Lokale Kompetenz - Der Markt der Regional- und Lokalzeitungen in Deutschland


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte der Lokalberichterstattung
2.1 Beispiel: Die Lokalzeitungsgenese in Württemberg seit Anfang 1800

3. Der Charakter von Regionalzeitungen
3.1 Exkurs: Der Weg der Pressefreiheit in Deutschland
3.2 Funktionen lokaler Presse
3.3 Inhalte von Lokalzeitungen

4. Pressekonzentration von lokalen Zeitungen
4.1 Aktueller Stand der Pressekonzentration in Deutschland

5. Der Lokalzeitungsmarkt Deutschland

6. Fazit

7. Literatur

Anhang

1. Einleitung

Sandner ganz oben - Clinton ist geknickt. Mit überraschtem Siegerlächeln landete der neue Rebdorfer Realschulrektor in der Kopfzeile der Titelseite des Eichstätter Kuriers vom 6. März 2008, während der amerikanischen Präsidentschaftsanwärterin auf dem Seitenfalz die Mundwinkel heruntergezogen wurden.

Betrachtet man diese sicher nicht zufällige Platzierung zweier Wahlsieger, so spiegelt sich darin die thematische Bedeutungshierarchie einer Lokalzeitung wider. Über dem Lokalen steht nur der Titel der Zeitung und darunter folgen die Themen, die jede Tageszeitung zwischen Flensburg und Konstanz bespricht. Damit steht diese zufällig gewählte Titelseite des Eichstätter Kuriers stellvertretend für die Leserprioritäten in Deutschland: im Jahr 2003 wurde an erster Stelle der Lokalteil zu 83 Prozent immer gelesen, dagegen gaben die Leser an, nur zu 69 Prozent Berichte über Innenpolitik und zu 60 Prozent außenpolitische Belange immer zu lesen[1] (Abbildung 1).

Die lokale Kompetenz, wie bereits im Titel der Arbeit formuliert, sucht sich Themen im lokalen Raum, der anderen Medien weitgehend verschlossen ist und findet Leser, die sich über ihr Lebensumfeld informieren wollen. Noch bevor es national verbreitete Blätter gab, entstanden die ersten publizierten gedruckten Schriftstücke separat an vielen kleinen Orten. Wie es dazu kam, dass zuerst ausschließlich Ereignisse außerhalb des Ortes aufgefasst wurden und erst später auch über „Hiesiges“ berichtet wurde, ist Gegenstand des zweiten Kapitels.

Daran schließt sich das Missbrauchpotenzial der Zeitung als Meinungsplattform an. So vollzieht sich die Geschichte der Presse mäandernd zwischen Propaganda und gesetzlicher Pressefreiheit. Im dritten Kapitel wird erörtert, welche theoretische Funktionen eine freie Presse zu erfüllen hat und woran es bei deren Umsetzung noch mangelt.

Ob inhaltliche Defizite monokausal dem verlegerischen Willen angelastet werden können, oder ob nicht auch strukturelle Gegebenheiten tendenziösen Journalismus begünstigen, wird im vierten Kapitel betrachtet, wenn Pressemonopole in Deutschlands Städten, sowie den dazwischenliegenden Landschaften nachvollzogen werden. Abschließend wird der deutsche Regionalzeitungsmarkt statistisch beschrieben, sowie an den Eckpunkten in den historischen Kontext des Nachkriegsdeutschland gepackt.

Abgerundet wird das Thema mit einem Ausblick, wie die Verlage versuchen, sich am digitalen Gegenwind auszurichten, um mit den eigenen Segeln wieder Fahrt aufzunehmen.

