderen Hochschulen für ein komplementierendes Bildungsangebot sorgen.

Im Zusammenhang mit ECTS stellen die Module sinnvolle Einheiten dar, um die Transparenz auf internationaler Ebene herzustellen. Sie ermöglichen den Vergleich von den zu erbringenden Leistungen in einem definierten Zeitraum mit festgelegten Qualifikationszielen.

2.1.5 Umsetzung in Deutschland

Die Umsetzung der Bologna-Deklaration ist ein Eingriff in die Hochschulbildungslandschaft der beteiligten Länder. Es müssen von den jeweiligen Ländern rechtsverbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um bisherige Strukturen anzupassen. In Deutschland sind an diesem Prozess mehrere staatliche Akteure beteiligt. Ein kurzer Überblick über die relevanten Institutionen macht die Struktur der beeinflussenden Akteure in Deutschland deutlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 6: Organisationsgefüge in Deutschland

Gremien

- Kultusministerkonferenz (KMK)

Der Zusammenschluss der für Bildung, Erziehung, Forschung sowie kulturelle Angelegenheiten zuständigen Minister bzw. Senatoren der Bundesländer trägt die Bezeichnung Kultusministerkonferenz[www-kmk]. Wegen der Kulturhoheit der Länder hat die Kultusministerkonferenz die Aufgabe, einen Konsens der Anspruchsberechtigten zu schaffen, um ein Höchstmaß an Mobilität für die Lernenden (z.B. Studierende, Schüler) zu sichern. Dieses Tätigkeitsfeld findet dementsprechend seine Ausprägung in der Schaffung der Vergleichbarkeit der Zeugnisse und in der Sicherung von Qualitätsstandards in Bildungseinrichtungen. Auch die Anforderungen, die aus dem Bologna-Prozess entstehen, werden im Rahmen von Beschlüssen der KMK als Vorgaben an die Bundesländer auferlegt.

- Hochschulrektorenkonferenz (HRK)

Die Hochschulrektorenkonferenz(HRK) ist laut eigenen Aussagen [www-hrk] die Stimme der Hochschulen gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Sie ist konstituiert durch einen freiwilligen Zusammenschluss der staatlichen und staatlich anerkannten Universitäten und Hochschulen in Deutschland, in denen 98% aller Studierenden in Deutschland immatrikuliert sind.

Zu den Aufgabenfeldern der HRK zählen sowohl die Unterstützung der Mitgliedshochschulen bei Reformen als auch die Vertretung der deutschen Hochschulen im Rahmen der EU-Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Eigens zum Bologna-Prozess hat die HRK die „Service-Stelle Bologna“ eingerichtet, die sich mit einem Informations- und Dienstleistungsangebot für die Interessensgruppen der Hochschulen, Studierenden und Arbeitgeber beschäftigt.

2.1.6 Qualitätssicherung

Ein entscheidendes Ziel der Bologna-Deklaration ist die Schaffung eines Systems zur Qualitätssicherung mit vergleichbaren Kriterien und Methoden. Das teilweise bereits vorhandene Qualitätsmanagement einzelner Hochschulen soll durch eine hochschulübergreifende Qualitätssicherung objektiviert und damit ein modernes und wissenschaftsadäquates Qualitätssicherungssystem etabliert werden [Ho03]. Durch diese Bemühungen soll die Gleichwertigkeit der Abschlüsse gewährleistet und somit die Mobilität der Studierenden gefördert werden.

Zur Sicherung der europaweiten Qualitätsmaßstäbe werden konkrete Angaben zur Ausgestaltung und Begutachtung von Studiengängen begründet. Diese Vorgaben werden in dieser Arbeit aufgegriffen und bei der Ausgestaltung der Ergebnisse berücksichtigt.

Aufbauorganisation des Qualitätssicherungssystems

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Information 7: Struktur der Institutionen für die Akkreditierung

Die Organisation European Association for Quality Assurance in Higher Education (ENQA) bildet die europäische Dachorganisation für Institutionen zur Qualitätssicherung im Hochschulbereich. Sie führte ein Referenzmodell für die Qualitätssicherung ein. Dazu findet eine Zusammenarbeit im internationalen Netzwerk für Qualitätssicherungsagenturen (engl. INQAAHE) statt.

Auf nationaler Ebene übernimmt in Deutschland der Akkreditierungsratdie Struktur- und Prozessverantwortung für das Akkreditierungssystem [www-ar]. Durch die dezentrale Organisation des Akkreditierungssystems in Deutschland hat der Akkreditierungsrat die Aufgabe, andere Organisationen zu akkreditieren. Zurzeit sind sechs Agenturen zertifiziert.

Akkreditierung

Ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung ist die Akkreditierung. Akkreditierung im Hochschulbereich ist ein Verfahren zur zeitlich befristeten Anerkennung eines Studienprogramms oder einer Institution. Die Qualitätsprüfung muss internationalen Mindestanforderungen genügen. Durch den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 in der letzten Fassung vom 22.09.2005 [KMK-LSV] ist die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen obligatorisch. Zusätzlich dazu ist die positive Akkreditierung eines Studien-
programms in der Regel eine Voraussetzung für dessen staatliche Finanzierung.

Bei der Akkreditierung einer Institution wird eine Agentur ermächtigt, das Qualitätssiegel des Akkreditierungsrats im Falle einer positiven Akkreditierung zu verleihen. Der Akkreditierungsrat setzt dabei Auflagen an die Vorgehensweise der Agenturen fest. Die zueinander im Wettbewerb stehenden Akkreditierungsagenturen verpflichten sich, eine transparente und nach objektiven Maßstäben ablaufende Begutachtung der Studiengänge abzuwickeln.

Die Akkreditierung eines Studienprogramms kann entweder einzeln oder zusammengefasst in Form einer Cluster-Akkreditierung durchgeführt werden. Die Begutachtung eines Studienprogramms setzt durch den Akkreditierungsrat verankerte Kriterien an die Qualitätsanforderungen fest. Durch die zeitlich befristete Akkreditierung muss in der Regel nach fünf Jahren eine Re-Akkreditierung durchgeführt werden [HRK-GL].

Durch das zur Qualitätssicherung eingeführte Instrument Akkreditierung werden konkrete Vorgaben für die Erstellung eines Studienganges gestellt. Die Hochschule muss für die Akkreditierung neben einer Selbstdokumentation ein Modulhandbuch für einen Studiengang einreichen. Die Kriterien an dieses Modulhandbuch werden von den Akkreditierungsagenturen erstellt, die sich von den Richtlinien des Akkreditierungsrats ableiten. Gleichermaßen orientieren sich diese Vorgaben an den Richtlinien von [ECTS-GD] und speziell in Deutschland an [KMK-MOD]. Diese Mindestanforderungen werden im Rahmen dieser Arbeit verwendet.

2.2 Konstituierende Elemente eines modularen Studienganges

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Information 8: Struktur und beteiligte Entitäten in einem modularen Studiengang

Zum Aufbau eines modularen Studiengangs gehören wichtige fachliche Entitäten. Einige Entitäten haben eine Entsprechung als Dokument. Andere dienen als gedankliches Konstrukt, das sich auch beim Abbilden auf technische Systeme wiederfindet. Der Zusammenhang dieser Dokumente und Entitäten wird in Information 8 dargestellt und im Folgenden erläutert.

2.2.1 Prüfungsordnung

Im Allgemeinen bezeichnet eine Prüfungsordnungeine oder mehrere Vorschriften zur Durchführung von Prüfungen. Im Kontext dieser Arbeit wird die Betrachtung der Prüfungsordnung auf den Prüfungsrahmen innerhalb von Hochschulen bezogen. Andere Prüfungsordnungen wie beispielsweise für anerkannte Ausbildungsberufe in Deutschland werden ausgeklammert.

Als oberstes Rahmenwerk für eine Prüfungsordnung dient das Hochschulrahmengesetz(HRG) [HRG07]. Es schafft eine bundeseinheitliche Grundlage für das Hochschulwesen in der Bundesrepublik Deutschland. Darin wird die Notwendigkeit einer Prüfungsordnung zur ordnungsgemäßen Durchführung von Prüfungen verankert. Ebenso sieht das Gesetz eine Vereinbarkeit der Regelstudienzeit mit einer konkreten Ausprägung einer Prüfungsordnung vor. Weiterhin sind Schutzbestimmungen für behinderte Studierende und die Elternzeit aufgeführt. In §19 des Hochschulrahmengesetzes wird die Basis für die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen gelegt, indem den Hochschulen die Möglichkeit gegeben wird, Abschlüsse mit Bachelor- und Mastergraden zu verleihen [HRG07].

Aufgrund der Kulturhoheit der Bundesländer bildet das Hochschulrahmengesetz als Bundes-
gesetz einen Rahmen, an dem sich die einzelnen Bundesländer bei der Ausgestaltung der Landeshochschulgesetze orientieren müssen. Darin wird unter anderem geregelt, dass die obligatorische Genehmigung einer Prüfungsordnung an einer dem Landesrecht nach zuständigen Stelle durchgeführt wird. Das Hochschulrahmengesetz wird von den Bundesländern konkretisiert und, soweit es nicht dem Hochschulrahmengesetz widerspricht, an die eigene Bildungspolitik in Form von bundeslandspezifischen Hochschulgesetzen angepasst. Eine Liste der Hochschulgesetze befindet sich in [HRK-HG]. Weitere wichtige Rahmenpapiere im Hochschulbereich bilden die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und Erlasse der in den Ländern zuständigen Ministerien. In den ländergemeinsamen Strukturvorgaben vom 10.10.2003 in der letzten Fassung von 22.09.2005 [KMK-LSV] werden Rahmenvorgaben für die Bachelor- und Masterstudiengänge geregelt, die den Inhalt einer Prüfungsordnung für diese konsekutiven Studiengänge bestimmten.

Im Hochschulbereich existieren weitere Verfeinerungsstufen der gesetzlichen Grundlagen der Bundesländer. Die erste Möglichkeit einer Hochschule ist die Erstellung einer Rahmenprüfungsordnung für die gesamte Hochschule. Diese vereinheitlicht die Anfertigung von individuellen Prüfungsordnungen für jeden Studiengang an dieser Hochschule. Die Erstellung einer Rahmenprüfungsordnung ist allerdings nicht verpflichtend. Einer obligatorischen Genehmigung der Prüfungsordnung kann die Hochschule auch durch die zweite Möglichkeit in Form einer studiengangsindividuellen Prüfungsordnung nachkommen.

Die Prüfungsordnung kann durch die Erlassung von Bestimmungen in Form einer Studienordnung konkretisiert werden. Darin werden Ziel, Inhalt und Aufbau des Studiums von der Prüfungsordnung abgeleitet und detaillierter beschrieben. Zusätzliche Informationen erleichtern die Studienplanung eines Studierenden.

