Was ist die Ursache der "Neuartigen Waldschäden" bei Laubbäumen?


Forschungsarbeit, 2018

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Summary

1 Vorbemerkung

2 Das „Waldsterben“
2.1 Schäden bei Nadelbäumen
2.1.1 Schäden bei der Tanne
2.1.2 Schäden bei der Fichte
2.1.3 Schäden im Wurzelbereich der Nadelbäume
2.1.4 Schadverlauf bei den Nadelbäumen

3 Neuartige Waldschäden bei Laubbäumen
3.1 Buchen und Eichen - allgemein
3.2 Schadentwicklung bei Buchen
3.3 Schadentwicklung bei Eichen
3.4 Spieß- und Krallenbildung bei Buchen und Eichen
3.5 Wurzelwerk bei Buchen und Eichen

4 These zur Ursache Neuartiger Waldschäden

5 Luftschadstoffe
5.1 Photooxidantien/ Radikalbildner
5.1.1 Zeitliche Entwicklung exogener Radikalbildner
5.1.2 Abschätzung der Radikalbildner

6 Radikalische Prozesse
6.1 Radikalbildner NO2 und O3
6.1.1 Ozon
6.2 Abschätzung der Schadstoffe als Initiatoren der Schäden

7 Auswirkungen der Radikale auf Zellen im Kronenbereich
7.1 Voraussetzungen der Zellen
7.1.1 Auswirkungen peroxidativer Prozesse auf die Zellen
7.2 Strukturelle Voraussetzungen der Zellmembranen
7.2.1 Auswirkungen peroxidativer Prozesse auf Zellmembranen
7.3 Strukturelle Voraussetzungen der Vegetationskegel
7.3.1 Auswirkungen peroxidativer Prozesse auf die Vegetationskegel
7.4 Strukturelle Voraussetzungen im Bereich der Verzweigung
7.4.1 Auswirkungen der Peroxidation auf die Verzweigungsprozesse
7.5 Strukturelle Voraussetzungen des Cytoskeletts, der Mitosespindel
7.5.1 Auswirkungen der Peroxidation auf das Cytoskelett, die Mitosespindel

8 Schlussbemerkungen

9 Literatur

Zusammenfassung

Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre trat das „Waldsterben“ bei Nadelbäumen in Mitteleuropa auf. Etwas verzögert dazu zeigen jetzt auch die Laubbäume „Neuartige Waldschäden“. Die Arbeit bezieht sich auf die in Deutschland heimischen Buchen und Eichen; ihre Ergebnisse sind auf alle Laubbaumarten übertragbar. Früh traten die Laubbaumschäden bei solitären Bäumen im freien Feld auf, an Brennpunkten des Verkehrs wie um den Flughafen Frankfurt a. M. mit seinen hochfrequentierten Autobahnen und um Stuttgart. Die Ursache der Neuartigen Waldschäden wird in pflanzenexternen Radikalen gesehen. Pflanzeninterne, zeit- und altersabhängig entstehende Radikale sind für die Neuartigen Waldschäden nicht bzw. wenig relevant. Externe Radikale entstammen vor allem den in Deutschland seit den 1950er Jahren bis heute ständig gestiegenen Emissionen aus dem Kfz- und Flugverkehr mit den hauptsächlichen Emittenten NO/ NO2 und Ozon, auf die sich diese Arbeit konzentriert. Hinzu kommen Emissionen aus der Industrie, der Einsatz von Herbiziden in der Landwirtschaft und bis vor einigen Jahren auch im Forst.

