In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, wie im Roman "Karte und Gebiet" Wirklichkeitseffekte im strukturalistischen Sinn erzeugt werden. Zur Unterstützung der Argumentation dient ein Exkurs zur Theorie des "Wirklichkeitseffektes" nach Roland Barthes. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit stellt die Analyse der romanimmanenten Reflexion über die Funktion von Kunst und Literatur dar. Auch eine Einordnung von "Karte und Gebiet" im theoretischen Feld der Gegenwartsliteratur und die Bestimmung der gesellschaftlichen Relevanz wird in der Arbeit vorgenommen.
Laut Brinkmann hat "[d]as Problem des Realismus […] eine sehr lange und ziemlich komplizierte Geschichte". Und durchaus ist eine Begriffsbestimmung des Realismus in wenigen Sätzen nicht möglich, denn die Diskussion darüber ist lang und hat bis heute kein Ende gefunden. Bereits in der Antike tauchten bei Aristoteles Gedanken über die Abbildung des Realen in Form von "Mimesis" der Welt als Ideal von Kunst und Literatur auf. Den Höhepunkt realistischer Schreibweisen kann man im 19. Jahrhundert verorten, in dem der Begriff des Realismus zum Namen einer ganzen Epoche wurde.
Exemplarisch für die Epoche des Realismus ist das Werk "La comédie humaine" von Honoré de Balzac, aus dem zugleich die Anfänge des modernen Schreibens hervorgingen. Schließlich hat Mitte des 20. Jahrhunderts der (Post-)Strukturalist und Semiologe Roland Barthes innerhalb der Realismusdebatte bedeutendes geleistet, indem er die Diskussion über die Darstellung einer "realen Welt" hin zum Illusionscharakter von Wirklichem in Literatur und Kunst gelenkt hat.
Die realistische Programmatik verlor allerdings im Laufe des 20. Jahrhundert vorübergehend an Relevanz. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde die Diskussion aber erneut aufgegriffen und wird aktuell vor allem auf philosophischer und literaturwissenschaftlicher Ebene hinsichtlich eines "neuen Realismus" verstärkt thematisiert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Exkurs: Zum l'effet de réel nach Roland Barthes
- Michel Houellebecqs Karte und Gebiet und der Wirklichkeitseffekt
- Über die Erzeugung und Zerstörung von Realitätsillusionen
- Neue,Realismen' in Karte und Gebiet im Kontext aktueller Tendenzen der Gegenwartsliteratur
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, wie Michel Houellebecq in seinem Roman Karte und Gebiet Wirklichkeitseffekte erzeugt und damit die Illusion von Realität beim Leser herstellt. Im Zentrum der Analyse steht die Theorie des "Wirklichkeitseffektes" von Roland Barthes, die als Grundlage dient, um zu untersuchen, wie Literatur trotz ihres fiktionalen Charakters eine "reale Welt" imitieren kann. Der Fokus liegt dabei auf der Erörterung der romanimmanenten Reflexion über die Funktion von Kunst und Literatur in der Gegenwart und wie Houellebecqs Werk in den Kontext aktueller "neuer Realismen" einzuordnen ist.
- Der "Wirklichkeitseffekt" von Roland Barthes als analytisches Instrument
- Die Erzeugung von Wirklichkeitsillusionen in Houellebecqs Karte und Gebiet
- Die Rolle von Kunst und Literatur in der gegenwärtigen Gesellschaft
- Die Einordnung von Karte und Gebiet in den Kontext aktueller realistischer Schreibweisen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und beleuchtet die lange und komplizierte Geschichte des Realismus in der Literatur. Der Exkurs im zweiten Kapitel befasst sich mit Roland Barthes Theorie des "Wirklichkeitseffektes" und seiner Bedeutung für das Verständnis von Fiktionalität in der Literatur. Das dritte Kapitel konzentriert sich auf die Analyse von Houellebecqs Karte und Gebiet. Im Abschnitt 3.1 wird untersucht, wie im Roman Wirklichkeitseffekte durch die Nennung von Orten, Personen und dem Bezug auf die Romanfigur Houellebecq erzeugt werden. Anschließend wird die romanimmanente Reflexion über die Funktion von Kunst und Literatur behandelt, die die Annahmen der Arbeit stützt. Im darauffolgenden Abschnitt 3.2 wird versucht, den Roman im Kontext aktueller realistischer Schreibweisen zu verorten. Es wird gezeigt, dass Karte und Gebiet zwar einzigartig ist, aber dennoch den Tendenzen der Gegenwartsliteratur entspricht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Realismus, Wirklichkeitseffekt, Fiktionalität, Gegenwartsliteratur, Michel Houellebecq, Karte und Gebiet, Roland Barthes, Semiologie, Kunst und Literatur, zeitgenössische Poetik, "neue Realismen" und die Rolle von Literatur in der heutigen Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Viktoria Merk (Autor:in), 2018, Michel Houellebecqs "Karte und Gebiet" und der Wirklichkeitseffekt nach Roland Barthes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/920525