Eine notwendige Eigenschaft der Prüfungsordnung, die bereits durch das Hochschulrahmengesetz vorgegeben wird, ist die Studierbarkeit. Dabei soll bei der Errichtung eines Studienganges auf eine belastungsangemessene Prüfungsorganisation und -dichte geachtet werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass das Veranstaltungsangebot eines Studienganges sowie die dazugehörigen Prüfungen in einem Umfang bereitgestellt werden, die es ermöglichen, das Studium in vorgegebener Regelstudienzeit zu absolvieren. Die Studierbarkeit wird während der Akkreditierung eines Studienganges überprüft. Weiterhin schreibt das Hochschulrahmengesetz vor, die Genehmigung einer Studienordnung zu versagen, wenn diese nicht der Regelstudienzeit von Bachelor- und Masterstudiengängen entspricht [HRG07].

Prüfungen

In [LM05] wurden vier unterschiedliche, generische Eigenschaften für Prüfungen in gängigen Prüfungsordnungen identifiziert.

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Information 9: Eigenschaften von Prüfungen

Pflichtprüfungen sind Prüfungen ohne Freiheitsgrade. Solch eine Prüfung ist einer Erfolgskontrolle zugeordnet, die selbst in der Prüfungsordnung referenziert wird. Folglich ist diese Prüfung von einem Studierenden eines beliebigen Studiengangs, die in der zugehörigen Prüfungsordnung beschrieben ist, obligatorisch abzulegen. Im Unterschied dazu ermöglicht eine Prüfung mit Freiheitsgraden die Zusammenstellung von Prüfungen aus einer vorgegebenen Menge. Diese Prüfungen sind Bestandteile einer in der Prüfungsordnung definierten Gesamtprüfung.

Weiterhin können Prüfungen in der Prüfungsordnung mit Zulassungsvoraussetzungen belegt werden. Eine Prüfung, für die Zulassungsvoraussetzungen definiert wurden, bedarf für eine erfolgreiche Anmeldung eines zuvor erworbenen Leistungsnachweises. Ein möglicher Nachweis ist z.B. die Teilnahmebescheinigung an einer Veranstaltung. Wie in Information 9 zu sehen ist, ist eine Zulassungsvoraussetzung für eine Prüfung fakultativ.

2.2.2 Modul

Die Bologna-Terminologie sieht eine hierarchische Gliederung von Modulen innerhalb der Hochschulen vor [HRK-BR2]. In Information 10 wird dieser Zusammenhang schematisch dargestellt.

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Information 10: Modulhierarchie

Das Metamodulist die größte Einheit und wird synonym zu der Bezeichnung Makromodul gebraucht. Ein Metamodul wird hierbei auf einen kompletten Studiengang abgebildet. Somit kann ein vollständiger Bachelor- oder Masterstudiengang als ein Metamodul bezeichnet werden. Auf der zweiten Ebene der Modularisierung befindet sich das Mesomodul. Es zerlegt das zugehörige Metamodul in zusammengehörige Elemente. Diese Elemente finden eine Entsprechung als Studienschwerpunkte und Studienprogramme innerhalb eines Studienganges. Die letzte Stufe der Gliederung wird mit dem Mikromodul abgeschlossen. Als ein Teil des Mesomoduls fügt es sich als ein Baustein im Sinne des Qualifikationsziels desselbigen ein und beschreibt ein fachwissenschaftlich abgeschlossenes Konstrukt. Der Begriff Mikromodul wird im Bologna-Kontext im Allgemeinen als Modul abgekürzt. Im Folgenden wird der Begriff Mikromodulebenfalls synonym zu Modul gebraucht.

Module werden laut [BLK-MOD] als inhaltlich und zeitlich abgeschlossene Lehr- und Lerneinheiten verstanden. Ein Modul ist sowohl qualitativ durch den Inhalt als auch quantitativ durch Anrechnungspunkte (ECTS) beschreibbar und muss prüfbar sein. Module bündeln damit unterschiedliche Veranstaltungen zu einer Komponente auf eine definierte Weise. Dies erhöht nicht nur die Flexibilität der Studierenden durch die Wahl eines individuellen Curriculums, sondern steigert gleichzeitig die Reaktionszeit der Hochschulen auf organisatorischer Ebene, indem
Module leicht ausgetauscht oder erweitert werden können, da sie in sich abgeschlossene Einheiten darstellen. Der Richtwert für die Dauer eines Moduls beträgt ein Jahr.

Die Definition eines Moduls deutet bereits auf eine wichtige neue Reglung im deutschen Hochschulsystem hin. Die notwendige Prüfbarkeit eines Moduls führt zu einem studienbegleitenden Prüfungssystem. Dadurch wird eine unmittelbare Erfolgskontrolle geschaffen. Als ein wichtiger Grund für die Einführung dieses Systems wird die Aussicht auf geringere Abbrechquoten bei Studierenden genannt. Im Falle eines Abbruchs hofft man, dass dieser früher im Verlauf des Studiums eintritt, weil der Studierende schneller einen Eindruck von den geforderten Leistungen gewinnt. Indem große Block- oder Abschlussprüfungen in kleinere Modulprüfungen zerlegt werden, wird die Prüfungslast gleichmäßiger über das gesamte Studium verteilt und kann zur Reduzierung der Prüfungsangst beitragen [HRK-BR].

Lehrveranstaltungen

Laut dem Glossar zum Bologna-Prozess [HRK-GL] existieren mehrere synonym verwendbare Begriffe für den Terminus Lehrveranstaltung. Lerneinheit, Studieneinheit und Fach können demnach gleichbedeutend benutzt werden. Eine ähnliche Bedeutung wird mit dem Begriff Kursus verknüpft, wobei dieser tendenziell für Veranstaltungen außerhalb des typischen Studienprogramms und Angebots einer Hochschule steht.

Lehrveranstaltungen können in unterschiedlichen Formen auftreten. Sie werden nach didaktischen Gesichtpunkten erstellt. Um ein gemeinsames Verständnis über die Lehrveranstaltungsformen zu fördern, schlägt die Hochschulrektorenkonferenz eine Typisierung vor, die in Information 11 dargestellt ist [HRK-BR2].

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Information 11: Typisierung der Lehrveranstaltungen

Unter einer Vorlesung wird die klassische Referent / Rezipient Aufteilung verstanden. Für gewöhnlich befindet sich ein Dozent in der Rolle des Referenten, der die Lehrinhalte einem größeren Publikum, den Rezipienten, präsentiert. Die Teilnehmerzahl wird auf die Spanne 40 bis 100 Zuhörer gelegt und sollte die obere Grenze im Interesse der Intensivierung des Unterrichts nicht überschreiten. Aus der hohen Anzahl an Teilnehmern ist die Interaktion zwischen dem Dozenten und dem Publikum bei Vorlesungen beschränkt. Eine erhöhte Interaktion bei einem relativ großen Höherkreis wird mit Übungen ermöglicht. Die Teilnehmerspanne wird mit 30 bis 60 beziffert. Unter einer Übung werden auch kleinere Vorlesungen wie z.B. Vertiefungsvorlesungen und kleine Frontalveranstaltungen subsumiert.

Eine Lehrveranstaltung mit einer signifikant höheren Interaktion zwischen dem Dozenten und den Teilnehmern und den Teilnehmern untereinander wird als Seminar bezeichnet. Der Dozent tritt dabei überwiegend in der Rolle eines Mediators auf. Er ist aber auch für die Verteilung der Aufgaben und Steuerung der Diskussion verantwortlich. Die Teilnehmerzahl sollte zwischen 15 und 30 liegen. Ausprägungen von Seminaren nehmen Form an als (laborgebundenes) Pro- seminar, Hauptseminar, Lernwerkstatt, Projektseminar, Lehrforschungsprojekt, Lektürekurs oder methodenbezogene Veranstaltung.

Eine weitere Lehrveranstaltung, bei der der Fokus noch stärker auf die aktive Teilnahme gelegt wird, ist das Praktikum. Mit einer Richtgröße von 15 Teilnehmern liegt das Ziel dieser Lehrveranstaltung in der weitestgehend selbständigen Bearbeitung einer vom Dozenten gestellten Aufgabenstellung. Dabei ist es irrelevant, ob die Teilnehmer einzeln oder in Kleingruppen (Teams) zusammenarbeiten. Ein Praktikum wird über einen nicht genau spezifizierten, jedoch längeren Zeitraum durchgeführt. Eine wichtige Eigenschaft ist ebenfalls, dass das Praktikum als eine interne Hochschulveranstaltung verstanden wird und dadurch hochschulexterne (Industrie-) Praktika nicht in diesem Begriff inkludiert werden. Eine weitere Veranstaltung, die zum Trainieren praktischer Fähigkeiten eingesetzt wird, ist der Kurs. Kurse sind für eine Teilnehmer-
größe von 20-25 Personen ausgelegt. Bei dieser Lehrform muss der Dozent zwar regelmäßig, aber nicht zwingend, anwesend sein, womit sein Vorbereitungsaufwand gering gehalten werden kann. Oft werden Kurse zur Sprachvermittlung eingesetzt.

Ähnlich zu einem Praktikum verhält sich das Kleingruppenprojekt. Aufgaben werden vom Dozenten gestellt, in regelmäßigen Abständen besprochen und zum Abschluss beurteilt. Allerdings wird bei dieser Lehrform die Perspektive stärker auf die Betreuung einzelner Personen oder sehr kleiner Gruppen von 3 bis 5 Personen gelenkt. Insbesondere wird dies unter Beachtung von dieser Veranstaltung untergeordneten Lehrformen deutlich. Darunter fällt sowohl die Abschlussarbeit als auch Einzelunterricht. Darin wird auch die Forderung nach selbständiger wissenschaftlicher Arbeit deutlich. Je nach Studienfach sind jedoch viele unterschiedliche Ausprägungen denkbar. Besonders bei künstlerischen und musischen Fächern ist diese Unterrichtsform günstig.

Unter dem Begriff Sondertypen werden alle anderen Veranstaltungsformen eingeschlossen, die im Rahmen von Bachelor- und Masterstudiengängen auftreten und nicht den oben aufgeführten Lehrveranstaltungen entsprechen wie z.B. Tutorium oder betreutes externes Praktikum.

2.2.3 Modulhandbuch

Die Begriffe Modulbeschreibungen, Modulkatalogund Modulhandbuchwerden häufig synonym benutzt [www-hrk], weshalb zugunsten besserer Lesbarkeit im Folgenden die Termini auch substitutiv gebraucht werden. Das Modulhandbuch dient als ein wichtiges Instrument zur Erlangung von Transparenz der Hochschulstrukturen und Förderung der (nationalen und internationalen) Mobilität der Studierenden. Es sollte in einer einheitlichen Form verfasst sein, um es sowohl den Studierenden als auch den Verantwortlichen für die Anerkennung von Studienleistungen zu ermöglichen, ein detailliertes Bild über einen modularen Studiengang zu erzielen. Zurzeit ist die Struktur des Modulhandbuchs nicht standardisiert [HRK-GL]. Jedoch existieren zwei wichtige Richtlinien, anhand derer zumindest die Minimalvoraussetzungen ermittelt werden können. Die erste Strukturierung wird gemäß eines ECTS-Informationspakets [ECTS-GD] dargelegt und die zweite leitet sich aus den „Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktesystemen und die Modularisierung von Studiengängen“ [KMK-MOD] als Beschluss der Kultusministerkonferenz ab.