Radikale weisen eine hohe Reaktivität auf, die aus der ungeraden Zahl an Elektronen in ihrer Außenschale resultiert. Ihnen wirken auf Zellebene Antioxidantien sowie spezifische Enzyme entgegen, die jetzt durch die hohen Radikaleinträge ins Waldökosystem überfordert sind. Der Schadmechanismus lässt sich an Mitosegiften, Alkaloiden wie z.B. Vinblastin an HeLa-Zellen verfolgen: Sie heften sich an die Enden der Tubuline und unterbinden bei erreichtem Schwellenwert Pc deren Assoziation, Mitose. Dabei stellt Vinblastin kein neusynthetisiertes Produkt der Zelle dar sondern ein Addukt zweier Tryptophanradikale R.. Übertragen auf externe Radikale heißt das, dass sie z.B. beim Auftreffen auf die Stammzellen während der Mitosephase sich auf die ganze Zelle ausdehnen können. Sie wie ihre Folgeprodukte, vor allem die Cross-links, weniger das Aldehyd-Crosslinking, schwächen die Zelle mit Erreichen eines Schwellenwerts Pc in der Struktur wie Funktion. Die Meristeme der Baumkronen sind so immer weniger fähig, die Schäden durch neue Stammzellen zu kompensieren. Als Folge der Schadstoffeinträge zeigen die Laubbäume physiologisch ab einem Alter von etwa 60 Jahren zunehmend das Bild einer vorgezogenen Alterung mit einem Rückgang der (Fein-)verzweigung, einer frühen Spieß- und Krallenbildung der Triebe wie einen kümmernden Wurzelbereich.

Die jetzigen Waldschäden durch Radikale werden durch Standortfaktoren wie die jeweilige Geologie, die Niederschläge und weiteren Faktoren beeinflusst. Um die Schäden der Laubbäume, des gesamten Waldökosystems zu mindern, sind politische Maßnahmen wie technische Weiterentwicklungen unabdingbar.

Summary

At the end of the 1970s, beginning of the 1980s, “dying forest syndrome” started to occur in coniferous trees in Central Europe. With some delay, leasy trees also show symptoms of “novel forest decline”. The paper refers to the beech and oak trees native to Germany; however results can be transferred to all deciduos tree species. Early damage to deciduous trees occurred in solitary trees in the open field, at traffic hotspots for ecample around Frankfurt Airport with its highly frequented motorways, and around Stuttgart. The cause of the novel forest decline is assumed to lie in radicals external to plants. Plant-internal, time- and age-dependent radicals are not or only slighly relevant for novel forest decline. External radicals orginate pimarily from the emissions from motor vehicles and air traffic, which have been steadily increasing in Germany since the 1950s,with the main emitters being NO/ NO2 and ozone, on which the paper focuses.

Adding to this are emissions from industrial sources and from the use of herbicides in agriculture and, until a few years ago, although in forestry Radicals have a high reactivity, which results from the odd number of electrons in their outer shell. They are antagonised by antioxidants and specific enzymes at cell level, which are now overstrained by the high radical input into the forest ecosytem. The damage mechanism can be traced by means of mitotic toxins, alkaloids such as vinblastine in HeLa cells: they attach themselves to the ends of the tubulins and stop their association in mitosis, when a threshold Pc is reached. Vinblastine is not a newly synthesized product of the cell, but an adducct of two trytophan radicals R.. Transferred to externel radicals this means that they can extend in the whole cell, for example when they hit the stem cells during the mitosis phase. Both and their derivates, especially the cross-links, lesser the aldehyd cross-linking, weaken the cell as regards its structure and function with reaching a threshold Pc. Thus, the meristems of the tree crowns are less and less able to compensate the damage by means of new stem cells. As a consequence of the pollutant input, deciduous trees from an age of about 60 years onwards increasingly show physiological signs of early ageing including a decline in (fine) branching, early formation of spear- and claw-like shoots as well as a deteriorating root.

Current forest damage by radicals is modulated by location factors such as the respective geology, precipitations and others. In order to reduce and inhibit damage to deciduous trees and the forest ecosystem, political measures and new technical developments are indispensable.