2. Geschichte der Lokalberichterstattung

Die publizistischen Anfänge in Deutschland reichen bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts zurück, als wichtige Ereignisse des „bürgerlichen Lebens, Stadtneuigkeiten [sowie] Mord- und Klatschgeschichten“ (Jonscher 1995: 86) zunächst in Flugblättern abgedruckt wurden. Der Unregelmäßigkeit der Ereignisse folgend, erschienen die „fliegenden Blätter“ (ebd.) je nach Anlass. Mit der Aufnahme der öffentlichkeitsrelevanten Themen und deren Publikation, zum Beispiel auf Marktplätzen, wurden zwei der heutigen Kriterien für eine Zeitung erfüllt, die Aktualität und die Publizität (ebd.). Bis Anfang des 17. Jahrhunderts evolutionierten sich die monothematischen und unregelmäßigen Blätter zu periodisch erscheinenden „Meßrelationen“ (ebd.), die eine größere Bandbreite an Themen aufweisen konnten. Insofern stimmten sie in den Charakteristika heutiger Zeitungen Aktualität, Publizität, Universalität und Periodizität bereits überein (ebd.). Die 1650 in Leipzig herausgegebene „Einkommenden Zeitungen“ (ebd.: 88) markiert den Anfang als „die erste bekannte Tageszeitung der Welt“ (ebd.). In der Folge gab es bis Ende des 17. Jahrhunderst 250.000 Leser von etwa 60 solcher Zeitungen. Abgesehen davon, dass sie die vier Charakteristika erfüllten, waren die Blätter allerdings in ihrer Sprache noch verbesserungswürdig (vgl. Zitat nach Jonscher 1995: 87).

Obwohl der Zeitungsmarkt prosperierte, so war er für einen hauptberuflichen Journalisten noch nicht sättigend. Die Verleger im heutigen Sinne waren deshalb zunächst Postkutscher und Buchdrucker, die nebenberuflich die Zeitungen publizierten. Beide Berufe hatten die besten Bedingungen für diese Tätigkeit, da einerseits der Postkutscher Kontrolle über die Distribution hatte und andererseits verfügte der Buchdrucker über die Produktionsressourcen (ebd.: 88). Inhaltlich waren die Artikel geprägt von einer, im Wortsinne, unkritischen „Hofberichterstattung“, da die Auftraggeber hinter den Publikationen häufig die herrschenden Fürsten waren (ebd.: 87).

Ihrer Bestimmung nach, die Öffentlichkeit zu informieren, mussten die Zeitungen so gestaltet sein, um beim einzelnen Leser auch Interesse zu wecken. Deshalb wurden im Spannungsfeld zwischen „höflicher“ Berichterstattung und bürgerlicher Leserrelevanz, die Themen zunächst außerhalb der örtlichen Lebenswelt gesucht. Sensationsmeldungen wie zum Beispiel Hexenverbrennungen, Wetterextreme und Verbrechensgeschichten (ebd.: 88) kamen damals dem nahe, was heutzutage unter dem Boulevardjournalismus titelt.

Eine lokale Berichterstattung war auch noch nicht notwendig, da die Menschen in überschaubaren Netzwerken lebten, in denen wichtige Meldungen mündlich oder per Anschlag zeitnah kommuniziert werden konnten (ebd.: 89). Eine regionale Berichterstattung kultivierte sich erst, als die Städte anwuchsen und der Handel mit entlegeneren Gebieten um die Wende des 17. Jahrhunderts aufblühte.

2.1 Beispiel: Die Lokalzeitungsgenese in Württemberg seit Anfang 1800

Der Effekt, dass sich die Gesellschaft ausdehnte und im Gegenzug sich die Publizistik lokalisierte, soll beispielhaft an der Entwicklung des Zeitungswesens in Württemberg dargestellt werden. Zwar erlebte die Lokalpresse dort, im Vergleich zu anderen Zeitungen im damaligen Deutschland, in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts (Ströbele 1990: 15) erst verspätet ihre Geburt, jedoch veranschaulicht sich hier das Prinzip hinter der Entstehung von lokaler Zeitungen.