Der Zusammenhang von einer Prüfungsordnung und einem zugehörigen Modulhandbuch wird im Folgenden verdeutlicht. Der Justiziar der Hochschulrektorenkonferenz stellt fest, dass
Modulbeschreibungen nicht als Teil der Prüfungsordnung zu betrachten sind und dass die höchstrichterlich als notwendig definierten Prüfungsinformationen in der Prüfungsordnung festzuschreiben sind. Es steht somit der Hochschule frei, eine Prüfungsordnung so detailliert so formulieren, dass sie die Funktion eines Modulhandbuchs erfüllt. Zugunsten der Flexibilität ist es allerdings ratsamer, das Modulhandbuch als Anhang der Prüfungsordnung hinzuzufügen,
da fachorientierte oder organisatorische Änderungen eines Modulhandbuchs häufiger zu erwarten sind als eine Umgestaltung der Prüfungsordnung. Das Modulhandbuch ist jedoch, wie oben festgestellt, kein obligatorischer Bestandteil der Prüfungsordnung.

Modulhandbuch gemäß der Richtlinie der Europäischen Kommission

Zur Förderung der Transparenz, Mobilität und leichter Studienplanung wurde von der Europäischen Kommission eine Checkliste [ECTS-CHK, ECTS-GD] herausgegeben, anhand derer ein so genanntes ECTS-Informationspaketoder ein Veranstaltungskataloggestaltet wird. Für Studierende enthält er sämtliche Informationen, die benötigt werden, um sich ein strukturiertes Bild über einen Studiengang zu machen und für ein bestimmtes Studienprogramm zu entscheiden. Als Zielgruppe dienen demnach nicht nur heimische Studenten, sondern auch Studierende anderer Länder, weshalb der Veranstaltungskatalog sowohl in der Landessprache als auch in der bevorzugten Fremdsprache (z.B. Englisch) verfasst sein sollte [HRK-GL]. Zusätzlich soll Lehrenden der Veranstaltungskatalog helfen, erbrachte Leistungen akademisch anzuerkennen. Die Empfehlung bezüglich der Gliederung des Informationspakets schlägt eine Unterteilung des Dokuments in drei Teile vor.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 12: Gliederung des ECTS-Informationspakets / Veranstaltungskatalogs

Der erste Teil ist eine Selbstdokumentation der Einrichtung. Sie umfasst sowohl eine allgemeine Beschreibung der Institution als auch die Einteilung des akademischen Jahres in beispielsweise Semester oder Trimester. Angaben zu den Zulassungs- und Einschreibungsverfahren sollten ebenfalls beschrieben werden. Des Weiteren sind in diesem Teil die angebotenen und zu einem akademischen Grad führenden Studiengänge aufzuführen. In Deutschland sind die ersten beiden Teile für die Akkreditierung eines Studienganges entscheidend. Insbesondere konkretisiert Teil 2 die empfohlenen Inhalte zur Beschreibung eines Modulhandbuchs. In Teil 3 sind weitere Informationen zum Umfeld der Universität, die insbesondere für Studieninteressenten relevant sind, beschrieben. Insbesondere sind diese Informationen dazu gedacht, für ausländische Studierende einen ersten Überblick über das Studium hinausgehende, aber dennoch unverzichtbare Auskunft zu erhalten und eine Orientierung zu bieten. Dies umfasst unter anderem die Auflistung von Versicherungen und finanziellen Unterstützungen. Studienberatungsstellen und Sporteinrichtungen stellen richtungweisende Quellen für Studierende dar und sollten demnach ebenfalls in diesem Teil des ECTS-Informationspakets erfasst werden. Zur Aufbesserung der Sprachkenntnisse sind mögliche Angebote der Hochschule zu Sprachkursen oder Sprachtandem-Börsen aufzuführen. Nicht zu vernachlässigen sind auch studentische Vereinigungen, die sowohl integrativ wirken können als auch die Möglichkeit bieten sollen, außeruniversitärem Engagement nachzugehen.

Das Modulhandbuch (aus Teil 2 des ECTS-Informationspakets) wird laut [ECTS-GD] in einen allgemeinen Teil (siehe Information 13) und in einen weiteren Teil (dargestellt in Information 14), der die einzelnen Veranstaltungen beschreibt, gegliedert.

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Information 13: Inhalte eines Modulhandbuchs im ECTS-Informationspaket (1)

Im allgemeinen Teil der Beschreibung sollen für jeden Studiengang, der zu einem Bachelor- oder Masterabschluss führt, Rahmenbedingungen und berufsbezogene Angaben bekannt gegeben werden. In prägnanter Form soll eine Charakteristik des Studiengangs erstellt werden. Interessenten können sich auf diese Art leicht einen Überblick über die Inhalte verschaffen und auf fundierter Basis Entscheidungen treffen.

Die erworbene Qualifikation nach erfolgreichem Abschluss des Studiengangs beinhaltet nicht nur die fachlichen Kenntnisse, sondern zielt auf weitere Schlüsselqualifikationen ab. Dazu
gehören Analyse und Vermittlungsfähigkeit, fachspezifische Auslandserfahrungen und Selbständigkeit [HRK-BR2]. Diese Fähigkeiten sollen insbesondere die kommunikativen und sozialen Kompetenzen fördern und damit die Studierenden zur kooperativen Zusammenarbeit im Team unterstützen [HRK-BR]. Angaben dieser Art helfen der für die Anrechnung von im Ausland erbrachten Leistungen zuständigen Stelle, einen leichteren Vergleich zu Veranstaltungen oder Modulen der lokalen Hochschule durchzuführen.

Die allgemeine Beschreibung aus Teil 2 A des ECTS-Informationspakets dient dazu, die Übersicht über einen Studiengang zu gewinnen. In Teil 2 B wird diese Information verfeinert und mit einer detaillierten Beschreibung der Lehrveranstaltungen ergänzt. Wichtig festzuhalten ist, dass im Dokument zur Beschreibung des ECTS-Informationspakets [ECTS-GD] wörtlich von Lehrveranstaltungen die Rede ist und nicht Module zur Beschreibung herangezogen werden. Die Zusammenfassung von Lehrveranstaltungen zu Modulen kann in Teil 2 A unter „Struktur der Lehrveranstaltungen“ erfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 14: Inhalte eines Modulhandbuchs im ECTS-Informationspaket (2)

Die Beschreibungen der Veranstaltungen sollen über die Inhalte des in Deutschland bekannten Vorlesungsverzeichnisses deutlich hinausgehen. Auch das kommentierte Vorlesungsverzeichnis mit Beschreibungen der Veranstaltungen stellt zwar bereits eine Erweiterung des Vorlesungsverzeichnisses dar, genügt aber nicht den Anforderungen im Sinne des [ECTS-GD] in der Tiefe des Informationsangebots.

Die Inhalte bei der Darstellung der Lehrveranstaltungen ist in Form einer Checkliste in Information 14 abgebildet. Diese sind als eine minimale Anforderung zu verstehen und können von den Hochschulen beliebig mit weiteren, nützlichen Informationen angereichert werden. Die beiden Teile des ECTS-Informationspakets zur Beschreibung des Modulhandbuchs müssen nicht zwingend als ein Dokument veröffentlicht werden. Sinnvoll ist eine Aufspaltung, da der zweite Teil zur Beschreibung der Veranstaltungen abhängig von der Einteilung des akademischen Jahres (z.B. Semester oder Trimester) öfter aktualisiert werden muss.

Die Bereitstellung des ECTS-Informationspakets ist eines der wichtigsten Kriterien zur Beantragung des Gütesiegels ECTS-Siegel [ECTS-GD].

Modulhandbuch gemäß der Richtlinie der Kultusministerkonferenz

Die Kultusministerkonferenz hat im Beschluss der „Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung von Studiengängen“ [KMK-MOD] Richtlinien zur Beschreibung eines Moduls festgelegt. Die Anforderungen der Kultusministerkonferenz an die Modulbeschreibungen ist in Information 15 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 15: Beschreibungselemente eines Moduls gemäß KMK

Der erste Punkt dient zur Beschreibung fachlicher Kompetenzen und weiterer Schlüsselqualifikationen, die nach einem erfolgreichen Abschluss des Moduls von dem Studierenden zu erwarten sind. Die Qualifikationsziele sowie die fachbezogenen Inhalte sind nach der Gesamtqualifikation des angestrebten Abschlusses auszurichten. Diese Forderung sorgt für die sinnvolle Eingliederung des Mikromoduls über das Mesomodul in das Metamodul. Zusätzlich zur Aneignung von Fachwissen wurde die Notwendigkeit zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen
erkannt. Sie sollen in Form von methodischen, fachpraktischen und fächerübergreifenden Kompetenzen gelehrt und dementsprechend in die Beschreibung des Moduls aufgenommen werden. Eine Form für die Illustration der Inhalte wird nicht vorgegeben, womit es den Hochschulen freisteht, eigene Regeln zur Standardisierung zu erstellen.

Die Lehr- und Lernformen werden aus den Qualifikationszielen des Moduls abgeleitet und konkretisieren das Modul. Eine Auflistung und Typisierung der Lernformen wurde im Kapitel 2.2.2 des Abschnitts Lehrveranstaltungen vorgenommen. Zwar ist die Wahl der Lernformen nach-
rangig, dennoch ist sie sinnvoll an die zu vermittelnden Inhalte anzupassen. Frontalveranstaltungen können sinnvoll durch Praktika ergänzt werden.

Unter den Voraussetzungen für die Teilnahme werden sowohl inhaltliche als auch formale Kriterien subsumiert. Damit soll der Studierende in die Lage versetzt werden, seine individuellen Kriterien für die Teilnahme zu überprüfen. Folglich werden die Angabe eines Literaturverzeichnisses sowie multimedial gestützte Lehr- und Lernprogramme zur Vorbereitung für die Teilnahme an dem Modul als notwendig erachtet. Falls das Modul sich bereits auf Vorkenntnisse stützt, sind diese als Beschreibung der erwarteten Fähigkeiten und Fertigkeiten anzugeben. Als Verschärfung dieser Regel kann ein Modul die erfolgreiche Teilnahme an anderen Modu-len fordern. Deshalb sollte eine Auflistung der notwendigen, erfolgreich absolvierten Module
erfolgen.

Die modulare Struktur der Studiengänge ermöglicht nicht nur eine erhöhte Flexibilität auf Seiten der Studierenden, sondern verspricht auch die Organisation der Studiengänge zu vereinfachen. Es wird damit die Tatsache begünstigt, ein Modul innerhalb von anderen Studiengängen einzusetzen. Das befähigt die direkte Bezugnahme einer Teilqualifikation in einem Studiengang auf andere Module. Dadurch werden Module nicht nur in den Zusammenhang zu Modulen im gleichen Studiengang gesetzt, sondern es findet eine fachübergreifende Lehre statt.