1 Vorbemerkung

Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre lösten die Versauerung skandinavischer Seen und die zeitgleichen Schäden der Nadelbäume in Mitteleuropa in der Bundesrepublik Deutschland heftige Reaktionen aus. Sie spiegelten sich auch in dem zunächst auf das Schadbild angewandten Begriff „Waldsterben“, da ein großflächiges Absterben ganzer Wälder befürchtet worden war. Als Schadursache wurden Schwefelimmissionen angenommen, in Anlehnung an die früheren „Rauchblößen“ um Erzhütten (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

Die seinerzeit von der Bundesrepublik eingeleiteten Maßnahmen umfassten die Politik der hohen Schornsteine, eine Verordnung zu Großfeuerungsanlagen, 1983, die Novelle TA Luft, 1986, jährliche Waldzustandserhebungen sowie ein Richtlinienwert der EU für SO2 von 20 µg/ m3 . Als Folge der Maßnahmen nahmen die Schadsymptome bei Nadelbäumen ab. Diese positive Entwicklung gilt nicht für Laubbäume, für über 60-jährige Buchen und Eichen (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

2 Das „Waldsterben“

Zur besseren Zuordnung der „Neuartigen Waldschäden“ wird vorab kurz auf die Symptome, den Verlauf des „Waldsterbens“ in Mitteleuropa eingegangen.

2.1 Schäden bei Nadelbäumen

Auffällig waren Ende der 1970er Jahre ausgeprägte Schäden an Tannen und Fichten in Höhen- und Kammlagen der Mittelgebirge. Im Extrem waren, wie im Erzgebirge (Tschechoslowakei), ganze Nadelbaumareale schwer geschädigt oder ganz abgestorben, eingestreute Buchen blieben dagegen symptomfrei. In Deutschland lagen die Schwerpunkte der Schäden in Bayern und Baden-Württemberg (Wentzel, 2001).

2.1.1 Schäden bei der Tanne

Charakteristische Symptome waren bei Tannen ein verringertes Wachstum, eine Storchennestkrone und eine Verlichtung der Krone. Hinzu kamen abnehmende Nadeljahrgänge, von unten her absterbende Äste, ein Ausfall der Jahrringbreiten und ein Nasskern. Seit 1983 wird wieder ein Holzzuwachs festgestellt. Die Symptome, nicht untypisch für alte Bäume, waren bei jüngeren Bäumen neu (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

Ein Tannensterben durch Witterungsextreme wurde immer wieder festgestellt. Auch ist die Empfindlichkeit der Tannen gegenüber SO2 alt und selbst in größerer Emittentenferne erkennbar. Die SO2-Belastung lag im Ruhrgebiet bei ca. 170 - 270 µg/ m3 im Jahresmittel 1960 bis 1965 und wurde durch technische Maßnahmen auf weniger als 20 µg/ m³ abgesenkt (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

2.1.2 Schäden bei der Fichte

Forstwirtschaftlich bedingt stellt die gemeine Fichte heute die häufigste Baumart Mitteleuropas dar, sie reicht bis zur Waldgrenze. Die Empfindlichkeit der Fichte gegenüber Schwefeleinträgen ist seit langem bekannt. Auf konstante Immissionen reagieren sie mit zunehmender Entnadelung, Verkleinerung der Nadeln und Verkahlung der Äste, die zuletzt teilweise absterben. Alle Altersklassen weisen in mittleren Höhenlagen eine geringere Verzweigung auf (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

In nächster Nähe zu geschädigten Fichten können Nachbarexemplare zugleich eine Zunahme des Wachstums zeigen. Die starke Entnadelung korreliert positiv mit dem Zuwachsrückgang, deutlich in den Jahren 1974 bis 1980. Die Kronenverlichtung, zu Beginn der 1980er Jahre am stärksten ausgeprägt, geht seither wieder zurück (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007 ).

