Das deutsche Sozial- und Gesundheitswesen befindet sich in einem Strukturwandel, aus dem für die Krankenhäuser eine schwierige Umbruchsituation, verbunden mit einem erheblichen Innovations- und Handlungsdruck resultiert. Um adäquat auf die Veränderungen und die vielfältigen Versorgungsprobleme zu reagieren, bieten sich die Konzepte Case Management und Primary Nursing als mögliche Lösungsansätze in besonderer Weise an, gewinnen zunehmend an Bedeutung und bieten viel versprechende Perspektiven.
Die Entwicklung im Krankenhauswesen wird geprägt durch die Einführung der G-DRG (German Diagnosis Related Groups) zur Finanzierung von Krankenhausleistungen. Hierdurch haben sich die Schwerpunkte innerhalb der Krankenhäuser verändert. Kürzere Verweildauern, höhere Fallzahlen, sowie die Ausweisung von Art und Anzahl der Leistung erfordern eine komplette Neuorientierung in der Planung, der Gestaltung und der Steuerung von Krankenhausleistungen bzw. in der Patientenversorgung. Hervorgerufen durch den erwähnten Innovations- und Handlungsdruck wurden bei der Einführung der Konzepte die Reflexion der konzeptionellen Grundlagen vernachlässigt, es fehlten notwendige Transfer- bzw. Implementationsvoraussetzungen und das mit den Konzepten verbundene Für und Wider wurde nicht gegeneinander abgewogen. Entsprechend werden die Begriffe Case Management und Primary Nursing oftmals verwendet, ohne dass grundsätzlich klar ist, was sich dahinter verbirgt. Demzufolge werden die Konzepte nicht selten missverstanden oder fehl interpretiert, einzelne Bausteine aus ihrem Kontext herausgelöst oder die Begriffe Case Management und Primary Nursing synonym verwendet.
Ausgehend von den skizzierten gesundheitspolitischen Herausforderungen und der bestehenden Problematik verfolgt diese Arbeit das Ziel, die Auseinandersetzung mit den Konzepten Case Management und Primary Nursing voranzutreiben. Drei zentrale Fragestellungen sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
- Welchen Ursprung, welche Zielsetzung und welche Elemente lassen sich anhand der Literaturanalyse
für die Konzepte Case Management und Primary Nursing identifizieren?
- Wie sind unter Berücksichtigung der Zielsetzung und Elemente die Konzepte Case Management
und Primary Nursing ins Krankenhaussystem einzubinden?
- Wo liegen die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der Konzepte Case Management und
Primary Nursing und welche Schlüsse lassen sich daraus ableiten?
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungen
1 Einführung und Konzeption
2 Begriffsklärungen
2.1 Definition Case Management
2.2 Definition Primary Nursing
3 Organisationskonzept Case Management
3.1 Geschichtliche Entwicklung des Case Management
3.2 Ziele des Case Management
3.3 Kernelemente des Case Management
3.4 Case Management im Krankenhaus
3.5 Funktionen und Rollen im Case Management
3.6 Phasen des Case Management und Aufgaben im Case Management
3.7 Einbindung von Case Management ins Krankenhaus
3.8 Anforderungsprofil der Case Managerin
3.9 Zusammenfassung
4 Organisationskonzept Primary Nursing 25
4.1 Geschichtliche Entwicklung von Primary Nursing
4.2 Ziele von Primary Nursing
4.3 Kernelemente von Primary Nursing
4.4 Primary Nursing im Krankenhaus
4.5 Rollen und Aufgaben im Primary Nursing
4.6 Phasen im Primary Nursing
4.7 Einbindung von Primary Nursing ins Krankenhaus
4.8 Anforderungsprofil der Primary Nurse und der Associated Nurse
4.9 Zusammenfassung
5 Case Management und Primary Nursing im Vergleich 42
5 Case Management und Primary Nursing im Vergleich
5.1 Vergleich der Definitionsperspektiven
5.2 Vergleich der geschichtlichen Entwicklung
5.3 Vergleich der Ziele
5.4 Vergleich der Kernelemente
5.5 Vergleich der Funktionen und Rollen
5.6 Vergleich der Phasen
5.7 Aufgaben der Case Managerin und der Primary Nurse im Vergleich
5.8 Vergleich der Einbindung von Case Management und Primary Nursing ins Krankenhaus
5.9 Anforderungsprofile der Case Managerin und der Primary Nurse im Vergleich
6 Diskussion und Ausblick
7 Quellen-/Toolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Realisierungsebenen von Case Management
Abb. 2 Regelkreis des Case Management
Abb. 3 Phasen und Rollen in den Schritten des Pflegeprozesses
Abb. 4 Phasen des Case Management, Pflegeprozessphasen und Phasen der Interaktionstheorie im Vergleich
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Vergleich der Definitionsperspektiven von Case Management und Primary Nursing
Tab. 2 Vergleich der Ziele von Case Management und Primary Nursing
Tab. 3 Vergleich der Kernelemente von Case Management und Primary Nursing Nr. 1
Tab. 4 Vergleich der Kernelemente von Case Management und Primary Nursing Nr. 2
Tab. 5 Vergleich der Kernelemente von Case Management und Primary Nursing Nr. 3
Tab. 6 Vergleich der Kernelemente von Case Management und Primary Nursing Nr. 4
Tab. 7 Vergleich der Kernelemente von Case Management und Primary Nursing Nr. 5
Tab. 8 Vergleich der Kernelemente von Case Management und Primary Nursing Nr. 6
Tab. 9 Vergleich der Kernelemente von Case Management und Primary Nursing Nr. 7
Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung und Konzeption
Das deutsche Sozial- und Gesundheitswesen befindet sich in einem Strukturwandel, aus dem für die Krankenhäuser eine schwierige Umbruchsituation, verbunden mit einem erheblichen Innovations- und Handlungsdruck resultiert. Um adäquat auf die Veränderungen und die vielfältigen Versorgungsprobleme zu reagieren, bieten sich die Konzepte Case Management und Primary Nursing als mögliche Lösungsansätze in besonderer Weise an, gewinnen zunehmend an Bedeutung und bieten viel versprechende Perspektiven.