Erfolgreich abgeschlossene Module bedeuten einen Fortschritt des Studierenden im Studium. Diese Aussage bezieht sich natürlich nicht nur auf die fachlich erworbenen Kompetenzen. Vielmehr akkumuliert der Studierende die für ein Modul festgelegten ECTS-Leistungspunkte. Da der Umfang eines Studiengangs ebenfalls in ECTS-Leistungspunkten festgelegt wird, endet die Akkumulation mit dem Erreichen der formal vorgegebenen Grenze für einen Studiengang. Aus diesem Grund sind Module mit studienbegleitenden Leistungskontrollen versehen. Die Vergabe der Leistungspunkte muss somit an Bedingungen geknüpft werden, die in der Beschreibung eines Moduls mit aufzuführen sind. Die Bedingungen können an die erfolgreiche Teilnahme an einer mündlichen oder schriftlichen Prüfung geknüpft werden. Andere Leistungskontrollen in Form von Semesterarbeiten, Exkursionsberichten, Hausarbeiten, Vorträgen, Referaten, (Labor-)Protokollen, Arbeitsberichten, Projektberichten und Projektpräsentation sind möglich. Es steht den Hochschulen frei, weitere, für das Aufgabengebiet adäquate Prüfungen zu erstellen. In jedem Fall ist Art und Umfang der Prüfung im Modul zu dokumentieren. Etwaige Kompensationsmöglichkeiten für eine zusammengesetzte Modulprüfung sind in der Prüfungsordnung festzuschreiben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 16: ECTS-Notenskala

Leistungspunkte und Noten werden nach einer erfolgreich absolvierten Prüfung vergeben. Die Note stellt die Bewertung der Prüfung dar und ist auf zwei Arten auszuweisen. Die erste Form basiert auf der Grundlage der deutschen Notenskala. Diese reicht von 1 bis 5, wobei 1 die beste und 5 die schlechteste Note repräsentiert. Zusätzlich wird eine so genannte ECTS-Notenskala verwendet. Diese basiert auf einer relativen Bewertung und setzt sich wie in Information 16 dargestellt zusammen.

In diesem Feld einer Modulbeschreibung ist die Anzahl der erworbenen Leistungspunkte im Falle einer erfolgreich absolvierten Prüfung anzugeben. Ebenso wird hier die Zusammensetzung der Note beschrieben, soweit dies nicht bereits in der Prüfungsordnung geregelt wird. Ein Verweis auf die Prüfungsordnung zur Zusammensetzung der Note ist möglich [Ma04].

Eine weitere wichtige Angabe zum Modul ist die Häufigkeit des Angebots. Dabei wird festgelegt, in welchem Zyklus das Modul angeboten wird. Die Periodizität kann nach Belieben gewählt werden, solange die Studierbarkeit des Studienganges (Kapitel 2.2.1) dadurch nicht gefährdet wird. Demnach kann ein Modul jedes Semester, jedes Studienjahr oder in größeren Abständen angeboten werden. Für die Planung eines Studiums stellt diese Angabe eine sehr wichtige Information dar.

Der Arbeitsaufwand ist eine weitere Größe, die der Studiumsorganisation eines Studierenden dient. Demnach ist die Anzahl der Leistungspunkte für das Modul aufzuführen. Ein Leistungspunkt entspricht einer durchschnittlich erwarteten Arbeitslast von 25 bis 30 Stunden. Da die Arbeitslast von der Dauer eines Moduls abhängt, ist diese ebenfalls in die Modulbeschreibung aufzunehmen. Diese Größen beeinflussen im Wesentlichen die Prüfungslast in einem Semester und wirken sich zugleich auf die Mobilität der Studierenden aus.

Gegenüberstellung von KMK-Strukturvorgaben und ECTS-Informationspaket

Durch die Veröffentlichung des Modulhandbuchs wird es einem Verantwortlichen für die Anerkennung von Studienleistungen leichter gemacht, einen Überblick über die an einer anderen Universität erbrachten Leistungen zu gewinnen und sie in den Kontext des Studiengangs des Studierenden einzuordnen. Diese Steigerung der Transparenz erstreckt sich auf alle am Bologna-Prozess beteiligten europäischen Länder.

Wichtig ist, dass diese Veränderung durch Harmonisierung und nicht durch Standardisierung vorangetrieben wird. Deshalb existieren bisher keine zwingenden Vorgaben zur Beschreibung eines Modulhandbuchs, sondern Richtlinien. Eine Richtlinie wird dabei von der Europäischen Kommission des Ressorts „Allgemeine und berufliche Bildung und Kultur“ forciert [ECTS-GD]. Die andere Richtlinie wurde in Deutschland vom Kultusministerium in [KMK-MOD] erlassen. Beide haben zum Ziel, einen Studiengang inhaltlich und strukturell so präzise zu beschreiben, dass sich interessierende Personen (Studierende, Studiengangsverantwortliche, usw.) einen genauen Überblick verschaffen können.

Eine konkrete Empfehlung für die Anwendung einer Richtlinie kann in dieser Arbeit nicht vorgenommen werden, weil die Entscheidung von länderspezifischen Gesetzen und konkreten, hochschulpolitischen Zielen abhängt. Strebt z.B. eine Universität das ECTS-Gütesiegel [ECTS-LAB] an, würde es sich lohnen die Modulhandbücher anhand der Richtlinien von [ECTS-CHK] zu erstellen. Befindet sich eine Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland, sind die Richtlinien der Kultusministerkonferenz [KMK-MOD] zu beachten. Auch die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt die Anwendung der Richtlinien der Kultusministerkonferenz [www-hrk].

Es bleibt festzuhalten, dass die Richtlinien bei der Akkreditierung eines Studiengangs eine Rolle spielen um die Notwendigkeit von Mittelbedarf zu begründen. Laut [HRK-GL] verfolgen die Hochschulen in Deutschland unterschiedliche Strategien. Einige folgen der Struktur des ECTS-Informationspakets. Andere hingegen erstellen die Modulhandbücher nach den Vorgaben der Kultusministerkonferenz. Gleichwohl sollte vor Akkreditierung eines Studiengangs die von der Akkreditierungsagentur empfohlene Struktur angefragt werden, um eine reibungslose Akkreditierung zu ermöglichen.

2.3 Informationsvisualisierung

Dem Benutzer eines IT-Systems komplexe Sachverhalte in Form von grafischen Darstellungen zu visualisieren, ist sowohl eine Herausforderung für die Designer der grafischen Darstellung als auch für die Entwickler der IT-Systeme. Dieses Kapitel behandelt die Grundlagen der Informationsvisualisierung, die relevantes Wissen vermitteln, um einem Softwareentwickler die Basis für effiziente Kommunikation und Verständnis beteiligter Sachverhalte zu liefern. Dafür wird die Terminologie in diesem Bereich eingeführt und wichtige Grundkonzepte beschrieben. Auch wird auf die Schwierigkeiten eingegangen, die bei der Informationsvisualisierung auftreten können. Abschließend werden einige Konzepte betreffend der Interaktion mit konkreten Visualisierungen vorgestellt.

Nach [Br06b] ist Visualisierung die:

„[..] Bezeichnung für die bildliche Aufbereitung, Darstellung und Kommunikation von Informationen sowie für die visuelle Wahrnehmung [..] und Vorstellung. [..]“

Diese Definition umfasst bereits die drei wichtigen Aspekte der Visualisierung für diese Arbeit. Zunächst wird Visualisierung als eine bildliche Darstellung bezeichnet. Das bedeutet, dass es sich bei der Visualisierung um eine Darbietung von Zeichen, Symbolen, Farben und weiteren veranschaulichenden Elementen handelt. Als nächstes wird die Visualisierung als Kommunikation von Informationen betrachtet. Mithilfe von bildgestaltenden Elementen werden demnach Informationen von der Darstellung auf den Betrachter übertragen. Als letzter Punkt ist die visuelle Wahrnehmung entscheidend. Es bedarf demzufolge eines Rezipienten für eine visuelle Darstellung [Ei90].

Insbesondere die Kombination der beiden letzten Punkte trägt zur Bezeichnung „Informationsvisualisierung“ bei. Im Gegensatz zur Darstellung von physischen Objekten, mit der sich die wissenschaftliche Visualisierung beschäftigt, befasst sich die Informationsvisualisierung
(engl. Information Visualization) mit der Veranschaulichung von abstrakten Konzepten [Sp00]. Das folgende Kapitel verschafft, nach einer einführenden Abhandlung der Grundlagen, einen Überblick über diese Thematik.

2.3.1 Einführung

Der Mensch ist mit unterschiedlichen Sinnen ausgestattet, um die Umwelt wahrzunehmen.

Einer der wichtigsten davon ist der Sinn zur visuellen Observation durch das Auge [Br06b]. Täglich ist der Mensch mit einer großen Menge an visuellen Reizen konfrontiert. Diese Reize werden interpretiert und bilden für viele Menschen eine Entscheidungsgrundlage zum aktiven Handeln. Die Verarbeitung der visuellen Reize beim Menschen erfolgt in unterschiedlichen Teilen des Gehirns, wobei die rechte Hälfte (Hemisphäre) des Großhirns eine besonders wichtige Rolle spielt und zum visuellen System gehört [Ri86]. Die Sensorik des Auges sowie die komplexe Topologie unter Beteiligung verschiedener Areale des Gehirns ermöglichen die visuelle Wahrnehmung [Gr01]. Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat visuelle Wahrnehmung eine wichtige Rolle gespielt, wobei sich der Fokus verändert hat. Während früher die visuelle Wahrnehmung dazu benutzt wurde, Nahrung aufzufinden und Feinde (reale Objekte) zu entdecken, wird sie in unserer Zeit zusätzlich zur Übermittlung von Wissen (abstrakte Konzepte) benutzt.

Sowie die Verarbeitung realer, visueller Objekte beim Menschen zu illusionären Effekten führen kann [Di06], ist die visuelle Wahrnehmung mitsamt der Verarbeitung im Gehirn von ab-strakten Konzepten nicht minder komplex und kann mit Hilfsmitteln unterstützt werden.
In [No94] wird sogar die Mächtigkeit des menschlichen Gehirns ohne externe Hilfsmittel als überbewertet angesehen. Ohne beispielsweise die Möglichkeit, Gedanken auf einem Stück
Papier zu strukturieren, Beweisketten niederzuschreiben oder Notizen als Gedächtnisstützen zu benutzen, wäre die kognitive Leistung des Menschen stark eingeschränkt. Allerdings ist der Intellekt des Menschen äußerst flexibel und anpassungsfähig. Dies äußert sich z.B. in Kompensation der dargestellten Mängel durch das Erfinden und die Benutzung von externen Hilfsmitteln. Durch diese externe Unterstützung der Gedankenstrukturierung und des Gedächtnisses wurde die kognitive Leistung enorm gesteigert. Die Informationsvisualisierung wird als ein externes Hilfsmittel zur Steigerung der kognitiven Leistung angesehen [CM+99, Sp00].