2.1.3 Schäden im Wurzelbereich der Nadelbäume

Nadelbäume mit schadhaften Kronen zeigen in der Regel auch geschädigte Wurzeln, als Rückkopplung der Feinwurzeln mit der Blatt-, Nadelmasse interpretiert. Die Wurzelschäden gehen denen in der Krone zeitlich voraus. Die Konstanz der Biomasse bedingt einen erhöhten Nachschub von Assimilaten in die Wurzeln; die Feinwurzeln zeigen eine kürzere Lebensdauer. Der Rückzug der Wurzeln aus tieferen Bodenschichten verursacht eine größere Sturmanfälligkeit der Bäume. Die SO2 - Belastung der Krone bedingt die Konzentration der Säureeinträge im Stammfußbereich ganzjährig benadelter Bäume (Ulrich und Matzner, 1986; Wentzel 2001; Elling et al., 2007).

2.1.4 Schadverlauf bei den Nadelbäumen

Zur Bekämpfung der Waldschäden wurden in der Bundesrepublik verschiedene Maßnahmen ergriffen. Hierzu zählen auch die bundesweiten jährlichen Erhebungen zum Waldzustand, der in 5 Stufen erfasst wird.

Die Erhebungen zeigten bei Tannnen und Fichten einen Rückgang der Schadsymptome; der Anteil geschädigter Flächen nahm in der Bundesrepublik von 34 % in 1983 auf 52 % in 1985 zu und fiel in den Folgejahren wieder. Von den 52 % der geschädigten Baumfläche waren 19 % mittelstark bis stark geschädigt, die Tanne war in ihrem Bestand mit einem Schadanteil von nahezu 90 % ernsthaft bedroht, der Schadanteil der Fichte lag zwischen 50 und 60 % (Papke und Krahl-Urban, 1986). In den Folgejahren wurde bei den Nadelbäumen insgesamt ein Rückgang der Schadsymptome gefunden (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

3 Neuartige Waldschäden bei Laubbäumen

Die Vitalität der Eiche war sprichwörtlich; doch seit Anfang des 20ten Jahrhunderts wurde bei Eichen eine zunehmende Empfindlichkeit bis hin zu regionalen Ausfällen beobachtet. Die routinemäßige Erfassung des Waldzustandes deckte seit den 1980er Jahren, zuerst bei mehr als 60 Jahre alten Buchen, wenig später auch bei Eichen dieser Altersklasse, die Neuartigen Waldschäden auf ( Wentzel, 2001; Deutsche Bundesregierung, 2004 ).

3.1 Buchen und Eichen - allgemein

Die Schäden sind bei Buchen und Eichen gut zu beobachten: Ein starker Verlust der Belaubung sowie eine geringere Blattgröße mit Verfärbungen führen zur Verlichtung der Krone. Auffällig sind die Verzweigungsdefizite, Verzweigungsanomalien, Zweigabsprünge, abgestorbene Äste und Rindennekrosen am Stamm. Die Zweigabsprünge werden dem im Waldbau verwandten Etaphon zugeschrieben, ein Alterungshormon und Aethylen-freisetzender Wachstumsregler. Eine von unten nach oben verlaufende Vergilbung der Blätter korreliert mit der schwächeren Belaubung und ist eng mit der Vitalität des Baumes verknüpft. Belaubungsverluste nehmen mit dem Baumalter zu. Zu den Symptomen Neuartiger Waldschäden zählt auch die frühe Spieß- und Krallenbildung der Triebe (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

Die Schadsymptome finden sich nicht nur in den Beständen, sondern früh bei solitären Bäumen im freien Feld, auf Kuppen wie an Brennpunkten des Verkehrs. Letzteres z.B. um den Flughafen Frankfurt a. M. mit den hoch fequentierten Autobahnen und um Stuttgart. Die Schäden kontrastieren zum vitalen Jungwuchs am selben Ort, zur Vergrasung der Bestände wie zur Eutrophierung, was den verlichteten Kronen zugeschrieben wird. Buchen und Eichen erreichen immer weniger ihre klassischen Umtriebszeiten und sterben fallweise mit 140 Jahren ab, dies ist neu (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