Die Entwicklung im Krankenhauswesen wird geprägt durch die Einführung der G-DRG (German Diagnosis Related Groups) zur Finanzierung von Krankenhausleistungen. Bei den G-DRGs handelt es sich um eine an der Diagnose orientierte Fallpauschale pro Behandlungsfall, deren Umsetzung seit 2004 für alle Krankenhäuser in Deutschland verbindlich ist. Hierdurch haben sich die Schwerpunkte innerhalb der Krankenhäuser verändert. Kürzere Verweildauern, höhere Fallzahlen, sowie die Ausweisung von Art und Anzahl der Leistung erfordern eine komplette Neuorientierung in der Planung, der Gestaltung und der Steuerung von Krankenhausleistungen bzw. in der Patientenversorgung.[1]
Gleichzeitig werden unzumutbare Verhältnisse für Patienten[2] in deutschen Krankenhäusern diskutiert. Patienten versuchen oft vergeblich, sich in einem Labyrinth von Einrichtungen und Angeboten zurecht zu finden, da sie die Qualität der Leistungen nicht beurteilen können. Unklare Zuständigkeiten, mangelnde Kontinuität und geringe Transparenz werden beklagt und Patienten fühlen sich in ihrer medizinischen Versorgung gefährdet.[3]
Aufgrund der zunehmenden finanziellen Belastungen fordert der Gesetzgeber die wirtschaftliche Optimierung und Rationalisierung des Sozial- und Gesundheitswesens. Gleichzeitig soll aber auch die Effektivität und Qualität der Versorgung erhalten, nach Möglichkeit sogar gesteigert werden. Das G-DRG-System soll die Leistungen am Patienten transparent und in einem immer stärker am Wettbewerb orientierten Krankenhauswesen vergleichbar machen. Die Planung, Gestaltung und Steuerung der Patientenbehandlung gewinnt damit eine neue Gewichtung für die Wettbewerbsfähigkeit von Krankenhäusern. Vetter und Hoffmann beschreiben, dass die strukturelle und preisliche Gestaltung des G-DRG- Systems die Krankenhäuser zwingen wird, die Leistungsgestaltung dem System anzupassen. In der Konsequenz bedeutet dieses, so Vetter und Hoffmann weiter, dass sich die Aufbau- und Ablauforganisation deutscher Krankenhäuser als reformbedürftig erweisen werden und der stetig steigende Kosten- und Leistungsdruck zu einem Umdenken und zu einer Suche nach neuen Wegen zwingen wird. Die Vergütung der Behandlung eines Patienten erfolgt entsprechend der Diagnose, des operativen Eingriffs und der Krankheitsschwere und richtet sich damit sehr eng am Behandlungsprozess aus. Ein gezieltes Fallmanagement wird damit die Zukunft des Krankenhausalltags bestimmen. Darin sind Behandlungsabläufe möglichst strukturiert und wirtschaftlich zu gestalten um Kosten zu verhindern, die aufgrund mangelnder Planung und Terminierung zu längeren Verweildauern führen[4].
An dieser Stelle sollen die Konzepte Case Management und Primary Nursing, die in Deutschland seit Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts in der Praxis umgesetzt werden, ansetzen. Hervorgerufen durch den erwähnten Innovations- und Handlungsdruck erfolgte die Einführung der Konzepte vielfach in großer Eile. Somit wurde die Reflexion der konzeptionellen Grundlagen vernachlässigt, es fehlten notwendige Transfer- bzw. Implementationsvoraussetzungen und das mit den Konzepten verbundene Für und Wider wurde nicht gegeneinander abgewogen. Entsprechend werden die Begriffe Case Management und Primary Nursing oftmals verwendet, ohne dass grundsätzlich klar ist, was sich dahinter verbirgt. Demzufolge werden die Konzepte nicht selten missverstanden oder fehl interpretiert, einzelne Bausteine aus ihrem Kontext herausgelöst oder die Begriffe Case Management und Primary Nursing synonym verwendet.[5]
Ziel und Fragestellung
Ausgehend von den skizzierten gesundheitspolitischen Herausforderungen und der bestehenden Problematik verfolgt diese Arbeit das Ziel, die Auseinandersetzung mit den Konzepten Case Management und Primary Nursing voranzutreiben. Drei zentrale Fragestellungen sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
- Welchen Ursprung, welche Zielsetzung und welche Elemente lassen sich anhand der Literaturanalyse für die Konzepte Case Management und Primary Nursing identifizieren?
- Wie sind unter Berücksichtigung der Zielsetzung und Elemente die Konzepte Case Management und Primary Nursing ins Krankenhaussystem einzubinden?
- Wo liegen die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der Konzepte Case Management und Primary Nursing und welche Schlüsse lassen sich daraus ableiten?