Zur Illustration dieser Aussage wird das Kopfrechnen angeführt. Es handelt sich um eine mentale Aktivität, die jedem Mensch geläufig ist. Als Beispiel lässt man nun eine Person zwei zweistellige Zahlen im Kopf multiplizieren, wie z.B. 81 * 61, und protokolliert die Dauer dieses Vorgangs. Danach wiederholt man das Experiment mit einem anderen Paar Zahlen, wobei bei diesem Versuch der Proband einen Stift und Papier zur Verfügung gestellt bekommt und nun die Berechnung nicht mehr im Kopf durchführen muss. Bei den Experimentergebnissen aus [CM+99] wurde festgestellt, dass das Kopfrechnen etwa fünf Mal länger dauert als die Berechnung auf dem Papier. Als Erklärung wird angeführt, dass nicht die Multiplikation an sich schwierig ist, sondern das Memorieren der Teilergebnisse. Diesem Problem trägt die Multiplikation auf einem externen Hilfsmittel, dem Blatt Papier, Rechnung. Indem Zwischenergebnisse aufgeschrieben und untereinander anhand ihrer dezimalen Wertigkeit ausgerichtet werden, wird eine visuelle Adressierungsstruktur aufgebaut, die die visuelle Suche der Teilergebnisse minimiert und dadurch die Rechengeschwindigkeit erhöht. Somit wird die mentale Aufgabe des Erinnerns in eine externe, visuelle Suche und das Schreiben transformiert und damit die kognitive Leistung des Menschen gesteigert.

Eine wichtige Klasse der visuellen Hilfsmittel stellen die grafischen Darstellungen dar [CM+99]. Diese externen Hilfsmittel umfassen alle Arten von Visualisierungen und dienen zwei unterschiedlichen Zwecken. Der erste Zweck ist die Kommunikation von Ideen. Dadurch lassen sich Gedanken und Vorstellungen mit einer hohen Informationsdichte kompakt vermitteln. Das Zitat von Kurt Tucholsky bringt es auf den Punkt:

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“

Auch in der Wissenschaft sind visuelle Hilfsmittel zur Darstellung von komplexen Sachverhalten beliebt, weil mithilfe von Schaubildern, Diagrammen, Graphen und anderen Darstellungsmöglichkeiten Ideen datenverdichtend und komplexitätsreduzierend veranschaulicht werden können. Der zweite Zweck beim Einsatz von visuellen Hilfsmitteln ist die Ideenfindung.

Dadurch können beispielsweise mathematische Formeln in einer Darstellung als Graph dazu benutzt werden, den Übergang vom abstrakt Berechenbaren zur Struktur- und Mustererkennung zu ermöglichen. Der Wechsel der Darstellungsformen kann dabei hilfreich sein, unterschied- liche Perspektiven auf ein Problem einzunehmen und somit erkenntnisgewinnend wirken. Für diese Arbeit ist vor allem der erste Zweck der visuellen Darstellung entscheidend, indem die graphische Darstellung dazu benutzt wird, einen abstrakten Zusammenhang zu kommunizieren.

Daten und Information

Bei der Visualisierung ist es sinnvoll, eine Unterscheidung zwischen den zugrunde liegenden Daten und der Information zu treffen [Sp00]. Nach [Br05] sind Daten:

„[..] aus Beobachtung, Messungen, statist. Erhebungen u.a. gewonnene (Zahlen-)Werte [..]“

und

„zur Darstellung von Informationen dienende Zeichenfolgen [..]“

Zum direkten Vergleich sei im Folgenden die Definition von Informationangefügt [Br06a]:

„[..] für die Übermittlung und Aneignung »in Form gebrachtes« Wissen, wie Mitteilungen, Nachrichten, Messwerte, Daten, i. Allg. zur Beseitigung einer Ungewissheit.[..]“

Durch gegenseitige Bezugnahme der Begriffsdefinitionen ist ein enger Zusammenhang erkennbar. Demnach werden Daten benutzt, um Information darzustellen und Information ist Wissen, das in einer bestimmten Form vorliegt. [Sp00] sieht die Abgrenzung der beiden Begriffe darin, dass Daten die Grundlage für Information darstellen. Gleichzeitig stellt Information das Gewinnen von Erkenntnis aus den zugrunde liegenden Daten dar. Deutlicher wird diese Unterscheidung, wenn man sich eine Sammlung von Daten, z.B. Messwerte der Temperatur eines Ortes in bestimmten Intervallen über einen längeren Zeitraum, betrachtet. Diese können einfach als aneinander gereihte Zahlenkolonnen vorliegen. In [GZ06] werden Informationen darüber, wie man Daten interpretiert, als Wissen bezeichnet. Weitere Beispiele von Daten sind der Information 17 zu entnehmen. Möchte man nun aus diesen Daten Erkenntnisse ziehen und durch die Daten „informiert“ werden, um eine mögliche Klimaänderung zu erkennen, so wird man die vorhandenen Daten aufbereiten. Durch graphische oder statistische Verfahren lassen sich nun Informationen ableiten. In Anbetracht dieses Unterschieds wird auch deutlich, dass die heutzutage diskutierte Informationsexplosion eigentlich eine Datenexplosion ist. Das Ableiten der Information aus vorliegenden Daten zur Steigerung von Verständnis oder Gewinnung von Einsicht aus Daten ist nicht trivial und kann mithilfe von Visualisierungswerkzeugen vereinfacht werden.

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Information 17: Beispiele für Daten

Aus dem Unterschied zwischen Daten und Information erwächst auch die Abweichung der wissenschaftlichen Visualisierung von der Informationsvisualisierung. Obwohl beide Forschungsfelder Überlapplungen beinhalten, beschäftigt sich die wissenschaftliche Visualisierung mit der Visualisierung von physischen Objekten. Diese werden anhand von Daten beschrieben und mit dem Einsatz von Computern soweit transformiert, bis sie in der gewünschten Repräsentation vorliegen, um sie darstellen zu können. Typische Transformationen für die wissenschaftliche Visualisierung sind geometrische Transformationen wie Translation, Rotation und Skalierung, die topologische Transformation wie die Konversion eines Bildes zu einem unstrukturiertem Raster, die Transformation von Attributen wie das Ändern oder Hinzufügen neuer Attribute und zuletzt eine Kombination aus den drei genannten [HJ04]. Die Anwendungen der wissenschaft- lichen Visualisierung umfassen unter anderem Volumenvisualisierung, medizinische Visualisierung und Verktorfeldvisualisierung [BE+05]. Das Ziel der Informationsvisualisierung ist die Repräsentation von abstrakten Konzepten, damit der Mensch Zusammenhänge und Beziehungen der zugrunde liegenden Daten durchdringt. Ein typisches Merkmal von abstrakten Konzepten ist das Fehlen einer räumlichen Ausdehnung und einer natürlichen, physischen Abbildung, wodurch eine Schwierigkeit zur Abbildung auf ein Darstellungsmedium entsteht. Beispiele für Informationsinhalte finden sich in Information 18.

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Information 18: Beispiele für Informationsinhalte

Bevor Informationen dargestellt werden können, ist es notwendig, sich mit den Daten auseinanderzusetzen, auf denen die Informationen aufbauen. Daten können auf unterschiedlichen
Skalenniveaus abgebildet werden [Sp00]. Die Betrachtung der Skalenniveaus bei der Erhebung von Daten ist sehr wichtig, weil sie unterschiedlichen Informationsgehalt aufweisen. Zusätzlich determiniert das Skalenniveaudie anwendbaren Operationen auf den Daten. Dies bestimmt auch die erlaubten Transformationen der Daten. Eine Auflistung der gängigen Skalenniveaus befindet sich in Information 19. Bevor Transformationen der Daten für die Visualisierung konzipiert werden, ist es unabdingbar, sich Gedanken über die Legitimation der verwendeten Operationen zu machen. Aufgrund dessen ist es beispielsweise nicht erlaubt, numerische Kategorien von Daten auf dem Oridnalniveau zu bilden, die daraufhin zur Berechnung des Mittelwerts eingesetzt werden. Die Anwendung von unerlaubten Operatoren auf einem Skalenniveau macht das Ergebnis ungültig.

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Information 19: Skalenniveaus

Beim Umgang mit Daten und Information gilt es weiterhin, drei Aspekte zu berücksichtigen. Wenn es um die Beachtung von strukturellen Eigenschaften geht, spricht man von der Syntax. Dabei spielt beispielsweise die Anordnung von Elementen eine Rolle, und es handelt sich im weitesten Sinne um grammatische Regeln einer (formalen) Sprache [Br06a]. Beim zweiten
Aspekt handelt es sich um die Semantik, die den Bedeutungsinhalt darstellt. Der letzte Aspekt beschreibt den Wert der Information für den Empfänger. Dieser wird als der pragmatische
Aspekt bezeichnet.

Damit ein Mensch rational Entscheidungen treffen kann, benötigt er Information, die für ihn einen Wert besitzt. Das Gewinnen von Information aus den zugrunde liegenden Daten ist keine triviale Aufgabe. Daten können unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, die die Informationsgewinnung erschweren. Sie können in großen Mengen vorliegen, so dass der Überblick nicht sofort ersichtlich ist, oder in einer Darstellungsform oder Struktur existieren, die eine Auswertung erschwert. Weiterhin können Daten inhomogen sein, wie es in der realen Welt nicht unüblich ist. Als Beispiel lässt sich der Kauf eines Hauses nehmen. Als Präferenzen kann sich der Käufer eine gewisse Attributmenge aufstellen, die das optimale Kaufobjekt beschreiben. Dazu gehören möglicherweise der Kaufpreis, die Lage und die Größe der nutzbaren Fläche. Bereits das Füllen des Inhalts für das zweite Attribut wird dadurch erschwert, dass die Lage sehr unterschiedlich beschrieben werden kann. Um nun eine Entscheidung aus den gesammelten Daten treffen zu können, müssen diese geeignet aufbereitet werden. Die Vorgehensweise, die anhand des Beispiels exemplarisch dargestellt wurde, ist typisch. Oft steht zu Beginn eine Aufgabe, die erfüllt oder ausgeführt werden muss. Dazu müssen Daten gesammelt oder sich im Zugangs- bereich des Akteurs befinden. Es gilt daraufhin, Erkenntnisse aus diesen Daten zu ziehen, die folglich die Information darstellen, aufgrund derer die Aufgabe erfolgreich durchgeführt wird.

Was bedeutet Informationsvisualisierung?

Die Motivation für Informationsvisualisierunglässt sich sehr gut aus folgendem Beispiel ableiten. Man stelle sich vor, über eine Menge von numerischen Daten oder Modelle von physischen Objekten zu verfügen. Man hat eine Vermutung, dass die Daten Beziehungen enthalten oder versteckten Regeln folgen. Nun stelle man sich vor, auf eine graphische Darstellung der Daten zu blicken, die plötzlich zu einem Erkenntnisgewinn (einem „Aha“-Effekt) führt. In diesem Augenblick hat man bestimmte Regelmäßigkeiten durchdrungen und eine Einsicht in die Datencharakteristika erhalten. Dieses Ziel verfolgt die Informationsvisualisierung.