3.2 Schadentwicklung bei Buchen

Buchen bildeten bis zum Eingriff des Menschen die vorherrschende Baumart in Mitteleuropa. Tab. 1 zeigt die Entwicklung der Kronen in 5-Jahresabständen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1 Entwicklung der Schadstufenanteile bei Buchen seit 1984 in % der Fläche

(Deutsche Bundesregierung, 2014 )

Jahr ohne Verlichtung Warnstufe I Deutliche Kronenverlichtung

(Schadstufe I) (Schadstufen 2 - 4)

1984 50 37 13

1989 39 44 17

1994 24 49 27

1999 21 47 32

2004 14 31 55

2009 18 32 50

2014 14 38 48

Im Jahr 1984 hatten die Buchen einen Anteil von 13 % an den Schadstufen 2 - 4, 1999 stieg er auf 32 % an; er erreichte 2004 einen Wert von 55 % und betrug 2014 48 %.

3.3 Schadentwicklung bei Eichen

Seit den frühen 1980er Jahren zeigen die Eichen eine Schadentwicklung, die in etwa parallel zu der der Buchen verläuft, was Tab. 2 zu entnehmen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2 : Entwicklung der Schadstufenanteile bei Eichen seit 1984 in % der Fläche

(Deutsche Bundesregierung, 2014)

Jahr ohne Verlichtung Warnstufe I Deutliche Kronenverlichtung

(Schadstufe I) (Schadstufen 2 – 4)

1984 54 37 9

1989 28 47 25

1994 17 39 44

1999 20 36 44

2004 17 38 45

2009 23 29 48

2014 14 40 46

Im Zeitraum von 1984 bis 2014 findet sich ein Anstieg der Schadstufen 2 - 4 von 9 % auf 46 %. Seit den 1990er Jahren liegt der Rückgang der Belaubung nahezu konstant bei 20 %. Die Kronenverlichtung tritt zuerst im Wipfel- bzw. äußeren Kronenbereich auf. Die Belaubungsverluste nehmen mit dem Baumalter zu; so auch die Relation geschädigter Bäume, älter als 60 Jahre, zu den jüngeren. Auffällig ist, wie bei der Buche, die Schädigung einzelner freistehender Bäume sowie die jüngerer Altersklassen. Bei stark geschädigten Bäumen finden sich seit Anfang der 1980er Jahre auch geringere Jahrringbreiten (Wentzel, 2001; Elling et al., 2007).

3.4 Spieß- und Krallenbildung bei Buchen und Eichen

Als Maß Neuartiger Waldschäden wurde an Buchen im Alter von 50 bis 150 Jahren ein in Stufen gegliedertes Vitalitätsraster des Wipfelbereichs erstellt: In Stufe 0 entstehen aus der Terminalknospe und den oberen Seitenknospen jährliche Langtriebe und führen zur Vollkrone. In Stufe 1 bilden die Terminalknospen noch jährliche Langtriebe, die Seitenknospen dagegen nur noch Kurztiebe. Dauert diese Phase einige Jahre an, so ragen die Triebe spießförmig aus der Krone, was gesunde Buchen erst ab einem Alter von ca. 150 Jahren aufweisen. In Vitalitätsstufe 2 bilden auch die Hauptachsen der Wipfeltriebe nur noch krallenförmige, büschelige, lichtexponierte und leicht brechende Kurztriebe. In Stufe 3 fallen auch größere Äste aus (Elling et al., 2007).