Begründung des Vorgehens
Der Zugang zum Thema erfolgt nach der Einführung in diese Arbeit über die Klärung und Abgrenzung der Begriffe Case Management und Primary Nursing (Kapitel 2). Danach teilt sich die Arbeit in drei Teile. Im ersten Teil wird das Organisationskonzept Case Management vorgestellt (Kapitel 3). Im zweiten Teil wird das Organisationskonzept Primary Nursing genauer betrachtet (Kapitel 4). In diesen Kapiteln werden jeweils der Ursprung anhand der geschichtlichen Entwicklung dargestellt sowie die Zielsetzung und die Elemente der Konzepte skizziert. Zudem wird die Organisation der Konzepte in der Krankenhauspraxis dargestellt. Danach werden die konkreten Rollen und Aufgaben in den jeweiligen Konzepten genauer benannt und die Phasen der Konzepte beschrieben. Weiterhin wird in diesem Kapitel der Frage nachgegangen, wie die Konzepte ins Krankenhaussystem einzubinden sind. Abschließend werden die Anforderungsprofile für die jeweiligen Konzepte beschrieben. Im dritten Teil der Arbeit erfolgt eine Zusammenführung der gewonnenen Erkenntnisse und Überlegungen (Kapitel 5). In einer Gegenüberstellung werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Konzepte untersucht und sich daraus ergebende Schlüsse abgeleitet. Das sechste Kapitel beschließt diese Arbeit mit einer Gesamtbewertung und einer Beurteilung der untersuchten Sachverhalte. Außerdem erfolgt ein Ausblick auf zukünftige Perspektiven, die sich durch die Einführung von Case Management und Primary Nursing ergeben.
Die Ausführungen haben nicht das Ziel, eine vollständige und lückenlose Analyse zu bieten. Gesundheitspolitische, gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen werden somit nicht vertieft. Gleiches gilt für das Thema Organisationsentwicklung.
Als Basis dieser Arbeit dient eine im Vorfeld durchgeführte Sichtung und Analyse der zur Verfügung stehenden Literatur. Die Literaturrecherche erfolgte zum einen über die elektronischen Datenbanken MEDLINE und Cochrane Library, zum anderen in verschiedenen Bibliotheken vor Ort. Die Literaturverzeichnisse bereits recherchierter Autoren und die Literaturangaben relevanter Artikel bildeten weitere Quellen für die Auffindung einschlägiger Literatur. Teilweise wurde bei der Verwendung von Literatur auf die deutschsprachige Übersetzung zurückgegriffen, da die Primärliteratur vergriffen oder nicht zu beziehen war.
2 Begriffsklärungen
Wie in der Einleitung dargestellt, werden die Begriffe Case Management und Primary Nursing verwendet, ohne dass immer klar ist, was sich dahinter verbirgt. Zur Bestimmung der Begriffe Case Management und Primary Nursing erfolgt deshalb als erster Schritt die Identifizierung der Definitionen.
2.1 Definition Case Management
Für den Begriff Case Management gibt es noch keine allgemein gültige Definition. Daher werden zunächst die beiden Wörter, aus denen sich der Begriff zusammensetzt analysiert und im Anschluss daran die verschiedenen Definitionen des Case Management aus der einschlägigen Literatur dargestellt.
Definition Case
Der Begriff Case kommt aus dem Englischen und wird mit Fall übersetzt. Wendt beschreibt, dass es sich bei einem Fall um ein Problem handeln kann, das sich in Verbindung mit einer bestimmten Person manifestiert, oder dass der Fall eine hilfebedürftige Person, unabhängig von einem Problem, bezeichnet.[6] Je nach Anwendungsgebiet werden für einen Fall unterschiedliche Begriffe verwendet. Hierzu gehören Begriffe wie Kunde, Klient, Patient, Ratsuchender.[7]
In dieser Arbeit wird der Begriff Patient verwendet, da sich die Ausführungen mit dem Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens und speziell mit dem Krankenhaus beschäftigten und der Begriff Patient in diesem Sektor überwiegend Anwendung findet.
Definition Management
Im Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens wird unter Management ein Prozess bzw. eine Handhabung verstanden, in dem mindestens zwei Menschen verschiedener Berufsgruppen zielgerichtet zusammenwirken. Hierbei kommen Kenntnisse und Fähigkeiten zum Einsatz, mit denen Ziele gesetzt, geplant, organisiert, disponiert und kontrolliert werden. Der Manager versteht die beschriebene Handhabung und übernimmt diese als seine Aufgabe. Er verfügt über Mittel und Wege, mit denen sich angestrebte Ziele erreichen lassen.[8]
Definition Case-Management
In der Literatur sind zahlreiche unterschiedliche Definitionen zu finden, die nachfolgend aufgeführt werden.