Dafür baut die Informationsvisualisierungauf graphischen Darstellungen von Daten als Hilfsmittel auf. Graphische Darstellungen ermöglichen die Erweiterung der kognitiven Leistung des Menschen durch den Einsatz von externen Hilfsmitteln [No94]. Die Erhöhung des Leistungspotentials kann dazu benutzt werden, Ideen zu entwickeln und zu verbessern. Ein weiteres Einsatzgebiet liegt in der Vermittlung von Ideen, Gedanken und Vorstellungen. Durch den Einsatz von geeigneten Visualisierungen werden Menschen in die Lage versetzt, mit riesigen Mengen von Daten zu interagieren und darin enthaltene Muster zu entdecken [GE+98]. Um genau dieses Verstehen von Beziehungen in Daten geht es in der Informationsvisualisierung. Nach [Sp00] ist Informationsvisualisierung die Erzeugung eines internen (mentalen) Modells von Daten, die in einem Menschen durch das Betrachten einer Visualisierung ausgelöst wird.

Insbesondere in Informations- und Wissensgesellschaften mit ausgeprägtem Tertiärsektor spielt der Umgang mit Informationen eine wesentliche Rolle. Komplexe Zusammenhänge müssen effizient kommuniziert werden, damit bereits erarbeitete Erkenntnisse weitergegeben werden können. Obwohl die Vermittlung von Information heute einen großen Stellenwert einnimmt, liegt der dokumentierte Anfang von Informationsvisualisierung weit in der Vergangenheit.

Bereits 1786 veröffentlichte Sir Edward Playfair die Publikation „Commercial and Political Atlas“, die einen wesentlichen Durchbruch in der graphischen Präsentation darstellt [Ch06]. Der bedeutende Beitrag liegt in der Nutzung einer räumlichen Darstellung, um nicht räumliche, quantitative und empirische Daten zu veranschaulichen.

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Information 20: Sir Edward Playfairs Visualisierung der Besteuerung

Mit der Darstellung in Information 20 verfolgte Sir Edward Playfair das Ziel, anhand der zu seiner Zeit existierenden Reiche aufzuzeigen, dass die Bevölkerung im Britischen Reich viel zu hoch besteuert wurde. Dabei stellt die linke Strecke jeder Abbildung die proportionale Größe des Bruttosozialprodukts dar. Die rechte Linie ist proportional zu den Steuereinnahmen des Reiches. Über die Fläche der Kreise wird in der Literatur keine Aussage getroffen. Mit der gestrichelten Linie sorgt die Darstellung für den beabsichtigten „Aha“-Effekt. Es wird damit deutlich gemacht, dass die Steuereinnahmen zur Bezugsgröße des Bruttosozialprodukts im Britischen Reich sehr hoch sind. Diese Aussage wird mit der Steigung der gestrichelten Linie, die in jeder Abbildung die beiden vertikalen Strecken verbindet, ausgedrückt. Hierbei ist es auch interessant zu bemerken, wie ein abstraktes Konzept, nämlich die „zu hohe Besteuerung“, bildlich umgesetzt wurde.

Durch solche Darstellungen setzte Sir Edward Playfair einen wichtigen Meilenstein in der Darstellung nicht räumlicher Daten, die keine direkte, natürliche Entsprechung in der realen Welt haben. Die Darstellungen wurden in Papierform publiziert. Daraus wird ersichtlich, dass der Einsatz von Computern zur Informationsvisualisierung nicht notwendig ist. Viele der Konzepte zur Informationsvisualisierung werden allerdings bei der Informationsvisualisierung mithilfe von Computern benutzt. Zusätzlich ermöglichen Computer eine Erweiterung des Einsatzes für die Darstellung von Informationen. Dies äußert sich darin, dass mit dem Einsatz von Computern eine Interaktion des Benutzers mit der Darstellung realisierbar wird. Für den Benutzer wird damit eine Möglichkeit geschaffen, Daten zu erforschen [St98].

Das Erforschen von Datenmit dem Ziel, daraus Informationenzu ziehen, wird durch Visualisierungswerkzeuge ermöglicht. Visualisierungswerkzeuge stellen intuitive Orientierungshilfen und Navigationstechniken bereit. Damit lassen sich dem Benutzer komplexe Informationsräume darstellen. Ein Informationsraum besteht dabei entweder aus einem geometrischen Modell physischer Objekte oder einem symbolischen Modell von Daten, die nicht direkt das Erscheinungsbild von Objekten darstellen [St98]. Die Erweiterung eines Informationsraums auf einen komplexen Informationsraum bezieht sich dabei auf die Eigenschaften der Daten. Wenn sie in einer großen Menge vorhanden sind und deren Struktur heterogen ist, spricht man von einem komplexen Informationsraum. Mit Werkzeugen für Informationsvisualisierung lassen sich komplexe Informationsräume erforschen, indem wichtige Merkmale der zugrunde liegenden Daten visualisiert werden. Auch bei der Darstellung von komplexen Ergebnissen einer Anfrage auf großen Datenmengen, um wichtige Beziehungen in den Daten zu erkennen, werden Werkzeuge für Informationsvisualisierung eingesetzt.

Sowohl die werkzeugunterstütze Informationsvisualisierung als auch die bloße Kommunikation abstrakter Sachverhalte mit statischen Diagrammen und Schaubildern findet sich in vielen Anwendungsbereichen wieder. In [Ch06] werden als Anwendungsgebiete Information Retrieval zur Informationssuche in wenig strukturierten Datenbeständen, digitale Bibliotheken für die Bereitstellung von Literatur in digitaler Form und Mensch-Maschine-Interaktion zur Realisierung und Gestaltung der Interaktion von Menschen mit rechnergestützten technischen Systemen genannt. [HJ04] nennt Data Mining für das Durchsuchen großer Datenbestände und Erkennen von Wissenszusammenhängen und die Visualisierung großer Netzwerke als weitere Anwendungsgebiete. Weitere Verwendung von Informationsvisualisierung wird in [GE+98] beschrieben. Als Einsatzgebiete werden die Visualisierung von Dokumenten in elektronisch vorliegender Form und die Darstellung von Informationen, die aus dem World Wide Web (WWW)

gewonnen werden, genannt. Auch zur Unterstützung der Softwaretechnik wird ebenfalls Informationsvisualisierung eingesetzt [EG+02, HE+06, VL+07]. Es werden dabei sowohl Änderungen der Software visualisiert als auch die visuelle Darstellung von Softwareerstellungsprozessen. Ein weiteres Einsatzgebiet der Informationsvisualisierung findet sich in der Wirtschaft. Entscheidungsvorgänge des Menschen zur Lösung von Problemen können durch Visualisierung unterstützt werden [Zh01].

2.3.2 Interpretation quantitativer Daten

Für die Darstellung von Information oder auch in der wissenschaftlichen Visualisierung werden Daten benötigt. Diese Daten beschreiben die darzustellenden Informationen. Die Beschreibung der Daten enthält also Merkmale in Form von Attributen – oder allgemeiner auch als Variablen bezeichnet. Aus der Anzahl der Variablen wird ein mehrdimensionaler Darstellungsraum aufgespannt. Abhängig von dem Skalenniveau der Variablen ließe sich damit sofort eine Visualisierung realisieren, indem ein kartesisches Koordinatensystem für die Visualisierung eingesetzt werden würde. Das Problem dabei ist, dass die Interpretation solch eines mehrdimensionalen Koordinatensystems, das auch mehr als zwei beschreibenden Variablen besteht, für den Betrachter anstrengend ist [Sp00]. Deswegen wird im Folgenden darauf eingegangen, was die Herausforderung beim Umgang mit Daten, die durch ein oder mehr Attribute beschrieben werden, ist und wie man dieser Herausforderung begegnen kann.

Dimensionalität

Die Dimensionalitätvon Daten bezeichnet die Anzahl der Variablen, durch die die Daten beschrieben werden. Bei Daten mit genau einer Variablen, wie z.B. einer Liste mit Automarken mit zugehörigem Kaufpreis, spricht man von univariaten Daten. Wird diese Liste um ein Attribut erweitert, werden die Automarken durch bivariate Daten beschrieben. Beim Hinzufügen einer weiteren Dimension werden die Daten als trivariate Daten bezeichnet. Daten mit mehr als drei Dimensionen werden unter dem Sammelbegriff hypervariate Daten zusammengefasst [Sp00].

- Univariate Daten

Das Visualisieren von univariaten Datenist eine vergleichsweise einfache Aufgabe [Sp00]. Am Beispiel eines Autokaufs lassen sich univariate Daten illustrieren. Hierbei wird einem (betrachteten) Auto über eine Funktion

funi : Auto à Preis

eindeutig der Preis zugeordnet. Die Menge an Autos lässt sich daraufhin beispielsweise in einer Tabelle (nach Preis sortiert) ausgeben. Eine weitere Möglichkeit ist das Abtragen der Preise auf einem eindimensionalen Koordinatensystem. Als zusätzliches Informationsmerkmal, bei genügend vorhandenem Darstellungsraum, könnte durch das Annotieren der Preise mit den Elementen aus der Menge Auto erfolgen. Bereits diese Einstellung enthält für den Betrachter nützliche Informationen. Dabei bilden die beiden äußersten Punkte jeweils das Minimum und Maximum der Preise. Zusätzliche Information lässt sicht durch das Einführen weiterer grafischer Darstellungen bereitstellen, indem beispielsweise der Median und so genannte Ausreißer eingezeichnet werden. Diese Darstellung wird auch als Box Plots bezeichnet. Eine andere Darstellung für univariate Daten entsteht durch die Einteilung der Preise in gleichmäßige Bereiche. Diese Bereiche lassen sich daraufhin als ein Histogramm visualisieren. Eine Übersicht über andere Darstellungsformen für univariate Daten ist in [Sp00, CM+99] zu finden.