Mit der „lockere[n] internationale[n] Verknüpfung der Märkte“[2] (ebd.) verlor die ansässige Subsistenzwirtschaft an Bedeutung. Dies hatte zur Folge, dass sich die Lebenswelt der Menschen hier, und die Arbeitswelt dort voneinander entkoppelten. Von der Arbeitssuche getrieben, folgten die Landbewohner dem wirtschaftlichen Trend in die städtischen Handelszentren, welche wegen dieser Sogwirkung anschwollen.. Einhergehend mit der steigenden Bevölkerungszahl in den Städten, sank für die Menschen die Übersichtlichkeit und direkte Erfahrbarkeit der städtischen Öffentlichkeit. Die Anonymität des Einzelnen nahm zu und die Bürger entwickelten sich tendenziell zu Privatpersonen, die ein Medium brauchten, welche ihre isolierte Lebenswelt mit dem sich ständig weitenden Informationshorizont verknüpft (ebd.: 16). Dem entsprechend spannte sich rasch ein Netz von Zeitungen über das damalige Königreich Württemberg. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde annähernd jedes Jahr mindestens eine Zeitung neu verlegt, in der Spitze 1837 entstanden sogar neun neue Blätter[3]. Diese Zeitungen waren zunächst „Intelligenzblätter“[4] genannt, die als Anzeigenblätter eine Plattform für Gebote und Gesuche aus Wirtschaft, Arbeit und Privatem waren (Jonscher 1995: 90f.). In zweiter Generation entstanden schließlich Zeitungen die auch politische Inhalte thematisierten. Die Zeitungsverleger sahen ihre Chronistenpflicht zum Beispiel darin, denjenigen darüber zu benachrichtigen, was er in Verkündigungen des Bürgermeisters verpasst hatte[5]. Der Lokalbezug wurde dabei zum wichtigsten thematischen Standbein der Zeitungen. Denn während internationale Nachrichten in beliebigen Blättern wiedergefunden werden konnten, hatten die Lokalen die Informationsvormacht im unmittelbaren Umfeld der Leser. Wie existenziell die lokale Themenausrichtung für die Zeitungen war, zeigt das Beispiel des „Württembergische[n] Landblatt[s]“, welches vermutlich wegen einer zu allgemeinen Ausrichtung, nach einem halben Jahr wieder schließen musste. Mehr Beständigkeit wiesen dagegen die Blätter auf, die die Rubrik „Hiesiges“ aufführten, wie zum Beispiel die „Ulmer Chronik“ (ebd.: 23).

Neben lokaler Berichterstattung entwickelte sich das Anzeigengeschäft zur „zweite[n] Stütze“ (ebd.: 20) der Blätter: „Die Zeitungen avancierten zum wichtigen Hilfsmittel, um die nicht mehr unmittelbar für den Kunden produzierten Waren umzusetzen.“ (ebd.). In diesem Punkt gleichen die ersten Lokalzeitungen in einer wesentlichen Funktion den Heutigen, für die das Anzeigengeschäft, um im Duktus zu bleiben, die erste Stütze bildet (Pürer, Raabe 2007: 299).

Doch die damaligen Zeitungen unterschieden sich in einem charakteristischen Punkt von den Lokalteilen der neuesten Generation. Auch wenn die Berichterstattung die Ambition hatte „[ein ] Spiegel des hiesigen Lebens und Treibens zu sein“[6], so stand die Färbung der Inhalte stets unter der Fuchtel der Obrigkeit (Ströbele 1990: 26).

[...]


[1] Siehe Anhang für Abbildungen, S. 17

[2] Handelsverträge des württembergischen Zollvereins mit Bayern und Hohenzollern 1828 und Preußen-Hessen 1829. vgl. Ströbele 1990: 15, Fußnote 19

[3] vgl. Grafik in: ebd.: 17

[4] lat. intellegere = einsehen (Jonscher 1995: 89)

[5] vgl. Zitat in: Ströbele 1990: 18f.

[6] vgl. Zitat in: Ströbele 1990: 26

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Lokale Kompetenz - Der Markt der Regional- und Lokalzeitungen in Deutschland
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt  (Lehrstuhl für Journalistik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V92030
ISBN (eBook)
9783638054447
ISBN (Buch)
9783638946391
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lokale, Kompetenz, Markt, Regional-, Lokalzeitungen, Deutschland
Arbeit zitieren
Eric Placzeck (Autor:in), 2008, Lokale Kompetenz - Der Markt der Regional- und Lokalzeitungen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92030

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