Haubrock, Hagemann und Nerlinger beschreiben Case Management als ein Element von Managed-Care. Managed-Care definieren sie als ein System der Gesundheitsversorgung, mit dem Kosten, Qualität und Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu managen sind. Weiter definieren sie Case Management als eine Strategie, mit der die Gesundheitsversorgung eines Falles koordiniert und ausgesuchte Leistungserbringer für Patienten beschafft werden. Hierbei soll es in erster Linie um chronisch kranke oder medizinisch aufwendige Patienten gehen. Ziel ist es, durch eine koordinierte Pflege die Qualität zu verbessern und die Kosten zu senken.[9]
Vetter und Hoffmann definieren Case Management als eine Koordination von Versorgungsleistungen individueller Patienten. Hierbei sei es Ziel der Krankenkassen, Case Management zur Betreuung kostenintensiver Patienten einzusetzen, um die Krankenhausaufenthalte zu verkürzen.[10]
Ballew und Mink definieren Case Management als einen Prozess der Hilfestellung für Menschen, die Unterstützung von mehreren Helfern benötigen, da ihr Leben aufgrund vorliegender Probleme unbefriedigend verläuft oder nicht gelingt. Hierbei konzentriere sich Case Management einerseits auf die Entwicklung und die Verbesserung eines Ressourcen-Netzwerkes, andererseits als Unterstützungsmanagement auf die Stärkung des Klienten, Hilfsquellen und Ressourcen-Netzwerke nutzen zu können. Ein Ressourcen-Netzwerk sei eine lose Organisation von Personen mit dem gemeinsamen Wunsch, einem bestimmten Klienten durch koordinierte Aktivitäten einer Case Managerin (CM) zu helfen.[11]
Neuffer definiert Case Management als ein Konzept zur Unterstützung von Einzelnen, Familien oder Kleingruppen. Er beschreibt Case Management als eine durchgängige, fallverantwortliche Beziehungs- und Koordinierungsarbeit. Hierdurch würde Klärungshilfe, Beratung und der Zugang zu notwendigen Dienstleistungen gewährleistet. Gleichzeitig soll eine überwachte, qualifizierte Durchführung der Hilfen stattfinden. Der Autor beschreibt weiter, dass Case Management dazu befähigen soll, Unterstützungsleistungen selbständig zu nutzen und dabei sei so wenig wie möglich in die Lebenswelt derer einzugreifen, die Hilfe in Anspruch nehmen.[12]
Wendt unterscheidet zwischen einem Case Management als methodisches Konzept auf der personalen Handlungsebene und einem Case Management in administrativer Funktion als Organisations- oder Systemkonzept. Er versteht Case Management als eine Optimierung von Prozessen, Prozessverantwortung und Fallführung, Aktivierung von Selbsthilfe und Durchsichtigkeit des Verfahrens für alle Beteiligten, mit dem Ziel, eine bruchstückhafte Versorgung zu vermeiden und eine rationelle Leistungserbringung zu erreichen.[13]
Das Klinikum der Universität zu Köln definiert Case Management als einen Prozess der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Patientenversorgung. Der Prozess umfasst die Einschätzung, Planung, Dokumentation, Koordination, Organisation und Evaluation von Gesundheitsleistungen.[14]
Ewers und Schaeffer definieren Case Management als eine auf den Einzelfall ausgerichtete Methode, mit der in einem komplexen und arbeitsteilig organisierten Sozial- und Gesundheitssystem Patientenorientierung, Patientenpartizipation und Ergebnisorientierung ermöglicht werden.[15]
Die Case Management Society of America definiert Case Management als einen Prozess der Zusammenarbeit, mit dem Ziel, den individuellen gesundheitlichen Bedarf mit qualitativen und kostenwirksamen Ergebnissen abzudecken. Dieses soll mittels Kommunikation und unter Berücksichtigung verfügbarer Ressourcen erreicht werden. Der Prozess umfasst Einschätzung, Planung, Umsetzung, Koordinierung und Überwachung sowie eine Evaluation der Versorgungsangebote und Dienstleistungen.[16]
Schlussfolgerung zur Definition Case Management
Für den Begriff Case Management gibt es noch keine allgemein gültige Definition. Bei der Auseinandersetzung mit den Begriffen Case und Management sowie den unterschiedlichen Definitionen für Case Management fällt auf, dass bei aller Unterschiedlichkeit deutliche Übereinstimmungen erkennbar sind. Bei Case Management geht es demnach um
- eine ganzheitliche und individuelle Sichtweise des Patienten und dessen Problematik
- einen kooperativen und auf interdisziplinäre Zusammenarbeit angelegten Prozess
- die Koordination von Versorgungsangeboten und Dienstleistungen
- Problemerkennung und Problemlösung
- Qualitätssteigerung und Kostensenkung bei gleichzeitigem Erreichen definierter Ergebnisse.
Auch wenn keine allgemein gültige Definition existiert, bieten die genannten Kriterien eine erste Orientierung.
2.2 Definition Primary Nursing
Anders als im Case Management sind die in der Literatur vorhanden Definitionen von Primary Nursing nahezu identisch und angelehnt an die Definition der Pionierin des Primary Nursing, Marie Manthey. Interessant ist, dass für die Bestandteile der Begriffe Primary und Nursing kaum Definitionen in der Literatur zu finden sind. Dieses könnte daran liegen, dass den englischsprachigen Autoren die Begriffe bezüglich der Definition selbstverständlich sind und somit kein Klärungsbedarf besteht.