- Bivariate Daten

Der traditionelle Ansatz zur Darstellung bivariater Datenist die Darstellung auf einem kartesischen Koordinatensystem, das auch als Streudiagramm bezeichnet wird [Sp00]. Natürlich lassen sich viele Darstellungsarten für univariate auf bivariate Daten übertragen, indem bei den bivariaten Daten für jedes festgehaltene Attribut auf einer Achse die Darstellungsform für univariate Daten verwendet wird. Damit lassen sich beispielsweise mehrere Box Plots in ein Diagramm einzeichnen und bieten durch direkten Vergleich zusätzliche Information, wie beispielsweise den Vergleich der Mediane. Auch lassen sich in Streudiagrammen Trends identifizieren. Im Beispiel des Autokaufs kann man sich ein Streudiagramm vorstellen, auf dem auf der einen Achse die Leistung des Motors in Watt und auf der anderen Achse der Preis abgetragen ist. Falls eine ausgeprägte Korrelation / Beziehung zwischen beiden Variablen besteht, werden die Daten Formen annehmen, die visuell einen Trend erkennen lassen. Auch das aus der Darstellung von univariaten Daten bekannte Histogramm lässt sich für bivariate Daten erstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 21: Dynamisches Histogramm bivariater Daten

In Information 21 sind im oberen Teil zwei Histogramme für jeweils ein Attribut abgebildet. Im unteren Teil werden beide Attribute in ein Histogramm eingezeichnet. Für den Unterschied beider Attribute wird eine Farbkodierung verwendet. Dabei wird dem Betrachter die Beziehung der beiden Attribute offenbart. Der Einfluss eines Attributs auf das andere wird jeweils durch die beiden unteren Diagramme verdeutlicht. Dafür werden Daten von Attribut A mit einem Schieberegler (unter dem Diagramm) ausgewählt und Instanzen mit diesen Attributen im Histogramm des Attributs B verteilt angezeigt und farblich hervorgehoben.

- Trivariate Daten

Da wir in einer, räumlich betrachtet, dreidimensionalen Welt leben, liegt die Vermutung nahe, dass die dreidimensionale Darstellung von Daten besonders natürlich und deshalb die ideale Darstellungsform wäre. Obwohl das für die Anwendung im Kontext der virtuellen Realität zutrifft, erwächst das Problem speziell daraus, dass ein dreidimensionaler Raum auf eine zweidimensionale Repräsentation abgebildet wird [Sp00]. Obwohl eine dreidimensionale Darstellung einen zusätzlichen Freiheitsgrad bietet, kann sie verwirrend sein und zu einem schwierigeren Verständnis führen [Ch06]. Shneiderman hat sich in [Sh03] mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Reichhaltigkeit eines dreidimensionalen Models überhaupt für ein gutes Modell notwendig ist. Zur Illustration der Probleme, die durch die Benutzung der dritten Dimension entstehen, führt er einen Vergleich zur realen Welt. Hierbei hebt er insbesondere die Schwierigkeiten in desorientierter Navigation und Überlappungen hervor. Deswegen sollten dreidimensionale Darstellungen nicht bloß die Realität imitieren, sondern zusätzliche Merkmale bereitstellen, um dem Benutzer einen echten Mehrwert zu garantieren. Dazu gehören eine effektive Übersicht zur schnellen Einschätzung der Situation, eine verringerte Anzahl von Aktionen, um eine Aufgabe zu erledigen, und ein schnelles und aussagekräftiges Feedback für Benutzeraktionen.

Die Darstellung von Daten, die drei Attribute haben, kann auf die bekannte Weise durch ein kartesisches Koordinatensystem erfolgen. Dem oben beschriebenen Problem der Darstellbarkeit einer dreidimensionalen Form (Koordinatensystem) auf einem zweidimensionalen Ausgabegerät wie Bildschirm oder Drucker kann durch Projektion der Daten auf die jeweils zwei beteiligten Achsen erfolgen. Dadurch lässt sich zwar das Ergebnis für den Menschen leichter interpretieren, man handelt sich aber ein kombinatorisches Problem ein. Die in einem dreidimensionalen Koordinatensystem dargestellten Daten müssen nach der Projektion auf drei zweidimensionale verteilt werden. Dadurch steigt die Menge der angezeigten Daten auf 3 * N an, wenn N die Anzahl der Datenpunkte im dreidimensionalen Koordinatensystem bezeichnet. Dieses Problem wird bei Daten mit mehr als drei Attributen noch deutlicher.

- Hypervariate Daten

Daten, die durch mehr als drei Attribute beschrieben werden, werden als hypervariateoder auch multivariateDaten bezeichnet [Sp00]. In der Realität sind hypervariate Daten von besonderem Interesse, weil Daten mit vielen Attributen besonders viel Information enthalten. Es können beliebige Interpendenzen zwischen den Attributen existieren, die Muster enthalten, an denen der Mensch interessiert ist. Um bei dem oben eingeführten Beispiel des Autokaufs zu bleiben, lässt sich ein Auto durch die unterschiedlichsten Attribute wie z.B. Preis, Motorleistung, maximale Geschwindigkeit, durchschnittlicher Treibstoffverbrauch, Farbe, gefahrene Kilometer, Baujahr und weitere beschreiben.

Die Darstellung von vielen Attributen gleichzeitig ist jedoch nicht unmöglich. In [Sp00] werden vier unterschiedliche Möglichkeiten mit jeweils differierendem Einsatzzweck und Übersichtlichkeit präsentiert. Eine davon, die sich zur Darstellung von beliebig vielen Attributen bewährt hat, ist die Parallele-Koordinaten-Darstellung. Diese Darstellung wird anhand des Beispiels des Autokaufs mit zwei Attributen demonstriert. Zu beachten ist, dass bei dieser Darstellung die Achsen auch auf Nominalskalenniveau wie z.B. Farben vorliegen können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 22: Parallele-Koordinaten-Darstellung

Die Funktionsweise der Parallele-Koordinaten-Darstellung ist in Information 22 veranschaulicht. Alle Achsen des multidimensionalen Raums werden geordnet und parallel nebeneinander ausgerichtet. Für zwei Datenpunkte ist dieser Sachverhalt in Information 22 (b) illustriert.
Damit die Datenpunkte auf den unterschiedlichen Achsen wiedererkannt werden, werden sie z.B. an der ersten Achse beschriftet. Auf jeder Achse werden nun dieselben Punkte mit einer Linie verbunden, wie es aus Information 22 (c) ersichtlich wird. Die Visualisierung mithilfe der Parallele-Koordinaten-Darstellung ist auf beliebig viele Attribute erweiterbar. Weitere Attribute können durch Hinzufügen zusätzlicher paralleler Achsen eingeführt werden. Die Darstellung aller Attribute ermöglicht eine einfache Ableitung bestimmter Beziehungen zwischen den Variablen. Insbesondere positive oder negative Korrelationen zwischen zwei Variablen lassen sich leicht erkennen. Information 22 (d) zeigt beispielsweise eine negative Korrelation zwischen den Achsen B und C. Eine starke positive Korrelation ist zwischen den Achsen C und D zu finden.

Anhand des Beispiels aus Information 22 wird illustriert, wie Daten mit vielen Attributen dargestellt werden können und welche Information daraus leicht extrahierbar ist. Auch zeigt diese Darstellung, wie die Abbildung von Daten mit vielen Attributen auf einen zweidimensionalen Raum erfolgen kann. Zweidimensionale visuelle Strukturen sind nach [CM+99] sogar die gebräuchlichsten. Wenn der Darstellungsraum sehr klein ist, werden eindimensionale, visuelle Strukturen eingesetzt. Bei interaktiven Darstellungen werden eindimensionale, visuelle Strukturen auch gerne in zwei- oder dreidimensionale Darstellungen eingebettet, um beispielsweise eine Skalierung von langen Achsen zu ermöglichen. Die dreidimensionale Darstellung hingegen bietet sich zur Darstellung physischer Daten mit räumlichen Dimensionen an.

Da die meisten (realen) Daten allerdings durch mehr als drei Variablen beschrieben werden, ist es eine zentrale Herausforderung der Visualisierung, die Einschränkungen, die durch den Darstellungsraum gegeben werden, zu umgehen [CM+99]. In heutiger Zeit kann zur Verbesserung der Visualisierung speziell die Rechenleistung moderner Computer dienen. Damit lassen sich statische Darstellungen zu dynamischen erweitern und damit die Interaktion des Benutzers mit den Daten ermöglichen. Zusätzlich sollten bei der Konzeption einer Visualisierung einige wichtige gestalterische Prinzipien berücksichtigt werden, denen das Folgekapitel gewidmet ist.

2.3.3 Relevante Einflussfaktoren für eine Visualisierung

Der Mensch verarbeitet mithilfe von Visualisierungen große Mengen von Daten und kann sie zielgerichtet zur Lösung einer Aufgabe einsetzen. Um einen Eindruck über den Umfang der Leistungsfähigkeit zu bekommen, führt [Wa04] eine Untersuchung auf. Als Ergebnis wird festgestellt, dass der Mensch aus einer Matrix von 500 x 500 weißen Bildpunkten (engl. Pixels) einen schwarzen Punkt in weniger als einer Sekunde lokalisieren kann. Sogar bei einem Wechsel der Darstellung, indem der schwarze Punkt auf eine andere Stelle innerhalb der Matrix verschoben wird, bleibt die Leistung erhalten. Wird die Untersuchung eine Minute lang durchgeführt, entspricht dies bereits einer Durchsuchung von 15 Millionen Punkten. Auch wenn dies ein künstliches Beispiel ist, weil die meisten visuellen Suchaufgaben in der Realität komplexer sind, illustriert es dennoch die parallele Leistung des visuellen Systems.

Damit diese Leistung erbracht werden kann, ist es wichtig zu verstehen, welche Einflussfaktoren dafür verantwortlich sind. Dies ermöglicht die Erstellung von Visualisierungen, die darauf optimiert sind, eine möglichst enorme Informationsmenge ohne außergewöhnliche Anstrengung des Betrachters zu vermitteln. In diesem Kapitel wird ein Auszug aus den wichtigsten Einflussfaktoren, die für diese Arbeit relevant sind, präsentiert.

Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

Informationen werden im visuellen System stoßweise bei jeder Fixierung des Auges verarbeitet. Eine massive parallele Verarbeitung findet dabei durch das Gehirn statt. In einer frühen Phase der visuellen Verarbeitung werden Objekte mit hervorstechenden Merkmalen gefunden. Sobald diese identifiziert wurden, können vier bis zwölf Objekte pro Fixierung des Auges auf einer beliebigen Stelle erkannt werden [Wa04].

Auch wenn die Menge der Elemente von Interesse ist, so ist als wichtiger Faktor die Aufmerksamkeit für die Wahrnehmung stark ausschlaggebend. In einem Experiment konnte in [MR00] aufgezeigt werden, dass viele Dinge der Wahrnehmung des Menschen entgehen, wenn dieser sie nicht unmittelbar erwartet. Daraus resultiert für die Visualisierungen, dass kurze unerwartete Ereignisse vom Betrachter nicht zur Kenntnis genommen werden [Wa04]. Zusätzlich zum
Aspekt der Aufmerksamkeit existieren Sehbereiche im Gesichtsfeld des Menschen, die einen Einfluss auf die Wahrnehmung haben.

- Sehbereich für eine besonders schnelle Informationsaufnahme

Für die Beschreibung der Größe von Bereichen in denen der Mensch sehr schnell Informationen aufnehmen kann, wurde das Konzept des „useful field of view“ (UFOV) eingeführt [Wa04]. Das UFOV ist stark von der zu bewältigenden Aufgabe und der dargestellten Information abhängig. Bei einer hohen Dichte von Abbildungen, besteht das UFOV aus einem Blickwinkel von circa 1 bis 4 Grad. Wird die Dichte reduziert (auf weniger als eine Abbildung pro 1 Grad Blickwinkel), kann man mit einem UFOV von 15 Grad rechnen. Je höher die Dichte der dargestellten Information ist, desto geringer wird das UFOV. Dadurch wird die Wahrnehmung bei einer hohen Abbildungsdichte enger fokussiert und bei einer niedrigeren kann ein größerer Wahrnehmungsbereich erwartet werden.