Die Entwicklung von der Vollkrone zur Spieß- und Krallenform der Triebe bei Buchen zeigt Tab. 3 an einem Beispiel aus Hessen im Abstand von 10 Jahren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Kronenstruktur-Entwicklung bei Buchen (Wentzel, 2001)

Struktur Alter (in Jahren) 1988 1998

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die degenerative Entwicklung der Kronenstruktur der Laubbäume, wie sie auch Tab. 3 spiegelt, gilt als Hinweis auf neue Schadfaktoren.

3.5 Wurzelwerk bei Buchen und Eichen

Gefällte Buchen zeigen öfter einen abnormen, schwärzlich gefärbten Kern, in den Splint ragend, ebenso eine erhöhte Holzfeuchte am äußeren Rand. Gewöhnlich besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Schädigungsgrad von Krone sowie der Wurzel in einer Tiefe von 0 - 40 cm, sie korrelieren miteinander. Auch bei gutem Kronenzustand finden sich schon hohe Feinwurzelverluste. Die Relation Nekro- zu Biomasse je Einheit ist auf basenarmen Standorten höher als auf basenreichen (Elling et al., 2007 ).

4 These zur Ursache Neuartiger Waldschäden

Die Alterung der Metazoa basiert auf kurzlebigen, intrazellulären Radikalen, die nur den Cross-links, kovalente, ungezielte Bindungen wie dem Aldehyd-Crosslinking zu entnehmen sind. Sie häufen sich zeitabhängig, primär postmitotisch auf Zellebene und Organebene an und bedingen strukturelle, funktionale Schäden. Die postnatal ausdifferenzierten Organe der Säugetiere, Gehirn, Herz, Ovarien werden so zu Schrittmachern der Alterung (Momm , 1977).

Hiervon ausgehend wird als Ursache Neuartiger Waldschäden folgende Gleichung zu Grunde gelegt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den Baumkronen werden neben Ren,den endogenen Radikalen, vor allem die exogenen Radikale, Rex, wirksam. Der Belastung einer (Kronen-)zelle durch Radikale wirkt AH entgegen. Es gilt pro Zeiteinheit Gleichung (1). Rges/ dt überfordert AH und verkürzt die Zeit bis zum Einsetzen der Schäden. Mitabhängig vom Standort lässt sich für die Folgen der Radikaleinträge die Orgel'sche Wahrscheinlichkeit der Fehleranhäufung p auf allen Ebenen der Proteinsynthese (p=p0eατ) heranziehen (Orgel,1963). Gleiches gilt für postsynthetische Modifikationen der Proteine.

Gleichung (1) liegt der Disintegration, Peroxidation zellulärer Membranen zu Grunde. Sie führen zum Ausfluss membrangebundener Ca2+-Ionen, zu freigesetzten Ungesättigten Fettsäuren (UFS) wie von Aethylen aus membranösen Fragmenten .Störungen des Cytoskeletts, der Mitose, Mitosespindel (Cramer , 1993), eine verminderte ATP-, GTP- Bildung wie eine frühe Spieß- und Krallenbildung der Triebe kommen hinzu.

Den Grundplan lebender Zellen bildet ein selbstähnliches Fraktal der Dimension D. Erreichen Schadstoffe 50 % ihres maximalen Effekts, eine letale Konzentration, so entspricht dies einem Schwellenwert Pc im cytoplasmatischen Netz (Aon und Cortassa, 1997). Treffen externe, auch toxische Substanzen auf die Zelle z.B. während der Mitose, einer labilen Zellphase, so erstrecken sie sich bei einem erreichten Pc-Wert auf die ganze Zelle und bedingen Zellschäden mit der Folge des Zelltods. Dies gilt auch für Alkaloide wie Vinblastin, die sich an die Enden der Tubuline heften und bei erreichtem Pc-Wert deren Assoziation, die Mitose unterbinden (Aon und Cortassa, 1997). Ü bertragen auf Cross-links, das Aldehyd-Crosslinking heißt das, dass diese bei erreichtem Pc-Wert auf die Mikrotubuli (MT) bei der Mitose analog zu den Alkaloiden wirken und zelluläre Strukturen, Funktionen stören oder gar hemmen.Vinblastin entsteht dabei nicht, wie angenommen (Heß, 2008), über zwei neusynthetisierte Einheiten Tryptophan, sondern ungezielt über zwei Radikale Tryptophan R. als Cross-link-Addukt (R. + R. → R - R) und agiert bei erreichtem Pc-Wert wie ein Alkaloid. Es liegt nahe anzunehmen, dass Rex/ dt für die Symptome früher Alterung, die defizitäre Verzweigung, die Spieß- und Krallenbildung der Triebe, für die jetzigen Neuartigen Waldschäden ursächlich ist.