Definition Primary
Die Übersetzung des englischen Wortes Primary bedeutet so viel wie primär, grundlegend.[17] Die deutsche Übersetzung Primär bedeutet so viel wie zuerst vorhanden, ursprünglich, an erster Stelle stehend, erstrangig, vorrangig, grundlegend, wesentlich.[18]
Definition Nursing
Das englische Wort Nursing bedeutet so viel wie Krankenpflege.[19]
Definition Primary Nursing
Marie Manthey definiert Primary Nursing als eine Methode der Pflegeorganisation, die dazu dient, die rund um die Uhr Verantwortung für die Versorgung bestimmter Patienten einer Station, einer bestimmten Pflegenden zu übertragen. Diese Pflegende wird als Primary Nurse (PN) bezeichnet. Durch eine tägliche Arbeitszuweisung nach der Fallmethode soll die PN, wann immer möglich, auch tatsächlich mit der Pflege ihrer Patienten beauftragt werden. Hierbei sind ihr Kompetenzen und Handlungsverantwortung zu übertragen. Die PN soll für ihre Patienten die komplette Verantwortung vom Tag der Aufnahme bis zum Tag der Entlassung und zwar 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche, übernehmen. Sie wird damit zu einem wichtigen Bindeglied und ist Ansprechpartnerin für Patienten, Angehörige und allen an der Behandlung und Betreuung des Patienten beteiligten Personen und Berufsgruppen. Ist die PN nicht im Dienst, delegiert sie die pflegerischen Aufgaben an eine andere qualifizierte Pflegende, die so genannte Associated Nurse (AN), die die Pflege nach den Vorgaben der PN weiterführt.[20]
In der deutschsprachigen Literatur werden die Begriffe Primary Nursing und Bezugspflege teilweise synonym verwendet.[21]
Schlettig und von der Heide definieren Bezugspflege dadurch, dass jeder Patient eine für ihn zuständige Pflegende hat. Hierdurch soll die Anonymität der Pflegenden überwunden und eine individuelle Pflege ermöglicht werden. Die kontinuierliche Zuständigkeit soll für den Patienten von seiner Aufnahme bis zur Entlassung bzw. Verlegung von der Station bestehen bleiben. Die Bezugspflegende soll dem Patienten und allen Mitarbeitern namentlich bekannt sein. Sie trägt die volle Verantwortung für den gesamten Pflegeverlauf mit dem die Pflegeplanung, die Pflegedurchführung und die Pflegedokumentation verbunden sind.[22]
Kellnhauser stellt fest, dass bei der Übersetzung der Originalliteratur Begriffe genannt werden, die durch den Originaltext nicht zu rechtfertigen sind. Der Begriff Bezugspflege sei nicht mit dem Begriff Primary Nursing gleichzusetzen. Bei der Bezugspflege stehe als wesentliches Element eine zwischenmenschliche Beziehung im Vordergrund. Bei Primary Nursing gehe es vielmehr um eine Kontinuität der Pflege und um Verantwortungsübernahme. Daher schlägt Kellnhauser als treffendere Übersetzung der Originalliteratur den Begriff Primär-Pflege vor, der so viel bedeute wie Erst-Pflege oder auch Erst-Verantwortung bzw. Haupt-Verantwortung. In diesem Sinne würden bereits Begriffe wie Primär-Arzt, Primär-Versorgung oder Primär-Einsatzgebiet im deutschsprachigen Bereich verwendet.[23]
Schlussfolgerung zur Definition Primary Nursing
Bei Primary Nursing handelt es sich um ein System der pflegerischen Versorgung von Patienten auf Stationsebene. Die PN ist dabei die Schlüsselperson im Behandlungsprozess. Primary Nursing ist der Definition zufolge ein fallbezogenes, patientenorientiertes und prozessorientiertes Erkennen, Planen und Durchführen von Pflege. Im Rahmen der Definition nehmen die charakterisierenden Kernelemente einen besonderen Stellenwert ein. Diese sind Verantwortung, Patientenzuteilung im Sinne der Fallmethode, direkte Kommunikation und die Umsetzung der geplanten Pflege durch die verantwortliche Pflegende (vgl. Kapitel 4.3). Da bei Primary Nursing Kontinuität der Pflege und Verantwortungsübernahme im Vordergrund stehen, wird der Aufbau einer zwischenmenschlichen Beziehung begünstigt. Hierdurch werden Parallelen zur Bezugspflege hergestellt. Die Definition von Primary Nursing verdeutlicht, dass es ein System darstellt, welches Pflegenden ermöglicht, in ihrem Verantwortungsbereich eigenverantwortlich und eigenständig zu agieren und den Behandlungsprozess als gleichberechtigte Partner im therapeutischen Team mitzugestalten.
3 Organisationskonzept Case Management
Im nun folgenden Kapitel wird das Organisationskonzept Case Management beschrieben. Nach einem kurzen Überblick über die geschichtliche Entwicklung werden die Ziele, die Kernelemente und die Organisation des Case Management dargestellt. Außerdem werden die Rollen sowie Phasen und Aufgaben im Organisationskonzept Case Management geklärt und die mögliche Einbindung im Krankenhaus aufgezeigt. Abschließend wird das Anforderungsprofil der CM dargestellt.
3.1 Geschichtliche Entwicklung des Case Management
Case Management gehört zu den Konzepten des Gesundheitswesens, die sich während der letzten zehn Jahre am schnellsten entwickelt haben. Die Ursprünge sind in den Vereinigten Staaten von Amerika zu finden, wo Case Management insbesondere in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zunächst als Arbeitsmethode des Sozialdienstes entwickelt wurde. Hintergrund waren die wachsenden sozialpolitischen Anforderungen an das Sozial- und Gesundheitswesen und die daraus resultierende Reorganisation der sozialen und gesundheitlichen Versorgung. Die Veränderungen hatten zur Folge, dass zum einen das Sozial- und Gesundheitssystem zunehmend unüberschaubarer wurde und zum anderen die Ausgaben im Sozial- und Gesundheitswesen kontinuierlich anstiegen. Insbesondere die letztgenannte Problematik führte zu der Sorge, dass die dauerhafte Finanzierbarkeit der Initiativen im Sozial- und Gesundheitswesen nicht aufrecht zu erhalten sei. Es wurde notwendig, die steigenden Kosten zu kontrollieren und nach Möglichkeit zu reduzieren. Als Maßnahme wurden kostenintensive stationäre Angebote für chronisch und psychisch Kranke sowie geistig behinderte und pflegebedürftige Menschen von der stationären Versorgung auf ambulante Betreuungsangebote verlagert. Die so genannte De-Institutionalisierung bewirkte jedoch eine Zunahme von Not leidenden Menschen. Durch Case Management Projekte