Damit spielt der nutzbare Bereich für die Wahrnehmung des Menschen eine große Rolle bei der Aufnahme von visuellen Reizen über das visuelle System. Bei der Verarbeitung von visuellen Reizen ist zusätzlich das Gedächtnis involviert.

- Visuelles Kurzzeitgedächtnis

Als Approximation zum Gedächtnis, soll folgende Metapher dienen [Wa04]: Das Gedächtnis ist ein Rahmenwerk, das der aktiven Kognition zugrunde liegt, wohingegen die Aufmerksamkeit der Motor ist.

Das visuelle Kurzzeitgedächtnis speichert, angetrieben durch aufmerksamkeitserregende Objekte, Informationen, die bei einer Fixierung des Auges wahrgenommen werden. Zusätzlich zur Position werden weitere Attribute von Objekten wie Farben, abstrakte Formen und Oberflächenstrukturen erfasst. Eine interessante Tatsache ist, dass die Gedächtnisleistung sich verschlechtert, sobald die Attribute miteinander kombiniert werden. Es bleibt demnach bei vielen bunten Objekten mit unterschiedlichen Formen weniger im Gedächtnis erhalten als bei Benutzung nur einer Farbe. Bei der Konzeption einer Visualisierung gilt es, die Kapazität des visuellen Gedächtnisses zu berücksichtigen, wenn es darauf ankommt, dass die Elemente und Strukturen einer Visualisierung im visuellen Kurzzeitgedächtnis verbleiben sollen.

Visuelle Elemente und Strukturen

Informationsvisualisierung hat zum Ziel, Informationen, wie beispielsweise die Struktur in einer Menge von Daten, aufzuzeigen. Diese Struktur wird durch eine grafische Repräsentation ausgedrückt. Bei der Betrachtung der Visualisierungen spielt das visuelle Kurzzeitgedächtnis und seine Kapazität eine entscheidende Rolle, weil nur eine begrenzte Anzahl an Elementen gespeichert wird. Deshalb ist es bei der Konzeption von Visualisierungen förderlich, strukturgebende Elemente zu betrachten, die zum einen die Kapazität des visuellen Kurzzeitgedächtnisses sparsam nutzen und zum anderen elementare grafische Repräsentationen darstellen.

- Räumliche Nähe

Ein bei der visuellen Gestaltung häufig eingesetztes Prinzip ist die Verwendung von Nähe [Wa04]. Elemente, die bei einer Darstellung räumlich gruppiert werden, werden auch vom
Betrachter als semantisch zusammengehörend empfunden. Dabei ist nicht nur entscheidend, ob Objekte visuell möglichst nahe beieinander liegen, sondern auch, dass die Distanz der einzelnen Objekte untereinander ähnlich ist. Dadurch werden Objektgruppen mit ähnlicher Objektdichte durch die menschliche Wahrnehmung automatisch gruppiert. Die Anwendung dieses Prinzips ist offensichtlich: Sollen Beziehungen zwischen Datenentitäten hervorgehoben werden, so ist es die einfachste und mächtigste Möglichkeit, die Daten in unmittelbarer Nähe zueinander zu
platzieren.

- Ähnlichkeit

Ähnlichkeit ist ein vager Begriff. Im Kontext der visuellen Wahrnehmung des Menschen werden Objekte als ähnlich angesehen, je weniger sie sich in unterschiedlichen Merkmalen wie Farbe, Form und Oberflächenbeschaffenheit unterscheiden. Grafische Elemente, die sich ähnlich sind, werden von der menschlichen Wahrnehmung gruppiert. Ähnlichkeit bezieht sich auf unterschiedliche Aspekte bei der Visualisierung. Darunter fallen insbesondere gleiche Farben, ähnliche Formen, die Größe der Objekte und die Ausrichtung [HB+96].

- Verbindungen

Eine Verbindung zwischen zwei Elementen kann durch eine Linie dargestellt werden. Als Gruppierungskriterium können Verbindungen mächtiger als räumliche Nähe, Farbe, Größe oder Form sein. Verbindungen drücken Beziehungen zwischen grafischen Elementen aus. Eines der gebräuchlichsten Diagramme zum Darstellen von Zusammenhängen zwischen Konzepten besteht aus Knoten mit dazwischen liegenden Verbindungen [Wa04]. Ein bekannter Formalismus für Verbindungen ist die Graphentheorie. Bei der Betrachtung von Graphen existieren zwei grobe Kategorien. Zum einen liegen allgemeine Graphen vor, wenn jeder Knoten mit einem beliebigen anderen verbunden sein kann, und zum anderen spricht man von Bäumen, wenn keine Schleifen in dem Graphen existieren. Das zweite Konzept ist formal leichter handhabbar, allerdings kann nicht jedes Problem damit repräsentiert werden [Sp00].

- Kontinuität

Menschen können eine visuelle Einheit leichter aus visuellen Elementen erstellen, die gleichmäßig und regelmäßig sind. Enthalten Formen von Elementen oder ihre Verbindungen abrupte Änderungen in der Richtung, werden diese nicht unmittelbar als Gesamtheit erkannt [Wa04]. Speziell kann das Prinzip der Kontinuität zur Darstellung von Graphen verwendet werden. Werden die Verbindungen der Knoten an Stellen der Krümmung im mathematischen Sinne als glatt gezeichnet, können die Enden der Verbindungen viel schneller wahrgenommen werden als wenn die Krümmung in rechten Winkeln gezeichnet wird.

- Symmetrie

Durch die Anwendung des Prinzips Symmetrie werden mehrere grafische Elemente holistisch empfunden. Symmetrie von Elementen kann durch eine Spiegelung an der horizontalen oder vertikalen Achse erreicht werden. Werden die somit duplizierten Elemente räumlich nebeneinander angeordnet, bilden sie für die Wahrnehmung des Menschen eine Einheit. Das Prinzip der Symmetrie kann aber auch auf ähnliche grafische Elemente angewendet werden. Werden sie entsprechend der symmetrischen Achse nebeneinander platziert, wirken sie auf den Menschen harmonischer als wenn sie unsymmetrisch positioniert werden [Wa04].

- Abschluss

Konturen sind Umrisslinien von Objekten. Sind die Konturen abgeschlossen d.h. nicht durch Lücken oder Auslassungen unterbrochen, werden sie vom Menschen als Objekte angesehen. Falls die Konturen doch Lücken aufweisen, hat der Mensch die Neigung, diese (gedanklich) abzuschließen. Sobald Konturen erblickt werden, besteht eine ausgeprägte Tendenz dazu, diese in „außen“ und „innen“ einzuteilen. Bereiche, die von Konturen eingeschlossen werden, haben eine stärker strukturgebende Wirkung als das Prinzip der räumlichen Nähe [Wa04].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Information 23: Euler-Diagramm zur Illustration von Abgeschlossenheit

In Euler-Diagrammen werden abgeschlossene Konturen dazu verwendet, eine Menge von Elementen zu gruppieren (vgl. dazu Information 23). Dieser Diagrammtyp wird sehr intensiv bei der Einführung in die Mengenlehre benutzt. Obwohl diese Diagramme eine geringe Ausdrucksmächtigkeit haben, können sie leicht verstanden werden. Zusätzlich unterstützen sie in der Lehre das leichtere Verständnis von formalen Notationen.

Auch bei der Darstellung auf einem Bildschirm leisten abgeschlossene Konturen nützliche Dienste. Sie helfen bei grafischen Oberflächen, den Bildschirm in semantische Einheiten zu segmentieren. Die einzelnen Segmente werden als Fenster bezeichnet und haben auf den Betrachter eine gruppierende Wirkung der enthaltenen Elemente.

- Figur und Grund

In [Wa04] wird eine Figur als etwas Objektähnliches beschrieben, das als Darstellung im Vordergrund wahrgenommen wird. Als Grund wird alles andere im Hintergrund verstanden. Geschlossene Konturen leisten einen großen Beitrag dazu, dass eine Form als Figur erkannt wird. Dem Vorgang zum Wahrnehmen der Figur im Kontrast zum Grund wird ein fundamentaler Wert beigemessen.

Zur Gestaltung elementarer, strukturgebender Elemente wurden in diesem Kapitel einige Prinzipien präsentiert, die bei der Konzeption einer statischen Visualisierung beachtet werden sollten. Bei richtiger Verwendung ermöglichen sie dem Betrachter, sich in der Visualisierung schnell zurechtzufinden und die für ihn relevanten Informationen zu extrahieren. Weiterhin können die hier dargestellten Einflussfaktoren auf eine Visualisierung erweitert werden, die es dem Benutzer ermöglicht, mit der Visualisierung zu interagieren.

2.3.4 Interaktion mit Visualisierungen

Viele der bisher präsentierten Visualisierungen lassen sich auf einem Blatt Papier darstellen, weil sie statische Abbildungen sind. Computerbasierte Visualisierungen hingegen bieten mehrere interessante Vorteile, die im Folgenden dargestellt werden. Eine gute Visualisierung zeichnet sich laut [Wa04] nicht dadurch aus, dass sie statisch ein Bild darstellt oder in einer dreidimensionalen virtuellen Welt die Möglichkeit zur Inspektion wie in einem Museum bereitstellt. Vielmehr bietet sie die Möglichkeit mehr Daten zu dem interessierenden Sachverhalt zu finden und Details zu erforschen. Dadurch lassen sich Beziehungen in den Daten entdecken und tragen zu einem Informationsgewinn auf der Seite des Betrachters bei.

Das Bedürfnis zur Interaktion mit der Visualisierung resultiert insbesondere aus unvollständigem Wissen des Betrachters hinsichtlich des zu lösenden Problems. [Sp00] stellt fest, dass die Formulierung eines Problems oft genauso wichtig ist, wie dessen Lösung. Deswegen sollte eine Visualisierung sowohl bei der Einschränkung des Problems als auch bei der Lösungsfindung unterstützen. Ein sanfter Übergang zwischen den daraus resultierenden Aktivitäten sollte auch gewährleistet sein.

Ende der Leseprobe aus 142 Seiten

Details

Titel
Modellgetriebene Informationsvisualisierung auf Basis einer serviceorientierten Architektur
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Institut für Telematik (Cooperation & Management))
Note
1.3
Autor
Jahr
2007
Seiten
142
Katalognummer
V91958
ISBN (eBook)
9783638049825
Dateigröße
2786 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Modellgetriebene, Informationsvisualisierung, Basis, Architektur
Arbeit zitieren
Andreas Schmidt (Autor:in), 2007, Modellgetriebene Informationsvisualisierung auf Basis einer serviceorientierten Architektur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91958

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