5 Luftschadstoffe

Die Luftschadstoffe entstammen neben natürlichen Quellen primär anthropogenen, der Industrie, dem Verkehr, Herbiziden, oder sie entstehen beispielsweise, wie Ozon, lichtabhängig aus Vorläufern.

Zu den anthropogen entstehenden Luftschadstoffen mit pflanzentoxischer Wirkung zählen:

- Oxidationsmittel (NO2, O3, Peroxyacetylnitrat (PAN))
– Reduktionsmittel (SO2)
– Säuren (HF, H2SO4, H2SO3)
– Stäube (mit Säuren, Basen, Metallen, Rußpartikel u.a.)
– Phytoeffektoren (Aethylen, Herbizide)
– Allelopathische Faktoren (Terpenoide) u.a.

(Elstner, 1990)

5.1 Photooxidantien/ Radikalbildner

Photooxidantische Schadstoffe sind, wie ihre Vorläufer, großteils in obiger Auflistung enthalten. Sie entstammen weitgehend den Verkehrsemissionen und umfassen CO, NO, KW, Alkene, aromatische Verbindungen, Formaldehyd, Acetaldehyd, Sekundärprodukte wie NO2, O3, längerkettige Aldehyde, Ketone und PAN (Peroxyacetylnitrat) (Kerr et al., 1976). Quantitativ dominieren als Initiatoren peroxidativer Prozesse NO/ NO2 und O3 (Menzel, 1976; O'Brien, 1987), auf die unten eingegangen wird.

5.1.1 Zeitliche Entwicklung exogener Radikalbildner

Einen indirekten Anhalt für die Mengen der in Deutschland den Verkehr (ohne Flugleistungen) entstammenden Luftschadstoffe ergibt sich aus Tab. 4, verkürzt auf jeweils 5 Jahresabstände.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 4: Kfz-Fahrleistungen seit 1975 in Deutschland (ADAC e.V., 2015)

Milliarden Kfz-km

1975 302,1

1980 368,0

1985 384,5

1990 488,5

1995 624,5

2000 663,3

2005 684,3

2010 704,8

2015 757,0

Tab. 4 ist zu entnehmen, dass allein in Deutschland im Zeitraum von 1975 bis 2015 die Fahrleistungen (in Mrd. km) um das 2,5-fache gestiegen sind. In der Auflistung ist ab 1990 auch der gesamtdeutsche Verkehr enthalten.

Die Klassifizerung einzelner Emittenten (alte Bundesrepublik) ist Tab. 5.zu entnehmen. Sie zeigt bei den Schadstoff-Emittenten die Dominanz der verkehrsbedingten Stickoxide neben organischen Verbindungen und Lösungsmitteln.

[...]

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Details

Titel
Was ist die Ursache der "Neuartigen Waldschäden" bei Laubbäumen?
Autor
Jahr
2018
Seiten
15
Katalognummer
V920095
ISBN (eBook)
9783346237019
ISBN (Buch)
9783346237026
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ursachen, neuartige waldschäden, laubbäume, radikale
Arbeit zitieren
Dipl.-Biol. Inge Momm (Autor:in), 2018, Was ist die Ursache der "Neuartigen Waldschäden" bei Laubbäumen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/920095

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