sollte diesem Problem mit einer vernetzten Versorgung im kommunalen Umfeld begegnet und die Betreuung dieser Menschen durch soziale und medizinische Dienste sichergestellt werden. Case Management erhielt damit die Aufgaben, eine personenbezogene und nötige Hilfestellung zu bieten sowie die organisierte Abstimmung von Angebot und Nachfrage zu koordinieren. Die Forderung nach effektiven und effizienten Arbeitsweisen kam ab 1980 auch auf die Sozialdienste und das Gesundheitswesen in Großbritannien zu. Die Entwicklung des Case Management setzte sich in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts fort. Sie wurde durch zunehmenden Wettbewerb und zunehmende Kosten im Gesundheitswesen sowie durch neue Finanzierungsmodelle geprägt, wodurch Patienten immer früher aus der stationären Einrichtung entlassen wurden. Innerhalb des Krankenhauses wurde es für Case Management notwendig, die Akutversorgung mit der nachfolgenden Pflege und Rehabilitation systematisch zu verbinden und ein Case Management der Überleitungspflege und Nachsorge anzuschließen.[24]
In Deutschland wurde mit der Einführung von Case Management Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts begonnen. Als Gründe der Einführung werden zunehmende Differenzierung und Spezialisierung der Dienstleistungen genannt. Darüber hinaus soll Case Management insbesondere in so genannten Multi-Problem-Familien zur Anwendung kommen, um kontraproduktive und unnötig verteuernde Überschneidungen verschiedener Unterstützungsangebote zu vermeiden.[25] Beispielhaft sei hier das Modellprojekt des Bunten Kreises genannt, ein Case Management Modell für krebskranke Kinder, bei denen durch die CM Nachsorgemaßnahmen organisiert werden.[26]
3.2 Ziele des Case Management
Im Zentrum der Entwicklung von Case Management stehen die Eindämmung der zunehmenden Kosten im Sozial- und Gesundheitswesen und gleichzeitig die Steigerung der Wirksamkeit der Dienstleistung sowie die Sicherung der Behandlungskontinuität. Mit Case Management, so Wendt, sollen zum einen Versorgungsprobleme gelöst und zum anderen zwischen unterschiedlichen Dienstleistungsanbietern vermittelt werden. Stationäre, teilstationäre und ambulante Angebote sind hierbei aufeinander abzustimmen und Prävention, Rehabilitation und Pflege miteinander zu verzahnen.[27] Hierdurch, so Wendt weiter, werde eine fragmentierte Versorgung vermieden und Leistungen rationeller und effizienter erbracht. An jeder Stelle dieses Verfahrens seien Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit notwendig und das Vorgehen solle für alle Beteiligten geklärt und transparent sein. Alle Maßnahmen seien gezielt aufeinander abzustimmen, so dass zu jeder Zeit, für jeden Fall, verfolgt, geprüft und evaluiert werden kann, was, wann und wo geschieht oder geschehen ist.[28]
Durch diesen effizienten, bedarfsgerechten und zeitlich aufeinander abgestimmten Gesamtprozess erreicht Case Management
- die Vermeidung unnötiger Krankenhausaufenthalte (ambulant vor stationär)
- die Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen
- die Verminderung aufwendiger und zum Teil unnötiger diagnostischer und stationärer Kosten.[29]
- Mit der Einführung erreicht Case Management zusätzlich
- eine verbesserte Versorgungsqualität
- eine Optimierung und Verkürzung des Behandlungsprozesses
- die Schaffung von transparenten Strukturen und Leistungen
- die Ausschöpfung eines vorhandenen Rehabilitationspotentials
- eine Stärkung des sozialen Umfelds insbesondere älterer Menschen
- die Vernetzung mit internen und externen Dienstleistern
- eine Sicherung der Selbständigkeit in der Lebensführung
- die Verhinderung bzw. Aufschiebung einer stationären Dauerpflege.[30]
Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen zeichnet sich also dadurch aus, dass die Aufgaben und Abläufe aller in der Patientenversorgung tätigen Professionen mit dem Ziel zu koordinieren sind, sämtliche Leistungen möglichst effektiv und effizient zu erbringen. Wendt definiert Effektivität dabei als Zielwirksamkeit eines Handelns und der Leistungsfähigkeit eines Dienstes. Hierbei gehe es darum, ob und in welchem Maße mit dem Handeln der gewünschte Erfolg eintritt. Es sei also wichtig, die richtigen Dinge zu tun. Unter Effizienz versteht Wendt die Ergiebigkeit eines Einsatzes. Hierbei gehe es darum, wie kostengünstig gearbeitet wird. Es sei also wichtig, die Dinge richtig zu tun.[31]
3.3 Kernelemente des Case Management
Um der Zielsetzung des Case Management gerecht zu werden, ist es erforderlich, sich mit dessen Kernelementen auseinander zu setzen. Für den Krankenhausbereich sind nach Wißmann die nachfolgenden acht Kernelemente zu erfüllen.
Festlegung, welche Probleme mit Hilfe von Case Management gelöst werden können.
Bei der Einführung von Case Management ist es erforderlich, dass durch den Träger der Einrichtung festgelegt wird, welche Probleme mit Hilfe von Case Management zu lösen sind. Hierbei sind die Problemstellungen zu analysieren und ein Bezug zum Case Management herzustellen.
Indikation von Case Management.
Die Indikation von Case Management erfordert eine große Problemkomplexität und das Zusammenwirken von mehreren Disziplinen und Professionen, die zu koordinieren sind.
Entwicklung einer Struktur auf Systemebene.
Für Case Management ist eine Struktur auf Systemebene zu entwickeln. Auf dieser Ebene umfasst Case Management die Gesamtheit der Steuerungsleistungen und Einzelverfahren, die innerhalb des Gesamtunternehmens aufeinander abzustimmen sind.
Regelkreis des Case Management einhalten.
Der Regelkreis des Case Management ist konsequent, vollständig, fallorientiert und ressourcenorientiert einzuhalten.
Fallintervention und Fallverantwortlichkeit.
Case Management setzt eine kontinuierliche Fallintervention und Fallverantwortlichkeit voraus.
Querintervention zu segmentierten Dienstleistungen.
Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen sind segmentiert und fragmentiert. Case Management soll diskontinuierliche Versorgungsabläufe, unabhängig voneinander erbrachte Dienstleistungen und nicht miteinander verbundene Versorgungsbereiche verhindern.
Zeitliche Begrenztheit.
Eine Case Management-Intervention ist zeitlich begrenzt.
Qualitätssicherung
Der Case Management Prozess ist unter Berücksichtigung der Qualitätssicherung zu erbringen und zu dokumentieren.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zunächst festzulegen ist, welche Probleme mit Hilfe von Case Management gelöst werden sollen. Die Umsetzung von Case Management setzt eine genaue Indikation sowie die Entwicklung einer Struktur auf Systemebene voraus. Der Regelkreis des Case Management ist konsequent einzuhalten, wobei die CM die Fallverantwortung trägt und quer zu segmentierten Dienstleistungen und Strukturen agiert. Case Management ist zeitlich begrenzt und der Prozess ist unter Berücksichtigung der Qualitätssicherung zu erbringen und zu dokumentieren.
Laut Wißmann kann nur dann von einem Case Management gesprochen werden, wenn alle acht Kernelemente gleichermaßen erfüllt werden.[32] Die Kernelemente sind bei der Implementierung eines Case Management also unbedingt zu berücksichtigen.
3.4 Case Management im Krankenhaus
Das Interesse an Case Management ist vielfältig und die Frage, ob und wie Case Management zu organisieren ist, findet immer größere Beachtung. Hierbei muss den Verantwortlichen eines Krankenhauses bewusst sein, dass die Implementierung des Konzeptes nur durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen möglich ist und somit in der Regel eine Strukturveränderung auf der Makroebene, der Mesoebene und der Mikroebene voraussetzt (vgl. Abb.1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: „ Realisierungsebenen von Case Management“[33]
Auf der Makroebene , der gesellschaftlichen oder politischen Ebene, geht es um den Umgang mit finanziellen Rahmenbedingungen. Auf dieser Ebene hat Case Management einen politischen Auftrag. Ziel ist eine bedarfsgerechte Steuerung der Versorgungssysteme. Case Management wird herangezogen um die Leistungserbringung möglichst effektiv und effizient zu gestalten. Gleichzeitig sind die Versorgungsqualität und die Angemessenheit der erbrachten Leistungen von Bedeutung.
Auf der Mesoebene , der Ebene der Dienstleistungsorganisation, liegen die unterschiedlichen Organisationsstrukturen und Organisationskulturen im Fokus des Interesses. Auf dieser Ebene erfolgt Case Management als eine Kombination von Fall- und Systemsteuerung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Versorgung bedarf einerseits eines klaren Auftrags der Institution entsprechend der Strategien, Konzepte, Strukturen, Arbeitsabläufe sowie Mittel und andererseits der externen Kooperation und Koordination der Dienstleistungsanbieter.
Auf der Mikroebene , der Ebene des Patienten und seines Umfeldes, werden Prozesse und Mitarbeiter als Gegenstand der Arbeitsorganisation betrachtet. Diese Ebene ist gekennzeichnet durch den Aufbau und die Steuerung von Unterstützungsnetzen sowie die Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem Patienten. Case Management wird praxisorientiert und flexibel der jeweiligen Situation angepasst und führt zur Deckung des individuellen Bedarfs. Die CM ist verantwortlich für die Kontinuität und Intervention der Prozesse.
Im Idealfall ist Case Management auf allen drei Ebenen umgesetzt.[34] Neben Methoden individueller Fallsteuerung (Mikro-Ebene) und einer Strategie zur Optimierung organisatorischer Abläufe (Meso-Ebene), dient Case Management der Erfüllung vorgegebener gesundheits- und sozialpolitischer Zielsetzungen (Makro-Ebene).[35]
Die Implementierung von Case Management erfolgt im Krankenhaus zunächst auf der Systemebene und danach auf der Einzelfallebene. Die Systemebene umfasst dabei die Vernetzung von Dienstleistungsanbietern. Das bedeutet, dass innerhalb eines Netzwerkes standardisierte Kooperations- und Koordinationsstrukturen aufeinander abzustimmen sind. Zu einem Netzwerk gehört, dass ein gemeinsames Ziel formuliert ist und sich alle Beteiligten als unverzichtbare Bausteine verstehen, die integriert zusammenarbeiten.[36]
Barden beschreibt, dass diese Forderung durch eine vernetzte Versorgungsstruktur unterschiedlicher Leistungsangebote und Einrichtungen zu verwirklichen sei. Hierbei seien zwei Ebenen der Kooperation zu unterscheiden:
- Bei der primären Vernetzung geht es um die Arbeit mit dem Patienten oder mit Personen im sozialen Umfeld des Patienten. Speziell geht es hierbei um die auf den individuellen Patienten bezogene Zusammenarbeit aller an der Pflege und Behandlung des Patienten beteiligten Personen. Dabei ist sicherzustellen, dass die unterschiedlichen medizinischen, pflegerischen und rehabilitativen Angebote ineinander greifen und ein Austausch zwischen allen Beteiligten gewährleistet ist.
- Bei der sekundären Vernetzung geht es um die Entwicklung einer regionalen Versorgungsstruktur. Konkret geht es hierbei um die Zusammenarbeit der Institutionen und ihrer Träger. Ziel ist es, durch eine regionale Versorgungsstruktur Angebot und Nachfrage so aufeinander abzustimmen, dass Versorgungsdefizite oder Versorgungslücken erkannt und behoben werden. Der Patient erhält hierdurch Hilfe und Unterstützung, sich in dem Labyrinth von Einrichtungen und Angeboten zurecht zu finden.
Die primäre und sekundäre Vernetzung stehen in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander, d.h., eine dauerhafte und effektive Zusammenarbeit gelingt nur, wenn beide Ebenen berücksichtigt werden.[37]
Im Bereich des Krankenhauses, so Fischer, betrifft dieses beispielsweise die Koordination zwischen Stationen, Funktionsbereichen oder Laboruntersuchungen. Über das Krankenhaus hinaus kann dieses beispielsweise das Zusammenspiel zwischen ambulanten Pflegediensten, Physiotherapeuten, Hausarzt, niedergelassenen Fachärzten und dem Krankenhaus sein. Die CM ist für den effektiven Ablauf sowie die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den einzelnen Disziplinen und Professionen verantwortlich.[38]
In der Praxis deutscher Krankenhäuser findet die Anwendung von Case Management vielfältig und sehr unterschiedlich statt. Löcherbach ermittelte vier Case Management Anwendungen, die er in folgender Weise systematisiert.
- Case Management als eye-catcher wird auch als Türschild-Case Management bezeichnet, d. h., es wird nur dem Namen nach angewendet. Löcherbach kritisiert dieses, da bestehende Abläufe und Verfahren ungeprüft als Case Management bezeichnet und Begrifflichkeiten wie Vernetzung, Verlinkung, Fallsteuerung und Fallmanagement mit Case Management in Beziehung gebracht werden. So werden beispielsweise in der Praxis Visitenkarten mit der Aufschrift CM herausgegeben, ohne dass ein entsprechender Qualifikationsnachweis vorhanden ist.
- Case Management als Ergänzung zu vorhandenen Konzepten ist häufig in der Praxis anzutreffen. Hierbei werden einzelne Elemente aus dem Case Management zur systematischen Verbesserung der Praxis eingesetzt. In der Praxis wird beispielsweise ein umfangreiches Assessment eingeführt oder ein Monitoring nach dem Case-Management-Verfahren implementiert. Andere methodische Schritte oder Verfahrensabläufe bleiben allerdings unberührt.
- Beim Case Management als Fallmanagement erfolgt in der Fallarbeit ein Vorgehen nach dem Case-Management-Regelkreis, wobei dieser mit bestehenden Konzepten verbunden wird. Die Anforderungen der Systemebene bleiben weitgehend unberücksichtigt. In einer Vielzahl von Einrichtungen ist dieses Verfahren zunehmend vorgesehen.
- Beim Case Management als vollständige Implementierung wird der Handlungsansatz des Case Management in der Fall- und der Systemsteuerung implementiert. Die direkte Arbeit mit dem Patienten und die Netzwerkarbeit wird nach dem Case-Mangement-Verfahren umgestellt.
In der Praxis sind Case Management Anwendungen im medizinischen, pflegerischen und sozialen Bereich zu finden. Eine genaue Zuordnung ist jedoch nur ansatzweise möglich, da Case Management über mehrere Versorgungsbereiche arbeitet.[39]
[...]
[1] Vgl. Bücker, 2005, S. 9 f
[2] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in der Arbeit die Formulierungen Patient, Pflegende, Mitarbeiter, Case Managerin, Primary Nurse und Associated Nurse verwendet. Weibliche Formulierungen schließen dabei Männer mit ein und umgekehrt.
[3] Vgl. Fischer, 2004, S. 275
[4] Vgl. Vetter/Hoffmann, 2005, S. 2
[5] Vgl. Ewers/Schaeffer, 2005, S. 10 f
[6] Vgl. Wendt, 2001, S. 32 ff
[7] Vgl. ebenda, S. 37 f
[8] Vgl. ebenda, S. 31
[9] Vgl. Haubrock/Hagemann/Nerlinger, 2000, S. 45
[10] Vgl. Vetter/Hoffmann, 2005, S. 135
[11] Vgl. Wendt, 1995, S. 56
[12] Vgl. Neuffer, 2005, S. 19
[13] Vgl. Löcherbach u.a., 2002, S. 13
[14] Vgl. Pape/Rosenbaum/Bostelaar, 2006, S. 31
[15] Vgl. Ewers/Schaeffer, 2005, S. 8
[16] Vgl. Wendt, 2001, S. 154
[17] Vgl. Schoch u.a., 2000, S. 768
[18] Vgl. Wermke u.a., 2005, S. 840
[19] Vgl. Schoch u.a., 2000, S. 730
[20] Vgl. Ersser/Tutton, 2000, S. 5
[21] Vgl. Andraschko, 1996, S.4
[22] Vgl. Schlettig/Heide, 1995, S. 10
[23] Vgl. Kellnhauser, 1998, S. 634
[24] Vgl. Wendt, 2001, S. 14 ff
[25] Vgl. Galuske, 2003, S. 201 f
[26] Vgl. Grossmann, in: Porz/Erhardt u.a., 2003, S. 27
[27] Vgl. Wendt, 2001, S. 83
[28] Vgl. Löcherbach u.a., 2002, S. 13
[29] Vgl. Fries in: Löcherbach u.a., 2002, S. 103
[30] Vgl. Lüthi, 2006, S. 20
[31] Vgl. Wendt, 2001, S. 46
[32] Vgl. Wißmann, in: Zippel/Kraus, 2003, S. 122 ff
[33] Abbildung entnommen aus: Wendt in: Wendt/Löcherbach, 2006, S. 5
[34] Vgl. Wendt in: Wendt/Löcherbach, 2006, S. 5 f
[35] Vgl. Wendt, 2001, S. XVI
[36] Vgl. Ribbert-Elias in: Wendt/Löcherbach, 2006, S. 141 f
[37] Vgl. Barden, 1998, S. 286
[38] Vgl. Fischer, 2004, S. 276
[39] Vgl. Löcherbach, 2003, S. 20 ff
- Arbeit zitieren
- Karin Christian (Autor:in), 2007, Case Management und Primary Nursing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92013
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